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Der letzte Schatten

von Nerys

Kapitel 1

Der letzte Schatten


Die hellrote Flüssigkeit schwappte gemächlich hin und her, während Kira ihr Glas gelangweilt schwenkte. Sie hatte ein kurzes Gespräch mit Jake Sisko geführt, der sich inzwischen an einen Tisch auf der oberen Ebene zurückgezogen hatte. In diesen Tagen war es nicht ratsam, wenn man den jungen Mann und sie zu oft die Köpfe zusammenstecken sah. Sie blickte schon nicht mehr auf, als zwei Jem’Hadar die Bar betraten und deplatziert vor dem Tresen stehen blieben, doch der stämmige Lurianer Morn rückte demonstrativ auf seinem Hocker ein Stück beiseite. Sie war immer noch nicht sicher, ob es ihr mehr widerstrebte die Wachhunde des Dominion oder die cardassianischen Soldaten auf der Station zu sehen. Nachdenklich nippte sie an dem Frühlingswein, der angenehm kühl auf ihrer Zunge prickelte. Sie hatte sich angewöhnt, die Abende in der belebten Bar zu verbringen, um Dukat keine Gelegenheit zu geben, sie in ihrem Quartier aufzusuchen. Obwohl seine Avancen fruchtlos blieben, gab er nicht auf. Nur ihrer Freundin Ziyal zuliebe hatte sie bisher davon abgesehen, ihm sein anzügliches Grinsen mit schlagenden Argumenten auszutreiben.

Jäh schwoll der konstant in der Bar vorherrschende Lärm an, doch es klang nicht wie der erfreute Ruf eines Gewinners am Dabo-Rad und die Beifallsbekundungen der Zuschauer. Aufgebrachte Stimmen brüllten durcheinander. Alarmiert blickte Kira auf und bemerkte ein Stück weit entfernt ein paar uniformierte Cardassianer, die einen schmächtigen Ferengi bedrängten. Roms Gesicht offenbarte eine Mischung aus Furcht und Zorn. Kira sprang hastig auf und steuerte die Gruppe an. Inzwischen mussten sämtliche anwesenden Leute auf den Tumult aufmerksam geworden sein. Die beiden Jem’Hadar näherten sich lauernd. Sie entdeckte Roms Frau Leeta, die außer sich auf die Cardassianer einredete. Auf einmal kam Quark herangestürzt, der offenbar sein Dabo-Mädchen in Sicherheit bringen wollte. Kira erreichte die andere Bajoranerin jedoch zuerst und ergriff sie an den Oberarmen.

„Leeta! Was ist los?“, fragte sie eindringlich.

Die völlig aufgelöste junge Frau starrte sie entgeistert an. „Die werden Rom noch umbringen! Er wollte mir doch nur helfen, weil mich dieser Cardassianer angefasst hat.“

„In meiner Bar wird niemand umgebracht, das ist schlecht fürs Geschäft“, brummte Quark, der unbemerkt herangetreten war.

„Ich kümmere mich darum. Passen Sie nur auf Leeta auf.“ Kira schob die jüngere Frau behutsam dem Ferengi entgegen und wollte sich den am nächsten stehenden Cardassianer vornehmen.

Im selben Moment jedoch kam Bewegung in die Gruppe. Der sich inzwischen vor Angst windende Rom wurde von den Soldaten zum Ausgang der Bar gezogen, flankiert von den beiden Jem’Hadar. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass sich Leeta von Quark losriss und hinterher lief. Der Ferengi folgte ihr wild gestikulierend. Auf dem Promenadendeck herrschte um diese Zeit wenig Betrieb, weil niemand den patrouillierenden Wachhunden des Dominion unnötigerweise in die Quere geraten wollte. Kira drängte sich an mehreren Cardassianern vorbei und erblickte Rom, der bleich und völlig verzweifelt schien. Ihm gegenüber stand ein kampfbereiter Jem’Hadar mit hoch erhobener Klinge.

„Aufhören!“ rief Kira wütend. „Was beim Kosst soll das?“

Einer der uniformierten Soldaten wandte sich ihr gleichmütig zu. „Verit‘ikan bringt ihm nur ein paar Manieren bei. Er wird es nicht wagen, je wieder einen Cardassianer anzugreifen.“

„Der Jem’Hadar wird Hackfleisch aus ihm machen!“, protestierte Kira. Ihre Gedanken rasten. Sie hatte Mühe, ihr Temperament zu zügeln, weil das Adrenalin ihr Blut erhitzte. Kurz entschlossen marschierte sie an den Soldaten vorbei, die damit begonnen hatten, Verit’ikan anzufeuern, und stellte sich schützend vor den zitternden Rom. Der schmächtige Ferengi würde beim ersten Schlag untergehen wie ein lästiges Insekt, das konnte sie nicht zulassen. „Wenn ihr einen Kampf wollt, dann sucht euch gefälligst jemanden, der kämpfen kann!“

Die Cardassianer begannen zustimmend zu murmeln, doch der Blick des Jem’Hadar war undeutbar, hart und kalt. Im Gegensatz zu ihm trug Kira keine Waffe. Obwohl sie im Widerstand gelernt hatte, sich auch mit bloßen Händen wirkungsvoll zu verteidigen, wusste sie, dass sie allein mit ihrer Wendigkeit nicht gegen Verit’ikan bestehen konnte. Trotz seines stämmigen Körperbaus bewegte er sich äußerst behände. Sie umkreisten einander wie lauernde zum Sprung bereite Raubtiere. Jeder Muskel in Kiras Körper war zum Zerreißen gespannt, das Blut rauschte in ihren Ohren. Und dann griff er an. Die Bajoranerin warf sich instinktiv zur Seite und die scharfe Klinge traf zischend ins Leere. Bevor sie wieder auf die Beine kommen konnte, brachte ein harter Schlag gegen die Brust sie erneut zu Fall. Dumpfer Schmerz ließ sie ein paar Mal hilflos nach Atem ringen, ehe die Luft zurück in ihre Lungen strömte. Wieder gelang es ihr nur mit einer blitzschnellen Bewegung, sich vor dem Messer zu retten. Mit einem hässlichen Geräusch schabte es über die metallenen Bodenplatten. Blindlings trat sie nach den Beinen ihres Angreifers, was ihn für einen Moment straucheln ließ. Sie schnellte in die Höhe und wich einem weiteren Hieb aus. Mit einem wütenden Laut stürzte er sich auf sie. Verteidigungsbereit hob sie die Arme, um den den nächsten Schlag abzufangen, doch er packte ihr rechtes Handgelenk und riss es so abrupt herum, dass die Knochen nachgaben wie morsche Zweige. Kira keuchte vor Schmerz. Ehe sie zu reagieren vermochte, stieß er mit der Klinge zu, die knirschend ihre linke Schulter traf. Sie spürte die warme klebrige Feuchtigkeit von Blut auf ihrer Bluse, während sie mit dem Rücken auf dem kühlen Boden aufkam. Verit’ikan stand hoch aufgerichtet über ihr. In seinen unergründlichen Augen lag die blanke Mordlust. Sie wusste genug über die Jem’Hadar, um völlig sicher zu sein, dass ihn nun nichts und niemand mehr von seinem Ziel abbringen würde. Verzweifelt versuchte sie sich mit letzter Kraft zur Seite zu rollen, doch die Waffe drang erneut in ihr ungeschütztes Fleisch und Verit’ikan röhrte triumphierend.

Obwohl Kira das Blut an ihrer Flanke wahrnahm, fühlte sie kaum noch Schmerz. Sie versuchte den Kopf zu heben, damit sie die Verletzung sehen konnte, aber ihr fehlte die Kraft. Nur für einen Augenblick nahm sie die geschockten Gesichter Roms, Leetas und Quarks wahr, die im Eingang der Bar standen. Verlockende Dunkelheit tastete nach ihr. Es wurde still um sie herum. Die erschreckende Gewissheit ihres jämmerlichen Versagens lähmte ihr Denken. Der Abgesandte verließ sich darauf, dass sie für ihn die Stellung hielt und Widerstand leistete, doch stattdessen starb sie einen völlig sinnlosen Tod. Der flüchtige Gedanke, dass Odo den Jem’Hadar dafür aus der nächsten Luftschleuse befördern würde, sobald er seine Regenerationsphase beendet hatte, erfüllte sie nicht mit Genugtuung. Ein Schatten fiel über sie. Würde Verit’ikan noch zu einem letzten Stoß ausholen? Ihr Blick war zu getrübt, um mehr als einen dunklen Umriss zu erkennen. Es schien jedoch nicht der Jem’Hadar zu sein. Sie spürte, dass von diesem Schemen keine Bedrohung ausging. Langsam sanken ihre Lider herab. Der Schatten umschloss sie wie ein warmer sicherer Kokon.

„Verschwindet, bevor ich euch alle in den Arrest werfe!“, schrie Gul Dukat wutentbrannt.

Er hatte sich im Quark’s ein Getränk genehmigen wollen und war dabei von dem Tumult auf der Promenade überrascht worden. Eigentlich hatte er damit gerechnet, nur eine weitere der an der Tagesordnung stehenden Prügeleien zu schlichten, doch stattdessen kniete er nun neben dem reglosen blutenden Körper jener Frau, die er allzu gern mit in sein Bett genommen hätte. Seine schuppigen grauen Finger tasteten an ihrer Halsschlagader nach einem Puls. Nach einem Moment, in dem er den Atem anhielt, spürte er tatsächlich das kaum noch merkliche Pochen des Lebens. Behutsam schob er seine kräftigen sehnigen Arme unter ihren Leib und hob sie in die Höhe. Sie war so leicht. Ihr rubinrotes Blut benetzte den metallenen Brustharnisch seiner Uniform. Die Soldaten und die Jem’Hadar-Krieger wichen stumm beiseite, um ihn passieren zu lassen. Er sah keinen von ihnen an. Seine Gedanken richteten sich auf den kurzen Weg, der ihn und Nerys von der Krankenstation trennte. Sie war das einzige von Merus Kindern, das noch lebte, und er würde sie nicht sterben lassen.

Bewegungslos wie das Werk eines Bildhauers verharrte Dukat auf einem Stuhl neben dem Biobett. Es mochte eine Stunde her sein, vielleicht mehr, dass er die verletzte Bajoranerin hergebracht hatte. Mittlerweile hatte er seine rechte Hand Damar mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt und Odo würde sich später gewiss den verantwortlichen Jem'Hadar zur Brust nehmen. Vorsichtig strich er der schlafenden Frau eine rote Haarsträhne aus der Stirn. Sein langer Schatten fiel auf ihr blasses Gesicht. Obwohl sie viel Blut verloren hatte, war es Verit’ikan nicht gelungen, ein lebenswichtiges Organ ernstlich zu verletzten. Er hatte die Hingabe der Bajoraner an ihren Glauben nie wirklich verstanden, aber vielleicht waren die Propheten an diesem Abend tatsächlich mit ihr gewesen. Nerys‘ Lider flatterten und ihre Lippen bewegten sich tonlos. Das Sedativ, das ihr der Arzt verabreicht hatte, schien langsam nachzulassen. Auch jetzt, gerade dem Tode entronnen, war sie so schön. Auf eine gewisse Weise beinahe noch schöner als es Meru gewesen war. Je mehr sie ihn ablehnte, desto mehr zog sie ihn an. Vielleicht, dachte er bei sich, würde sich das Blatt nun wenden, jetzt da ihr Leben ihm gehörte. Eines Tages würde sie ihm geben, wonach es ihn schon so lange verlangte. Keine Frau vermochte ihm für immer zu widerstehen, selbst Kira Nerys nicht.
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