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Wanderer zwischen den Welten

von Martina Bernsdorf

Kapitel 1

Das goldfarbene Licht des sterbenden Tages lag über den sanft geschwungenen Hügelketten der ersten Gebirgsausläufer der Rejakanberge. Der Wind, der hier stetig seine Herrschaft bestritt, war kalt und unerbittlich, er fing sich an den hohen Bergmassiven und trug seine Kälte und den Hauch von Schnee und Eis mit sich in die kleinen Täler.

Nur in geschützten Talmulden wuchsen zähe Pflanzen, klein, bodennah und unscheinbar, hier herrschten nicht die üppigen Farben der fruchtbaren Ebenen von Bajor, hier war Braun der bestimmende Farbton, doch auch dieser hatte in seinen Abstufungen eine Vielfalt, die verzaubern konnte. Nahe an Felsen, geschützt vor dem Heulen des Windes wuchs hier und dort ein wenig wilder Weizen, im fortwährenden Kampf gegen die strengen Fröste, den seltenen Regen und den Wind, der die Samen weit forttrug und nur wenig zurückließ.

Eine kleine Gruppe von Springern kauerte zwischen den Felsen, die Nagetiere mit dem buschigen Schwanz und den großen Ohren knabberten an dem harten Gras und sammelten die Weizenkörner in ihren Backentaschen, um sie an anderen Orten in ihren warmen Höhlen zu horten. Der Winter war noch fern, aber alles auf Bajor folgte den Regeln der Natur, oder zumindest war es so gewesen.

Ein graufarbener Springer, nicht größer als die anderen, nicht auffälliger in Farbe oder Aussehen, hüpfte in die Nähe der Gruppe, was die kleine Herde in wilder Panik flüchten ließ. Springer waren als äußerst scheu bekannt, was nicht weiter verwunderlich war, da sie gerne den Speisezettel der Bajoraner bereicherten, doch innerhalb ihrer Rasse gab es kein Territorialstreben und strenges Gruppenverhalten.

Der graue Springer blieb zurück, betrachtete die Weizenkörner, die noch auf dem Boden lagen, machte aber keine Anstalten, sie zu fressen, statt dessen begann sich seine Form zu verändern, das graue Fell verwandelte sich, der ganze kompakt gebaute Körper des Springers streckte sich, schien sich gar zu verflüssigen, und aus einer goldfarbenen Substanz bildete sich etwas anderes.

Odo blickte den Springern nach, zumindest folgten seine Augen dem Weg, den die kleinen Nagetiere gegangen waren, er konnte sie nicht länger ausmachen, und auf dem glatten, kaum ausgeformten Gesicht bildeten sich einige Falten der Verwunderung. Odo fragte sich, was ihn verraten hatte, er hatte immer und immer wieder versucht zu entschlüsseln, woran es lag, dass man ihn erkannte oder zumindest erkannte, dass er nicht dazu gehörte, anders war. Er hatte den Springer so perfekt wie möglich kopiert. Mit einem seltsamen Gefühl, in dem sich Wut und Achtung mischten, dachte er an Dr. Mora, den Bajoraner, der ihn aufgezogen hatte. Einen Springer nachzuahmen war eine seiner ersten Übungen gewesen. Was ihn immer noch verwunderte war die Frage, woran die Springer merkten, dass er nicht war, für was er sich ausgab. Dass er nicht dazugehörte, egal wie perfekt er auch aussah. Aber vermutlich gehörte er nirgendwo hin, niemand wusste, woher er kam, niemand wusste, was er war, und niemand konnte ihm helfen, er war allein, und das war ein seltsames Gefühl, ein Gefühl, das nicht richtig zu sein schien.

Warum war er allein? Wenn er wirklich der einzige seiner Art war, dann hätte Einsamkeit, hätte dieses Gefühl, nirgendwo hinzugehören, nirgendwo hinzupassen, eigentlich nicht in ihm existieren dürfen. Ein Wesen, das von Natur aus dazu ausersehen war, allein zu sein, fühlte sicher keine Einsamkeit, sehnte sich nicht nach anderen seiner Art, sehnte sich nicht nach einem Ort und Gesellschaft.

Odo riss sich aus seinen Gedanken, er war nicht hier, um über die Springer und die Ablehnung dieser Nagetiergesellschaft nachzudenken, wer wollte schon ein Springer sein! Grimmig blickte er auf den Körper des Bajoraners herab, der hier zwischen Felsen im kärglichen Gras lag, er war der Grund gewesen, warum er hier war.

Odo warf einen Blick hinab ins Tal, in der Ferne konnte er den cardassianischen Gleiter ausmachen und den kleinen Trupp von Soldaten, die dort ausgeschwärmt waren. Er hatte kein Bedürfnis gehabt, ihrer lauten, uneleganten Suche zu folgen, sondern war in anderer Gestalt und wesentlich angepasster und leiser vorgegangen. Doch eigentlich war es sinnlos gewesen, Stille war nicht mehr notwendig, um diesen Mann zu fangen, er war nun selbst ein Teil der Stille. Odo hob den Arm und winkte knapp, er sah, wie sich einige der Cardassianer in seine Richtung bewegten, und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bajoraner, der auf dem Boden lag.

Odo kniete sich neben ihm hin, er warf einen verstohlenen Blick über seine Schulter, aber die Cardassianer waren noch zu weit weg, um zu sehen, was er tat. Zögernd berührte er das Gesicht des jungen Mannes, es schien ganz friedlich. Sein Blick richtete sich auf die Jacke des Mannes, schwarz verkohlte Stofffetzen zeigten den Weg des cardassianischen Phasers, welcher ihn getroffen hatte. Eigentlich war es erstaunlich, dass der Mann noch so weit gekommen war.

Odo fragte sich, wie die letzten Momente im Leben dieses jungen Mannes ausgesehen hatten, hatte er gefühlt, wie die Kraft nachließ, wie der Tod kam? Was war Tod? Odo hatte mehr Gelegenheiten gehabt, das Sterben von Bajoranern zu studieren, als er je hatte erleben wollen. Der Tod war auf Bajor daheim und trug das echsenartige Antlitz von Cardassianern.

Tod. Odo legte die Hand auf die Brust des Bajoraners, nur Stille, nur Kälte, nur Tod. Es war so seltsam, diese Abwesenheit von Leben. Odo fragte sich, ob er selbst auch sterben konnte? Welche Belastungen hielt sein Körper aus? Er hatte keine so verletzbaren Teile wie die Bajoraner, kein Herz, das aufhören konnte zu schlagen, kein Blut, das auf dem Boden versickern konnte, keine Lungen, die keinen Sauerstoff mehr transportierten, er brauchte nichts von diesen Dingen, um zu leben, und was bedeutete das für seinen Tod? Würde sein Tod anders sein?

Odo versuchte sich daran zu erinnern, was gewesen war, bevor er die Umwelt wahrnehmen konnte, seine ersten Erinnerungen waren die Eindrücke von Dr. Moras Labor, sein erster Schmerz, die Stimulationen, die man an ihm durchführte, aber bedeutete Schmerz nicht auch, dass er sterblich war? Und wenn er sterblich war, was kam danach?

Odo blickte in die gebrochenen Augen des Bajoraners, sie wirkten erstaunt, so als habe er im letzten Augenblick seines Lebens mehr gesehen als nur den Himmel über sich. Odo drehte den Kopf nach oben, folgte diesem starren Blick in die Ewigkeit, aber er sah nur blauen Himmel und weiße Wolkenschleier, keine Erkenntnis, keine Antwort. Er hatte den Glauben der Bajoraner kennengelernt, ein Glaube, aus dem sie die Kraft zogen zu überleben, manche zogen daraus die Kraft zu kämpfen, andere zogen daraus die Kraft auszuharren und die Willkür der Besatzungsmacht über sich ergehen zu lassen. Er hatte keinen Glauben, außer vielleicht noch den Glauben an eine höhere Ordnung, an die Gerechtigkeit, aber wo lag Gerechtigkeit?

Er betrachtete das Gesicht des Mannes, er hatte einen Bombenanschlag auf Terok Nor verübt, das Büro von Gul Dukat glich einem Trümmerfeld, die Reste seines Adjutanten zu entfernen hatte Stunden gekostet, und war es nun Gerechtigkeit, dass er hier lag, die Augen blicklos, das Leben aus ihm entwichen?

„Gute Arbeit, Mr. Odo!“ Die Stimme des Cardassianers klang eine kaum merkbare Spur atemlos von dem steilen Aufstieg. Ein schwarzer Stiefel grub sich in die Seite des Bajoraners. „Nun, das war es wohl!“ Odo blickte zu dem Mann auf, die schwarzgraue Uniform der Cardsassianer wirkte martialisch, düster und passte dennoch gut zu dem Mann, der sie trug.

„Es ist erstaunlich, wie es der Rebell noch bis hierher geschafft hat, nachdem er wohl schon an der Luftschleuse zu den Shuttles auf Terok Nor getroffen wurde!“ Gul Dukat trat erneut, mehr aus einer Laune heraus, nach dem toten Bajoraner. Er sah die Missbilligung in den grauen Augen des Gestaltenwandlers und amüsierte sich insgeheim darüber. Es gab nichts, das man nicht auch korrumpieren konnte, und genau das hatte er mit dem Wandler vor, eines Tages würde er die Gerechtigkeit so sehen wie er, als ein Instrument der Sieger.

„Es verwundert mich, dass Sie die Gefahr auf sich nehmen, nach Bajor zu fliegen, nur um einen Rebellen zu fangen.“

„Die Bajoraner sind nicht einmal fähige Attentäter, wahrlich eine schwache Rasse.“ Dukat umging damit eine Antwort und zuckte mit den Schultern, die durch die Uniform breiter wirkten, als sie wirklich waren.

„Es waren nur ein paar Sekunden, die Sie davor bewahrten, Gul Dukat, wie Ihr Adjutant als Wanddekoration zu enden!“ Odo registrierte das Grinsen, das seine Worte bei Dukat auslösten, und fragte sich, was daran lustig war, er würde die Humanoiden wohl niemals verstehen.

„Ich lebe, Mr. Odo, und der Tag, an dem ein Cardassianer sich vor Bajoranern verstecken muss, wird niemals kommen!“ Dukats Worte klangen überzeugt. „Es mag sein, dass jeder kleine, dreckige Rebell auf diesem Planeten es auf mein Leben abgesehen hat, aber ich werde jedem von ihnen in die gebrochenen Augen sehen, so wie diesem hier!“ Dukat trat erneut in die Rippen des toten Widerstandskämpfers.

„Gehen wir, Mr. Odo, ich habe gesehen, was ich sehen wollte!“ Dukat drehte sich militärisch präzise auf den Stiefelabsätzen um und marschierte den Hügel hinab. Odo bemerkte den Blick, den seine Truppen ihm zuwarfen, und begriff, warum Dukat dieses Szenario betreten hatte. Er wollte Stärke demonstrieren und dafür sorgen, dass niemand ihm in der Militärhierachie Cardassias Angst oder Feigheit vor dem bajoranischen Widerstand vorwerfen konnte. Odo hatte gelernt, die kulturellen Strukturen Cardassias langsam zu entschlüsseln, Intrige und Verleumdung waren ein Teil der cardassianischen Politik, und eines war sicher, Gul Dukat wollte ein Teil dieses Machtapparates sein.

Odo betrachtete noch einmal den toten Bajoraner und streckte langsam die Hand aus, vorsichtig, auch wenn er sich bewusst war, dass der Mann nichts mehr fühlte, nahm er den Ohrring ab.
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