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Temporales Inoprovalin

von VGer

Kapitel 1

Raumschiff Pioneer. NX-74656-A.
Im Orbit des Mars. Im Jahre 2403.


„Utopia Kontrolle, dies ist NX-74656-A Pioneer, erbitten Startfreigabe ab Werft Sektor C Dock 22 mit extrasystemischem Flugziel.“
„Verstanden, Pioneer, halten Sie sich bereit und starten auf mein Zeichen. Sie reihen sich ein in die obere Schleuse gamma-blau, Ihre Route ist 2.08 zu 84.19 zu 12.3.“
„Ich wiederhole, Koordinaten 2.08 zu 84.19 zu 12.3.“
„Korrekt, Pioneer. Beachten Sie die Geschwindigkeitsbeschränkungen im System und im Sektor, sobald Sie den Asteroidengürtel passiert haben dürfen Sie auf vollen Impuls gehen. Guten Flug, Pioneer.“
„Verstanden, Utopia Kontrolle. Janeway, bringen Sie uns raus.“

Captain Barclay rückte sich bequem in ihrem Stuhl zurecht und lächelte zufrieden, während ihre Mannschaft völlig stressfrei den Startvorgang in die Wege leitete. Einmal wieder war die Pioneer, der Prototyp der slipstreamfähigen Voyager-Klasse, unterwegs auf das Testflugareal draußen im freien Weltraum. Es lief gut, und wenn es noch besser lief, würde die letzte Testphase bald erfolgreich abgeschlossen sein und die Voyager-Klasse könnte serienmäßig gebaut werden. Seit über zwanzig Jahren arbeiteten sie an diesem Projekt und jetzt stand der große Durchbruch endlich bevor.

„Asteroidengürtel passiert.“, meldete Fähnrich Janeway am Pilotenplatz.
„Voller Impuls bis zur Systemgrenze, Kurskorrekturen um Neptun einplanen, danach Warp 3.“, befahl Captain Barclay, mehr pro forma denn aus wirklicher Notwendigkeit, dann lehnte sie sich mit der ihr eigenen Nonchalance im weich gepolsterten Kommandostuhl der Pioneer zurück und überschlug ihre langen, schlanken Beine. „Übrigens, schön Sie an Bord zu haben, Janeway.“
„Danke, dass wir hier sein dürfen, Captain.“, antwortete Fähnrich Janeway ohne die Augen oder die Finger von den Konsolen zu nehmen, schließlich musste sie die Kurskorrekturen eingeben.
„Jederzeit sehr gerne. Nur eins verstehe ich nicht ...“ Captain Barclays sonst immer so nüchterner und gebieterischer Tonfall wurde plötzlich jovial und sie konnte sich ein breites Lächeln nicht verkneifen. „Ihr habt drei Wochen Urlaub und habt wirklich nichts besseres zu tun, als sie hier auf der Pioneer zu verbringen?“
„Oh ja!“, rief Fähnrich Janeway. „Die Kirk ist ein Diplomatenschiff, ein besseres Taxi für Botschafter und Politiker. Hast du eine Ahnung wie langweilig das ist, immer nur auf gut ausgebauten interstellaren Routen zu fliegen? Ich freue mich jedenfalls wie wahnsinnig auf die Testflüge.“
„Außerdem hat meine Mutter gemeckert, dass sie uns viel zu selten sieht.“, fügte Fähnrich Barclay, die im oberen Teil der Brücke die Ingenieursstation bemannte, grinsend hinzu. „Und gegen meine Mutter ist Widerstand zwecklos ... also haben wir uns gefügt und hier sind wir; ihr könnt uns ja immer noch am Rückweg auf Risa aussetzen, wenn wir nach den Testflügen Erholung brauchen. Ist das akzeptabel, Ma’am?“
„Durchaus.“
Captain Barclay lächelte und der Rest des ereignislosen Fluges zum nur wenige Parsecs entfernten Testflugareal wurde mit Lachen und Plaudern verbracht, schließlich hatten sie sich wirklich schon sehr lange nicht mehr gesehen und viel zu erzählen. Pioneer war seit jeher wie eine Familie, doch die eigene Tochter und deren beste Freundin, die mit ihr gemeinsam aufgewachsen war als sei sie quasi das sechste Kind der Barclays, an Bord zu haben war etwas anderes. Inzwischen waren sie längst erwachsen doch immer noch unzertrennlich, beide Sternenflottenoffiziere stationiert an Bord des Raumschiffs Kirk unter Harry Kims Kommando, Kate Barclay als Ingenieurin und Maggie Janeway als Pilotin.
Die ersten Tage der Testflüge verliefen arbeitsreich, aber planmäßig, und zwischendurch war genug Freiraum, um mit der Familie und alten Freunden an Bord Zeit zu verbringen und zu feiern, was allen sehr viel Freude bereitete. Doch am dritten Tag ging unerwartet alles schief.

„Kohäsion fluktuiert!“, rief Lieutenant Nelly Landwhim an der Ops, sie ratterte rasch und präzise eine Litanei an Zahlen und Messwerten hinunter.
„Bestätige!“, rief Fähnrich Kate Barclay am Ingenieursposten, doch sie klang wesentlich nervöser als ihre dienstältere Kollegin. „Wir verlieren den Navigationsinterlink zum Slipstreamkern!“
„Quantenfissur steht kurz bevor. Ich empfehle einen Auswurf des Slipstreamkerns.“, sagte Lieutenant Landwhim.
„Verdammt! Wenn wir das tun landen wir irgendwo und der Kern irgendwo anders, dann sind wir verloren.“, rief Commander Icheb llum Krendtvgrak aus, der Erste Offizier ballte seine Hände frustriert zu Fäusten und wechselte einen raschen besorgten Blick mit seinem Captain.
Captain Barclay war vom Kommandostuhl aufgesprungen und stand wie erstarrt in der Mitte der Brücke. Aus ihrem Gesichtsausdruck war erkenntlich, dass sie alle Informationen und Optionen, die ihnen noch blieben, analysierte bevor sie einen Befehl gab. Auf dem großen Sichtschirm vor ihnen begann der bunt schillernde Slipstreamkanal allmählich zu kollabieren.
„Wir bleiben im Slipstream solange die strukturelle Integrität es erlaubt, der Kern wird keinesfalls ausgeworfen!“, befahl Captain Barclay, ihre Stimme war so erschreckend ruhig wie immer. „Barclay, Janeway. Sie gehen hinunter in die Astrometrie, Sie müssen versuchen die Navigationsdaten manuell einzugeben und die Kohäsion des Quantenflusses aufrecht zu erhalten. Beeilen Sie sich!“
„Aye, Ma’am!“, salutierten beide Fähnriche unisono, sprangen von ihren Plätzen auf und waren mit ein paar großen Schritten schon beim Turbolift.
Zwei andere Offiziere übernahmen eilig ihre Posten, dann zischten die Türen des Turbolifts zu und die beiden jungen Frauen waren auf sich allein gestellt.
„Astrometrie!“, befahl Kate Barclay, der Turbolift setzte sich in Bewegung.
„Spannend!“, kommentierte Maggie Janeway ebenso atemlos wie enthusiastisch. „Urlaub auf der Pioneer war eine gute Idee, Kate. Auf der Kirk passiert nie so etwas spannendes.“
„In Cochranes Namen, Maggie! Die Lage ist ernst, also nimm das gefälligst ernst!“, schimpfte Kate und verdrehte die Augen. „Wenn wir das nicht hinkriegen, dann landen wir irgendwo, wenn es uns nicht vorher zerreißt und durch den gesamten Subraum verteilt.“
„Ich weiß doch.“, wiegelte Maggie ab.
Sie waren so lange schon befreundet und doch so unterschiedlich – Kate war immer irritiert wenn Maggie hoffnungslosen Situationen mit Galgenhumor begegnete, doch das bedeutete nicht, dass Maggie es nicht ernst nahm oder abgelenkt war, eher im Gegenteil. Sie war nicht nur Pilotin, sondern eine der besten Navigatoren der Flotte, und Astrometrie war ihr Spezialgebiet.
„Du übernimmst die astrometrischen Daten, ich die Übertragung zum Kern.“, sagte Kate knapp.
„Klar.“, sagte Maggie. Vor ihrem inneren Auge bauten sich Sternenkarten über Sternenkarten auf, während sie rasch überlegte was zu tun war. „Aber zuerst hängt alles von dir ab. Du musst den Interlink neustarten, sonst kann ich die Daten nicht übertragen, und ...“

Ein gleißender, silbrigvioletter Blitz durchfuhr mit einem brennenden Ruckeln die Turboliftkabine und ließ beide Fähnriche schmerzverzerrt zusammenzucken.

„Was war das?“, fragte Kate sofort.
„Keine Ahnung.“ Maggie zuckte mit den Schultern. „Beginnender Verlust der strukturellen Integrität?“, riet sie angsterfüllt.
„Dann müssen wir uns beeilen.“, beschloss Kate.
„Verdammt! Warum fahren wir jetzt plötzlich aufwärts?“, wunderte sich Maggie, als der Turbolift sich wieder in Bewegung setzte.
„Prototypen!“, knurrte Kate missbilligend und wollte sich schon am Steuerungspaneel zu Schaffen machen, als die Türen sich mit einem lauten Zischen öffneten.

Wie automatisch machten beide Fähnriche einen Schritt nach draußen. Sie standen wieder auf der Brücke, doch noch bevor sie zurücktreten konnten bemerkten sie, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.



Raumschiff Voyager. NCC-74656.
Irgendwo im Deltaquadranten. Im Jahre 2393.


„Mr Paris, die Flugbahn stabil halten! Holen Sie uns aus dem Slipstream, sofort! B’Elanna, was ist da los?“, schrie Captain Janeway. „Ich brauche Antworten und ich brauche sie jetzt!“

Die Brücke der Voyager war in das gespenstisch blinkende Licht des unaufhörlich plärrenden roten Alarms getaucht, und auf dem großen Sichtschirm kollabierte farbenfloh schillernd und röchelnd ein Slipstreamkanal. Die beiden Fähnriche, die hier ganz offensichtlich fehl am Platz waren, standen schockiert festgefroren vor den Türen des Turbolifts und trauten ihren Augen nicht.

„Wo sind wir?“, raunte Kate. „Oder vielmehr: wann sind wir?“
„Die Voyager war nie slipstreamfähig!“, raunte Maggie zurück. „Es gab nur ein einziges Experiment, aber das ist fehlgeschlagen.“
„Ich weiß, ich war auch an der Akademie!“, konterte Kate scharf.

Sie waren eine Pilotin und eine Ingenieurin, sie erinnerten sich beide noch an die Vorlesungen zum Thema experimentelle Antriebsformen und an alles, was sie im Laufe der Jahre von den Voyager-Veteranen und den Mitarbeitern des Pioneer-Projekts erfahren hatten. Das, was sie hier sahen, war unmöglich, und doch standen sie mittendrin.
Es war zweifelsohne die Voyager, das Schiff ihrer Eltern, das Schiff ihrer Familie, das Schiff von dem sie stammten. Sie hatten die Geschichten gehört und die Holoromane mehr als einmal durchgespielt, doch diese Szene war ihnen beiden gänzlich unbekannt und das war erschreckend – noch erschreckender als die Tatsache auf der Voyager zu sein, wann und wo auch immer.

„Können Fehlfunktionen des Slipstreams temporale Anomalien auslösen?“, fragte Maggie, die Stimme nur ein ersticktes Flüstern.
„Keine Ahnung.“, gestand Kate leise. „Offensichtlich schon. Wundert mich nicht, Warpfelder können das unter gewissen Bedingungen ja auch. Und Landwhim sprach davon, dass sich eine Quantenfissur bildet, vielleicht ist das dafür verantwortlich.“
„Was ist eine Quantenfissur?“, fragte Maggie.
„Keine Ahnung.“, gestand Kate.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Maggie.
„Keine Ahnung.“

Sie standen wie festgefroren und beobachteten das turbulente Geschehen auf der Brücke der Voyager wie unbeteiligte Zuschauer während ihre Synapsen wie wild feuerten und doch weder eine Erklärung noch einen Schlachtplan liefern konnten. Die schillernden Farben des Slipstreams verblassten, dann verschwanden sie und gaben die Sicht frei auf statisch funkelnde Sterne vor der Finsternis des Alls.

„Slipstreamflug beendet!“, rief Tom Paris triumphierend aus.
„Strukturelle Integrität intakt, Schilde bei 73%!“, fügte Harry Kim sofort dienstbeflissen hinzu.
„Position?“, bellte Captain Janeway scharf.
Tom Paris lieferte nach einem prüfenden Blick auf seine Konsole die gewünschten Informationen. Weder Maggie noch Kate konnten die Koordinaten auf Anhieb genau zuordnen, doch sie lagen eindeutig im Deltaquadranten. Doch das schreckte sie weniger als der Klang der Stimmen, die sie hörten – Stimmen, die ihnen so vertraut waren, wie die von Captain Janeway und Harry Kim, und Stimmen, die sie schon so lange nicht mehr gehört hatten, wie die von Tom Paris.
Als die Gefahr endlich gebannt war, seufzte Captain Janeway und räkelte sich in ihrem Stuhl zurecht. Aller Blicke waren auf sie oder auf den Sichtschirm gerichtet, ein frustriertes Aufatmen ging durch die Menge der Brückenmannschaft, und nur aufgrund dessen hatte noch niemand die beiden Fähnriche vor den Türen des Turbolifts bemerkt.

„Roten Alarm beenden!“, befahl sie harsch. „Bleiben Sie auf gelbem Alarm. Ich erwarte einen detaillierten Bericht, was diesmal schief gegangen ist!“
„Aye, Ma’am!“, tönte es vielstimmig über die Brücke und durch die Lautsprecher.
„Eindringlingsalarm!“, schnarrte der Computer erbarmungslos, während die rotierenden roten Lichter verloschen und das konstante Heulen zu Ende ging. „Eindringlingsalarm Brücke!“
Der Captain sprang auf und wirbelte auf dem Absatz herum, dann sah sie sie: zwei junge humanoide Frauen, offensichtlich menschlich, mit schreckgeweiteten Augen und in seltsamen Uniformen. Mit wenigen großen Schritten stand sie vor ihnen.
„Wer sind Sie, weshalb sind Sie hier und wie sind Sie hierher gekommen?“, wollte sie sofort wissen.
Maggie starrte den Captain unverwandt an, sie hatte schließlich ein Leben lang Erfahrung damit, sich ihrer Mutter entgegenzustellen. Doch diese Frau, die so aussah wie Kathryn Janeway, nur irgendwie ausgemergelter, war nicht ihre Mutter. Sie öffnete den Mund und wollte schon zu sprechen beginnen, doch noch bevor das erste Wort ihre Lippen verlassen hatte packte Kate sie brutal am Arm.
„Sag nichts.“, raunte Kate eindringlich, und Maggie verstand schlagartig.
„Wir wissen nicht, wie wir hierher gekommen sind. Wir sind Sternenflottenoffiziere, Ma’am, unsere Absichten sind friedlich!“, stotterte sie dann anstelle einer Erklärung.
„So so.“, machte Captain Janeway missbilligend, dann wandte sie sich zur Taktikkonsole. „Ayala. Führen Sie die beiden ab und finden Sie die Sicherheitslücke, ich kümmere mich später darum. Im Moment gibt es Wichtigeres.“
„Aye, Captain!“, nickte Lieutenant Miguel Ayala.

Dienstbeflissen nahm er die beiden jungen Frauen am Ärmel und deutete ihnen in den Turbolift. Schweigend setzte sich das Gefährt in Bewegung.

„Ich habe eine Frage, Lieutenant.“, presste Maggie mutig hervor. „Welche Sternzeit haben wir?“
„70914.31.“, informierte Ayala knurrend.
„Das ist ... das ist das Jahr 2393 nach terraner Standardzeitrechnung!“, rief Kate überrascht aus. „Wie kann das möglich sein?!“

Das war eine gute Frage, doch Ayalas düsterer Blick hieß sie schweigen.
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