TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Von Goldfischen und Gorillas

von Heidi Peake

Kapitel 3

Kira wusste wenig über Geologie im Allgemeinen und noch weniger über die Zarai-Berge, aber sie wusste ein wenig über Magnetismus, und nach ihrem Wissen führte dieser nicht dazu, dass sich ein Gestein schwarz färbte.

Der Korridor, durch welchen sie gestoßen wurden, schien aus purer Kohle geschnitten zu sein. Die Oberfläche war glatt und glänzender als sie das in ihrem Gefängnis gewesen war, sie erschien auch dichter. Kira wünschte sich, sie könnte ihre Hände frei bekommen, um den Fels zu fühlen. Es war die gleiche Art von Gestein wie vorher, es musste einfach sein, denn sie hatten keinen sichtbaren Bruch von einem Korridor zum nächsten wahrgenommen. Das einzige, was ihr einfiel, was eine solche Veränderung in der Formation eines Gesteins hervorrufen konnte, war ungeheurer Druck und infernalische Hitze.

Sie warf ihren beiden Begleitern einen raschen Blick zu.

Dax schien ebenfalls mit der Betrachtung ihrer Umgebung beschäftigt zu sein. Sie studierte die Wände mit großem Interesse, während sie daran vorbeigetrieben wurden. Als sie Kiras Blick bemerkte, zuckte sie ein wenig mit den Schultern. Ihre Gedanken schienen in die gleiche Richtung wie diejenigen der Bajoranerin zu gehen, und mit kaum größerem Erfolg.

Der Vedek schenkte den geologischen Kuriositäten um ihn herum keine Beachtung. Natürlich war er schon einmal hier entlang gegangen, erinnerte sich Kira, aber dennoch schien er ungewöhnlich zurückgezogen, sein Gesicht eine Maske ruhigen Nachsinnens. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, sie besäße seinen unerschütterlichen Glauben in den Willen der Propheten. Mit nichts weiterem als einer Neigung seines Kopfes konnte er Situation akzeptieren, welche sie dazu veranlassten, eine Jahresration an Wut zu verbrauchen. Sie hatte sich schon oft gefragt, was passieren würde, wenn Vedek Bareil sich entschied, die Energie zu nutzen, die er dadurch sparte. Auch wenn sie den Propheten für vieles würde Antwort stehen müssen, fühlte sie sich unbeschreiblich sicher in der Nähe von Bareil.

Das Gefühl hielt genau noch weitere 200 Schritte, dann hatten sie die Höhle erreicht.

Es war weniger eine Höhle als eher ein langer Korridor, der in einem natürlichen Abgrund endete. Unter und über einem Tunnel erstreckte sich der Berg ins Unsichtbare.

Das hieß, wenn sie sich zu rasch auf der kleinen Plattform bewegten, würden sie geradewegs ins Nichts treten. Die seltsamen Metallhaken und -stufen, welche in der Gesteinsoberfläche um den Abgrund eingelassen waren, versprachen wenig Hilfe für jemanden, dessen Hände hinter dem Rücken zusammengebunden waren. Aber das war nicht das Problem. Es war auch nicht die Gegenwart der Männer in schwarz, die mit Disruptoren auf sie zielten. Kira hatte sich daran schon beinahe gewöhnt, und durch die kurzen Abstände, die in der Höhle nur zu erreichen waren, würden die Disruptoren auch nicht mehr Schaden anrichten als ein Standard-Phaser. Tod war Tod, gleichgültig wie groß das Loch war, durch welches er verursacht wurde.

Was sie erschreckte war das Objekt.

Es hing über dem Abgrund, gehalten durch dünne Stränge eines schwarzen Metalls, kleiner als sie erwartet hatte, in der Größe einer durchschnittlichen bajoranischen Weinflasche, jedoch abgeschirmt durch eine reich verzierte Umhüllung. Etwas an der relativen Einfachheit des Designs und der einfachen Wahl des Materials machte klar, dass dieser Kasten nicht dazu da war, das Objekt vor seiner Umgebung zu schützen, sondern die Umgebung vor dem Objekt.

„Sind Sie bereit, Vedek?“ Der große Bajoraner, der anscheinend der Anführer der kleinen Gruppe war, nickte den beiden Männern auf der Plattform zu. Augenblicklich hoben diese ihre Waffen und platzierten sie in eindeutiger Weise zu beiden Seiten von Kiras Kopf.

‘Nein’ war offensichtlich keine Option für Bareil.

Er blickte in die Augen seiner Geliebten. Es war beruhigend, das alte wütende Feuer in ihnen brennen zu sehen.

„Du machst das, was du machen willst“, erklärte sie ruhig. „Und nur das!“

Einer der Männer schob Bareil fort von ihr und zu dem Objekt hinüber.

„Dies ist keine Zeit für Heldentum“, zischte der große Bajoraner. „Bajor muss zu dem werden, zu dem es werden sollte.“ Er trat näher zu Kira hin und spuckte die Worte ihr beinahe entgegen. „Und alle auf Bajor werden ebenfalls das sein, was sie sein sollten!“

Kira trat instinktiv einen Schritt zurück und fand ihre Fersen beinahe in der Luft hängen. Nein, sie hatte hier definitiv nicht viel an Manövrierfähigkeit.

„Bindet die Hände des Vedeks los“, orderte der Bajoraner. „Und diejenigen der Trill auch. Ich bin mir sicher, dass sie imstande sind, sich zu benehmen, wenn ihre Freundin ein wenig... beschäftigt ist.“

Zu ihrer großen Überraschung beobachtete Kira, wie die Männer tatsächlich Bareils und Dax’ Arme losbanden. Etwas Hoffnung erwachte in ihr. Vielleicht gab es wirklich einen Weg hier heraus. Vielleicht würden sie fähig sein... was genau? Mit freien Händen in den Abgrund zu springen? Nein, der einzige Weg hier heraus lag darin, dass einer von den beiden einen Disruptor in die Finger bekam, und dass sie selbst aus der Reichweite derjenigen gelangte, welche auf sie gerichtet waren. Das war nur mit einer ziemlich großen Ablenkung möglich. Mit allen Augen auf Bareil und Dax und allen Waffen auf sie selbst fixiert, war die einzige Ablenkung, die ihr in den Sinn kam, ein ziemlich heroischer, ziemlich blödsinniger Tod. Sie konnte sich entweder in einen Disruptorstrahl werfen oder in den Abgrund. Die Freiheit der Wahl war nicht immer das, was sie sein sollte.

Bareil rieb die schmerzenden Handgelenke und versuchte, sich auf das Objekt zu konzentrieren.

„Sie wollen, dass ich die Inschrift übersetze, und dass dann Lieutenant Dax das Objekt aktiviert?“ fragte er ruhig.

„Genau. Und Sie versuchen sich besser nicht in irgendwelchen Tricks, sonst könnte es sein, dass Ihre hübsche kleine Freundin ihr Gesicht verliert.“

„Drohungen sind nicht nötig.“ Bareil war zu dem Objekt getreten und legte seine Hände nun vorsichtig auf den Kasten. Eine Ernsthaftigkeit legte sich auf seine Züge, die sogar den Anführer der Bajoraner beeindruckte. „Wir befinden uns in der Gegenwart der Propheten.“

Ein Moment der Stille schloss sich an. Einige der bewaffneten Männer tauschten ungemütliche Blicke aus. Auch wenn sie bisher nicht sehr viel Respekt vor dem Vedek gezeigt hatten, war die Art, wie seine Stimme mit ruhiger Autorität über dem Abgrund hallte, entnervend. Für einen Augenblick betraten die Propheten wahrlich diese Höhle.

„Ihr wisst, dass Karems Leute umkamen, als sie es versucht haben.“ Der Vedek hatte seine Augen nun geschlossen und schien die Inschriften mit den Fingern zu lesen. „Wenn man nicht weiß, wie man die Kraft kontrolliert, wird man Bajor zerstören. Wollen Sie dieses Risiko eingehen?“

Der große Mann war sichtlich irritiert.

„Ich habe Karems Aufzeichnungen gelesen. Er hat versagt, weil er keine Vision für Bajor hatte. Sein Geist war verwirrt! Ich weiß, was ich will. Wir alle wissen das. Wir haben das Bajor gesehen, das sein muss. Und wir glauben daran!“

„Glauben Sie an die Propheten?“

„Natürlich tun wir das!“ Die Antwort kam ein wenig zu rasch, um völlig überzeugend zu sein.

Bareil nahm seine Hände von der Umhüllung und öffnete die Augen wieder. Das Lächeln, mit welchem er die schwarze Gestalt nun bedachte, war entwaffnend unschuldig. „Gut, dann kann nichts passieren.“

Er nickte Dax aufmunternd zu, dann begann er, die alte Inschrift zu studieren.

„Das ist sehr schwierig“, bemerkte er nach einer endlos erscheinenden Pause.

„Sie können es lesen, halten Sie uns nicht für dumm.“

„Natürlich kann ich es lesen, aber das bedeutet nicht, dass ich es verstehe.“

„Was soll das heißen?“

„Es scheint eine Art Code zu sein. Vielleicht eine Referenz zu einer alten Legende, mit der ich nicht vertraut bin.“

Der Führer der Bajoraner trat an Bareils Seite und schob ihn beinahe aus dem Weg. Er wurde ungeduldig.

„Was sagt es, Priester?“ wollte er wissen.

Bareil sah kurz zu ihm auf, dann wandte er seine Konzentration wieder der Umhüllung zu und erklärte mit klarer, bedeutungsschwerer Stimme: „Ein Goldfisch kann einen Gorilla töten.“

Es folgte eine kurze Stille, dann begannen einige der Bajoraner nervös mit den Füßen zu scharren. Irgendjemand kicherte.

Dax und Kira nahmen das nur am Rande wahr. Ihre Augen fanden sich für einen flüchtigen Augenblick. Beinahe unmerklich strafften sich Dax’ Schultern, als sie begann, ihre Umgebung mit großer Konzentration zu beobachten. Kira veränderte ebenfalls leicht ihr Gleichgewicht, sie versicherte sich, dass sie eine feste Position hatte, versicherte sich genau, wo der Untergrund endete und der Abgrund begann.

Keine der beiden verstand, was vor sich ging, aber es war ziemlich offensichtlich, dass Bareil ihnen etwas mitteilen wollte. Ihre Aufmerksamkeit fokussierte sich zu hundert Prozent auf die große Figur in der roten Robe.

Der bajoranische Führer packte Bareils Arm und drehte ihn zu sich herum.

„Was für ein Blödsinn soll das sein?“ donnerte er.

Bareil kämpfte einen Moment um Gleichgewicht, dann erwiderte er ruhig. „Wie ich sagte, es scheint sich auf eine Legende zu beziehen, mit der ich nicht vertraut bin. Karems Zeit hatte viele Legenden.“ Er versuchte Zeit zu gewinnen, wartete auf einen günstigen Augenblick. Er wusste, dass Nerys und Jadzia bereit waren, er konnte ihre Konzentration spüren. Die Inschrift war tatsächlich sehr alt und er hatte Schwierigkeiten gehabt, sie zu lesen. Aber von dem, was er verstanden hatte, durfte er auf keinen Fall diesen Männern erlauben, das Gerät zu aktivieren. Das Bajor, welches sie erschaffen würden, wäre nicht dasjenige der Propheten gewesen.

„Nun, dann denken Sie sich etwas aus“, schnaubte der Anführer. „Für den Anfang: was ist ein Gorilla?“


Ein Gorilla ist ein großer Affe, der in den Bergregionen des Afrikas der alten Erde beheimatet ist. Er wiegt um die 200 Kilogramm und lebt in sozialen Gruppierungen, die er starr verteidigt. Der Gorilla ist extrem stark und extrem aggressiv, besonders wenn die Gruppierung bedroht wird.

Es gibt Nachteile, wenn man ein Gorilla ist. Wie zuvor erwähnt, fällt ihm zum Beispiel das Schwimmen nicht leicht. Ebenso nicht das Kämpfen auf jeder Art von Untergrund, die nicht dafür geschaffen ist, 200 Kilogramm zu tragen.

Trotz seiner überlegenen Stärke und seiner eindrucksvollen Erscheinung war der Gorilla gegen Ende des 20sten Jahrhunderts in wenige Reservate zurückgedrängt worden und vom Aussterben bedroht.

Das ist dem Goldfisch niemals passiert.

Darüber sollte man nachdenken.



„Ich glaube, dass es bedeutet, dass Stärke nicht wichtig ist im Angesicht der Propheten“, begann Bareil vorsichtig. „es ist nicht üblich, Waffen in der Nähe einer Träne zu tragen.“

Der große Bajoraner packte Bareils Kragen und zog ihn vor sein Gesicht. „Netter Versuch, Vedek. Aber das hier ist keine Träne. Es ist eine Art von Reaktor, und wir werden seine Kraft nutzen. Karem selbst sagt, dass es keine Träne ist.“ Unter Bareils festem Blick ließ er den Priester langsam wieder los und wandte seine Aufmerksamkeit stattdessen Kira zu. „Sie werden diesen Blödsinn jetzt sofort beenden, Vedek.“ Mit einer beinahe sanften Geste streichelte er Kiras Wange.

Ein tiefer Schnitt zeigte sich dort, wo seine Hand vorbeigestrichen war.

Kira riss ihren Kopf schmerzerfüllt zurück, aber sie schaffte es, ihre Position zu halten.

„Mach dir keine Sorgen um mich“, rief sie... oder hätte sie gerufen, hätte die Hand des Bajoraners nicht augenblicklich ihren Mund bedeckt. Sie konnte fühlen, wie die scharfe Klinge, die zwischen seinen Fingern versteckt war, ihre Lippen schnitt.

„Lesen Sie den Kasten, Vedek, damit die Trill an die Arbeit gehen kann.“

„Sie brauchen die Trill nicht“, bemerkte Bareil ruhig, seine Augen auf Kira fixiert. „Sie brauchen überhaupt keine der Frauen. Ich kann es für Sie aktivieren, es ist nur ein einfacher Schalter. Lassen Sie sie gehen.“

„Und Sie springen dann heldenmutig in den Abgrund, nein danke! Die beiden werden genau da bleiben, wo sie sind - und Sie werden Ihre Arbeit machen.“

Kira hatte es geschafft, ihren Kopf weit genug zurückzuziehen, um der Klinge zu entgehen. Jetzt biss sie dem Mann in die Hand.

„Tu es nicht, Antos!“ schrie sie, als ihr Peiniger seine Waffe mit einem Schmerzenslaut fallen ließ.

Der Bajoraner schwang seine Faust und sandte sie noch einen Schritt weiter auf den Abgrund zu.

„Bringt Sie zum Schweigen!“ befahl er den Wachen. Dann wirbelte er wieder zu Bareil herum. „Meine Geduld geht zu Ende. Beginnen Sie, oder sehen Sie zu, wie die beiden sterben.“

Der Blick des Vedek huschte hilflos zu Dax hinüber. Die Trill stand steif und konzentriert, ihre Hände hinter ihrem Rücken verschränkt. Sie gab den Anschein, immer noch gefesselt zu sein und niemand schenkte ihr im Augenblick besondere Beachtung. Dann sah er zurück zu Kira. Das Blut von ihrer Lippe hatte begonnen, ihr Kinn hinab zu laufen. Ihre Augen buchstabierten immer noch Vernichtung, doch sie hatte offensichtlich Schmerzen. Einer der Disruptoren war nun in ihre Brust gepresst. Sie sah in Bareils Augen und schüttelte ihren Kopf beinahe unmerklich.

„Ich warte, Vedek.“

Bareils Augen lösten sich nicht von Kira als seine Lippen ein leises Flehen formten. ‘Vergib mir.’

Dann tat er das, was Hunderte in seiner Position getan hätten.

Er senkte seinen Kopf und gestand seine Niederlage ein.

Das triumphierende Gelächter des bajoranischen Führers wurde einen Sekundenbruchteil später unterbrochen, als Bareil seinen Kopf in einem scharfen, wohl berechneten Winkel wieder hinaufbrachte. Die Schädeldecke des Vedek krachte mit aller Macht in den Kiefer seines Gegenübers, welcher mit einem befriedigenden Geräusch nachgab.

Das war der Augenblick der Ablenkung, auf den sie gewartet hatten. Für ein paar Sekunden waren die Bajoraner auf der Plattform gelähmt. Dax und Kira allerdings waren bereit. Die Trill schwang ein langes Bein gegen den nächsten Bajoraner und schlug den Disruptor aus dessen Hand, während Kira sich einfach auf den Boden zwischen den beiden Männern fallen ließ und sich damit für einen wichtigen Moment aus der Reichweite ihrer Waffen brachte. Auf dem Boden presste sie ihre Beine hinauf und versetzte einem der Männer einen schmerzhaften Tritt in den Magen. Das gab dem zweiten Mann genügend Zeit, sein Ziel auf Kira wieder einzustellen, aber nicht, um der Trill zu entkommen. Mit einem kräftigen Geräusch schlug diese das Ende ihrer Waffe gegen die Schläfe des Mannes. Dann kniete sie sich zu Kira hinunter, um deren Fesseln zu lösen.

Bareil kam nun zu ihnen und übernahm die Arbeit von Dax, so dass diese ihre Hände frei hatte, um den Disruptor auf die sich langsam wieder erholenden Männer auf der Plattform zu richten. Sie wusste nicht genau, wie diese Waffen eingestellt wurden, aber es war offensichtlich, dass keiner der Bajoraner sein Glück versuchen wollte.

Der Vedek band fieberhaft Kiras Hände los, hielt kurz inne, um das Blut von ihren Lippen zu wischen, während er selbst gegen massive Kopfschmerzen kämpfte. Kira lächelte ihn stolz an.

„Nicht schlecht für einen Priester“, neckte sie ihn.

„Mögen die Propheten mir vergeben.“ Bareil hatte den letzten Rest der Fesseln entfernt und küsste Kiras Hand nun sanft, in dem Versuch, etwas Blut in die bleichen Finger zu massieren.

Ihre Augen weiteten sich plötzlich.

„Antos!“ schrie sie.

Alarmiert durch den Lärm hatten andere Männer das Ende der Höhle betreten, ihre Waffen im Anschlag. Bareil befand sich geradewegs in deren Feuerlinie. Die Trill hatte die Männer im gleichen Augenblick wie Kira bemerkt. Sie wirbelte herum, doch es war ihr nicht möglich, beide Gruppen unter Kontrolle zu halten. Den Disruptor hin und her schwingend trat sie ein paar Schritte auf Kiras Seite zurück.

Bareil bemerkte davon nichts, noch interessierte es ihn. Seine Aufmerksamkeit war auf das Objekt über dem Abgrund gerichtet, welches sich nun in seinem Rücken befand.

Er konnte es spüren.

Es rief nach ihm.

Wie in Trance wandte er sich um, um zu sehen, wie der bajoranische Anführer sich langsam von Bareils Angriff erholend auf den Kasten zu taumelte und begann, diesen zu öffnen.

„Berühre nicht die Propheten!“ Die Stimme des Vedeks erfüllte den Abgrund. Die Intensität seines Befehles brachte für einen Moment alles zum Stillstand, dann brach der Bajoraner den Zauber und fingerte wieder an dem Kasten herum. Mit einem fremdartigen Singen sprang die Umhüllung auf, und das Licht des Objektes erhellte die Höhle. Ohne zu zögern begann der Mann, die Oberfläche zu untersuchen, in dem Versuch etwas in der Art eines Schalters zu finden, mit dem er seinen Traum von Bajor aktivieren konnte. Als er über die Schulter zurückblickte, konnte er sehen, wie sich die große rote Figur des Vedek näherte. Es war nichts Gefasstes oder Mildes mehr an ihm. Das Licht des Objektes vollführte hässliche Dinge mit Bareils Zügen.

„Bleiben Sie zurück, oder ich werde Sie zerstören“, schrie der Bajoraner. „Ich kann es ohne Sie aktivieren. Wir können das Risiko eingehen...“, seine Stimme schwankte, als seine Finger den Schalter gefunden hatten. Es war tatsächlich so einfach. All die Warnungen, all die verrückten Überlieferungen von Karem. Es gab nichts außer einem Knopf, den man drücken musste. Er lächelte.

„Netter Versuch, Vedek“, gestand er ein.

Dann sah er Bareil springen.

Er duckte sich zur Seite, doch er war nicht das Ziel des Vedek gewesen, es war das Objekt. Als sich der Schalter bewegte, hätte er nicht mehr sagen können, wessen Finger es waren, die ihn gepresst hatten.

Bareil konnte es.


Es ist wahr, der Glaube ist schwer zu bekämpfen. Wenn du ihn mit deinen Händen bekämpfst, kannst du bestenfalls darauf hoffen, die Zahl der Gläubigen zu reduzieren, aber neue werden ihre Plätze einnehmen. Im schlimmsten Fall erschaffst du Märtyrer.

Glaube kann nur mit Glauben bekämpft werden.

Während sie ihre Tage damit verbringen herumzuschwimmen, haben Goldfische sehr viel Zeit, darüber nachzudenken, an was genau sie glauben.



Das Licht explodierte um ihn herum, und mit ihm kam die Hitze. Eine Druckwelle entstand, hüllte ihn ein, erfüllte jede Lücke, jede Nische in den Felsen. Sie beunruhigte oder berührte den Vedek nicht. Er konnte das Fauchen der Flammen hören, bemerkte am Rand die Schreie. Alles war gedämpft durch die Gegenwart der Propheten. Sie waren bei ihm, sie waren in ihm. Sie öffneten seine Hände, wenn er versuchte, sie zu schließen, sie richteten seine Knie auf, wenn er auf den Boden sinken wollte, sie berührten seinen Geist und erlaubten ihm, die Angst für die Welt, die sie erschaffen hatten, fahren zu lassen. Und die Wut über die Anmaßung der Männer, die geglaubt hatten, sie könnten das Werk der Propheten verbessern. Sie öffneten seine Augen und er sah. Nichts sonst war wichtig, nichts sonst war real.

Als die Explosion erfolgte, hatte sich Kira instinktiv auf den Boden geworfen. Ihre Hand war in diejenige von Dax verkrallt. Sie blickte über ihre Schulter und konnte sehen, wie die Trill ihren Blick erwiderte. Sie konnten beide die Hitze spüren, und wunderten sich darüber, warum sie nicht schmerzte. Dann presste sie der Druck tiefer in den Fels. Der gesamte Berg schien sich selbst in dieser kleinen Höhle zu kondensieren. Für einen flüchtigen Moment erlangte Kira einen Eindruck davon, wie es sich im Inneren eines Schwarzen Loches anfühlen musste. Während sie sich an der Trill festhielt, schaffte sie es, den Kopf ein wenig zu heben und sich umzusehen. Sie konnte das Objekt im Zentrum des Lichtes sehen, sie konnte Bareil aufrecht davor stehen sehen, seine Arme ausgestreckt, unrealistisch nahe an den Flammen, welche über die Wände der Höhle züngelten. Sie konnte sehen, wie die Metallhaken im Felsen weich wurden und in den Abgrund tropften. Sie konnte die bajoranischen Männer sehen, eingehüllt in Feuer, demselben Feuer, das Kira selbst nicht berührte. ‘Großer Druck und Hitze’, der Gedanke formte sich kurz in ihrem Geist.

Nichts von alledem konnte wirklich passieren, realisierte sie. Dann bemerkte sie, dass sie Bareil von der anderen Seite der Träne aus sah. Das hieß, dass entweder er oder sie sich nicht mehr länger auf der Plattform befanden. Und das hieß, dass einer von ihnen über dem... sie verwarf den Gedanken als irrelevant. Indem sie Dax’ Hand presste, konzentrierte sie sich, wie sie sich noch nie in ihrem Leben konzentriert hatte. Sie konzentrierte sich darauf, an den Mann zu glauben, den sie liebte.

Das Licht machte blind, aber auch das war unwichtig, denn es waren die Augen der Propheten, durch welche er blickte. Er sah durch die Berge auf die Ebenen. Er sah Dörfer an ihrem Fuß sitzen, er sah die Wälder in der Ferne, er sah die Hauptstadt Ashalla, er sah Bajor. Er wurde sich klar darüber, dass er mit einem Lidschlag jedes der Dinge, die er sah, ändern konnte, eine Stadt auswählen, einen Berg verschieben. Die Stimmen der Propheten wisperten in seinem Kopf.

„Was ist es, was du wünschst?“ fragten sie.

Bareil öffnete seinen Geist und sein Herz und sie sahen, was er wollte.

„Dass Euer Wille geschehe!“

Er hob seine Hand und mit dem Schmerz des Bedauerns zerschmetterte er die Oberfläche des Objektes.

Die Stille war das erste, was Kira bemerkte, was an sich seltsam war, denn sie konnte sich nicht daran erinnern, zuvor ein Geräusch gehört zu haben. Als sie vorsichtig ihren Kopf hob, war alles, was sie sehen konnte, das Schwarz der Felsen und das schwache Licht, das allgegenwärtig in der Höhle zu glühen schien. Die Oberfläche des Gesteins war wieder glatt und sauber, von den Männern, die sie hierher gebracht hatten, war keine Spur zurückgeblieben. Sie spürte Dax’ Hand in ihrer eigenen und schüttelte sie leicht. Die Trill bewegte sich, starrte erst Kira an, dann die zerbrochene Form über dem Abgrund. Bareil kniete am äußersten Ende der Plattform, gefährlich über dem Abgrund schwankend, schwer atmend. Doch als er sich auf seine Füße erhob, schien er unverletzt. Kira versuchte erst gar nicht, ihre Tränen zurückzuhalten, als sie sah, wie ihr Geliebter einen vorsichtigen Schritt auf sie zu tat.

„Was um Himmels Willen ist gerade passiert?“ zischte Dax.

Den Schmerz ihrer zerschnittenen Lippe ignorierend, lächelte Kira durch die Tränen.

„Ich denke“, flüsterte sie zurück, „Antos wurde gerade ein wenig wütend.“

* * *


„Ich verstehe es immer noch nicht“, murmelte Dax zwischen zwei Bissen ihres weichen Kuchens aus dem Replikator. „Was wäre passiert, hätten sie das Gerät aktiviert?“

Bareil blickte von seiner Hand auf, welche in derjenigen von Kira lag, und im Augenblick eine wunderbare delikate Massage erfuhr. Seine Finger fühlten sich immer noch taub an. Es war die einzige äußerliche Erinnerung an die Geschehnisse in der Höhle.

„Ich bin mir nicht sicher.“ Seine Stimme zitterte ein wenig, er schien sehr müde. Für diesen einen kurzen Moment das Bewusstsein der Propheten zu teilen hatte ihm klar gemacht, wie nutzlos es war, beginnen zu wollen das Mögliche zu definieren. „Die Schrift warnte, dass die Propheten deine Wünsche erfüllen würden, aber du müsstest dir absolut sicher darüber sein, was du dir wünschst. Ich glaube nicht, dass sie negative Gedanken toleriert hätten. Der letzte Mann, der das Gerät geöffnet hat, war ein Prylar, ein Mann der Propheten, und nicht einmal er war stark genug gewesen, um der Vernichtung zu entgehen.“

„So, was hast du dir gewünscht?“ fragte Dax überrascht.

Er senkte seine Lider und lächelte ein wenig.

„Ich wollte nach Hause“, er lehnte sich vor und küsste Kiras Wange, diejenige, die unverletzt war. „Ich bin sehr müde, ich ziehe mich besser zurück.“ Er stand auf und drückte die Hand seiner Gefährtin. „Wirst du noch länger hier bleiben?“

Kira schüttelte lächelnd ihren Kopf. „Ich versuche nur noch etwas von diesem Kuchen abzubekommen“, sagte sie vorsichtig. Das Sprechen fiel ihr noch ein wenig schwer, trotz der Sorgfalt, die Dr. Bashir ihren Lippen hatte angedeihen lassen.

Dax blickte von ihrem Teller mit einem schuldigen Lächeln auf. „Es ist noch viel übrig“, versicherte sie. Sie schenkte dem Vedek ein warmes Lächeln, dann, als er sich abwandte um zu gehen, kam ihr ein Gedanke.

„Antos, vergib meine Neugierde, aber... es würde mich interessieren, was die Inschrift wirklich aussagte, die du übersetzt hast?“

Bareil runzelte einen Moment die Stirn, dann erwiderte er. „Die Propheten sehen nur die Stärke des Herzens.“ Er neigte seinen Kopf und ging zur Tür. Noch einmal hielt er inne, um der Trill über die Schulter ein Grinsen zuzuwerfen. „Oder vereinfacht übersetzt: Ein Goldfisch kann einen Gorilla töten, alles, was dazu nötig ist, ist das Element ... des Glaubens.“



Ende

Rezensionen