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Der Wille der Propheten

von Martina Strobelt

Prolog

„Sie und ich haben nichts gemeinsam!“
(Kai Winn zu Weyoun in der Episode „Die Karte“)

Kai Winn verbarg ihre Abneigung gegen den Botschafter des Dominions hinter kühler Höflichkeit. Weyoun vertrat jene Macht, die den Abgesandten der Propheten aus Bajors Nähe vertrieben und seine Gegenwart durch die von Cardassianern und Jem’Hadar ersetzt hatte.
Das Ansinnen des Vortas war lächerlich und dreist.
B’hala war eine geheiligte Stätte des Glaubens, keine Touristenattraktion. Und schon gar kein Ort, der dadurch entweiht werden durfte, dass ein Ungläubiger, ein Feind Bajors und der Propheten, ihn betrat. Alles in Winn verlangte danach, Weyouns Wunsch, B’hala zu besuchen, abzuschlagen.
Doch Klugheit und Vorsicht verboten eine Ablehnung. Weyoun hatte sie unter Beachtung aller Förmlichkeiten der Etikette um diese Audienz ersucht. Er war ohne eine Jem’Hadar-Eskorte, lediglich in Begleitung seines Ersten, gekommen, und hatte sein Ansinnen in so höfliche Worte gekleidet, dass es wie eine Bitte klang. Es war offensichtlich, dass der Vorta danach trachtete, alles zu vermeiden, was als Respektlosigkeit gegenüber der bajoranischen Religion und dem Amt der Kai ausgelegt werden konnte. Trotzdem war Winn sicher, dass der Botschafter des Dominions seine Bitte in eine Forderung umwandeln würde, sollte sie sich weigern, ihr zu entsprechen. Der Vorta war zwar nicht in der Position, ihr als dem geistlichen Oberhaupt einer befreundeten Nation offiziell einen Befehl zu erteilen, doch inoffiziell sah die Sache leider weniger einfach aus.
Weyoun stand zwischen Bajor und Dukat. Er erinnerte den Cardassianer durch seine bloße Anwesenheit an die Einhaltung des Nichtangriffspaktes. Der Vorta mochte im Gegensatz zu seinen Beteuerungen zwar kein Freund Bajors sein, aber zumindest betrachtete er Bajor nicht als Feind. Und Winn lag daran, dass das so blieb.
Daher stellte sie ihre Empörung und ihren Stolz zurück und beschränkte sich auf eine Frage: „Warum interessieren Sie sich für B’hala?“
„Das Dominion verdankt den Ruinen von B’hala die Freundschaft mit Bajor“, erwiderte der Vorta. „Ohne B’hala wäre Bajor der Föderation beigetreten und unsere beiden Völker würden sich jetzt als Gegner im Kampf gegenüberstehen. In Anbetracht dessen halte ich es nur für angemessen, diesem besonderen Ort meine Aufwartung zu machen und ihm im Namen der Gründer die Ehre zuteilwerden zu lassen, die er verdient.“
„Was genau meinen Sie damit?“
Auf Weyouns Nicken trat sein Erster Omet’iklan vor und legte eine Platte aus funkelndem Edelmetall auf Winns Schreibtisch.
Die Kai starrte auf die eingravierte Inschrift:
„Zur ewigen Erinnerung an die Freundschaft zwischen Bajor und dem Dominion, die ihren Beginn diesem Ort verdankt!“
„Eine Gedenktafel?!“, entfuhr es ihr.
„Wundervoll, nicht wahr?“ Weyoun lächelte. „Diese Tafel soll Ausdruck der Verbundenheit unserer beiden Völker sein!“
„Ein ... ungewöhnlicher Einfall. Stammt er von Ihnen?“
„Ja. Stört Sie das?“
„Durchaus nicht“, sagte Winn ausweichend. „Allerdings handelt es sich bei diesem Vorhaben genaugenommen weniger um eine religiöse Angelegenheit, denn um einen politischen Akt. Ich halte es daher für angebracht, die Entscheidung darüber Premierminister Shakaar als weltlichem Vertreter Bajors zu überlassen, und schlage vor, dass Sie sich in dieser Sache an ihn wenden.“
„Natürlich“, stimmte der Vorta zu. „Doch da B’hala als Stätte des Glaubens der religiösen Kompetenz unterliegt, wird der Premierminister seine Erlaubnis von Ihrem Einverständnis abhängig machen.“
Winn hatte das unangenehme Gefühl, ihr Hals würde in einer Schlinge stecken, die sich nur umso fester zuzog, je mehr sie versuchte, sich daraus zu befreien. Es war offensichtlich, dass der Botschafter des Dominions ihre Absicht, die Last der Verantwortung an Shakaar weiterzugeben, durchschaut hatte und nicht bereit war, das zu akzeptieren.
Weyouns Lächeln vertiefte sich. Die Kai besaß große Willensstärke. Es war faszinierend zu beobachten, wie jemand mit einer derart ausgeprägten Persönlichkeit sich wand, wohlwissend, dass es keinen Ausweg gab. Er hatte damit gerechnet, dass sie bestrebt sein würde, die Entscheidung auf einen anderen, vorzugsweise Shakaar, abzuwälzen. Es war ein raffinierter Schachzug. Doch es hätte seine Pläne durchkreuzt, hätte er sie in Anerkennung ihres scharfen Verstandes gewähren lassen. B’hala interessierte ihn nicht. Eine Ansammlung von Steinen, weiter nichts. Für die Bajoraner indessen war B’hala geweihter Boden. Der Ort, mit dessen Hilfe die Propheten dem Abgesandten heilige Visionen geschickt hatten. Visionen, die nur darauf warteten, vom Dominion interpretiert zu werden. Captain Sisko hatte Bajors Beitritt zur Föderation verhindert, weil dies der Wille der Propheten gewesen war. Aber warum hatten die Propheten das gewollt? Um Bajor aus dem Krieg herauszuhalten? Nun, das war die Interpretation der Föderation. Was nun aber, wenn die Propheten so gehandelt hatten, weil es ihr Wille war, dass Bajor sich von der Föderation abkehrte und stattdessen ein Teil des Dominions wurde? Das war die Interpretation, die Weyoun dem bajoranischen Volk zu vermitteln gedachte.
Mit Unterstützung Kai Winns und Premierminister Shakaars. Denn es stand außer Frage, dass am Ende keiner von beiden eine andere Wahl haben würde, als sich an diesem Spiel zu beteiligen, dessen Regeln vom Dominion bestimmt wurden.

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