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1.03 - Das Leben ist nicht immer fair

von Emony, Ranya

Eine peinliche Begegnung

„Mist, wo hab ich nur …“, murmelte Gaila leise vor sich hin. Ihre Hände steckten fast bis zu den Ellenbogen in einer Feldkiste, deren Inhalt sie bereits größtenteils auf dem Boden des Quartiers ausgebreitet hatte. „Ich war mir doch sicher, ich hätte …“ Eine rote Bluse flog achtlos auf das Bett, gefolgt von einem PADD.

Endlich fand die Orionerin wonach sie gesucht zu haben schien. Erleichtert drehte sie eine schwarze Diskette im Licht.

„Oh, zum Glück“, seufzte sie und presste sich den kühlen Kunststoff gegen die Brust. „Oder wie die Terraner sagen würden: Gott sei Dank.“

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie sie verloren hätte. Gegen dieses Donnerwetter wären die Triebwerktestläufe der Constitution-Klasse die reinste Schweigeminute gewesen. Mit einem Lächeln im Gesicht legte sie die Diskette auf das Bett und angelte nach der Bluse.

„Jetzt aber schnell“, ermahnte sie sich selbst, „bevor …“

„Bevor was?“, ertönte eine Stimme hinter ihr.

Gaila fuhr herum. Uhura stand in der Tür, ihre Tasche über der Schulter. Die Orionerin hatte sie gar nicht kommen hören, so sehr war sie in ihre Suche vertieft gewesen.

„Ach nichts“, antwortete sie. Ihr Blick fiel nervös auf die Diskette auf dem Bett.

„Was machst du denn?“, fragte Uhura und stellte die Tasche ab.

Gaila antwortete nicht, sondern beobachtete ihre Zimmergenossin, die vor dem Spiegel stand und sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht strich. Uhura schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse, öffnete die zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare und zog sich schließlich das Shirt aus.

Gaila handelte blitzschnell. In dem Moment als Uhuras Sicht durch ihr Shirt blockiert war, schnappte sie sich die Diskette vom Bett und ließ sie in ihre Tasche gleiten. Danach warf sie sich mit demonstrativer Langeweile auf das Bett.

„Was machst du?“, wiederholte Nyota ihre Frage während sie ihre langen Haare bürstete.

Gaila zuckte mit den Schultern. „Nichts. Nur ein bisschen entspannen.“

Uhura schürzte die Lippen und für einen Moment sah es so aus, als würde sie es dabei bewenden lassen. Doch schon nach wenigen Sekunden hatte sie ihre Entscheidung revidiert und wandte sich um. „In diesem Chaos könnte ich nicht entspannen.“ Dabei deutete sie mit der Haarbürste auf die am Boden liegenden Gegenstände aus Gailas Feldkiste.

Die Orionerin atmete deutlich hörbar aus, widersprach ihrer Freundin jedoch nicht. Sie wusste, dass es keinen Zweck gehabt hätte. Seit guten drei Monaten wohnte sie nun mit Uhura zusammen und hatte deren dominante Ader mehr als einmal zu spüren bekommen. Eine Diskussion mit ihr über Wohlfühlfaktoren oder Bequemlichkeit hätte lediglich dazu geführt, dass Gaila ihre Unordnung nach einer niederschmetternden Argumentation beseitigen musste. Also erhob sie sich und sammelte ein Teil nach dem anderen ein.

„Warum schaut es hier eigentlich so aus?“, bohrte Uhura weiter und betrachtete sich zufrieden im Spiegel. „Hast du was gesucht?“

„Nein“, antwortete Gaila während sie eine kleine Schatulle vorsichtig in der Feldkiste platzierte.

Uhura drehte sich abermals zu ihr um, ein Lachen auf dem Gesicht. „Und was ist das dann? Inventur?“

Gaila zog eine Schnute, die Uhura aber nicht sehen konnte. Es hatte keinen Sinn, sie zu belügen. Sie würde es bemerken, bevor Gaila zu Ende gesprochen hätte. Und das lag nicht nur daran, dass Gaila von Haus aus keine begnadete Lügnerin war.

„Na gut“, lenkte sie ein. „Aber du musst mir versprechen wenigstens überrascht zu tun.“

Uhura, die sich gerade ein neues T-Shirt anziehen wollte, fror in ihren Bewegungen ein. „Überrascht?“, echote sie. „Weswegen?“

Gaila atmete theatralisch ein und aus. „Ich habe ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk für dich.“

Nyota schlüpfte in ihr Shirt. Die Verwunderung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. „Warum denn das?“

Die Orionerin setzte sich wieder aufs Bett und sah ihre Freundin aus großen blauen Augen an. „Naja, ich kenne mich ja kaum mit den Sitten und Gebräuchen auf der Erde aus. Und deswegen wusste ich nicht, dass man sich zu Weihnachten etwas schenkt“, druckste sie herum. „Und als du mir, die Handschuhe gegeben hast, habe ich mich wirklich schlecht gefühlt. Ich hatte doch kein Geschenk für dich.“ Dabei nickte sie zum Schreibtisch hinüber, auf dem ein Paar blaue Baumwollhandschuhe lag. In grünen Lettern stand das Wort „Gaila“ auf den Fingerkuppen – ein Buchstabe auf jedem Finger.

„Ach, Gaila.“ Langsam ließ Uhura sich neben ihrer Freundin nieder und legte den Arm um sie. „Das macht doch nichts. Ich brauche kein Geschenk von dir.“

Für ein paar Sekunden war es still im Raum.

„Es tut mir leid“, flüsterte Uhura schließlich.

Gaila sah verwundert auf. „Was denn?“

„Dass ich dich in Verlegenheit gebracht habe“, erklärte Nyota und ihre Stimme hatte einen Unterton, den Gaila noch nie von ihre gehört hatte. „Wenn ich dir nichts geschenkt hätte, würdest du dich nicht dazu verpflichtet fühlen, mir jetzt auch etwas zu geben. Es tut mir leid. Das wollte ich wirklich nicht. Ich wollte dir einfach nur eine Freude machen und …“ Sie stockte kurz. „Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, so weit von deinen Freunden und deiner Familie weg zu sein. Ich wollte, dass du dich hier wohlfühlst, dass du dich hier einlebst. Deswegen habe ich dir diese kleine Aufmerksamkeit gegeben. Damit du weißt, dass …“ Abermals hielt Nyota inne. „Damit du weißt, dass ich deine Freundin bin. Und, dass ich für dich da bin.“

Gailas Unterlippe bebte. Das hatte sie nicht erwartet. Ja, sie lebte seit einiger Zeit notgedrungen mit Nyota zusammen und sie hatten sich im Laufe der Zeit zusammengerauft, hatten gelernt sich aufeinander einzustellen. Dass sie dadurch auch Freunde geworden waren, war ihr bis eben nicht bewusst gewesen. Doch Nyota hatte Recht. Sie waren tatsächlich so etwas wie Freunde geworden.

„Danke“, wisperte Gaila leise.

Uhura klopfte ihr freundschaftlich auf die die Schulter und erhob sich. „Ich weiß deine Geste sehr zu schätzen, aber mach dir bitte keine Umstände. Wie gesagt, es tut mir leid, dass ich dich so in Verlegenheit gebracht habe.“ Mit schnellen Fingern band sie sich die Haare zusammen und schulterte ihre Tasche. „Ich muss noch mal rüber ins Archiv. Sehen wir uns beim Essen?“

Gaila nickte. Der Kloß in ihrem Hals war zu groß, als dass sie eine Antwort hätte geben können.

Ein letztes Mal drehte Uhura sich zu ihrer Zimmergenossin um und lächelte sie an, bevor die Tür des Quartiers sich hinter ihr schloss.

Gaila sah angestrengt auf ihre Fingernägel. Nyota Uhura war ihre Freundin. Die Erkenntnis darüber traf sie wie ein Donnerschlag. Und gleichzeitig wunderte sie sich darüber. War es nicht selbstverständlich, dass man sich anfreundete, wenn man so lange Zeit zusammen wohnte? Vielleicht ja, vielleicht aber auch nicht.

Langsam zog sie die Diskette aus ihrer Hosentasche und betrachtete sie. Einige Minuten starrte sie nur auf das kleine Stückchen Kunststoff in ihren Händen. Dann stand sie mit einem Ruck auf, stieg über ihre am Boden verstreuten Sachen und verließ den Raum.

Ihre Entscheidung war gefallen. Sie musste Nyota Uhura dringend ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk besorgen.


***

Leonard atmete tief durch und stützte sich auf dem Tisch auf. Endlich hatte er es geschafft, die Proben auszuwerten, die schon seit Tagen im Labor rumlagen. Wenn er es noch ein bisschen weiter hinausgezögert hätte, wäre Fisher ihm wahrscheinlich aufs Dach gestiegen. Und das Letzte, das er zusätzlich zu seinem ohnehin lädierten Zustand gebrauchen konnte, war einen leitenden Mediziner, der ihm das Leben schwer machte. Zufrieden mit sich und seiner Arbeit räumte er seine Utensilien weg, wobei der kleine Tablettenbehälter in seiner Hosentasche klapperte.

Seine Gedanken schweiften zu Jim. Was war denn nur mit ihm los? Er hatte seltsam geklungen, während des kurzen Gesprächs, das die beiden geführt hatten. In Gedanken versunken, schloss Leonard den Schrank ab, in dem sich die Kontrastmittel befanden. Sein Blick wanderte dabei zum Chrono. Eigentlich hätte Jim schon längst da sein sollen. Seufzend rieb Leonard sich die müden Augen. Ein wenig Sorgen machte er sich ja schon um seinen Freund, auch wenn er das ihm gegenüber nie zugeben würde.

Gerade als McCoy beschlossen hatte, einfach zu Jims Quartier zu gehen, um sich nach seinem Freund umzusehen, ging die Tür zur Krankenstation auf. Jim Kirk stand in der Tür, machte ein paar lässige Schritte in den Raum und zwinkerte einer Schwester zu, die daraufhin leicht rot wurde und den Blick senkte.

Leonard atmete erleichtert aus. Jim stand auf seinen eigenen Beinen und hatte immer noch die Kraft zu flirten – es konnte also nichts Dramatisches sein.

„Hey, Bones“, grüßte Jim lässig und hob die Hand. „Alles klar?“

Leonard runzelte die Stirn. „Das wollte ich dich auch gerade fragen. Was zur Hölle ist los? Warum sollte ich unbedingt …?“

„Nicht hier“, unterbrach Jim ihn mit einem Seitenblick auf die Schwester. „Lass uns woanders hin gehen. Wir haben etwas zu besprechen.“

„Etwas zu besprechen?“, echote Leonard ungläubig. „Hör mal, hat das nicht Zeit bis morgen? Ich meine, ich gehe jetzt nicht gerade unter in Arbeit, aber ich sollte mal nach den vier Leuten sehen, die über Nacht ein Bett in diesem Hotel gebucht haben. Außerdem kann ich nicht einfach verschwinden, wenn ich im Dienst bin.“

Jim schien ihm überhaupt nicht zugehört zu haben, denn er trollte mit einem etwas zu lässigem Schritt in Richtung Behandlungszimmer und bedeutete McCoy mit einer Handbewegung voran zu gehen.

Leonard schürzte die Lippen, betrat aber den Raum und ging zielstrebig auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch zu, auf dem einige Dokumente kreuz und quer verteilt lagen.

„Also, schieß los“, forderte Leonard ihn mit genervter Stimme auf.

„Ich brauch deine Hilfe“, gestand Jim und lehnte sich lässig an die Wand. „Ich hab nen kleinen Ausschlag und brauch was gegen die Schmerzen und irgendeines deiner Zaubermittel, das mich wieder wie neu werden lässt.“

McCoy zog eine Augenbraue nach oben. „Welche Art von Ausschlag? Woher hast du ihn?“

Jim zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich? Ist einfach rot und juckt und sowas. Nichts Besonderes.“

Doch Leonard kannte seinen Freund inzwischen zu gut, um ihm dieses Schauspiel abzukaufen. Die monotone Sprechweise, die scheinbare Gleichgültigkeit wegen seinem Problem; das alles passte nicht zusammen. Bevor Jim freiwillig auf die Krankenstation käme, um sich ärztliche Hilfe zu holen, müsste schon die Hölle zufrieren oder zumindest etwas vergleichbar Schlimmes passiert sein. Warum spielte er ihm hier etwas vor? Und endlich fiel der Groschen.

„Jim?“, fragte Leonard mit ruhiger Stimme. „Wo hast du den Ausschlag?“

Nervös biss Kirk sich auf die Lippe. Sein Blick wurde etwas leidender und er gab seine heroische Fassade auf, indem er nach einigem Zögern schließlich vorsichtig auf seinen Unterleib deutete.

Der Arzt macht ein Geräusch, das zuerst nach einem Keuchen klang, sich dann aber in Gelächter verwandelte. „Ist das dein Ernst?“

„Ich bin wirklich froh, dass du so mitfühlend mit deinen Patienten bist“, knurrte Jim. „Hör auf, dich über mich lustig zu machen und pump mich mit irgendeinem deiner Mittelchen voll.“

„Schon gut, entschuldige“, beschwichtige der Arzt ihn. „Ich nehme dein Problem ja ernst. Es ist nur so, dass das wohl dein einziger wunder Punkt ist und ich mich schon gefragt habe, wann es den mal trifft.“ Das Blitzen in seinen Augen verschwand langsam wieder, als er nach seinem Tricorder griff und ihn in professioneller Manier an Jims Körper entlang gleiten ließ. „Wie lange hast du den Ausschlag schon?“, fragte er dabei.

Jim dachte kurz nach, bevor er antwortete. „Angefangen hat es vor einer Woche, aber so richtig schlimm ist es erst seit heute Morgen. Komm schon, Bones, ich kann kaum stehen, jetzt mach doch was.“

„Na und ob ich was dagegen mache“, bestätigte McCoy. „Geh mal rüber zu einem der Biobetten. Da habe ich alles, was wir brauchen.“

Mit einem Gang, der schwer an einen Reiter erinnerte, dem gerade das Pferd unter dem Hintern davon gelaufen war, setzte Jim sich in Bewegung, McCoy auf den Fersen.

„Himmel, Jim, du musst ja echt Schmerzen haben, wenn du so läufst. Wie kommt es, dass du es überhaupt bis hierher geschafft hast?“ Der Arzt schüttelte den Kopf.

„War alles andere als einfach, das sag ich dir“, flüsterte Jim schon fast, aus Sorge davor, dass jemand anders seine Problematik mitbekommen könnte. „Ich hab mich da unten mit eiskaltem Wasser fast betäubt.“

„Kann ich Ihnen behilflich sein, Doktor?“, fragte eine junge Schwester und steckte den Kopf zur Tür herein. Es war diejenige, der Jim vorhin zugezwinkert hatte. Und ihre Frage richtete sich zwar an McCoy, ihre Augen ruhten dabei jedoch auf dem jungen Kadetten neben dem Arzt.

Bevor Leonard antworten konnte, setzte Jim den charmantesten Blick auf, zu dem er trotz quälender Schmerzen fähig war und sagte: „Nein, danke. Wir haben nur ein paar Angelegenheiten zu besprechen. Aber vielen Dank für Ihre Hilfe.“ Er legte den Kopf schief und fügte hinzu: „Aber ich bin mir sicher, dass es eine große Freude wäre, von einer so schönen Schwester behandelt zu werden.“

McCoy atmete deutlich hörbar aus und bedeutete der jungen Frau zu gehen. Die Tür schloss sich nahezu geräuschlos hinter ihr. „Dir könnte doch der Schwanz abfallen und du würdest nicht damit aufhören. Verdammt, Jim, wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich es nicht leiden kann, wenn du meine Schwestern anbaggerst?“

„Ich hab sie doch nicht angebaggert, sondern ihr einfach nur ein Kompliment gemacht“, verteidigte Jim sich. „Das nennt sich Höflichkeit. Solltest du auch mal ausprobieren.“

Leonard grummelte etwas Unverständliches vor sich hin, während er mit diversen Fläschchen hantierte. „Setz dich“, meinte er dann und deutete auf das Biobett.

Langsam und mit viel Stöhnen erklomm Jim die Liege und ließ sich breitbeinig darauf nieder. Ohne Vorwarnung kam Bones auf ihn zu, setzte ihm ein Hypospray an den Hals und drückte ab.

„Scheiße“, fluchte Jim und verzog das Gesicht. „Ich dachte immer, Hyposprays tun nicht weh. Wie und vor allem warum machst du das?“

„Bei einer Injektion in das Muskelgewebe ist das richtig“, erklärte Leonard und griff nach einem Paar Handschuhen. „Aber sobald es in eine Vene gegeben wird, zwickt es eben ein wenig. Und jetzt sei nicht so eine Memme und zieh deine Hose aus.“

„Bitte was?“, fragte Jim, unsicher, ob er richtig gehört hatte.

„Deine Hose“, wiederholte Leonard. „Runter damit.“

Jim sah aus wie ein Reh, das in die Scheinwerfer eines Trucks blickte. „Hast du sie noch alle? Ich kann mich doch nicht vor dir ausziehen.“

McCoy seufzte ungeduldig. „Jim, ich bin dein Arzt und MUSS mir das jetzt ansehen. Glaub mir, ich hab auch keine Freude daran, aber wir müssen das jetzt hinter uns bringen.“

Jim schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Es ist auch schon gar nicht mehr so schlimm. Ich glaube, es wird von alleine wieder besser. Tut mir leid, dass ich dich überhaupt damit belästigt habe.“

Jim machte Anstalten von der Untersuchungsliege herunter zu steigen, doch Leonard hielt ihn mit sanfter Gewalt zurück. „Schön hiergeblieben“, raunte er. „Du hast das Gefühl, dass es besser wird, weil das Hypospray bereits angeschlagen hat. Und natürlich auch, weil dein animalischer Fluchtinstinkt dir sagt, dass du um dein Leben rennen und dich wann anders um deine Probleme kümmern solltest.“

Jim sah den Arzt aus zusammen gekniffenen Augen an. „Bones, ich werde mich nicht vor dir ausziehen. Dein Tricorder kann dir doch alles sagen, was du wissen musst. Ich meine … Wir sind Freunde. Du verstehst das doch.“

Ja, Leonard verstand das. Natürlich war es für Jim eine unangenehme Situation, aber er war immerhin Arzt und nahm seine Arbeit sehr ernst. Außerdem war er professionell genug, um Freund von Patient zu unterscheiden. „Nein, der Tricorder kann mir nicht alles sagen.“ Er bemühte sich, um eine ruhige Tonlage, was ihm erstaunlich gut gelang. „Ich muss einen Abstrich machen, um herauszufinden, wo du den Ausschlag her hast.“ Er sah den zweifelnden Blick in Jims Augen. „Und mach dir keine Sorgen, ich unterliege der Schweigepflicht. Alles, was in der Krankenstation passiert, bleibt in der Krankenstation.“

Jim nickte, den Kopf gen Boden gesenkt. Seine Stimme war äußerst leise, als er sagte: „Es ist mir peinlich, Bones.“

„Was genau daran ist dir peinlich?“ Leonard wusste sehr wohl, dass dies eine Begegnung der anormalen Art für zwei Freunde war, aber als Arzt hatte er die Erfahrung gemacht, dass, wenn er seine Patienten dazu brachte, über ihre Sorgen nachzudenken und diese laut auszusprechen, sie meistens auch schon vom Tisch waren.

Kleinlaut druckste Kirk herum. „Naja, ich meine, wir sind Freunde und … also was ich sagen will … ich meine … verdammt Bones, ich will nicht, dass du da unten rumfummelst und ich dabei spitz werde.“

Das hatte Leonard nun wirklich nicht erwartet. Für einen Augenblick sah er Jim nur perplex an und öffnete ein paar Mal den Mund wie ein Fisch im Wasser. Dann begann er zu schmunzeln. „Also deswegen brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen. Du wärst der erste, dem das passiert. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es dich anmacht und für den unwahrscheinlichen Fall, dass es doch so sein sollte, nehme ich es als Kompliment und wir vergessen die ganze Angelegenheit.“

„Du verstehst das nicht“, meinte Jim. „Ich will das wirklich nicht, Bones. Ich kann mich nicht vor dir ausziehen. Das wäre einfach nicht richtig.“

McCoy nahm einen tiefen Atemzug und sah Kirk fest in die Augen. „Jim, ich bin weder dein Erzieher, der dir den Hintern versohlen wird, wenn du nicht tust was dir gesagt wird, noch jemand, dem die menschliche Anatomie so neu ist, dass er sie an dir studieren müsste. Und ganz bestimmt bin ich nicht deine neue Freundin, der du etwas beweisen musst.“ Streng sah er seinen Patienten an. „Ich bin dein Arzt und deswegen bitte ich dich darum, mir meine Arbeit nicht unnötig schwer zu machen, indem du hier die schüchterne Jungfrau spielst, denn die ganze Academy weiß, dass das nicht der Fall ist. Und ein Großteil der weiblichen Kadetten wird das wahrscheinlich schon aus erster Hand erfahren haben.“

Es passierte nicht oft, dass Jim Kirk nicht wusste, was er sagen sollte, aber jetzt war so ein Moment gekommen. Mit gesenktem Blick und den langsamsten Bewegungen, zu denen er fähig war, streifte er sich die Stiefel von den Füßen und ließ sie mit einem lauten Poltern zu Boden fallen.

Leonard wusste, dass er gewonnen hatte. Zufrieden darüber, dass diese Diskussion beigelegt war, streifte er sich seine Handschuhe über und begann einige Instrumente zu sortieren, was Jim genügend Zeit gab, aus seiner Hose zu schlüpfen. Dieser stand schließlich mit einem grimmigen Gesichtsausdruck vor dem Arzt und stemmte dabei die Fäuste in die Taille.

„Leg dich hin“, sagte Leonard in einem ruhigen Ton, der deutlich zeigte, dass es sich hierbei nicht um einen Befehl, sondern vielmehr um eine Bitte handelte.

Jim drapierte sich auf dem Biobett und tat wie ihm geheißen, aber wohl fühlte er sich in seiner Haut keinesfalls. Er war sich seiner Männlichkeit immer sicher gewesen und hatte noch nie ein Problem damit gehabt, vor einem anderen Menschen nackt zu sein. Allerdings, musste er sich eingestehen, dass diese Situation wahrlich keine war, in der er gerne nackt gewesen wäre.

„Alles klar, Jim, versuch dich zu entspannen“, bemühte Leonard sich um eine gute Atmosphäre.

„Witzbold“, knurrte Jim und schloss vorsichtshalber die Augen, als Leonard an die Untersuchungsliege herantrat.

Behutsam schob McCoy das Shirt ein wenig nach oben und legte damit Jims Beckenregion frei. „Ich versuche, so vorsichtig wie möglich zu sein“, meinte Leonard. „Sollte dir allerdings doch etwas wehtun, lass es mich bitte gleich wissen.“

Jim, der die Augen inzwischen wieder geöffnet hatte, nickte steif. Sein kompletter Oberkörper hatte sich angespannt, was zur Folge hatte, dass seine Atmung äußerst flach geworden war. Der Blick in seinen Augen, sowie die zu Fäusten geballten Hände verrieten Unsicherheit und Nervosität.

Mit professioneller Routine griff der Arzt nach einem Stäbchen und legte eine Hand vorsichtig auf Jims Oberschenkel. „Gut, ich mache jetzt einen Abstrich. Aber keine Angst, das wird nicht wehtun“, erklärte er, um Jim nicht im Ungewissen über sein Heiligstes zu lassen.

„Wenn ein Arzt das sagt, kann man davon ausgehen, dass jeden Augenblick die Hölle der Schmerzen losbricht“, murmelte Jim leise vor sich hin und krallte seine Nägel in das Biobett.

„Ja, wir sind schon ein komisches Volk“, kommentierte der Arzt ohne den Kopf von seiner Arbeit zu heben. „Übrigens deuten die Schwellung und Farbe darauf hin, dass es sich hier nicht um eine Infektion handelt.“

„Was willst du mir damit sagen?“, presste Jim zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, während Leonard mit dem Stäbchen einige Striche über seine Haut machte. Ein leichtes Brennen deutete ihm an, an welchen Stellen er entlang glitt.

„Das heißt“, erklärte Leonard geduldig, „dass du dir dieses Prachtstück irgendwo eingefangen hast. Und ich vermute mal, dass dieses ‚irgendwo‘ in dem warmen Schoß einer reizenden Dame war.“

Endlich erlaubte Jim der Luft in seinen Lungen zu entweichen. Er schnitt der Decke über ihm eine Grimasse. Seine Knöchel waren allerdings immer noch weiß vor Anspannung. „Kannst du was dagegen tun? Ich meine, ich muss doch wohl nicht mein Leben lang damit rumlaufen, oder?“

Leonard steckte das Stäbchen in eine kleine Öffnung an der Oberseite des Tricorders. „Ich hoffe schon, dass sich dagegen was machen lässt. Aber erst mal müssen wir ein paar Augenblicke warten, bis das Ergebnis des Abstrichs vorliegt. In der Zwischenzeit taste ich dich nach Knoten- oder Zystenbildungen ab.“

Jim stützte sich auf seine Ellenbogen, sah seinen Freund aus grimmigen Augen an und sagte trocken: „Also langsam glaube ich, dass du eine perverse Freude daran entwickelst, mich zu demütigen.“

Leonard wusste, dass die Bemerkung zwar bissig und sarkastisch klang, sie aber nicht so gemeint war. In Wirklichkeit verbarg sich dahinter die Furcht eines erwachsenen Mannes, in Zukunft nicht mehr ernst genommen und in aller Öffentlichkeit bloßgestellt zu werden.

„Jim“, begann Leonard mit sanfter Stimme. „Du weißt, dass ich dich nicht demütigen will. Wir sind zwar Freunde, aber gerade eben bin ich dein Arzt und mache mir Sorgen um dich. Deswegen will ich einfach ganz sicher gehen. Und du brauchst dir wirklich keine Gedanken zu machen. Denn wie ich schon sagte, alles was sich hier drinnen abspielt, verlässt die Krankenstation nicht. Keiner wird davon erfahren, es sei denn, du entscheidest dich dazu, es zu erzählen.“

„Ganz bestimmt nicht“, gab Kirk zurück und ließ sich wieder auf den Rücken sinken. Sein Kiefer presste sich zusammen, während Leonard vorsichtige Hände über seinen Unterleib tasteten.

„Ganz ruhig, Jim“, versuchte McCoy seinen Patienten zu beschwichtigen. „Atme einfach gleichmäßig weiter. Ich kann es keinem erklären, wenn du blau anläufst.“ Als Jim schwach grinste und begann wieder geregelte Atemzüge zu nehmen, nickte er zufrieden. „Na, siehst du, ist doch alles halb so schlimm. Du musst dir keine Sorgen machen.“

Jim zuckte bei dem kleinsten Druck von Leonards Händen zusammen. Die Laute, die er dabei von sich gab, erinnerten den Arzt stark an die Geräuschkulisse, die seine Exfrau bei der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter von sich gegeben hatte. Sagen würde er dies Jim allerdings niemals. Es war schon schwer genug für den jungen Kadetten, da musste man ihm nicht auch noch mit solchen Sticheleien kommen. Und zufrieden stellte McCoy fest, dass es keinerlei Auffälligkeiten im Gewebe seines Patienten gab, die er nicht vorher schon gefunden hätte.

Langsam löste der Arzt seine Hände wieder von Jims Körper, trat einen Schritt zurück und grinste schief. „Ist schon vorbei. Und so sehr wehgetan hat es doch gar nicht, oder?“

Jims Körper entspannte sich mit einem Male vollkommen. „Ich muss zugeben, dass ich wirklich erwartet habe, dass es schlimmer ist, aber ich scheine dir Unrecht getan zu haben.“ Vereinzelte Züge des sonst so typischen, schelmischen Grinsens kehrten langsam in Jims Gesicht zurück. „Ich wusste gar nicht, dass du so gute Umgangsformen haben kannst.“

Bevor McCoy antworten konnte, piepste der Tricorder und er nahm ihn zur Hand. Ein kurzer Blick auf das Display verriet ihm, was er wissen wollte.

„Okay, ich weiß wirklich nicht, wie ich dir das schonend beibringen soll, Jim, deswegen sage ich es dir einfach gerade heraus.“ Leonard holte tief Luft und setzte eine leidende Miene auf. „Es tut mir leid, aber ich befürchte, dir wird der Schwanz abfallen.“

„WAS?“, schrie Jim und fuhr mit schockiertem Gesichtsausdruck hoch.

„Nur ein Scherz“, beschwichtige der Arzt ihn breit grinsend. „Du hast dir eine Geschlechtskrankheit eingefangen. Laut Tricorder handelt es sich um eine Form der andorianischen Syphilis. Das ist zwar sehr schmerzhaft und lästig, aber ich kriege dich wieder hin.“

Erleichtert ließ Jim sich wieder auf den Rücken fallen. „Tu das nie wieder!“, keuchte er, musste aber dann doch ein wenig lachen. Er schüttelte den Kopf über seinen besten Freund. „Gerade wenn ich dir sage, dass du gute Manieren hast, musst du sowas machen. Ich ziehe meine Aussage hiermit zurück.“

Auch Leonard musste lachen. Die Situation war auf einmal sehr entspannt geworden. Woran genau es lag, war nicht ganz klar. War es die Tatsache, dass Jim wusste, dass Leonard ihn nicht mehr im Intimbereich anfassen würde, oder eher die Erleichterung darüber, dass er keine Krankheit hatte, die der Arzt nicht in den Griff kriegen würde? Wahrscheinlich lag es an beidem.

In wenigen Sekunden hatte McCoy eine weitere Ampulle in einem Hypospray aufgezogen und trat abermals an Jim heran. „Ich werde dir jetzt erst mal einen Entzündungshemmer in Kombination mit einem Antibiotikum verabreichen.“

Jim runzelte die Stirn. „Du wirst mir das aber nicht in …“ Ohne weiter zu sprechen deutete er auf seinen Unterleib.

Der Arzt zog in milder Verwunderung die rechte Augenbraue hoch. „Keine schlechte Idee. Vielleicht wirkt das Zeug schneller, wenn man es direkt in den Ort des Geschehens injiziert. Das sollten wir ausprobieren. Halt mal still!“

Kirk schnitt ihm eine Grimasse, als McCoy ihm das Hypospray dann doch in den linken Oberarm gab. Vor wenigen Minuten noch, war die Spannung im Raum fast zum Anfassen gewesen und jetzt saß Jim in fast schon lässiger Haltung und mit entblößtem Unterleib vor seinem besten Freund und die beiden machten Witze über seine Geschlechtsorgane.

„Du kannst dich übrigens wieder anziehen“, meinte Leonard mit einer unwirschen Handbewegung, woraufhin Jim vorsichtig vom Biobett glitt und in seine Hose schlüpfte.

„Weißt du“, meine Jim, „ich habe keine Lust das noch einmal zu wiederholen, aber es war doch nicht so schlimm wie erwartet.“

Um McCoys Mundwinkel zuckte es. „Das freut mich zu hören. Denn zumindest in den nächsten Tagen wirst du das wiederholen müssen.“

Jim, der sich eben die Hose zuknöpfen wollte, fror in seiner Bewegung ein. „Was meinst du denn damit?“

Der Arzt zog abermals die rechte Augenbraue nach oben. „Na, das Antibiotikum wirst du für sieben Tage jeden Tag bekommen müssen. Zudem wäre es gut, wenn wir in der kommenden Woche mindestens zwei weitere Abstriche machen, um den Heilungsprozess im Auge zu behalten.“

„Und das kann keine hübsche Schwester machen?“, fragte Jim, schüttelte dann aber doch den Kopf. „Nein, lieber nicht. Es wissen sowieso schon zu viele von meinem kleinen Malheur.“

„Da du es schon ansprichst“, sagte McCoy und begann seine Instrumente wegzuräumen. „Hattest du denn wirklich eine Andorianerin oder gibt es da draußen eine oder mehrere Kadettinnen, denen du dieses Glück zu verdanken hast?“

Jims breites Grinsen verriet die Antwort schon. „Hast du denn die schlanke Blonde auf der Silvesterparty nicht gesehen? Ziemlich groß und gut durchtrainiert. Ich hab ihr ein Bier spendiert und …“

„Erspar mir die Einzelheiten“, unterbrach Leonard ihn mit mürrischem Gesichtsausdruck. „Hattest du noch anderweitig Kontakt mit ihr?“

Jim zuckte mit den Schultern. „Ich hab doch gesagt, dass ich ihr ein Bier spendiert habe. Wir wussten beide, dass das nur ein One-Night-Stand ist und nichts weiter. Außerdem war sie auch nur zu Besuch auf der Erde und wird wahrscheinlich nicht mehr so schnell hier auftauchen. Du findest doch wohl nicht, dass ich mit ihr in Kontakt bleiben sollte.“

McCoy hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Verdammt, Jim, ich will nicht wissen, ob du den Rest deines Lebens mit ihr verbringst, sondern, ob du den Erreger weiterverbreitet hast.“

Leonard konnte die Zahnräder in Jims Gehirn förmlich ineinander greifen sehen. Nach einigen Sekunden gefror Jims Gesicht zu einer starren Miene, nur um sich den Bruchteil einer Sekunde wieder zu entspannen.

„Nein, seither war ich mit niemand zusammen“, gab er zur Antwort. Jim biss sich auf die Unterlippe und knetete nervös seine Finger. Verdammt, wie konnte das nur passieren? Wenn Gary und Ben von dieser Sache erfuhren, würden sie ihn bis ans Ende seines Lebens damit aufziehen. Unsicher sah er seinen Freund und Arzt aus schuldbewussten blauen Augen an.

„Ich denke, dir ist klar, dass du deine Libido im Zaum halten musst, solange du nicht geheilt bist“, sagte Leonard. „Und gesund bist du erst, wenn du mir drei negative Abstriche vorweisen kannst. Also wäre es ratsam für dich, weiterhin kalt zu duschen.“

Jim setzte eine künstlich schmollende Miene auf, beschwerte sich aber nicht. Stattdessen sagte er: „Ist ja gut, ich hab es verstanden. Man könnte meinen, ich vögle mich quer durch den Campus, wenn man dir zuhört.“ Als McCoy keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, fügte er hinzu: „Kann ich dann gehen?“

Leonard nickte. „Ja, das war vorerst alles. Morgen nach dem Unterricht, so gegen fünf Uhr, bist du wieder hier. Wenn du wieder Schmerzen haben solltest, kommst du schon vorher bei mir vorbei. Verstanden?“

„Ja, Doktor“, meine Jim und salutierte. Er wandte sich zum Gehen, hielt dann jedoch inne und drehte sich noch einmal zu ihm um. Was sollte er ihm noch sagen? Er wollte sich dafür bei ihm bedanken, dass er seinen Willen durchgesetzt und ihn untersucht hatte, denn ohne Zweifel, ging es ihm dank des Hyposprays schon wesentlich besser. Außerdem war er froh darüber, dass Leonard die Geschichte nicht an die große Glocke gehängt hatte. Allerdings wollte er nicht Gefahr laufen, zu sentimental zu klingen.

„Ist noch was?“, fragte McCoy mit müder Stimme.

„Ja“, begann Jim. Er dachte kurz über die passenden Worte nach, bevor er schließlich mit einem frechen Grinsen sagte: „Du hättest mich wenigstens zum Essen einladen können, bevor du mich aus meinen Hosen holst.“
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