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Voyagers: Die Rückkehr der Pioniere

von VGer

Trügerische Idyllen (Teil 1)

2378 – Erstes Jahr – Utopia Planitia, Mars
Ganz langsam ging die Sonne über Utopia Planitia unter, reflektierte in fahlen Farben von den fernen Bergen und tauchte die Umgebung in matten, warmen Glanz während die funkelbunten Lichter der Marshauptstadt, deren Silhouette sich vor dem großen Panoramafenster deutlich abzeichnete, allmählich immer lauter wurden.

Lieutenant Commander Thomas Eugene Paris seufzte, blind für die ganz alltägliche Schönheit seines neuen Heimatplaneten, und befahl dem Computer die Beleuchtung einzuschalten. Geistesabwesender als es seine Art war stand er vor dem in der Wand eingelassenen Terminal und replizierte das Buffet für den kommenden Abend. Ursprünglich hatte man sich darüber genauere Gedanken gemacht, doch jetzt stand er nur da und nannte dem Replikator wahllos die Namen der Gerichte, die ihm gerade einfallen wollten, und dachte entfernt schaudernd an Leolawurzeln.

Wenn man ein Admiral der Sternenflotte war, einer der großen Helden der Föderation, dann hatte man nicht bloß ein Wohnzimmer sondern einen Salon, und Admiral Kathryn Janeway war eine ganz vorzügliche Gastgeberin. Tom schaute dem Reinigungsroboter, der flink über den Boden glitt, hinterher und ließ dann einen letzten Kontrollblick durch den Raum schweifen. Alles war vorbereitet und bald würden die ersten Gäste eintreffen. Es war ein großer Tag und dennoch war er froh, dass sie ihn nur im kleinen Rahmen feiern würden, denn zum Feiern war eigentlich niemandem zumute. Akribisch schob er die Reihen an Gläsern zurecht, die er auf der langen Buffettafel arrangiert hatte, und dann fiel ihm auf, dass irgendetwas nicht stimmte. Zunächst konnte er noch nicht recht einordnen, was es war, und dann durchfuhr es ihn: es war gespenstisch still in der großen Wohnung, die im obersten Stock eines Hochhauses mitten im Zentrum von Utopia lag.

Gespenstische Stille war niemals ein gutes Zeichen, nicht im Leben mit einem einjährigen hybrid-klingonischen Kind, das gerade erst laufen gelernt hatte und jetzt kaum mehr aufzuhalten war. Mit einem leisen Anflug von Panik rief Tom den Namen seiner Tochter, und als sich immer noch nichts rührte begann er Raum für Raum nach ihr abzusuchen.
Er fand sie schließlich im Schlafzimmer, sie hatte sich im Kleiderschrank versteckt und spielte still, aber heiter gluckernd, mit allem was in ihrer Reichweite war, vor allem aber mit der Unterwäsche des Admirals. Kurz überlegte Tom, ob er sich unbemerkt wieder hinausschleichen und die Holokamerakugel suchen sollte um eine Aufnahme dieser Szene zu machen – eins dieser Bilder, mit dem er seine Tochter vermutlich ihr ganzes Leben lang in Verlegenheit bringen würde können und die Besitzerin des blassblauen Büstenhalters auf ihrem Kopf außerdem – doch nach einem Blick auf die Zeitanzeige entschied er sich schweren Herzens dagegen. In zehn Minuten würden die ersten Gäste eintreffen, und es mussten noch ein paar Kleinigkeiten vorbereitet werden.

„Wirbelwind, du! Komm raus da, das sind Kathryns Sachen.“

Er klang halb streng und halb amüsiert, und doch wagte er es nicht zu schimpfen. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln schob er die verstreute Kleidung zurück in den Schrank und schloss die Türe, um sich nicht gleich darum kümmern zu müssen. Als er das Kind aus dem Schrank pflückte und sie nach draußen in den Salon trug protestierte sie lautstark, doch auf der väterlichen Schulter und mit dem Versprechen einer Süßigkeit beruhigte sie sich schnell wieder und quengelte nur noch ein bisschen. Tom wuschelte ihr durch den krausen, dunklen Haarschopf und wirbelte sie mit erstickender Fröhlichkeit in den Armen herum bis sie jauchzte.

Vor der großen Fensterfront blieben sie stehen und Miral begann zu zappeln bis sie beinahe die Nase an die Scheibe aus transparentem Aluminium drücken konnte. Es gab so viel zu sehen, obwohl es noch nicht ganz finster war und noch lange nicht werden würde, und Mirals Augen wurden staunend immer größer. Rund um das Haus lag die Altstadt von Utopia, der legendäre Vergnügungsbezirk der Stadt die niemals schlief mit all seinen bunten Lichtern und Reklamen, und über ihnen im Orbit die riesige Flottenwerft mit dem ständigen Verkehr an Raumschiffen, die ihre blinkenden Bahnen durch den Himmel zogen. Im Laufe des vergangenen Jahres war das alles eine Art von Heimat geworden, auch wenn sie sich nach so vielen Jahren als Nomaden immer noch nicht wieder richtig heimisch auf einem Planeten fühlen konnten. Tom war jedes Mal aufs Neue davon fasziniert, wie fasziniert Miral war und er liebte es, sie beim Beobachten zu beobachten.

„Schau mal, Miral, da ist die Enterprise!“ Tom deutete auf das beeindruckende Raumschiff der Sovereign-Klasse, das soeben zum Andockmanöver an einen der Außenarme der Werft ansetzte.
„Pweis!“, bestätigte Miral glucksend und zeigte mit ihrem kleinen, dicken Finger in die ungefähre Richtung.
„Genau, Enterprise. Das ist Onkel Harrys Schiff, weißt du?“

Tom seufzte. Er konnte selbst kaum glauben, wie sehr sich sein Leben in diesem einen Jahr seit ihrer Rückkehr in den Alphaquadranten verändert hatte. Eigentlich hatte er alles, was er sich nie gewünscht hatte und inzwischen konnte er sich sein Leben nicht mehr anders vorstellen – gemeinsam mit seiner Tochter, die von Tag zu Tag entzückender wurde, hatte er ein neues, stabiles Leben auf dem Mars begonnen und durch Intervention seines Vaters war ihm trotz seiner kriminellen Vergangenheit eine Amnestie gewährt worden, er war befördert worden und arbeitete nun als Stellvertreter von Admiral Janeway im Pioneer-Projekt an der Dekommissionierung und Adaptierung der Voyager und ihrer Technologien aus dem Deltaquadranten. Und gleichzeitig hatte er alles, wirklich alles verloren ...

Das penetrante Zirpen des Computers riss Tom aus seinen immer trüber werdenden Gedanken. Er betrachtete kurz sein Gesicht, eindeutig abgekämpft und längst nicht mehr so jugendlich frisch wie er es gerne hätte, wie zur Kontrolle in der Reflektion der Fensterscheibe, und bemühte sich redlich ein Lächeln aufzusetzen bevor er sich seinen Pflichten als Gastgeber widmete.

Wie außerordentlich passend, dass der erste eintreffende Gast ausgerechnet der Captain der Voyager war.

Er hatte jetzt ein Jahr Zeit gehabt um sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass der Captain der Voyager jetzt ein athletischer Trill mit schmutzigblonden kurzen Locken in den besten Jahren war, in dessen sonnengebräunten Gesicht ein dunkles Fleckenmuster kontrastierte und dessen Augen humorvoll funkelten wenn er sprach. Nicht, dass sie nicht gut miteinander auskommen würden, doch manchmal wunderte er sich noch darüber.

„Captain Brahms. Doktor Brahms.“

Tom lächelte ein schiefes Lächeln und wurde vom Captain mit einem kameradschaftlichen Klaps auf die Schulter begrüßt. Leah Brahms sah sich mit der ihr eigenen Skepsis in der Wohnung um, doch die einzige andere Anwesende war zu sehr beschäftigt mit ihrem abgewetzten, speichelgetränkten Plüschtarg um die Kollegen ihres Vaters überhaupt zu bemerken.

„Sind wir etwa die ersten? Meine Güte, Tom, wir wollten uns wirklich nicht aufdrängen, schließlich ist das euer Jubiläum und eure Feier ... es hat doch geheißen, nur der engste Kreis ...“
„Ja, aber da gehört ihr auch dazu, liebe Leah. Ihr wart vielleicht nicht mit uns im Deltaquadranten, aber ihr wart trotzdem immer für uns da und habt geholfen uns zurückzuholen.“

Tom lächelte, dieses Gespräch hatten sie im Laufe der letzten Tage und Wochen schon öfters geführt und insgeheim amüsierte er sich ein wenig über die soziale Begriffsstutzigkeit einer so intelligenten Person wie Leah Brahms. Sich an die enge Zusammenarbeit zu gewöhnen war nicht immer einfach, aber keinesfalls die größte Herausforderung des vergangenen Jahres gewesen.

„Wo ist denn der Admiral?“, wollte Captain Brahms wissen, während er ungefragt begann, Drinks für alle auszuschenken.
„Admiral Paris ist nicht eingeladen, wenn du das meinst. Kathryn kommt irgendwann im Laufe des Abends heim, sie ist noch auf der Erde und absolviert die offiziellen Termine anlässlich unseres Jubiläums ... auch wenn wir aufgrund der Umstände kein großes Aufhebens machen wollten, und ganz bestimmt keinen großen Ball oder was auch immer man sich vorgestellt hätte, ganz vermeiden ließ es sich auch nicht.“
„Stimmt, das hatte sie vorgestern noch erwähnt.“ Leah seufzte und nahm dankbar ein gut gefülltes Glas entgegen.
„Jedenfalls bin ich ganz froh, dass ich mir das nicht antun muss.“, gestand Tom kleinlaut. „Ich wollte ja mitkommen, ihretwegen, aber ich denke so ist es besser. Kathryn hat Tuvok zur Unterstützung bei sich, er und seine Frau kommen nachher auch, habe ich euch das schon erzählt?“
Captain Brahms schüttelte den Kopf. „Nein, hast du nicht. Wer kommt überhaupt alles?“
„Nicht viele, die meisten von uns sind ... irgendwo, ihr wisst schon.“ Tom schluckte schwer, während die trüben Gedanken, die abzuschütteln er sich so bemüht hatte, unweigerlich wieder auf ihn einprasselten. „Nur wir von Pioneer, und nachdem die Enterprise gerade zum Service hier in der Werft angekommen ist auch Harry und Seven, und natürlich die Zimmermans. Richtig gefeiert wird erst wenn wir alle wieder dabei sein können, alles andere wäre falsch.“


War er zu offen gewesen? Für einen kurzen Moment hätte Tom sich am Liebsten auf die Zunge gebissen, doch Captain Brahms’ durchdringend dunkelblauer Blick wurde verständnisvoll, beinahe schon mitleidig. In unchoreographierter Synchronie erhoben die beiden Männer ihre Gläser um einen spontanen Toast auszusprechen.

„Auf abwesende Freunde.“
„Auf das alte Leben und das neue.“

Sie tauschten ein verzagtes Lächeln, dann zirpte es wieder an der Türe. Tom stellte sein Glas beiseite und setzte seine beste Gastgebermiene auf. Seit genau einem Jahr waren sie wieder im Alphaquadranten, und das war Grund genug zum Feiern wenn es schon keinen Grund zum Feiern gab.


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