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Temporales Inoprovalin

von VGer

Kapitel 12



Es war wirklich nicht leicht, jemandem einigermaßen neutral und unvoreingenommen gegenüber zu treten, mit dem man den größten Teil eines Jahrzehnts hauptsächlich gestritten hatte. Es war nicht leicht, jemandem einigermaßen neutral und unvoreingenommen gegenüber zu treten, der ein so vertrautes Gesicht hatte, und doch nicht dieselbe Person war. Es war bei keinem von ihnen leicht gewesen – nicht beim Admiral, der hier Captain Janeway war, nicht beim Captain, der hier Fähnrich Kim war, nicht bei Tom, der hier erschreckend lebendig war, nicht bei B’Elanna oder Naomi – aber das hier war für Kate mit Abstand am Schwierigsten.
Dr. Mark Zimmerman existierte hier nicht, er war viel aber doch nur ein namenloses Medizinisch-Holographisches Notfallprogramm, das nie zu dem Dr. Mark Zimmerman, den sie so gut kannte, geworden war.

„Und Sie sind?“, fragte das MHN kühl, als Kate die Krankenstation betrat und sich elegant auf das erstbeste Biobett schwang, obwohl er genau wusste wer sie war, schließlich war er beim Briefing der Führungsoffiziere der Voyager dabei gewesen.
Es war völlig irrational, aber es traf Kate dennoch tief, obwohl er nicht wissen konnte wer sie war. Mit Mark zu streiten war das Letzte, was sie wollte, und doch wollte sie gerade nichts lieber tun als mit Mark zu streiten.
„Entnehmen Sie eine Blutprobe, Doktor.“, sagte Kate ebenso kühl, nachdem sie sich vorgestellt hatte, und streckte ihm den linken Arm mit bereits aufgerolltem Ärmel entgegen. „Sie werden schlafende Naniten in niedriger Konzentration vorfinden, Borg-Technologie. Wir müssen sie in ausreichender Zahl extrahieren und dann aktivieren.“
„Borg-Technologie?“, fragte das MHN mit einem charakteristischen Stirnrunzeln, während er die Einstellungen an einem Hypospray adjustierte und scheinbar unkoordiniert mit einem diagnostischen Tricorder durch die Luft wedelte. Er musterte Kate mit kritischem Blick. „Mein Tricorder bescheinigt Ihnen 100% menschliches Erbgut, und mein Tricorder irrt nie. Meine Augen ebensowenig, und die sagen mir nur eins: Sie sind eine gesunde Humanoide, Anfang oder Mitte Zwanzig in Standardjahren, aber Sie sind bestimmt nicht Borg und Sie sind es nie gewesen.“
Kate rollte mit den Augen, und dann fiel ihr wieder ein, dass es nicht Mark war, mit dem sie sprach. Mark kannte sie von Geburt an, Mark müsste sie das alles nicht erklären, doch das Hologramm, das diese Krankenstation beherrschte, war eben nicht Mark. Es war zu leicht, das zu vergessen, und es wäre viel leichter, müsste sie sich nicht wieder und wieder erklären.
„Nein, Doktor, ich bin nicht Borg. Aber meine Mutter war Borg und Naniten sind nabelschnurgängig, also habe ich selbstverständlich auch Naniten im Blut. Sie wurden gleich nach meiner Geburt deaktiviert, sodass ich nicht Borg werde, und seither schlummern sie einfach so friedlich vor sich hin und machen nichts weiter, außer mein Immunsystem zu stärken und hin und wieder Wunden schneller zu heilen als das bei normalen Menschen der Fall wäre.“
Kate hätte beinahe laut aufgelacht – Mark sein Spezialgebiet erklären zu müssen, das war wirklich zu absurd, doch das war nicht Mark.
„Das ist möglich? Wie das?“ Das MHN staunte ehrlich und schwang das Hypospray in seiner Hand, plötzlich enthusiastischer als je zuvor.
„Oberste Temporale Direktive.“, knurrte Kate, denn ihre Geduld ging allmählich zu Ende und sie hasste nichts mehr als einmal wieder bloß als medizinisch-technologische Kuriosität betrachtet zu werden.
„Fragen Sie nicht, Doc, tun Sie’s einfach.“, fauchte B’Elanna aus der zweiten Reihe. „Wir brauchen die Naniten für den Slipstreamantrieb, wir brauchen sie dringend, und wir haben keine andere Möglichkeit als Fähnrich Barclay hier.“

Das Hypospray zischte schmerzlos an Kates Ellenbeuge, die Kanüle füllte sich mit dunkelrotem Blut, und kurz darauf piepste der Computer energisch auf.

„Tatsächlich!“, rief das MHN aus und rieb sich erfreut die Hände. „Naniten!“
„Wie ich gesagt habe. War es wirklich so schwer mir zu glauben?“, konterte Kate spitz und fixierte ihn mit herausforderndem Blick, weil sie einmal wieder vergessen hatte, dass es nicht Mark war mit dem sie sprach, sondern nur jemand, der genauso aussah und sich genauso verhielt wie Mark ... genauso unerträglich, sie hatte es kaum für möglich gehalten.
Das mikroskopische Bild wurde auf den großen Sichtschirm projiziert, wie in einem abstrakten Gemälde wirbelten die Zellen in Kates Blut durcheinander und zwischendrin ein paar wenige mechanische Teile, die auf den ersten Blick nur wie undefinierbare Metallsplitter aussahen. Kate und B’Elanna atmeten unisono und beinahe triumphierend auf. Bei genauerem Hinsehen waren es eindeutig Borg-Naniten, und wie erwartet bewegten sie sich nicht selbstständig sondern schlummerten im deaktivierten Zustand, getarnt als ganz gewöhnliche Blutkörperchen.
„Sie müssen aktiviert und multipliziert werden.“, informierte Kate nüchtern. „Erst dann sind sie für uns von Nutzen.“
„Es ist mir unbegreiflich, wie sie überhaupt in einem lebendigen Organismus existieren konnten, ohne automatisch aktiv zu werden. Das widerspricht der Natur der Naniten.“, murmelte das MHN, plötzlich ganz in seiner eigenen Welt versunken. „Andererseits widerspricht es auch der Natur der Borg, sich auf biologischem Wege fortzupflanzen.“
„Es ist nun einmal so.“ Kate schnaubte trotzig, und dann wurde ihr schmerzlich bewusst, dass das als Erklärung mitnichten ausreichte.
Er hatte ja recht, Borg pflanzten sich, genauso wie Hologramme auch, nicht auf biologischem Wege fort. Doch zu jeder noch so strengen Regel gab es eine Ausnahme, und sie und er – nein, Mark – waren der lebende Beweis dafür. Kate seufzte und suchte verzweifelnd nach einer Erklärung, die verständlich genug war und doch die Oberste Temporale Direktive nicht verletzen würde.
„Meine Geschwister und ich hatten alle dasselbe Problem als wir Neugeborene waren. Die Naniten wollten uns von innen heraus assimilieren. Unser ...“ – sie zögerte kurz, denn eine diplomatische Beschreibung fiel ihr bei bestem Willen nicht ein – „... Hausarzt war sehr erfindungsreich und hat einen Weg gefunden, die Naniten vorläufig zu deaktivieren, sodass alle fünf von uns als normale Menschen und nicht als Borg-Drohnen oder Borg-Hybriden leben können.“
„Genial.“, kommentierte das MHN, und Kate konnte nicht anders, als ob dieser Ironie schallend aufzulachen. Niemand im Universum fand Dr. Mark Zimmerman genialer als Dr. Mark Zimmerman selbst, egal in welcher Zeitlinie, so viel war jedenfalls schon sicher.
„Jetzt müssen wir diesen Prozess umkehren.“, sagte sie schließlich. „Nur bitte nicht in meinem Körper. Wir brauchen die Naniten zur Verbesserung des Slipstreamantriebs, nicht um ein Monster zu kreieren.“
Das MHN zog die Augenbrauen hoch und machte sich an den Computersteuerungen des Mikroskops und seiner sonstigen Gerätschaften zu schaffen, während Kate ihren Ärmel schweigend wieder hinunterkrempelte. Sie hoffte nur, dass sie einen Weg finden würden, um die Naniten brauchbar zu machen, bevor in weniger als vierzig Minuten die Transmission ihrer Mutter durchkommen würde. Sich mit Mark auseinandersetzen zu müssen, das war etwas, was sie ihr und sich lieber ersparen würde.

„Mark.“, sagte B’Elanna Torres kritisch, und auf einmal klang sie wie die B’Elanna, die Kate kannte, doch sie war es nicht und konnte es nicht sein. „Sie sprachen wiederholt von einem gewissen Mark, der Erfahrung mit dieser Technologie hat. Sie sprachen davon, dass es hier auch einen gäbe, doch wir haben und hatten nie jemanden dieses Namens an Bord.“
„Ich brauche keine Hilfe!“, protestierte das MHN indigniert, und Kate hätte beinahe aufgelacht.
„War wohl ein Irrtum.“, knurrte sie dann, errötend, bevor irgendjemand auf falsche Gedanken kommen konnte. Sie hasste es, lügen zu müssen, und in Gedanken hörte sie einmal wieder Marks unerbittliche Moralpredigten auf sie einprasseln. „Da wo ich herkomme ist Mark Zimmerman einer der Spezialisten, die sich gut mit Borg-Technologie auskennen. Ich hatte angenommen ... habe mich wohl geirrt, Verzeihung.“
„Kann passieren.“, knurrte B’Elanna, beinahe schon gutmütig für ihre Verhältnisse, dann legte sie den Kopf schief und betrachtete den Fähnrich in der seltsamen Uniform beinahe mitleidig. „Muss verwirrend sein, was?“
Kate konnte nur nicken, während sie ihren Naniten dabei zusah, wie sie sich nicht bewegten obwohl sie es eigentlich sollten.
„Mark Zimmerman?“ Das MHN sah neugierig auf. „Nicht zufällig verwandt mit meinem Schöpfer, Dr. Lewis Zimmerman von Jupiter?“
„Sein Sohn.“, erwiderte Kate knapp, und wieder ärgerte sie sich über ihre Gedankenlosigkeit. Natürlich musste dem MHN das auffallen, schließlich funktionierte seine Programmierung wesentlich rascher und effizienter als das Gehirn eines Menschen.
„Ich wusste nicht, dass er Kinder hat.“
Kate hatte versucht, knapp und sachlich abzuwiegeln, doch das MHN schien enttäuscht, verletzt sogar, von dieser Information zu sein. Natürlich! Sie erinnerte sich noch an Marks ständiges Lamento, wie schwierig es anfangs gewesen war, als eigenständige Persönlichkeit und nicht nur als ein Stück Medizintechnik anerkannt zu werden, und wie lange er dafür gekämpft hatte, sich soziale Strukturen und eine eigene Familie aufzubauen. Mama und Tante Haley hatten immer wieder amüsiert von den Schwierigkeiten erzählt, die zwei so sture und egoistische Charaktere wie Mark und der alte Dr. Z anfangs miteinander gehabt hatten, von ihren legendären Konfrontationen – doch das war schon so lange her, lange bevor Mark und Haley nach einem langen Kampf vor den Höchstgerichten der Föderation die vollständige Anerkennung von Bürgerrechten für empfindungsfähige, ich-bewusste Hologramme erzielt hatten, lange bevor sie eine Familie geworden waren. Eine Familie, kaum ungewöhnlicher als die meisten anderen Multispeziesfamilien in der Föderation.
„Es ist eine andere Zeitlinie, Doktor, nicht der Lewis Zimmerman, den Sie kennen.“, erklärte Kate, so vage es ihr eben möglich war.
„Wir sollten uns an die Arbeit machen.“, sagte das MHN.

Der verletzliche Gesichtsausdruck von gerade eben war wieder dem üblichen arroganten Habitus gewichen, und er stolzierte aus dem Raum ohne überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden, Kate oder sonst jemanden um Unterstützung bei seinen Experimenten zu bitten, und zog sich in seinen Arbeitsraum, der direkt an die Krankenstation angeschlossen war, zurück. Kate blieb mit baumelnden Beinen auf dem Biobett sitzen und grübelte weiter still in sich hinein, versuchte ihre wüsten und konfusen Gedanken zu ordnen, während sie etwas verstohlen und doch gebannt durch die transparente Scheibe zwischen den Räumen schaute und den Arbeitsprozess neugierig beobachtete. Dann musste sie unwillkürlich schmunzeln, zu sehr erinnerte sie ihr eigenes Verhalten an ihre jüngste Schwester. Ginny hatte ihren leiblichen Vater nicht mehr kennen gelernt, die Pioneer-Tragödie war passiert als Annika im siebten Monat schwanger war, und während den älteren Barclay-Kindern, die noch so viele schöne Erinnerungen an ihren Vater hatten, die Anpassung an ihre neuen Lebensumstände sehr schwer gefallen war, war es für die Jüngste ganz anders. Ginny war de facto als Tochter des Doktors aufgewachsen, sie vergötterte Mark ebenso wie er sie vergötterte (ebenso wie Kate ihren Vater vergöttert hatte und umgekehrt), sie war fasziniert von allem Medizinischem und hatte schon als Kleinkind stundenlang damit verbracht, Mark beim Arbeiten zuzusehen und mit seinen medizinischen Apparaturen zu spielen. An der Wand von Marks Labor hing eine schiefer und unscharfer Tomographiescan ihres linken Fußes, den Ginny versehentlich aufgenommen hatte, nicht ohne ironischem väterlichem Stolz beschriftet mit „Dr. med. Regina Leah Barclay, Medizinische Fakultät der Naoko-Yaakov-Universität Utopia Planitia Sol IV, 2395“.
Kate seufzte, schüttelte den Kopf, und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Doktor, der nicht Mark war. Das MHN, das zuvor so selbstsicher aufgetreten war, wurde von Minute zu Minute enervierter, und Kate wurde von Minute zu Minute klarer, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen ihm und Mark gab, obwohl sie sich, von der Kleidung einmal abgesehen, so erschreckend ähnlich sahen.

Zum ersten Mal im Leben verfluchte sie ihre Mutter, und Mark, und sich selbst, denn zum ersten Mal im Leben fehlten ihr die Informationen und die Möglichkeit zur Selbstbestimmung. Als sie geboren wurde, war es überlebensnotwendig gewesen, die Naniten auszuschalten, denn sie war ein menschliches Kind – auch wenn man sie hin und wieder scherzhaft „One of Five“ nannte, sie war schließlich die erste in einem Kollektiv von fünf Geschwistern. Als sie die Volljährigkeit erreichte, hatten ihre Mutter und Mark sie beiseite genommen und ihr alles genau erklärt, was in den Stunden nach ihrer Geburt passiert war. Jetzt verfluchte sie sich dafür, dass sie es abgelehnt hatte, die Codes und andere Details zu erfahren. Sie war Kate Barclay, ein Mensch, ein Marsmensch, kein Borg, und sie wollte nie Borg sein. Sie hatte abgelehnt, sie hatte es nicht wissen wollen, weil sie niemals Borg werden wollte, wie ihre Mutter es gewesen war. Ihre Mutter sprach selten und wenn dann nur vage von dieser Zeit, doch was sie erfahren hatte reichte um den Entschluss zu fassen. Damals hatte sie ihre Gegenargumente mit Sicherheitsgründen erklärt ... Ihre Mutter und Mark blieben also die einzigen beiden Personen, die die Codes für die Aktivierung ihrer Naniten kannten, denn sie vertraute ihnen trotz allem mehr als sich selbst. Sie hätte sich niemals träumen lassen, dass sie je in die Situation kommen würde, diese Informationen tatsächlich zu brauchen, und das ausgerechnet aus Sicherheitsgründen!
Ingenieure machen das Unmögliche möglich, das war der Leitspruch ihres Vaters gewesen. Mit dem Unmöglichen hatte sie nahe genug Bekanntschaft geschlossen, seit sie unfreiwillig an Bord dieser Voyager gelandet war. Sie war Ingenieurin, und eine verdammt gute noch dazu, also würde sie auch eine Möglichkeit finden, das Unmögliche wieder rückgängig zu machen. Irgendwie, und hoffentlich bevor ihr der Kopf zu platzen drohte.
Temporales Inoprovalin! Sie lachte kurz und still auf, als ihr der Gedanke durch den Kopf schoss. Maggie würde das verstehen, und Mark auch – auch wenn Mark normalerweise gar nichts verstand – doch jetzt hatte sie niemanden, mit dem sie ihre Gedanken teilen konnte, und auch kein temporales Inoprovalin, das gegen temporale Kopfschmerzen half. Also musste sie sich konzentrieren und sich an die Arbeit machen.

Kate erhob sich vom Biobett und durchquerte die große, leere Krankenstation, klopfte höflich an die Tür des kleinen Nebenraums, der dem MHN als Büro und Laboratorium diente, bevor sie eintrat. Sie sah ihm aufmerksam über die Schulter, während er vergeblich versuchte die Naniten zum Leben zu erwecken. Das MHN hatte sich zurückgezogen, um die Fakten zu studieren, und als er aufblickte war seine Mimik gereizt und gestresst. Kate kannte den Blick nur zu gut, er hatte sie ihre ganze Jugend lang begleitet, also war sie geübt darin ihn einfach zu ignorieren statt sich davon einschüchtern zu lassen.
„Ich hatte eine Idee, Doktor.“, verkündete sie mit fester Stimme.
„Ich bezweifle stark, dass die von Nutzen sein wird, schließlich bin ich der Arzt und nicht Sie, und Patienten, die sich in ihre Behandlung einmischen wollen sind bestenfalls ...“
Kate unterbrach ihn, noch bevor er sich in Fahrt reden konnte, schließlich kannte sie auch diese Tirade nur zu gut. Doch jetzt ging es nicht bloß um eine Kinderkrankheit oder eine der vielen Sportverletzungen, die Mark augenrollend behandeln musste während sie und ihre Geschwister aufwuchsen, jetzt ging es um ihre Naniten, um Borgtechnologie. Als Ingenieurin wusste sie mehr über Technologie als jeder noch so biotechnologisch versierte Arzt, auch wenn sie das diesem MHN niemals unter die Nase reiben würde und Mark schon gar nicht. Entschlossen schüttelte sie den Kopf, warf ihren langen brünetten Zopf über die Schulter nach vorne.
„Haben Sie eine Blutprobe von Seven of Nine an Bord?“, wollte sie wissen.
Das MHN erhob sich von hinter seinem Schreibtisch und sah sie fragend an.
„Ist es nicht so, dass jedes Raumschiff aus Sicherheitsgründen diverse Bioproben seiner Besatzungsmitglieder mitführt?“, fragte sie weiter. „Das gilt doch auch für ehemalige, für ... verstorbene Besatzungsmitglieder, nicht wahr?“
„Im kryostatischen Archiv, ja.“ Jetzt legte das MHN den Kopf fragend schief, es war offensichtlich, dass er nicht wusste worauf sie hinaus wollte und ebenso offensichtlich, dass ihm das gar nicht behagte.
„Meine Naniten sind inaktiv, und ich kenne wie schon erwähnt die Codes und Aktivierungssequenzen nicht.“, erklärte Kate geduldig, wenn auch innerlich triumphierend. Auf ihre ganz eigene, stille und subversive Art hatte sie immer versucht, Mark zu überflügeln und so zu beeindrucken, und jetzt gelang es ihr, auch wenn es nicht wirklich Mark war. „Seven of Nines Blut beinhaltet jedoch aktive Naniten, daran sollte die Kryostase nichts geändert haben. Wenn wir also ihre Naniten mit meinen vergleichen, dann finden wir vielleicht eine Lösung.“
Die Augen des MHN leuchteten unverkennbar auf, doch er würdigte Kate keines Blickes und keines Wortes, als er sich zu dem Schrank begab, in dem die besagten Proben verschlossen waren.

Es dauerte nicht lange, bis sie eine behelfsmäßige Versuchsreihe aufgebaut hatten, um die Blutproben mikroskopisch miteinander vergleichen zu können. Das MHN setzte sich wieder an seinen Schreibtisch während Kate dicht hinter ihm stehen blieb. Sie sah sich um, bevor sie sich auf die flimmernden Anzeigen der Computer und medizinischen Geräte konzentrieren konnte. Der Schreibtisch war, von PADDs und Apparaturen einmal abgesehen, vollkommen leer, was sie befremdete. Marks Schreibtisch war vollkommen überfüllt mit so vielen Holokuben, die in ständigem Wechsel bunte Bilder von ihnen allen anzeigten, von kindischen Basteleien, die Ken und Ginny gemacht und ihm ganz stolz zu irgendeinem Anlass geschenkt hatten, von den Verdienstmedaillen, die ihm verliehen worden waren, zwischendrin ein kleines Modell der Voyager, und obendrauf, meistens im Weg, der unerträglich plappernde Leonard, ein holographischer Leguan. Das alles waren untrügliche Anzeichen eines erfüllten Lebens, das dieses MHN hier ganz offensichtlich nicht hatte. Unvermittelt verspürte Kate ein nostalgisches Brennen in der Magengrube, das sie sich weder erklären konnte noch wollte, also konzentrierte sie sich lieber wieder.
„Siehst du ...“, begann sie mit einem Deuten auf den Monitor, dann biss sie sich auf die Zunge und korrigierte sich. „Sehen Sie, es ist wie ich gesagt habe. Die Naniten in der Blutprobe von Seven of Nine mussten nur auf reguläre Körpertemperatur erwärmt werden, um aktiv zu werden. Das ist ein Anfang.“
Das MHN nickte, ohne den Blick vom Monitor zu nehmen, auf dem die millionenfach vergrößerten kleinen Metallteile zappelten und immer schneller wurden. Dann drehte er sich doch um, den Schreibtischstuhl herumschwenkend, und obwohl er saß und zur stehenden Kate hinaufsah, sah er doch eindeutig auf sie herab.
„Die Borg mögen als Kollektiv auftreten, Fähnrich.“, begann er zu dozieren, „Was Sie offensichtlich nicht wissen ist, dass dennoch jede Drohne, oder zumindest jede Unimatrix, über eine spezifische Signatur verfügt. Ihr Enthusiasmus in Ehren, aber ich bezweifle, dass sie soweit kompatibel sind, dass sie uns von Nutzen sein können.“
„Ich nicht.“, konterte Kate frech und ließ unaufgefordert ihre Finger über die Konsolen flitzen, bis sie die passenden Daten zur vergleichenden Analyse gefunden und vergrößert hatte.
Das MHN starrte fassungslos darauf, und Kate musste ein Kichern unterdrücken, denn einen blöderen Gesichtsausdruck hatte sie bei ihm noch nie gesehen. Die schier endlosen Zahlenreihen der Borgsignatur waren ident, das konnte er grün auf schwarz sehen, doch erklären konnte er es sich nicht. Sie konnte seine Programmalgorithmen direkt rattern und alarmiert piepsen hören, und das amüsierte sie trotz der Ernsthaftigkeit der Situation ohne Ende. Wortlos aktivierte er eine weitere Subroutine des Analyseprogramms, die Naniten verschwanden und an ihrer Stelle bauten sich bunte Helizen von DNA auf.
„Das kann doch nicht möglich sein.“, murmelte er fassungslos. „Das ist ...“
„Irrelevant.“, kommentierte Kate kühl. „Was wir brauchen, sind die Naniten.“


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