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Veränderung

von Gabi

I-2 - Auf der Flucht

I-2 Auf der Flucht

Das Klopfen war kurz und heftig. Kira fuhr im gleichen Moment aus dem Schlaf, als die Tür aufgerissen wurde. Instinktiv wollte sie nach ihrer Waffe greifen. Einen verwirrten Augenblick keimte Panik in ihr auf, weil sie diese nicht finden konnte, und sich auch nicht daran erinnern konnte, wo sie sich befand. Dann hörte sie Bareils müde Stimme neben sich.

„Was ist los?“

„Vedek, steht auf! Soldaten sind da. Sie suchen nach einer schwangeren Terroristin!“

Sofort war auch Bareil hellwach. Er stellte das Licht an. In der Mitte des Raums stand sein Assistent, Prylar Tan, mit Kiras Kleidern und ihrem Phaser. Der Vedek griff danach und warf sie ihr zu. Dann sprang er aus dem Bett und packte seine Hose.

„Wo sind sie?“ fragte er, während er den Gürtel festschnallte. Hinter ihm fluchte Kira leise, weil ihr Hemd sich über ihren geschwollenen Brüsten nicht mehr so leicht schließen ließ.

„Kai Opaka versucht sie aufzuhalten, aber ich glaube nicht, dass das lange gut geht. Ich habe gehört, wie sie sagten, dass sie jeden Stein umdrehen wollten.“

„Verdammt!“ zischte Kira, jetzt völlig angezogen. „Ich dachte, sie hätten mich vergessen.“ Sie blickte sich hastig im Raum um. „Wie komme ich hier am schnellsten heraus?“

Bareil hatte einen Schrank aufgerissen, streifte sich ein Hemd über und griff nach einer Jacke. „Warte einen Moment, ich bringe dich hinaus“, er wandte sich wieder an den Prylar. „Versuch etwas Brot und Wasser zu besorgen und triff uns am Ostausgang.“

Der Prylar eilte zur Tür hinaus.

Kira stand etwas unsicher auf den Beinen. Sie beobachtete Bareil, wie er das Baby aus dem Korb hob. Die Kleine schien sich unschlüssig darüber zu sein, ob sie angesichts dieser Ruhestörung schreien sollte oder nicht. Aber sie beschloss, den Mann zu mögen und schwieg für den Moment.

„Kann ich sie nicht hierlassen?“ fragte Kira gereizt.

Bareil fasste sie am Arm und zog sie in den anderen Raum hinüber. „Ich möchte nicht, dass sie ihren Zorn an ihr auslassen, wenn sie dich nicht finden können.“

Im Vorbeigehen verstaute er die Milchflaschen in seinen Jackentaschen. Dann öffnete er vorsichtig die Türe. Der Gang vor seinem Zimmer war leer - solange, bis er einen Schritt hinaustrat. In diesem Augenblick umrundeten zwei bewaffnete Cardassianer die Biegung weiter unten. Bareil sprang augenblicklich zurück.

„Schnell!“ rief er Kira zu, während er schon wieder in sein Schlafzimmer hetzte.

Sie folgte ihm in der inständigen Hoffnung, dass er wusste, was er tat. Sie war ihm ja dankbar für seine Hilfe, aber sie glaubte, wesentlich besser alleine entkommen zu können. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie eine bewaffnete Patrouille, die sie jagte, in die Irre geführt hätte.

Als sie durch das Fenster in den Garten kletterten, hörten sie, wie die Tür zum Vorraum aufgestoßen wurde. In raschen Schritten liefen sie an der Klostermauer entlang, immer darauf bedacht, genügend Gebüsch zwischen sich und die anderen Seitenwänden des Klosters zu bringen.

„Wohin gehen wir?“ zischte Kira, als sie schweratmend neben Bareil stehenblieb. Sie kämpfte gegen den Wunsch an, sich hinzusetzen und auszuruhen.

Der Vedek hielt ihre Tochter dicht an seine Brust gepresst. „Das Kloster besitzt mehrere unterirdische Gänge, von denen wir hoffen können, dass die Cardassianer nichts von ihnen wissen. Wir werden versuchen, durch einen davon hinauszukommen. Er führt in die Berge hinauf.“

Kira nickte anerkennend. Es war gut zu wissen, dass auch die Klöster ihre Geheimnisse vor den Besatzern hatten. Sie setzten sich wieder in Bewegung. In der Deckung einiger blühender Büsche verließen sie die Klostermauer und huschten durch ein kleines Arboretum. Die starken Stämme der hohen Bäume verhießen ebenso guten Schutz wie das dichte Blätterwerk des Unterholzes. Zum ersten Mal schätzte Kira die viele Arbeit, welche die Mönche in die Pflege ihres geräumigen Gartens steckten. Durch vertrocknetes Gebüsch wäre ihre Flucht sehr viel schwieriger gewesen.

Wie verabredet erwartete der Prylar sie in einer Ecke des Klostergartens. Kira konnte weit und breit keinen Ausgang ausmachen. Während ihr Blick die Gegend absuchte, hörte sie mit halbem Ohr, wie der Prylar Bareil den Inhalt des Rucksackes erläuterte. Er hatte auch Windeln und Tücher für das Baby eingepackt. Kira fragte sich, ob denn alle Geistlichen immer gleich denken mussten? Ihr erster Impuls wäre gewesen, ihre Tochter im Kloster zu lassen. Aber Bareils Annahme konnte nur zu wahr sein. Die Soldatentruppen waren nicht aus den Männern aufgebaut, die vor der Quälerei von Kindern zurückschreckten. Als sie ihren Blick wieder den beiden Männern zuwandte, hatte Bareil den Rucksack schon auf der Schulter und das Baby in einem Tragetuch vor der Brust.

„Berichte Kai Opaka, dass ich versuche, Nerys in die Berge zu bringen. Wenn sie stark genug ist, alleine durchzukommen, werde ich zurückkehren.“

Kira wollte eben protestieren, dass sie sehr wohl jetzt schon alleine durchkommen würde, als Bareil sich niederkniete und einen Stein neben einem kleinen Teich berührte. Sofort löste sich die Illusion des Teiches auf und Treppenstufen kamen darunter zum Vorschein.

„Schnell, Nerys, dort hinunter.“

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Während der Prylar sich mit einem „Mögen die Propheten Euch leiten“ vor Bareil verneigte, stolperte sie schon die Stufen hinunter. Hinter sich hörte sie den Vedek nachkommen, dann schloss sich die Decke wieder über ihnen.

Die plötzliche Dunkelheit war dann aber doch zu viel für das Baby. Es begann zu quengeln. Erst leise, aber es wurde zunehmend lauter.

„Wir müssen hier weg, bevor es die Aufmerksamkeit der Cardassianer auf sich zieht.“ Bareil fasste Kira am Arm. „Kannst du rennen?“

Kira nickte tapfer. Sie fühlte sich schon wieder völlig erschöpft, aber das brauchte außer ihr niemand zu wissen. Gemeinsam begannen sie den Gang entlang zu rennen. Sie hatte nicht die leiseste Vorstellung, wohin er sie führte oder wie weit sie sich schon vom Kloster entfernt hatte. Ihr Bewusstsein war erfüllt mit dem immer lauter werdenden Weinen des Babys und dem aufkeimenden Impuls, ihm ein Stück Tuch über den Mund zu pressen. Es war unmöglich, sich vor den Soldaten in Sicherheit zu bringen, wenn man eine solch’ unbekannte Größe wie ein Baby bei sich hatte. Während Kira erneut begann, mit ihrem Schicksal zu hadern, strauchelte sie. Mit einem leisen Ausruf ging sie zu Boden. Ihre eigenen Beine mussten sie auch noch im Stich lassen!

Fluchend wollte sie sich wieder erheben, aber Bareil war schon neben ihr. „Nerys, bist du in Ordnung.“

„Natürlich“, gab sie gereizt zurück. Sie konnte es nicht ausstehen, schwach zu sein.

„Wir haben noch nichts gegessen. Und das Baby ist auch hungrig. Wir ruhen uns hier ein wenig aus.“ Damit nahm er den Rucksack vom Rücken.

„Bist du sicher, dass das ratsam ist?“ fragte Kira misstrauisch. „Sind wir schon weit genug entfernt vom Kloster?“

„Ich denke schon.“

„Du denkst schon? Das sind ja herrliche Aussichten!“

Bareil hob ihr eine Wasserflasche an die Lippen. „Nerys, du beginnst schon wieder, gereizt zu reagieren“, tadelte er sie.

Sie nahm ihm die Flasche ruckartig aus der Hand. „Ich bin überhaupt nicht gereizt!“ und trank mit großen Zügen. Danach fühlte sie sich besser. Bareil tauschte die Wasserflasche gegen Brot und Käse, was sie dankbar annahm. Kauend beobachtete sie den Vedek, wie er eine der Milchflaschen mit dem Tuch rieb.

„Was machst du da?“ wollte sie schließlich zwischen zwei Bissen wissen.

„Die Milch darf nicht zu kalt sein.“

Kira hatte es irgendwie geschafft, das weinende Baby aus ihren Gedanken zu verdrängen. Jetzt tat es ihr leid, dass sie nur an sich gedacht hatte. Sie beugte sich vor und nahm Bareil das Kind ab. „Sie kann bei mir trinken.“

„Fühlst du dich kräftig genug?“

Sie nickte, während sie schon dabei war, ihr Hemd zu öffnen. Kaum spürte die Kleine die warme Brust unter ihren Lippen, war alles Geschrei vergessen und sie gab sich ganz der neuen Beschäftigung hin.

Bareil rückte näher und legte Kira die Hand auf die Stirne. „Du fühlst dich aber an, als hättest du ein wenig Fieber.“

Sie schüttelte die Hand unwillig ab.

„Ich kenne ein kleines Gasthaus in der Nähe“, fuhr er unbeirrbar fort. „Wenn wir Glück haben, kommen die Soldaten nicht so schnell auf die Idee, dort zu suchen. Du kannst etwas Ruhe gebrauchen.“

Sie erwiderte nichts. Stattdessen meinte sie plötzlich: „Sie hat noch überhaupt keinen Namen.“

Bareil lächelte über den abrupten Themenwechsel. „Wie möchtest du sie denn nennen?“

Kira schüttelte den Kopf. „Nein. Wenn ich hier draußen bin, ist sie nicht mehr meine Tochter. Es ist deine. Gib du ihr einen Namen.“

Er streichelte Kiras Brust und das Gesicht des Babys in einer fließenden Bewegung. „Wenn ich darf, möchte ich sie wie dich nennen: Nerys.“

„Ist das nicht ein wenig albern?“ Kira runzelte die Stirn.

„Nein, das finde ich nicht. Sie ist das, was mir von dir bleiben wird, also finde ich es nur passend, dass sie deinen Namen trägt.“

Kira zuckte mit den Schultern. Dann beugte sie sich ein wenig über das kleine Gesicht hinunter. „Nerys, Bareil Nerys“, flüsterte sie leise. Sie blickte wieder auf und lächelte Bareil an. „Ich glaube, sie mag den Namen.“

„Mit Sicherheit“, bestätigte der Vedek. Er beugte sich vor und nahm Kira das Kind wieder behutsam ab. „So, meine kleine Nerys, jetzt wirst du aber schweigen, bis wir aus diesem Gang heraus sind, verstanden?“

Er und das Baby starrten sich eine kurze Weile an, und Kira konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie untereinander ein schweigendes Übereinkommen geschlossen hatten. Sie lachte leise, als sie aufstand und beschloss - zum wievielten Mal? - dem Schicksal und ihren beiden Begleitern gegenüber etwas dankbarer zu sein.

Tatsächlich verlief der Rest der unterirdischen Reise ruhig. Kira schätzte, dass sie eine Stunde lang in die gleiche Richtung gelaufen waren. Immer wieder waren Seitengänge vom Hauptkorridor abgebogen, aber Bareil war der Meinung, dass sie so nicht weit genug vom Kloster entfernt wieder an die Oberfläche kämen. Die Cardassianer würden zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich schon die Gegend nach ihnen absuchen. Sie hoffte, dass die Soldaten ihre Wut über die Flucht nicht am Kloster ausgelassen hatten. Sogar Cardassia hatte in seiner Ignoranz erkannt, welche Bedeutung der Religion auf Bajor zukam. Solange die Besatzer den Geistlichen einen kleinen Sonderstatus einräumten, war das Volk leichter ruhig zu halten. Es wäre nicht auszudenken, was passierte, wenn die Nachricht durchdringen würde, dass gar der Kai etwas geschehen wäre. Kira hielt viele ihrer Landsleute für ausgesprochene Feiglinge - im Prinzip so ziemlich jeden, der nicht eindeutig mit der Widerstandsbewegung sympathisierte. Aber sogar sie war sich sicher, dass der letzte Feigling aufstehen würde, wenn es um die Person der Kai ging. Aus diesem Grund fand man auch niemals Geistliche bei der Erzverarbeitung oder in den Arbeitslagern. Es war nicht so, dass die Cardassianer davor Halt machen würden, einen einzelnen Geistlichen, dessen sie habhaft werden konnten, zu foltern oder zu töten. Oh nein, beileibe nicht. Aber sie machten es stets äußerst diskret.

Kira brachte sich mit diesen Gedanken schon wieder in Rage und reagierte daher gereizt, als sie plötzlich an Bareils Rücken prallte.

„Was soll das?“ fluchte sie.

Der Vedek wandte sich um. „Wolltest du nicht deinen Tonfall ändern?“ fragte er sie verwundert.

„'Tschuldigung“, murmelte Kira. „Ich war in Gedanken...“

„Das habe ich gemerkt“, er streifte die Trageschlinge von seinen Schultern. „Ich hatte gesagt, dass wir hier warten sollten, bis die Sonne tiefer steht.“

„Oh?!“ Kira hatte ihn eindeutig nicht gehört, sie lenkte schnell vom Thema ab. „Wo sind wir jetzt?“

„Vor uns ist das Ende des Hauptkorridors. Der Sensor für die Tür ist hier drüben.“ Er deutete auf einen Stein, der für Kira aussah wie ein Dutzend andere in der Umgebung auch. „Der Ausgang liegt am Fuß der Berge.“

„Was ist er dieses Mal?“ wollte sie wissen.

„Ein Felsbrocken. Daher sollten wir die Dämmerung abwarten, denn es sieht reichlich auffällig aus, wenn er plötzlich verschwindet.“

Kira setzte sich an die Höhlenwand. „Was passiert, wenn jemand versucht, den Felsen wegzubewegen? Wenn ein Steinschlag kommt und ihn zudeckt? Wenn Sturm oder Regenstürze ihn wegwaschen?“

Bareil ließ sich neben ihr nieder. Im fluoreszierenden Dämmerlicht des unterirdischen Korridors sah sie ein verlegenes Lächeln sein sonst so ernstes Gesicht aufhellen. „Frag' mich das nicht, Nerys. Das ist Technik... und ich muss gestehen, dass ich davon sehr wenig Ahnung habe.“

Sie lachte und lehnte den Kopf an seine Schulter. „Wie schafft ihr es eigentlich, im Kloster zu überleben?“ bemerkte sie scherzhaft. „Ihr überrascht mich immer wieder.“

Er legte ihr den Arm um die Schultern. „Oh, andere wissen sehr wohl Bescheid“, verteidigte er die Ehre des Ordens. „Prylar Tan zum Beispiel ist ein wahres Genie mit technischen Geräten.“

„Und du?“ bohrte sie nach. „Womit kennst du dich gut aus?“

Er schien eine kurze Weile zu überlegen, dann fasste er sie mit beiden Händen unter den Schultern und legte sie mit dem Oberkörper in seinen Schoß. „Ich bin für die Frauen zuständig, die von Zeit zu Zeit verletzt im Kloster auftauchen.“

„Und du meinst nicht, dass du das manchmal übertreibst?“ lachte sie.

Der Vedek beugte sich über ihr belustigtes Gesicht hinunter. Er verstummte ihr Lachen mit einem tiefen Kuss.

„Nur bei dir, meine geliebte Nerys“, murmelte er schließlich.

Mit einer Hand griff sie hinauf zu seinem Gesicht und streichelte seine Wange. „Was wäre aus uns geworden, wenn wir uns in einer besseren Zeit kennengelernt hätten? Sie haben uns so viel genommen.“

„Du kannst immer noch mit mir zurück zum Kloster kommen, wenn die Aufregung um deine Person sich gelegt hat. Es wird immer ein Platz für dich da sein.“

Sie lächelte traurig. „Du weißt, dass das nicht geht, Antos. Und ich bitte dich, nicht noch einmal davon anzufangen. Bevor Bajors Erde nicht frei atmen kann, hat niemand das Recht auf Glück!“

„Das ist eine sehr aggressive Meinung“, bemerkte er leise.

„Es ist meine Meinung.“ Kira drückte sich stärker in seinen Schoß. „Lass uns nicht mehr darüber reden. Wir haben unsere Standpunkte schon vor fünf Monaten klargestellt.“ Sie sah wieder zu ihm auf. „Wirst du hier in den Gängen bleiben oder gleich zum Kloster zurückkehren?“

Offensichtlich hatte sie ihn mit dieser Frage aus einer privaten Gedankenwelt aufgeschreckt. Er antwortete nicht sofort. Dann schüttelte er den Kopf. „Verstehe ich das richtig, dass du alleine hier heraus willst?“

„Natürlich, was sonst?“

„Nerys“, sein Tonfall klang, als ob auch seine Geduld allmählich zu Ende ging. „Im Prinzip solltest du immer noch im Bett liegen und dich schonen. Du bist geschwächt, du bist erschöpft...“

„Bin ich überhaupt nicht!“

„... und du bist vollkommen uneinsichtig“, fuhr er unbeirrt fort. „Ich denke überhaupt nicht daran, dich alleine zu lassen, bis ich sicher sein kann, dass du heil dort ankommst, wo immer es dich hinzieht.“

„Alleine käme ich besser durch“, widersprach sie heftig.

„Nicht in deinem jetzigen Zustand.“

„Zur Hölle mit meinem Zustand!“ Er hatte es geschafft, sie war schon wieder wütend. Dieser Mann hatte eine seltene Gabe sie auf die Palme zu bringen. Trotzig verschränkte sie die Arme und drehte sich in seinem Schoß von ihm fort, so dass sie die gegenüberliegende Wand anstarrte. So gedachte sie ihn dafür zu bestrafen, dass er beinahe so stur sein konnte wie sie. Aber als er sie zu streicheln begann, legte sich ihre wütende Anspannung allmählich wieder und sie driftete in einen angenehmen Dämmerzustand hinüber.

Als sie sich im Erwachen umdrehte, hörte sie ein leises Stöhnen. Sofort war sie hellwach. „Was ist passiert?“

Bareil packte ihre Schultern und hob sie von seinem Schoß hinunter. Dann streckte er versuchsweise die Beine aus. „Sie sind eingeschlafen“, erklärte er mit verkniffenem Gesicht. „Ich hasse das Gefühl, wenn das Blut wieder zurückströmt.“

Kira setzte sich belustigt neben ihn. „Du mein tapferer Held“, neckte sie ihn, dann beugte sie sich vor und rieb seine Unterschenkel kräftig.

Er zog eine Grimasse, ließ sie aber gewähren. „Ich hasse es wirklich.“

Sie sah sich in der Höhle um. Natürlich hatte sich nichts seit ihrem Einschlafen verändert. „Wie lange habe ich geschlafen?“

„Meinen Beinen nach zu urteilen, mehrere Tage - aber ich würde sagen, es waren nur ein paar Stunden. Ich bin selbst eingenickt.“

Sie versetzte seinem Bein einen abschließenden Klaps und schüttelte den Kopf. Sie konnten es sich eigentlich nicht leisten in dunklen Gängen herum zu liegen und zu schlafen, während über ihnen höchstwahrscheinlich ein cardassianischer Trupp nach ihnen suchte. Bareil hatte recht, sie war erschöpft.

„Können wir uns schon hinaus wagen?“ fragte sie dann.

„Ich würde noch ein wenig warten.“ Der Vedek erhob sich von der Wand und sah nach dem Baby. „Sie schläft noch. Ich würde sagen, wir essen erst noch ein wenig.“

* * *


Als sie es schließlich wagten, den Sensor zu betätigen - Kira konnte immer noch keinen Unterschied zwischen dem besagten Stein und seinen Nachbarn ausmachen -, schien die dunkle Farbe der Abendsonne durch den Höhlenausgang. Kira bedeutete Bareil, mit dem Baby unten zu warten, während sie geduckt die kurze Treppe hinaufschlich. Kurz darauf kam sie wieder hinunter und winkte ihm zu. „Niemand zu sehen.“

Sie stiegen auf die felsige Ebene hinaus, die sich in Jahrtausenden der Erosion am Fuß des Berges gebildet hatte. Die Abendsonne tauchte die Landschaft in ein unwirkliches, scharf gezeichnetes Bild.

Bareil wandte sich um und berührte einen weiteren getarnten Sensor. Sofort lag an der Stelle des Ausgangs nur noch ein großer unauffälliger Felsbrocken, wie es ihn noch unzählige Male auf dem weiten Geröllfeld gab.

„In welche Richtung musst du, Nerys?“

Kira hatte ihre Augen mit der Hand beschattet und sondierte die Umgebung. Sie versuchte, die Farbe und Form der sie umgebenden Gipfel korrekt einzusortieren. Direkt vor ihnen zog sich das Geröllfeld einen unwirtlichen Hang hinauf, nur vereinzelt war Buschwerk zu erkennen. In Richtung der untergehenden Sonne wurde es durch ein beginnendes Waldgebiet abgelöst. Schließlich zeigte sie gegen Osten. Die hügelige, felsige Strecke dort kam ihr bekannt vor. „Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das die richtige Richtung.“

Bareil sah sich ebenfalls um. „Und wenn mich nicht alles täuscht, dann befindet sich in dieser Richtung in etwa zwei Stunden Fußmarsch ein Gasthaus. Falls die Soldaten es nicht besetzt halten, können wir die Nacht dort verbringen.“

Kira nickte. Sie hatte keine Lust, einen weiteren Streit mit Bareil vom Zaun zu brechen, indem sie ihm erklärte, dass sie alleine weitergehen wollte. Es konnte nichts schaden, wenn er die Nacht im Gasthaus verbrachte, bevor er morgen zum Kloster zurückkehrte.

Sie erreichten das besagte Gasthaus mit den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Bareil nahm das Baby ab und setzte es Kira auf den Arm.

„Bleib du hier“, erklärte er. „Ich werde nicht gesucht. Ich werde hineingehen und die Lage klären.“

Ehe Kira wie üblich widersprechen konnte, befand sich der Vedek schon auf dem Weg zur Tür. Kira kauerte sich an den Stamm eines windschiefen Baumes, während ihre Augen unablässig das Haus und die unmittelbare Umgebung nach verdächtigen Bewegungen absuchten. In Gedanken wiegte sie ihre kleine Tochter in den Armen, was diese ihr mit einem zufriedenen Gurgeln dankte. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis Bareil endlich wieder im Hauseingang erschien. Er kam auf sie zu und nahm ihr die Kleine ab.

„Alles in Ordnung“, berichtete er. „Die Cardassianer waren schon hier. Sie werden nicht so schnell wieder auftauchen. Der Inhaber hat mir versprochen uns sofort zu warnen, wenn die Soldaten während der Nacht noch einmal kommen sollten.“

„Können wir ihm trauen?“ fragte sie misstrauisch.

„Er weiß, wer ich bin.“

Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Züge. Bei jedem anderen hätte sie sich gefragt, was das für eine Antwort sein sollte. Aber bei dem Vedek war es die richtige. „Dann freue ich mich schon auf ein weiches Bett.“

Sie betraten das Haus durch den Schankraum. Die Beleuchtung im Inneren war gedämpft. Ein gutes Dutzend quadratischer Tische waren mit entsprechender Bestuhlung auf der freien Fläche vor dem Tresen verteilt. Im hinteren Bereich des Raums führte eine Treppe in den oberen Stock. Die bajoranischen Gäste, die beim Essen saßen, schenkten ihnen nicht mehr als eine flüchtige Beachtung. Kira stellte sich vor, wie sie wohl auf andere wirken mussten. Wie ein zufriedenes Elternpaar? Eine glückliche Familie? Sie unterdrückte ein ironisches Auflachen. Ob sie wohl noch einmal eine Zeit erleben würde, in welcher das möglich wäre?

Der Wirt kam auf sie zu und überreichte Bareil eifrig die Code-Karte für das Zimmer. Im Verschwörerton teilte er ihm mit: „Vedek, ich habe das beste Zimmer für Sie beide ausgesucht. Kommen Sie nachher noch herunter für ein ausgezeichnetes Abendessen. Es geht natürlich auf das Haus.“

Kira versteckte ihr Grinsen im Rücken Bareils. Es war äußerst amüsant zu sehen, was einem ein geistlicher Titel alles verschaffen konnte.

Bareil verneigte sich völlig ernst. „Die Propheten mögen dich beschützen. Wir werden dein Angebot annehmen.“

Der Wirt zeigte ihnen die Treppe zum oberen Stockwerk, in welchem die Zimmer gelegen waren. Kira und Bareil gingen hinauf.

Der Raum war für die Verhältnisse des Gasthauses wirklich sehr schön. Vor allem besaß er ein äußerst einladend wirkendes Bett. Kira merkte bei diesem Anblick wie müde sie schon wieder war. Sie ließ sich mit einem dumpfen Geräusch darauf fallen und blieb liegen - alle Viere von sich gestreckt.

„Geh du schon mal runter“, murmelte sie in die Decken. „Ich muss erst einmal mit diesem Bett Bekanntschaft schließen.“

Bareil wandte sich lachend vom Waschbecken ab. „Mach das. Ich werde mich der Küche des Wirtes widmen. Hab bitte ein halbes Auge auf Nerys.“

„Hm?“ dann wurde es Kira wieder bewusst, dass Bareil ihre Tochter vorhin so getauft hatte. Sie fand die Idee immer noch etwas seltsam.

Der Vedek trat zu ihre hinüber und küsste sie auf die Stirn. „Träum süß, meine Geliebte.“ Dann wiederholte er die gleiche Prozedur bei dem Baby und verließ schließlich den Raum.

* * *


Die Tür flog mit einem Schlag auf. Es hatte nicht die kleinste Vorwarnung gegeben. Bareils Löffel stoppte auf halbem Weg zum Mund.

Fünf bewaffnete Cardassianer standen im Türrahmen.

Sofort erhob sich ein ängstliches Raunen im Gastraum. Jeder einzelne anwesende Bajoraner hatte den einen oder anderen Grund, warum er sich vor einer Razzia fürchten sollte. Aus den Augenwinkeln sah Bareil, wie einige der Gäste dabei waren, sich unauffällig in Richtung der Türen zu bewegen. Der Wirt versuchte aufgeregt, an drei Stellen gleichzeitig zu sein, und der Vedek konnte erkennen, dass der alte Mann die Aufmerksamkeit von dem Geistlichen ablenken wollte.

„Jeder bleibt, wo er ist!“ donnerte der Hauptmann.

Augenblicklich erstarrte jede Bewegung im Raum. Bareils Löffel befand sich immer noch inmitten der Luft. Langsam und bedächtig setzte er ihn wieder in die Suppenschüssel ab. Er hoffte, dass seine langjährige Übung in Gelassenheit ihn auch jetzt nicht im Stich ließ. Während er seine Gesichtszüge dazu zwang, sich zu entspannen, überlegte er fieberhaft, wie er Kira eine Nachricht zukommen lassen konnte, ohne dass er damit die Aufmerksamkeit der Soldaten erregte.

Der Anführer des Trupps bedeutete zweien seiner Männer die übrigen Türen zu besetzen. Damit schnitten sie Bareil von der Möglichkeit ab, die Treppe hinauf zu den Gästezimmern zu gelangen. Wenn Kira noch schlief, dann würden sie sie im Schlaf überraschen.

„Alle aufstehen und da rüber an die Wand“, befahl der Soldat in diesem Augenblick. Das gab Bareil eine Möglichkeit, die er wahrnehmen musste. So ungeschickt wie irgend denkbar erhob er sich. Er schaffte es, dabei derart kräftig an den Tisch zu stoßen, dass das Geschirr und die Weinflasche umstürzten und auf dem Boden zu Bruch gingen. Scheinbar erschrocken sprang er zurück und riss dabei seinen Stuhl und den dahinterstehenden des Nachbartisches um. Beide fielen mit lautem Gepolter zu Boden. Jetzt sprangen auch die Bajoraner an diesem Tisch erschrocken auf.

„Ruhe!“ mit zwei Schritten war der Anführer des Trupps bei Bareil. Er packte den Vedek am Kragen und schüttelte ihn. „Was soll das? Was bist du für ein dämlicher Bajoranertrottel? Es wundert mich, dass sie dich überhaupt ohne Schlabberlatz essen lassen.“

Er lachte laut, dann verstummte er plötzlich. Mit einer kräftigen Bewegung drückte er Bareil auf den Tisch zurück, so dass dessen Gesicht in den Schein der Deckenbeleuchtung geriet. Er hielt ihm seinen Phaser unter das Kinn.

„Bring mir das Holo!“ befahl er einem der Soldaten.

Augenblicklich tauchte der gerufene Mann neben ihm auf. Ein kleiner Würfel erschien in seiner Handfläche, worauf sich mit einem leisen Summen ein unscharfes, aber dennoch gut zu erkennendes Bild der hochschwangeren Kira materialisierte.

„Nicht die Frau, du Idiot!“ fauchte der Hauptmann. Doch der Soldat hatte selbst schon seinen Fehler bemerkt. Er berührte einen Sensor und dann baute sich das gestochen scharfe Hologramm des Priesters auf.

„Vedek Bareil“, zischte der Cardassianer erfreut. „Jetzt kann ich mir auch vorstellen, warum du so verdammt ungeschickt bist.“ Er wandte den Kopf zu den Soldaten bei der Türe um. „Sie muss oben sein. Holt sie, schnell!“

„Nerys! Lauf...“ Mit einem vernehmbaren Knacken des Kiefers schlug Bareils Kopf auf der Tischplatte auf, als der Griff des Phasers sein Kinn traf.
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