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Wanderer zwischen den Welten

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Mattes Licht brach sich auf dem silbernen Ohrring. Finger schlossen sich langsam darum, hielten ihn fest, die Fingerknöchel traten stark hervor, als der Druck verstärkt wurde und sie sich dann wieder lösten. Valris öffnete die Augen, die sie fest geschlossen hatte, und blickte in die nachdenklichen, aber auch neugierigen Augen des Gestaltenwandlers.

„Danke“, die Worte waren schlicht, aber Valris wusste, dass Odo dies lieber war als jede übertriebene Reaktion, manchmal schien der Gestaltenwandler über die Fähigkeit der Humanoiden überrascht, mit vielen Worten wenige Dinge auszudrücken.

Odo musterte die alte Bajoranerin, es erstaunte ihn immer wieder, wie viel Emotionen ein bajoranisches Gesicht ausdrücken konnte. Doch selbst die Cardassianer hatten einen mimischen Spielraum, der den seinen bei weitem überstieg.

„Die Widerstandskämpfer sind alle so jung.“ Odo blickte in Valris’ faltiges Gesicht, in jeder Linie, in jeder Falte schien die Geschichte ihres Lebens eingegraben zu sein, Odo fragte sich, ob sein Gesicht jemals so viel über ihn erzählen würde, wie Valris’ über ihres.

Die alte Frau nickte langsam, und ihre Fingerspitzen strichen über den Ohrring. „Ja, es ist immer die Jugend, die nach Freiheit strebt. Es gibt keine alten Widerstandskämpfer, sie sterben alle zu jung, um wirklich das Alter kennenzulernen, und vielleicht ist dies der bessere Weg, vielleicht ist es auch ein viel schlechterer Weg.“

Odo hob leicht die Schultern an, auch eine Geste, die er sich angewöhnt hatte, in seinem Bemühen, das Verhalten der Bajoraner und Cardassianer zu kopieren, und doch war er immer nur ein Wanderer zwischen den Welten, gehörte er nirgendwo dazu. Es war wie bei den Springern, selbst wenn er perfekt gewesen wäre, selbst wenn sein Gesicht nicht so glatt und ungeformt wäre, würde er nie einer von ihnen sein.

„Es gibt mehr Wege, eine Heimat zu finden, als sich der Masse anzupassen!“ Die dunklen Augen Valris’ fingen den erstaunten Blick des Gestaltenwandlers ein, und ein faltiges Lächeln legte sich um ihre Mundwinkel. „Es ist gar nicht so schwer, in Ihrem Gesicht zu lesen, Odo!“

„Manche behaupten, ich hätte gar kein Gesicht!“ Odos Worte klangen tonlos und verrieten daher umso mehr den Schmerz dahinter.

„Augen können sich vor der Wahrheit verschließen, aber es gibt immer welche, die sich auch öffnen, die in diesem Gesicht mehr sehen als Sie sich das vorstellen, Odo!“

Odo musterte die alte Bajoranerin, in ihren Augen lag wirklich etwas, das er sonst nie gefunden hatte. Für die meisten war er ein Nichts, der erste Name, den Bajoraner auf das Glas geschrieben hatten, in dem seine ungeformte Gestalt gefangen war, bedeutete Nichts, und aus einer trotzigen Reaktion heraus hatte er daraus seinen eigenen Namen abgewandelt, und doch war er immer ein Nichts für die meisten geblieben.

Es geschah selten, dass ihm jemand direkt in die Augen sah, es kam selten vor, dass er darin etwas anderes als Ablehnung oder Misstrauen las. Odo erinnerte sich kurz an ein anderes Augenpaar, dunkler noch in der Farbe als die Valris’, dunkel und voller Zorn, und doch, doch waren sie anders gewesen, sie hatten ihn angesehen, als wäre er jemand, nicht ein Nichts. Odo verscheuchte die Gedanken an die junge Widerstandskämpferin, und doch war er auf irrationale Weise froh gewesen, dass der Attentäter ein Mann gewesen war und keine Rebellin mit rotem Haar und schwarzen Augen.

„Ich werde versuchen, die Familie des jungen Mannes zu finden, ich bin sicher, sie werden dankbar sein, wenn sie wissen, wo der Körper ihres Sohnes ruht.“ Valris legte den Ohrring auf ihren kleinen Ladentisch. Die alte Bajoranerin betrieb ein kleines Geschäft auf der Promenade von Terok Nor. Geduldet von den Cardassianern hatte sie sich zu einer Art Anlaufstelle entwickelt, hier fanden sich jene ein, die nach verlorengegangenen Freunden und Familienmitgliedern suchten. Eigentlich war es ein kleines Geschäft, in dem man bajoranische Gewürze und Tee kaufen konnte, aber selten hatte ein Bajoraner Geld, und noch seltener verlangte Valris etwas. Manchmal nahm sie auch ihr Belaklavion und spielte in Quarks Bar, und dann schwiegen selbst Cardassianer und gaben ihr Latinum als Entlohnung für ihr Spiel.

„Ich wünschte, ich hätte ihn begraben können!“ Odo fühlte sich unbehaglich, er wusste nicht viel über Begräbnisriten, aber den meisten Völkern waren sie wichtig. Valris schüttelte den Kopf und berührte ihn sanft am Arm. Odo starrte auf die Hand, die da auf seinem Unterarm lag. Normalerweise fasste ihn niemand an, und eigentlich hätte er auch nie gedacht, dass es ihm etwas bedeuten würde, wenn ihn jemand berührte, aber Valris’ Hand auf seinem Arm fühlte sich gut an, mehr noch, richtig.

„Es ist nicht von Bedeutung, mein junger Freund, die Propheten haben den Jungen in ihre Arme geschlossen, und zurück bleibt nur seine Hülle, er wird wieder ein Teil Bajors, und allein das zählt.“ Valris schauderte kurz. „Diese Station ist kalt, Odo! Ich möchte eines Tages auch zurück, um zur Erde Bajors zurückzukehren.“

Odo nickte langsam. Heimat, das war es, wovon Valris sprach, aber was war Heimat? Gab es einen solchen Ort auch für ihn? Gab es einen Platz, an den er zurückkehren wollte, bevor er starb, und wo war das?

„Eines Tages werden Sie die Antwort auf Ihre Fragen finden, Odo.“

Der Gestaltenwandler nickte dankbar, manchmal, wenn Valris in seine Seele zu sehen schien, dachte er wirklich, dass sie recht hatte, glaubte er selbst, dass es einen Ort gab, an den er gehörte oder gehören würde.

Valris löste ihre Hand von Odos Arm, und ihre Finger strichen nachdenklich über die Saiten ihres Belaklavion, das wie stets in greifbarer Nähe von ihr lag. Ein paar Töne schwebten durch den Raum, und Odo erinnerte sich daran, wie er auf Valris aufmerksam geworden war, es war die Musik gewesen. Er war diesen Tönen gefolgt, bis er vor diesem Laden stand, der alten Bajoranerin bei ihrem Spiel zusah und überlegte, was Musik war. Er hatte Musik gehört, in Dr. Moras Labor hatte man ihn allen möglichen Tönen und Tonarten ausgesetzt: Ein Experiment. Der Gedanke daran war bitter, er war dort immer nur ein Experiment gewesen. Doch die Töne, die Valris den Saiten des Belaklavion entlockte, waren kein Experiment, sie waren eine Geschichte, ein Gefühl, ein Traum, und manchmal träumte selbst ein Gestaltenwandler, es waren seltsame Träume, verschwommene Gedanken in seinem liquiden Stadium, nicht bewusst, aber auch nicht gänzlich unbewusst.

Er hatte diesen Tönen gelauscht, und erst nach einer Weile war ihm bewusst geworden, dass die alte Frau ihn anblickte. Odo war es gewöhnt, dass man ihn anstarrte oder dass man demonstrativ wegsah, aber nicht, dass man ihn so ansah, ansah, als sei er kein Außenseiter, ansah, als sei er kein Gestaltenwandler, ansah, als sei er jemand.

Seit jenem Tag war er oft bei Valris gewesen und hatte von ihr gelernt, oft lauschte er nur den Erzählungen der alten Frau, manchmal stellte er Fragen, über all die Dinge des Lebens, die den Humanoiden so alltäglich erschienen, aber für einen Gestaltenwandler nicht greifbar waren. Als Sicherheitschef, oder was auch immer Dukat in ihm sah, hatte er oft mit dem Gul zu tun, er kannte die gefährliche Anziehungskraft der Macht, die diesen Mann umgab, und er wusste, dass Dukat ihn auf eine seltsame Weise auf seine Seite ziehen wollte.

Valris war der Ausgleich zu Dukat, wenn Dukat die Finsternis war, dann war Valris das Licht, und vielleicht brauchte er beide Seiten, um sich selbst zu finden, um herauszufinden, was er war und wo sein Weg lag.
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