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Kinder der Gewalt

von Nerys

Kapitel 1

Kinder der Gewalt


Die Armut in der Vorstadt war erdrückend. Edon hasste die baufälligen Häuser, die Wind und Wetter kaum zu trotzen vermochten. Er hasste den Schmutz und den Gestank, die allgegenwärtig waren. Aber am meisten hasste er die cardassianischen Patrouillen, die den Bewohnern, in deren ausgemergelten vom Hunger gezeichneten Gesichtern es längst keine Hoffnung mehr gab, das Leben noch mehr zur Hölle machten. Die Verzweifelten fielen selbst der Grausamkeit anheim, mit der sie Tag für Tag konfrontiert wurden, und vergaßen langsam das friedfertige Naturell ihrer Geburt als Bajoraner. Kleine Kinder bettelten an allen Ecken mit leeren Augen um den kleinsten Krümel Nahrung, anstatt herumzutollen und zu spielen. Das unbeschwerte Lachen war im Elend verklungen. Viele der Bewohner hatten, wie Edons eigene Familie, einst als Farmer reiches fruchtbares Land bestellt. Er dachte an das gemütliche Holzhaus seiner Kindheit zurück, an das duftende Heu, die zufriedenen Geräusche der Tiere im Stall, und an das warme frisch von seiner Mutter gebackene Brot. Sein Magen begehrte vor Hunger auf.

„Denkst du schon wieder nur ans Essen?“, kommentierte Furel, der neben ihm ging, und gab ihm einen neckischen Schubs in die Seite.

Edon seufzte ergeben und widerstand der Versuchung sich die Schulter zu reiben. Obwohl er seinen gleichaltrigen Freund um fast einen Kopf überragte, war dieser an körperlicher Kraft überlegen. „Ich weiß schon gar nicht mehr wie eine anständige warme Mahlzeit schmeckt.“

„Hauptsache die Löffelköpfe schlagen sich die Bäuche voll“, bemerkte Los, der die andere Seite des hochgewachsenen blonden Mannes flankierte.

„Mit unserem Essen, während die Kinder verhungern.“ Wütend trat Edon einen Stein aus dem Weg, der mit einem dumpfen Geräusch ein paar Schritte entfernt auf der Straße aufkam. Er bedachte seine beiden Begleiter mit einem verschwörerischen Funkeln. „Die werden schon sehen, was sie davon haben.“

Furel hielt jäh inne und starrte aufmerksam geradeaus auf den Gehweg aus regennassen Pflastersteinen, die im spärlichen Licht der Straßenbeleuchtung glänzten, als bestünden sie aus Gold. „Habt ihr das auch gehört?“

„Was?“, fragte Los ebenso im Flüsterton und mit reichlich verwirrtem Gesichtsausdruck zurück.

Edon gebot beiden leise zu sein und lauschte angestrengt der Stille der schlafenden Vorstadt. Dann hörte er das leise Keuchen einer rauen Stimme ebenfalls. Sein Blick fiel auf die in eine schmale Nebengasse führende Abzweigung. „Das kommt von dort. Lasst uns nachsehen.“

Er schlich dicht an der Mauer zu dem Durchgang und seine beiden Freunde folgten ihm. Als er vorsichtig hinein spähte, konnte er zunächst wenig erkennen, weil das Licht der Straßenlaternen nur ein paar Schritte weit in die Seitengasse fiel. Erst nach einem Augenblick, in dem er angestrengt in Richtung der verräterischen Geräusche starrte, machte er fahrige Bewegungen aus und identifizierte als Verursacher eine große Gestalt, die eine zweite kleinere unter sich gegen die Hausmauer drängte. Edon registrierte wie sich Furel neben ihm versteifte und Los nach Luft schnappte. Jedem von ihnen waren die Uniformen des cardassianischen Militärs vertraut genug, um den metallisch schimmernden Brustharnisch sofort zu erkennen. Zwischen dem lustvollen Stöhnen des Soldaten hörten sie einmal kurz ein schmerzvolles Aufkeuchen, das von einer Frau stammte. Von einer Bajoranerin, das bezweifelte keiner der jungen Männer.

„Dieser elende Bastard“, brummte Furel zornig und machte Anstalten, sich mit seinem vollen Körpergewicht auf den Cardassianer zu stürzen. Daneben hob Los kampfbereit die Fäuste. Es war ihnen egal, dass sie keine anderen Waffen als die bloßen Hände besaßen.

Edon selbst holte das kleine zusammenklappbare Messer aus seiner Hosentasche und ließ es aufschnappen. In seiner Vorstellung sah er es sich schon dem Soldaten in den ungeschützten Hals rammen. Er würde Genugtuung empfinden, sobald er das malmende Geräusch des sich in Fleisch bohrenden Metalls und den widerlich süßlichen Geruch von Blut wahrnahm. Der Cardassianer stöhnte abrupt auf und sein Körper erschlaffte jäh. Mit angehaltenem Atem beobachteten die drei Freunde, wie er auf den regennassen Boden sank und reglos liegen blieb. In der Hand der Bajoranerin blitzte ein Gegenstand metallisch auf, als sie ihnen entgegen wankte und schließlich ins Licht trat. Sie mochte im selben Alter wie Edon und seine Freunde sein, vielleicht achtzehn oder neunzehn, und besaß eine auffällige feuerrote Haarmähne. Ihr schönes Gesicht war verzerrt von einer Mischung aus Hass und Schmerz. Rasch tat er ein paar Schritte auf sie zu, um ihr zu helfen und erkannte jäh, dass es sich bei dem glänzenden Objekt in ihrer Hand um ein Messer handelte, an dessen Klinge noch das Blut des Cardassianers klebte.

„Das verfluchte Schuppengesicht wird sich nie wieder an einem jungen Mädchen vergreifen“, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Hauen wir ab. Wenn sie den finden, sollten wir möglichst weit weg sein.“ Sie wies auf den Soldaten, der nur als lebloser dunkler Haufen auf dem Boden auszumachen war. Ohne eine Antwort abzuwarten lief sie los. Die jungen Männer folgten ihr durch die verwinkelten Vorstadtstraßen bis sie schwer atmend stehen blieb und sich gegen die Hauswand lehnte.

„He, ich kenne dich“, bemerkte Los als erster erstaunt. „Du bist Lubarra.“

„Lupaza“, korrigierte sie.

Edon und Furel starrten die rothaarige Frau wortlos an. Sie war fast noch ein Mädchen und wenn sie nicht selbst Zeugen davon geworden wären, hätte keiner von ihnen geglaubt, dass sie imstande sein konnte, allein einen cardassianischen Soldaten umzubringen.

„Habt ihr beiden eure Zungen verschluckt?“, kommentierte sie und verzog im nächsten Moment das Gesicht. Obwohl es nicht warm war, trug sie ein kurzes Kleid, das ihre schlanken Beine offenbarte, und Edon sah den dunklen Schatten von Blut, das an den Innenseiten ihrer Schenkel hinab lief. Beherzt fing er sie auf, als ihre Knie nachzugeben drohten. Lupaza hatte es also nicht geschafft, schnell genug zuzuschlagen, um das Schlimmste zu verhindern. Die Genugtuung, die ihm das Wissen, dass das Schuppengesicht erledigt war, gerade noch verschafft hatte, verflog mit einem Mal.

„Wo wohnst du, Lupaza?“, fragte er sie behutsam. „Meine Freunde und ich bringen dich nach Hause.“

Sie schüttelte jedoch widerwillig den Kopf. „Mir fehlt nichts. Ich muss mich nur einen Moment ausruhen.“

„Soll das ein Witz sein?“, fauchte Furel so heftig, dass sie zusammenzuckte. „Das elende Schuppengesicht hat dich gerade…! Jedenfalls müssen deine Verletzungen behandelt werden.“

Lupaza hob den Kopf und starrte ihn an. Für einen Moment offenbarte ihre Miene eine unbestimmte Traurigkeit. „Ich bin ein großes Mädchen und hart im Nehmen. Immerhin ist meine Rechnung aufgegangen und ich habe ihn kalt erwischt.“

„Moment mal“, fuhr Edon ungläubig dazwischen. „Hast du das etwa absichtlich zugelassen?“

„Ich habe nur getan, was getan werden musste. Der Bastard wird nie wieder ein bajoranisches Mädchen anrühren. Aus meiner besten Freundin hat er ein seelisches Wrack gemacht! Ihr pagh ist gebrochen.“ Lupaza versuchte sich dem Griff des blonden Mannes zu entwinden, aber dieser hielt sie sicher.

Ihre Worte brachten Edon zum Nachdenken. Sie hatte gespielt und gewonnen, doch ihren Körper einzusetzen, um einen einzigen von den Löffelköpfen zu Fall zu bringen, war ein zu hoher Preis. Wirklichen Widerstand zu leisten, bedurfte größerer Dimensionen. Dazu musste man sich organisieren, so wie es die Zellen in anderen Provinzen taten. Es brauchte eine Anzahl von kampffähigen Bajoranern, einen geeigneten Stützpunkt, Ausrüstung und Waffen. Neben Furel und Los hatte er es bisher geschafft, noch ein paar weitere junge Leute für seine Sache zu begeistern. Er betrachtete die Frau mit dem wilden roten Haar vor sich und das herausfordernde Blitzen in ihren blauen Augen verriet ihm, dass sie allzu bereit war, dem Weg folgen, den er ihr zu weisen vermochte. Sie würden die Cardassianer mitten ins Herz treffen, ehe diese begriffen wie ihnen geschah. Die Zeit des Widerstandes war auch in Dahkur endlich angebrochen.
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