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Im Auge des Betrachters

von VGer

Kapitel 3

„Ich kämpfe zu Ehren meines Vaters, der nicht mehr kämpfen kann, denn er wurde in einem der ersten Aufstände des Maquis getötet und ich habe seine Stelle eingenommen.“, begann er mit einem Seufzen seine Erzählung. „Ich bin aus dem Dorvan-System, das liegt ein paar Lichtjahre von hier entfernt. Trebus, genauer gesagt, einer der zwei Monde von Dorvan V. Meine Familie lebt dort seit Generationen; meine Vorfahren haben die Erde verlassen, um unsere Kultur und Lebensweise in ihrer ursprünglichen Form konservieren zu können und sind nach langer Zeit des Suchens auf Dorvan V sesshaft geworden. Ich möchte euch nicht mit Details langweilen, ihr kennt ja alle die Geschichte – wir sind das, was man im terranen Sprachgebrauch ein ‚endogames und autochthones Naturvolk’ nennt, und wir dachten, dass wir hier in Frieden leben können. Und dann hat man uns vertrieben, zuerst auf den Mond Trebus und dann ...“

Es war tatsächlich eine Geschichte, die jeder der Kolonisten schon mehr als einmal gehört hatte. Auch wenn jede Familie in den Kolonien ihre eigenen Beweggründe hatte oder gehabt hatte hierher zu ziehen oder hier zu leben, die Geschichten waren sich so ähnlich, dass sie in Anbetracht der Umstände beinahe generisch wurden. Alle der Umsitzenden nickten verständnisvoll.

„Vor hundert Jahren war hier das Ende des bekannten Universums, aber in hundert Jahren ändert sich viel.“, unterbrach Sveta die Ausführungen Chakotays, sie begann wie immer zu politisieren. „Wir müssen uns lossagen von der Identität als Kolonisten, denn wir sind längst keine Kolonisten mehr! Diese Planeten sind unsere Heimat, unsere Vorfahren und auch wir haben sie zu unserer Heimat gemacht. Die Föderation wollte expandieren, sie hat uns oder unsere Vorfahren hierher geschickt um zu expandieren, und jetzt lassen sie uns im Stich und erklären all unsere Bemühungen für null und nichtig ... Das ist blanker Hohn!“

„Du sagst es, Sveta, du sagst es ...“ Chakotay nickte bekräftigend. „Wir sind zwischen die Fronten geraten und man hat uns zum Sündenbock gemacht ...“

„Jetzt haben wir keine andere Wahl mehr, und nur weil wir für unsere Rechte kämpfen nennen sie uns Terroristen!“, empörte Sveta sich weiter, ihre Worte mit ausholenden Gesten untermalend.

„Wir sind auch Terroristen, objektiv betrachtet.“ Als empörtes Japsen hörbar wurde, hob Chakotay eine beschwichtigende Hand, um seinen Kameraden Einhalt zu gebieten. „Wenn der Frieden in Gefahr ist, kann man es sich manchmal einfach nicht mehr leisten Pazifist zu sein. Doch die Definition von Terrorismus liegt immer im Auge des Betrachters.“

Sveta nickte befriedigt. „Egal was wir tun, wir tun immer noch das Richtige.“

„Nein, Sveta. Es ist nicht egal, was wir tun.“, warf Miguel Ayala ein. „Das ist der Unterschied zwischen Widerstand und Terrorismus. Wir kämpfen gegen die herrschende Ungerechtigkeit und für unsere Freiheit, wir wenden uns gegen die Obrigkeit und gegen das System aber nicht gegen unseresgleichen. Niemals!“

„Für das Ziel, nicht für den Kampf.“, bestätigte Consuelo Indurain die leidenschaftlichen Worte ihres Ehemannes, denn sie teilte seine Überzeugungen.

„Der Kampf ist das Ziel!“, rief Kurt Bendera aufgebracht dazwischen, denn er war immer aufgebracht.

„Warum, Kurt?“, fragte Consuelo noch einmal. Manchmal konnte sie es wider besseren Wissens die Provokation einfach nicht lassen. „Das Ziel ist der Frieden, der Kampf ist nur Mittel zum Zweck. Und es wäre mir lieber, wäre dem nicht so.“

B’Elanna Torres antwortete, deutlich und umso lauter, an Kurts Stelle, denn der suchte noch erbärmlich japsend nach Worten.

Consuelo legte fragend den Kopf schief. Die jähzornige junge Halbklingonin war schon seit längerer Zeit ein fester Bestandteil ihrer Widerstandsgruppe und hatte durch ihr Fachwissen als Ingenieurin schon den einen oder anderen Erfolg erzielen können, doch Consuelo stand ihr immer noch skeptisch gegenüber. Sie wusste nicht viel, denn B’Elanna Torres war recht schweigsam was ihre Herkunft und ihre Motivation anging, doch anders als alle anderen in ihrer Gruppe stammte sie nicht aus den Koloniewelten des Grenzlandes, das man inzwischen die Cardassianische Entmilitarisierte Zone nannte – so viel war sicher. B’Elanna Torres war eines Tages aufgetaucht und seither nicht mehr von Chakotays Seite gewichen.

Der Widerstand im Volan-System hatte sich formiert, als der Maquis noch gar nicht existierte und noch lange bevor dieses eine kleine Wort zum galaktischen Politikum wurde, unmittelbar nachdem das Abkommen von 2370 den Kolonien im Grenzland diplomatisch den Todesstoß versetzt hatte. Die Grenze war versetzt worden, hier und da um ein paar Lichtjahre in die eine oder andere Richtung, als sei es nur eine abstrakte Linie im Nirgendwo, ein strategischer Schachzug im Spiel der galaktischen Politik und nichts weiter – in San Francisco konnte man sich das wohl kaum vorstellen, es war zu weit entfernt von der Realität der Bonzen an ihren Schreibtischen. Doch diese Willkür hatte sie um ihre Lebensgrundlage gebracht. Ein besorgter Nachbar hatte mit dem nächsten gesprochen und der wiederum mit seinem Freund, und wie ein unterirdisches Sporengeflecht waren die Triebe über Nacht aus dem Boden geschossen und hatten Wurzeln geschlagen die nicht weichen wollten, ebensowenig wie die Kolonisten. Das Weltall war vielleicht ein dunkles, kaltes Vakuum, doch gerade hier draußen – so weit weg vom galaktischen Zentrum der vier Föderationsgründungsplaneten – existierte keine Kolonie, kein Planet und kein System im luftleeren Raum. Man hatte sich vernetzt und solidarisiert, und dann hatte man begonnen zu kämpfen, mangels Alternativen.

Und plötzlich, quasi über Nacht, waren sie mehr als nur verzweifelte Einheimische, die um ihre eigenen Rechte kämpften. Durch die Berichterstattung der Medien wurden die Anliegen der Kolonisten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, obwohl die Journalisten von Anfang an eindeutig die Föderation unterstützten und die Widerstandsbewegungen in negativem Licht darstellten, und der Kampf an der Grenze war auf einmal in aller Munde. Sie hatten intern lange darüber diskutiert, ob es gut oder schlecht war, und waren schließlich zu dem Konsensus gekommen, dass sie eine Stimme brauchten um nicht am Rande des Vergessens einfach vergessen zu werden. Andere Gruppen des Widerstands hatten begonnen, die Medien gezielt zu instrumentalisieren, um auf ihre Sache aufmerksam zu machen, und schließlich war das Wort Maquis in aller Munde, sogar dort wo man an die Grenzen des Föderationsterritoriums für gewöhnlich kaum einen Gedanken verschwendete.

Und mit dem Subraumrauschen kamen die Rebellen und Helden auf der Suche nach einem Grund. Sie waren keine Kolonisten und hatten keinerlei Verbindung zum Widerstand; hauptsächlich waren es verlorene junge Leute ohne Halt und ohne Ziel, die nach Möglichkeiten sich zu beweisen suchten oder auch schlichtweg nach Abenteuer. Es war Unterstützung, doch es blieb fraglich, ob die auch willkommen war. Consuelo verachtete sie, denn sie waren keine der ihren und wussten nicht wofür es sich zu kämpfen lohnte, denn sie hatten es nicht erlebt. Sie hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass sie nicht bezahlen würde – sie war trotz allem zu sehr Föderationsbürgerin und glaubte nicht an finanzielle Vergütung von Dienstleistungen und dergleichen, sie hatte emotionale Tiraden geschwungen in denen sie Parallelen zu den Söldnerheeren der Ferengi und dem Niedergang des Kapitalismus auf der Erde nach dem Dritten Weltkrieg gezogen hatte – doch manche waren geblieben, anstatt sich anderen zahlungswilligen Widerstandsgruppen anzuschließen. Also war ihr nichts anderes übrig geblieben als ihnen einen Vertrauensvorschuss zu geben und sie in ihre Reihen aufzunehmen; andernfalls hätte wohl auch der Rest ihrer Getreuen gemeutert.

Sveta war es gewesen, die stundenlang auf Consuelo eingeredet hatte und sie schließlich überzeugt hatte. Sie war nicht ohne Grund ihre älteste Freundin, und Consuelo musste zähneknirschend zugeben, dass sie wie meistens auch diesmal recht behalten hatte. Sie konnten nicht ohne die anderen.
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