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Wanderer zwischen den Welten

von Martina Bernsdorf

Kapitel 3

Nichts als Bürokratie!“ Dukat schlug mit der Faust auf seinen Tisch, seine fahlblauen Augen beobachteten Odo, der jedoch von der unbeherrscht wirkenden Gestik des Cardassianers keine Notiz zu nehmen schien. Dukat gab diese Strategie auf, den Gestaltenwandler konnte man nicht verunsichern, auf jeden Fall nicht mit solchen Mitteln. Er ließ sich in seinen Sessel fallen und betrachtete das glatte Gesicht des Wandlers, es war eine Herausforderung und Beleidigung in einem für Dukat, dass er nicht wusste, was sich hinter diesem glatten Gesicht verbarg.

„Die Leistung der Erzveredelungsanlage sinkt auch ständig!“ Dukat trommelte mit den Fingerspitzen auf der glatten Platte seines Tisches und deutete auf das farbige Display der Computeraufstellung. „Vielleicht sollte ich einige Exempel unter den bajoranischen Arbeitern statuieren!“

„Das würde kaum die Motivation verbessern.“ Odos Antwort war knapp, entlockte Dukat dennoch ein zufriedenes Grinsen, genau das hatte er sich von dem Wandler gedacht. Gerechtigkeit, was für ein närrischer Gedanke, nun, der Wandler würde lernen, dass es nur eine Gerechtigkeit auf Terok Nor gab und zwar die von Gul Dukat. Gerechtigkeit, Geschichte, Gesetze, das alles wurde von den Siegern bestimmt, und Cardassia hatte gesiegt, siegte noch immer!

Dukat ballte die Fäuste und starrte mit brennend wütendem Blick auf die Aufzeichnungen der Aktivitäten des bajoranischen Widerstandes, für jeden Rebellen, den sie aufhängten, schienen zehn neue Kämpfer aus dem Boden zu wachsen. Für jede Widerstandsgruppe, die sie ausmerzten, gab es eine neue, für jeden Stützpunkt, den sie pulverisierten, schossen andere wie Pilze aus dem Boden! Es hatte eine Zeit gegeben, als die Widerstandszellen kaum mehr als eine lästige kleine Störung gewesen waren, eine Zeit, wo die Ausmerzung einer solchen Gruppe Vergnügen gewesen war, aber das war vorbei.

Die Khon Ma, Shakaar oder wie auch all jene Gruppierungen hießen, waren nicht länger, allein und sie hatten ihre Methoden verändert, sie hatten gelernt. Es kursierten bereits Gerüchte in den inneren Kreisen der Macht, dass man Bajor bald aufgeben würde. Die Minen warfen keine hohen Gewinne mehr ab, der Verlust an cardassianischen Leben durch Terroranschläge stieg nahezu stündlich an, und auf Cardassia wurde schon offen darüber diskutiert, ob man diesen Planeten nicht einfach verlassen sollte.

Dukat wollte nicht gehen, Bajor war ihm egal, aber er war als Präfekt eingesetzt worden, er wollte nicht der Gul sein, unter dem sich die Cardassianer von Bajor zurückzogen!

„Haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht, wohin Sie gehen werden, wenn Cardassia eines Tages seine Truppen von Bajor abzieht?“ Dukat bemerkte die Überraschung in Odos Augen, ehe der Wandler sich wieder zu der unnahbaren, undurchschaubaren Person verwandelte, die er für Dukat meistens war.

„Ich dachte nicht, dass man Bajor aufgeben wird.“ Odo stellte sich ein Bajor ohne Cardassianer vor, es war noch immer kein Ort, den er Heimat hätte nennen können, aber zumindest würden die Bajoraner frei sein, und viele der schrecklichen Dinge, die alltäglich unter der Herrschaft Cardassias gewesen waren, würden verschwinden.

Dukat kniff die Augen zusammen. „Es existieren gewisse Gerüchte, Bajor ist ausgeblutet, die Ressourcen sind aufgebraucht, es lohnt nicht mehr den Aufwand, unsere Truppen hier zu halten.“ Dukat bemerkte Odos aufmerksamen Blick, er fragte sich, ob der Wandler wusste, dass man die Truppen noch hatte verstärken müssen, da sich überall der Widerstand regte.

„Ich kann Ihnen einen Posten an meiner Seite verschaffen, Mr. Odo!“ Dukat musterte Odo lauernd.

Odo warf einen Blick auf die Wand hinter Dukat, man hatte die Brandflecken und die Reste seines Adjutanten längst entfernt, dennoch konnte sich Odo nur sehr gut an dieses blutige Bild erinnern. „Sie meinen, der Platz des Adjutanten ist ganz zufällig unbesetzt, und ich wäre der richtige Mann dafür?“

Dukat lachte leise. „Ich habe nicht behauptet, dass es ein ungefährlicher Job wäre!“

„Ich bin kein Cardassianer.“

Dukat musterte ihn zwingend. „Sie könnten aber einer sein, wenn Sie wollen, Odo! Oder ziehen Sie vor, in absehbarer Zeit Ihre Nase mit einigen Kerben zu verzieren? Die Bajoraner werden immer die Verlierer sein, Odo! Sie sollten die Seite der Macht wählen, und Sie könnten es weit auf Cardassia bringen!“

„Ich wähle keine Seite!“ Odo erinnerte sich an die bajoranische Widerstandskämpferin, die ihm wütend und eindringlich vorgehalten hatte, dass er eine Seite wählen musste.

„Ich wähle keine Seite!“ Die Wiederholung seiner Worte war nicht nur für Dukat gedacht, sondern auch für die Rebellin mit den nachtschwarzen Augen.

Dukat schüttelte leicht den Kopf. „Niemand wird Sie nach einer Wahl fragen, Odo! Aber wählen müssen Sie dennoch!“

„Ich stehe auf der Seite der Gerechtigkeit, Gul Dukat, das sagte ich Ihnen an dem Tag, als ich Ihr Angebot annahm, Sicherheitschef der Station zu werden!“

Dukat betrachtete den Wandler mit einem geringschätzigen Lächeln. „Gerechtigkeit!“ Er warf theatralisch die Arme nach oben. „Fragen Sie einen Bajoraner, der einen Cardassianer getötet hat, und er wird sagen, es sei gerecht gewesen - fragen Sie einen Cardassianer, der einen bajoranischen Rebellen hinrichtet, und er wird es Gerechtigkeit nennen! Sie folgen einer Illusion, Odo! Es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur Macht oder Ohnmacht, und diejenigen mit Macht in Händen bestimmen, was gerecht ist!“

Odo schwieg, sprach Dukat die Wahrheit? Gerechtigkeit schien oft eine Sache der Auslegung zu sein, und jeder beanspruchte sie auf seiner Seite, und doch, warum fühlte er, dass es einen anderen Weg gab? Tief in seiner Seele wusste er, was gerecht war und was nicht, und diesem Ruf wollte er folgen. „Vielleicht ist es eine Illusion, Gul Dukat, aber es ist meine Illusion, und ich werde meinem Weg folgen!“

Dukat hob die Hände in einer Geste, die Resignation und Spott in einem auszudrücken schien. „Überlegen Sie sich gut, was Sie tun, Odo! Glauben Sie, die Bajoraner wollen Sie haben? Tatsache ist, dass niemand Sie will! Sie sind kein Bajoraner, Sie sind kein Cardassianer, Sie sind ein Wanderer zwischen allen Welten! Ich habe Interesse an Ihnen, das ist besser als das, was die Bajoraner Ihnen bieten könnten! Unter den Bajoranern werden Sie immer nur ein Außenseiter sein, schlimmer noch, Sie werden immer der Wandler sein, der unter Gul Dukat arbeitete, Sie werden immer ihr Feind sein! Möchten Sie unter Feinden leben?“

Odo schwieg, Dukats Worte erschütterten ihn, er hatte gelernt, dieses seltsame Leben auf Terok Nor zu schätzen. Dieser Ort war in den letzten Jahren mehr ein Ort geworden, an dem er daheim war, als jeder zuvor. Odo musste sich eingestehen, dass es sonst nur einen Ort gab, an dem er längere Zeit verbracht hatte, und das war das Labor von Dr. Mora gewesen, und dorthin wollte er nie zurückkehren.

„Sie brauchen mir noch nicht zu antworten.“ Dukat gab sich großzügig, er war zufrieden, er hatte zumindest den Grundstein des Zweifels gelegt, und er zweifelte nicht daran, dass er den Wandler auf seine Seite ziehen konnte. Ein Gestaltenwandler mochte von unschätzbarem Wert sein, wenn er nach Cardassia zurückkehrte, er konnte ein Werkzeug sein, das ihn an die Macht brachte, und alles andere war für Gul Dukat nicht von Belang.

* * * * *

Schuppige Augenwülste, starke Muskelstränge am Hals, eine graue Gesichtsfarbe, schwarzes Haar, das Gesicht, das ihm aus dem Spiegel entgegen starrte, war fremd, die Kieferkonturen waberten leicht, es kostete Mühe, dieses Gesicht zu bilden, und mit einem leichten Seufzen der Resignation ließ Odo zu, dass sich sein übliches, glattes Gesicht bildete.

Es war seltsam, es bereitete ihm keine Mühe, Tiere zu kopieren, diese Verwandlungen gelangen perfekt, auch wenn die Tiere immer merkten, dass er nicht war, für was er sich ausgab. Warum also bereitete es ihm solche Mühe, ein bajoranisches oder cardassianisches Gesicht zu bilden?

Odo hob die Hand und berührte seine glatte Wange, warum konnte er nicht einfach ein Cardassianer werden oder ein Bajoraner, die Fähigkeiten dazu mussten doch in ihm ruhen. War es seine Seele, die sich weigerte, eine Seite zu wählen? War dies die Wahl, vor der er stand, und konnte er deshalb nur mit diesem glatten, ungeformten Gesicht herumlaufen, weil sich sein Innerstes weigerte sich anzupassen, einer von vielen zu werden?

Er betrachtete sein Gesicht, und wie so oft wurde ihm bewusst, dass er auf eine seltsam verzerrte Weise Dr. Mora ähnelte. Odo hatte sich oft überlegt, warum er dieses Gesicht trug, wenn er sich in eine humanoide Form begab, es geschah ohne bewussten Gedanken, er musste sich nicht anstrengen, Odo zu sein. Es hatte Momente gegeben, wo er sich sicher war, dass er Dr. Mora hasste, hasste, weil er in dessen Augen immer nur die Neugierde eines Wissenschaftlers gesehen hatte, weil er in dessen Augen immer nur ein Experiment gewesen war. Aber er war kein Experiment, er war ein Wesen, ein fühlendes Wesen, und vielleicht war der Wunsch in ihm gewesen, dass er in Dr. Moras Augen etwas gesehen hätte, das sich jede heranreifende Lebensform von seinem Lehrer, seinem Vater wünschte: Anerkennung und Liebe.

Odo verscheuchte die Gedanken mit einem unwilligen Brummen, Dr. Mora war nur ein Wissenschaftler, der über eine goldfarbene Pfütze gestolpert war, die sich dann als eine Lebensform entpuppt hatte, die niemand kannte. Was konnte er erwarten? Liebe? Anerkennung? Unsinn! Er war nur ein Objekt der Neugierde gewesen, und konnte er das Dr. Mora verdenken?

Der Gestaltenwandler starrte in seine grauen Augen, und seine Seele gab ihm die Antwort darauf, egal wie unsinnig es seinem Verstand erschien. Ja, er konnte es Dr. Mora verdenken, er hatte nicht das Recht gehabt, ihn als Experiment zu betrachten. Niemand hatte das Recht, so mit ihm umzugehen, es gab dafür keine Entschuldigung, und jedes Quäntchen Zorn und Schmerz, das Dr. Mora in ihm erweckt hatte, war berechtigt. Es waren seine Gefühle, und niemand durfte ihm diese absprechen.

Nur einmal hatte Odo versucht, seinem Gesicht bajoranische Attribute zu verleihen, dies war ihm sogar noch schwerer gefallen als der Versuch, ein cardassianisches Gesicht zu bilden. Es war ihm schwerer gefallen, weil er dann nur noch einen Mann im Spiegel gesehen hatte, einen Mann, der er nicht sein wollte: Dr. Mora.

Odo blickte trotzig in den Spiegel, sein Gesicht war glatt, war ungeformt, aber es war sein Gesicht, weder bajoranisch noch cardassianisch, und wollte er überhaupt ein anderes Gesicht tragen? Eine Maske, um ein Teil einer Gesellschaft zu werden, die ihn dennoch immer als Außenseiter erkennen würde, von der er nie ein Teil sein würde?

Unwillig schüttelte er den Kopf, egal wohin er ging, ob er Dukats Angebot annahm oder auf Bajor blieb, er würde es als das tun, was er war. Doch welchen Weg sollte er nehmen? Dukat bot ihm eine Position der Macht, eine Position, in der man ihn respektieren würde. Blieb er auf Bajor, wenn sich die Cardassianer zurückzogen, würden die Bajoraner in ihm je etwas anderes sehen als den ehemaligen Sicherheitschef von Terok Nor, als einen Handlanger von Gul Dukat? Er kannte die Blicke des Hasses und der Verachtung, die viele Bajoraner für ihn hatten.

Er kannte aber auch den Blick, den Valris ihm schenkte.

Der Kommunikator in seinem Sicherheitsbüro gab ein schrilles, disharmonisches Geräusch von sich und riss Odo aus seinen Gedanken. Er berührte die Sensoren und blickte in das Gesicht eines cardassianischen Soldaten. „Es gibt auf der Promenade Ärger mit einer Bajoranerin!“ Die Worte waren weder höflich noch sonderlich aufschlussreich, aber Odo wusste, dass man in ihm einen Mittler sah, jemanden, der zu keiner Seite gehörte und damit die Möglichkeit hatte, zwischen beiden Seiten zu vermitteln.
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