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Im Auge des Betrachters

von VGer

Kapitel 2

„Ja, warum?“ Consuelo Indurain lehnte sich zurück und hievte das schlafende Baby in ihren Armen zurecht während sie ihren alten Freund mit funkelndschwarzen Augen fixierte. „Sag schon, Kurt, wenn du zweifelst ... warum tun wir das, warum tust du das?“

„Ich mag einen guten Kampf. Und wenn wir gewinnen, umso besser.“, knurrte Kurt und fuhr sich nervös mit den Fingern durch sein dunkles Haar.

„Schon klar, Kurt, du bist der Härteste von uns allen. Du bist der Wolf unter Schafen.“, krähte Sveta sarkastisch dazwischen und rollte mit ihren klaren, wasserblauen Augen.

Sie waren keine Kämpfer, die Umstände hatten sie zu Kämpfern gemacht. Vor ein paar Jahren noch waren sie rechtschaffene Föderationsbürger gewesen, und obwohl sie nie naiv gewesen waren hätten sie sich nicht träumen lassen, dass es jemals anders sein könnte. Sie waren Kolonisten oder Abkömmlinge von Kolonisten, und ihresgleichen waren überall innerhalb der Föderation hoch angesehen. Die meisten alteingesessenen Föderationswelten hatten in irgendeiner Form eine intraplanetare koloniale Geschichte gehabt, inklusive aller Hässlichkeiten und Diskriminierungen die damit einhergingen. Jahrhundertelang hatten die Menschen auf der Erde andere Menschen auf anderen Kontinenten der Erde aus Profitgier und dem Glauben an rassische oder religiöse Überlegenheit unterjocht, später hatte sich das auch auf andere Planeten, vor allem auf die frühen Marskolonien, übertragen. Doch die Menschen waren nicht die einzigen Schuldigen, jeder andere Planet ¬– Vulkan, Andoria, Bolarus, Tellar, Trill, Betazed, und wie sie alle hießen ¬– hatte irgendwann in der Geschichte eine ähnliche Geschichte, der Unterschied lag bestenfalls im Detail.

Doch sie hatten aus der Geschichte gelernt, das hatten sie alle beteuert. Der Kolonialismus früherer Epochen, wann und wo auch immer, gehörte der Vergangenheit an – nicht umsonst sprach man immer wieder kopfschüttelnd von der düsteren und grausamen Prä-Warp-Zeit ... Die Kolonien der Neuzeit waren anders, es waren schließlich Föderationskolonien. Diverse Spezies der Föderation hatten andere, zunächst unbewohnte, Planeten im immer größer werdenden Territorium gemeinsam besiedelt und man war stolz auf die Leistungen dieser Pioniere, welche die Ideale der Föderation selbst in die entferntesten Sektoren des Territoriums trug. Die Oberste Direktive galt auch für Kolonisten, weswegen sie sich niemals auf bereits besiedelten Welten niedergelassen hatten um sich nicht in die Angelegenheiten einheimischer Gesellschaften einzumischen, doch wer wollte jetzt die Kolonisten beschützen? Manche Kolonien bestanden seit hunderten von Jahren und andere erst seit zehn, doch wo war der Unterschied? Alle Kolonisten hatten hier oder dort oder irgendwo da draußen ihre Heimat gefunden, hatten sich eine neue Existenz und eine neue Heimat aufgebaut während die Öffentlichkeit auf den bestehenden Föderationswelten bewundernd Beifall klatschte, doch jetzt waren sie den politischen Mächten nicht länger genehm ...

Einst war das Wort Kolonie ein Schimpfwort gewesen, das an Sklaverei und Rückständigkeit erinnerte, doch die heutigen Kolonien hatten die frühere Bedeutung ins Gegenteil verkehrt und trugen die Bezeichnung mit Stolz. Umso verständlicher war es im Anbetracht der Geschichte, der kolonialen Geschichte aller Planeten, dass sie nicht wieder unterdrückt und vertrieben werden wollten.

Plötzlich musste Consuelo an ihre Vorfahren denken, an die Geschichten ihres Urgroßvaters. Ursprünglich war ihre Familie auf der Erde ansässig gewesen, in einer Region die sich „Karibik“ nannte und die sie nie besucht hatte obwohl sie es sich immer fest vorgenommen hatte; vor vielen hundert Jahren waren ihre Vorfahren als Sklaven dorthin gebracht worden und dann weiter nach Nordamerika wo sie sich das Recht als freie Bürger zu leben erkämpft hatten. Consuelo erinnerte sich nicht mehr genau, wie das vonstatten gegangen war, es war zu lange her und die Aufzeichnungen waren nur vage, doch sie hatte schallend gelacht als ihr erzählt wurde, dass die dunkle Hautfarbe allein ein soziales Hindernis für ihre frühen Vorfahren gewesen war, so seltsam war ihr das vorgekommen. Doch an ihren Urgroßvater und dessen Geschichten erinnerte sie sich noch genau; er war im 22. Jahrhundert ein Marskolonist gewesen und hatte im Zuge der Aufstände um die Marsunabhängigkeit auch diesen Planeten verlassen, um anderswo ein besseres und sichereres Leben zu beginnen. Ein paar Jahrzehnte später war der Mars keine Erdkolonie mehr sondern ein souveräner Planet im Sol-System, doch da war ihre Familie schon weit weg, auf dem Weg zu einem neuen Abenteuer am äußersten Rand des damals bekannten Weltraums. Ihre Großeltern waren unter den ersten Siedlern im Volan-System gewesen, sie hatten die Kolonie mit Blut und Schweiß und Tränen ihrer eigenen Hände aufgebaut, und sie hatten dort ihre Kinder geboren und großgezogen, noch bevor der erste Kontakt mit den Cardassianern gemacht worden war. So wie ihr Vater und ihre Mutter vor ihr war Consuelo hier aufgewachsen, sie kannte nichts anderes, und anders als ihre Vorfahren würde sie sich nicht vertreiben lassen. Dafür war sie zu stur, und jetzt war ihre Identität in Gefahr und wenn sie nicht dafür kämpfte, wofür dann?

„Wenn ihr es nicht wisst, ich weiß es.“, sagte sie schließlich, ruhig und besonnen wie immer, obwohl sie Grundsatzdiskussionen grundsätzlich hasste. „Ich lebe hier und ich liebe es hier. Meine Kinder sind hier geboren, und als Mutter ist es meine Verantwortung ihnen eine sichere Zukunft zu bieten. Deswegen kämpfe ich.“

„Wenn es nur um Sicherheit geht, dann nimm doch deine Kinder und geh irgendwohin wo es sicher ist.“, ätzte eine Stimme aus dem Abseits.

„Darum geht es nicht, B’Elanna, und das weißt du auch.“, fauchte Consuelo, während sie aufstand, um den kleinen Cisc in seine Krippe zu legen und in den Nebenraum zu schieben, wo er unbehelligt von den Auseinandersetzungen der Erwachsenen weiter schlafen konnte. „Meine Familie ist seit Generationen immer vor irgendetwas geflüchtet. Ich will nicht mehr fliehen müssen, ich will leben, und zwar hier und in Frieden.“

„Ich weiß was du meinst, Consuelo.“, bestätigte Chakotay. „Ich habe zwar keine Kinder, aber eine ähnliche Familiengeschichte, und ich verstehe dich nur zu gut.“

Consuelo legte den Kopf zur Seite und studierte Chakotay genau. Sie wusste nicht viel über ihn – nur, dass er ein ehemaliger Sternenflottenoffizier wie sie selbst war, einer von Svetas ältesten Vertrauten (sie kannten sich noch von der Akademie her, wenn sie sich recht erinnerte) und einer der besten Kämpfer in ihrer Gruppe. Davon einmal abgesehen wusste sie nur wenig über ihn, obwohl sie ihn schon seit Jahren kannte und sich immer auf ihn verlassen konnte. Sie kannte ihn nur als unerbittlichen Kämpfer mit feurigen Blick, doch jetzt waren seine dunklen Augen traurig und beinahe sehnsüchtig und seine immer schelmisch grinsenden Grübchen in den Wangen waren nicht zu sehen.

„Erzähl.“, bat sie.
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