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Temporales Inoprovalin

von VGer

Kapitel 11

Tom Paris und B’Elanna Torres tauschten einen zutiefst verwunderten Blick aus – einen von diesen Blicken des stummen Verständnisses zwischen zwei Personen, die sich viel zu lange und zu gut kannten – dann trennten sich ihre Wege. Während B’Elanna und Kate Barclay die Krankenstation aufsuchten, kehrten Tom und Amelia Delta in die Astrometrie zurück, denn wie sie vorher festgestellt hatten waren sie Piloten und konnten im Maschinenraum nicht weiter von Nutzen sein. Doch Navigationsdaten und Kurskorrekturen, damit kannten sie sich aus.

„Amelia ... wegen letzter Nacht?“ Harry Kim berührte wie beiläufig ihren Arm, kaum dass Tom Paris sich für einen kurzen Moment abgewandt hatte.
Maggie zuckte unwillkürlich zusammen. Zu lange war sie daran gewöhnt, jede ihrer Bewegungen und Berührungen zu kontrollieren, es war eine Schutzmaßnahme und die bedenkenlose Offenheit dieses so anderen Harry Kim irritierte sie. Wenigstens hatte er sie Amelia genannt und nicht Maggie, das machte die Absurdität der Gesamtsituation etwas erträglicher.
„Ich muss sichergehen, dass zwischen uns alles in Ordnung ist.“, murmelte er und klang beinahe schuldbewusst dabei.
Maggie musste schmunzeln, denn genau diese Worte hatte sie schon einmal gehört. Ihre Antwort war dieselbe wie damals.
„Mach dich nicht wahnsinnig, bitte.“ Sie machte einen Schritt zurück bevor sie weitersprach, anders als damals, vor drei Jahren mit dem anderen, dem richtigen Harry, als sie einen Schritt auf ihn zu gemacht hatte. „Es war nur Sex. Wenn alles gut geht, sehen wir uns nie wieder wenn das alles hier vorbei ist.“
„Es war nicht nur Sex.“, platzte Harry heraus, lauter als beabsichtigt, dann räusperte er sich verlegen und senkte wieder die Stimme. „Es war ungelogen der beste Sex meines Lebens.“
Maggie lächelte ihn an, doch ihr Blick wurde traurig und in ihrem Inneren braute sich ein unangenehm bitteres Gefühl zusammen. Sie war nicht im Geringsten spirituell veranlagt, also hatte sie sich auch noch nie darüber Gedanken gemacht, ob und wie Körper und Seele einer Person zusammenhingen, doch die letzte Nacht hatte ihr das klar gemacht. Natürlich war es der beste Sex seines Lebens gewesen – sie kannte Harry Kim, jeden Quadratzentimeter seines Körpers, jede sensible Stelle, jede seiner Vorlieben und jede seiner Reaktionen, doch er war ihr ebenso fremd wie sie ihm. Es war eine Paradoxie, die ihresgleichen suchte.
Sie schüttelte sich, weigerte sich weiter daran zu denken, fokussierte die Ziffern und Diagramme auf der Computerkonsole vor ihr. Sich zu konzentrieren und einfach zu arbeiten war einfacher.

Sie hatte die Daten noch im Kopf, die Captain Barclay ihr genannt hatte – die Daten, die ihre Mutter vor sechsundzwanzig Jahren von ihrer Doppelgängerin aus dieser Zeitlinie erfahren hatte. Sie kannte die Fakten und wusste, worauf sie achten musste.
Die Voyager würde genau hier, im Territorium der Resaveure-Konföderation, ihren Slipstream-Flug beginnen und ihn, mehrere Tage und mehrere zehntausend Parsecs später, im antiken Territorium der Hur’q im Gammaquadranten erfolgreich und unbeschadet beenden. Von dort aus würden sie zur Deun’hido-Ausdehnung weiterfliegen und von dort zum Oblata-Cluster und von dort zum Jenkata-Nebel – schließlich war das die Voyager, dachte Maggie amüsiert, und für die Voyager würde es niemals genug sehenswerte Nebel geben. Kurz überlegte sie, ob diese stellaren Phänomene in dieser Zeitlinie bereits von der Föderation entdeckt und kartiert worden waren, und wie der Dominion-Krieg wohl ausgegangen war, denn nur davon hingen die Expeditionen in den Gammaquadranten ab; und dann beschloss sie, sich nicht unnötig den Kopf zu zerbrechen. Anhand der Koordinaten und der astrometrischen Daten hatte ihre Mutter damals die stellaren Phänomene erkannt, Annika Barclay hatte sie später analysiert und extrapoliert, und jetzt lag es an ihr, die Route festzulegen.
Der Weg ist das Ziel, hatte Tom Paris immer gesagt, und sie hatte es nie verstanden, denn sie war nur ein kleines Mädchen gewesen und jedes Mal, wenn er sie auf einen Ausflug auf einen der vielen Berge ihres Heimatplaneten mitgenommen hatte war es ihr wichtiger gewesen, ganz oben anzukommen und ihren Fingerabdruck am Gipfel zu hinterlassen statt zwischendrin inne zu halten und die Aussicht zu genießen. Jetzt erst verstand sie, schließlich war sie Pilotin geworden wie er, also jonglierte sie die Zahlen in ihrem Kopf so lange, bis die Diagramme auf dem Sichtschirm begannen, einen Sinn zu ergeben, und die projizierten Konstellationen immer vertrauter wurden. Über die schier endlosen schwarzen Flecken auf den astrometrischen Sensoren wunderte sie sich dennoch, denn da wo sie herkam war der Gammaquadrant nur eine weitere wohlbekannte Region der Galaxie, wo die Sternenflotte operierte und mit der reger Austausch betrieben wurde; es schien ihr selbstverständlich, über Planeten wie Neofounder, Ennis, Meridian, Rakahr und Karemma ebenso gut Bescheid zu wissen wie über Andoria, K’taris, Romulus, Q’onoS und Bajor. Sie hatte es nie realisiert, doch die Voyager hatte den Alphaquadranten vor so langer Zeit verlassen, im Jahre 2371, ein Jahrzehnt bevor sie geboren wurde, und damals war die Galaxie noch so erschreckend viel kleiner gewesen.
Es war ihre Aufgabe, und ihre Aufgabe allein, die Galaxie größer zu machen indem sie alles näher zusammen brachte. In ihrem Kopf hörte sie wieder die kühle und rationale Stimme von Captain Barclay, die ihr die notwendigen Informationen präzise und detailgetreu auseinandersetzte. Nach der Ankunft im Gammaquadranten würde die Voyager noch fast drei Monate brauchen, bis sie erstmals wieder Kontakt mit der Föderation herstellen konnten, und dann noch einmal drei, bis sie das bajoranische Wurmloch erreichen würden ... und dann war es fast geschafft, doch das würden sie alleine schaffen müssen, dabei würde sie ihnen nicht mehr helfen können.
Ihre schlanken, beinahe weißen Finger tanzten über die Konsolen, der Kurs zeichnete sich immer konkreter im schwarzen Raum ab und ihr photographisches Gedächtnis addierte stumm die Sternensysteme, die der Computer der Voyager noch nicht kannte.
Keine drei Wochen nach der Querung des bajoranischen Wurmlochs würde die Voyager im Solsystem ankommen und im Erdorbit mit Feuerwerken empfangen werden. Feuerwerke, die für die Version der Voyager in ihrer Realität niemals entzündet worden waren.
Die Frage war nur, ob sie jemals in diese Realität zurückkehren würde können, ob die Anomalie, die sie erst hierher gebracht hatte, ein zweites Mal künstlich erzeugt werden könnte, um sie und Kate dorthin zurück zu bringen, wo sie hin gehörten. Dann und erst dann würde alles gut werden.

„Vielen Dank, Lieutenant Paris.“, sagte Amelia Delta lächelnd, als Tom Paris ihr die Funktionsweise eines ihr unbekannten, weil hoffnungslos veralteten, Geräts erklärt hatte. Dann zuckte sie zusammen und fror.
Inzwischen war es ihr mit mehr Selbstbeherrschung als sie üblicherweise aufbringen konnte gelungen, zwischen diesem Tom Paris und ihrem Onkel Tom zu differenzieren. Selbst die förmliche Anrede und das ‚Lieutenant Paris’ ging ihr inzwischen leicht von den Lippen – bis sie urplötzlich eine Querverbindung herstellte, die ihr Unterbewusstsein zuvor erfolgreich verdrängt hatte.
Die Person, die sie üblicherweise ‚Lieutenant Paris’ nannte, hatte mit einem höhnischen Lachen und einer vielfältigen Auswahl klingonischer Beleidigungen geantwortet, als Kate vorgeschlagen hatte, dass sie ihnen auf der Pioneer und bei den Testflügen Gesellschaft leisten sollte. Jetzt, oder jedenfalls zehn Jahre in der anderen Zukunft, war Lieutenant Paris auf der Erde und verbrachte ihren Urlaub damit, in einer abgelegenen Region namens Alaska auf dem amerikanischen Kontinent schneebedeckte Berge zu besteigen und in einer ebenso abgelegenen Region namens Krim auf dem eurasischen Kontinent die verstreuten Überreste ihrer Familie zu besuchen. Ihr frisch angetrauter Ehemann, ein andorianischer Wissenschaftsoffizier, begleitete sie, und als sie sich an der Schleuse der Kirk voneinander verabschiedet hatten, hatte sie mit einem heiteren Augenzwinkern und einem gespielt genervten Knurren deutlich gemacht, dass auch die Zeugung ihres ersten Kindes mit all seinen lustvollen Nebeneffekten ein wesentlicher Programmpunkt ihres Urlaubs sein würde.
Maggie Janeway dankte all den höheren Mächten, an die sie nicht glaubte, inständig dafür, dass Miral Paris ein ausgewogenes Privatleben hatte, denn hätte sie das nicht, wäre sie jetzt hier, mit ihr und Kate und allen Problemen, die das unweigerlich mit sich bringen würde.
Die Berichte über die erfolgreiche Heimkehr der Voyager hatten sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass in dieser anderen Zeitlinie auch eine Miral Paris existierte, schließlich hatte diese keine unwesentliche Rolle bei der Zusammenführung der Realitäten gespielt. Sie hatte Admiral Janeway – der anderen Admiral Janeway, jener, die hier noch Captain Janeway und ganz bestimmt nicht Maggies Mutter war – dabei geholfen, von einem Klingonen namens Korath durch eine perfide Täuschung einen komplexen Schildgenerator und andere notwendige Technologie zu erhalten. Doch viel mehr als das und die Tatsache, dass diese andere Miral Paris ein Fähnrich war, wusste sie nicht, und vermutlich war es auch besser so.
Ebenso, wie es besser war, dass Tom Paris nicht wusste, wer Miral Paris in ihrer Zeitlinie wirklich war. Das zu erklären wäre nicht bloß kompliziert, sondern vernichtend, und nicht zum ersten Mal war sie wirklich froh über die Existenz der Obersten Temporalen Direktive, an deren Sinnhaftigkeit zu zweifeln sie längst aufgehört hatte. Maggie musste unweigerlich lächeln, als sie an ihre Freundin dachte, die seit jeher so etwas ähnliches wie eine große Schwester für sie war. Sie hatten so viel gemeinsam erlebt ...

Vor etwa einem Jahr, an Bord der Kirk, hatten sie ein recht unangenehmes Zusammentreffen mit drei Schlachtkreuzern eines abtrünnigen klingonischen Hauses gehabt, die sich nicht nur unbefugt im Föderationsterritorium aufhielten, sondern auch versucht hatten, den einen oder anderen wehrlosen Kolonieplaneten im Grenzgebiet zu annektieren und von dort aus einen Putsch zu starten. Die Vermittlungsversuche von Captain Kim und der zahlreichen Diplomaten an Bord hatten nicht gefruchtet, und bis zum Eintreffen der klingonischen Autoritäten hatte es viel zu lange gedauert um eine Eskalation zu vermeiden, also hatte man Miral zu Hilfe gerufen. Ihr Blick war ganz düster geworden, als sie sich kommentarlos ihre Schärpe über die Uniform geworfen und den d’k tagh umgeschnallt hatte, und als sie den Konferenzraum betreten hatte, war ihr Auftreten so stolz und wütend gewesen, wie es nur echte Klingonen konnten. Doch der Anführer der klingonischen Abtrünnigen hatte sich nicht davon beeindrucken lassen, hatte ihr einen abschätzigen Blick zugeworfen, auf den Boden gespuckt und etwas gesagt, was der Universalübersetzer als „Was will sie hier, diese ehrlose glattstirnige Verräterin, diese Marionette der föderierten Gutmenschen?“ wiedergegeben hatte. Bis zu dem Moment hatten alle, die sie kannten, geglaubt, dass Miral Paris, obwohl sie den Großteil ihrer Jugend auf Q’onoS verbracht hatte, ein Sternenflottenoffizier wie sie sei, und genetisch zu drei Vierteln Mensch. Meistens war sie das auch, doch sie hatten sich noch nie so getäuscht. Völlig unaufgeregt und ebenso unvermittelt hatte Miral drei Schritte auf den Anführer zu gemacht und ihm mit einer raschen aber gezielten Bewegung die silbrig schimmernde Klinge ihres d’k tagh an die Kehle gehalten, bis ein einzelner Tropfen Blut erschien. Ihre Stimme war bedrohlich laut geworden und der Universalübersetzer gab ihre Worte mit „PtaQ! Überlege dir gut, wie du die puqbe’ des regierenden Hauses, die Tochter des Worf, nennst. Ich kann dir das Herz aus der Brust reißen, doch essen werde ich es nicht, denn es ist vergiftet mit dem Blut eines Feiglings.“ wieder, und als der Anführer tatsächlich zusammenzuckte waren auch seine Getreuen plötzlich kleinlauter, als ehrbare Krieger und Rebellen das sein sollten. Mit einem triumphierenden, beinahe aristokratischen, Blick hatte sie sich dann zu ihrem Captain und dem Sicherheitschef umgewandt und in ihrer Stimme war kein Bisschen des typisch klingonischen Grollens zu hören gewesen, als sie in klarem Standard und mit eindeutig singendem marsianischem Akzent sagte: „Sie können sie jetzt in Gewahrsam nehmen, Commander Nioban. Und seien Sie unbesorgt, sie werden es nicht wagen, Ihnen Ärger zu machen. Falls doch, rufen Sie mich.“

Das war Miral Paris, durch und durch, und wer auch immer die Miral Paris hier war – Maggie war neugierig, sie konnte gar nicht anders – sie war bestimmt nicht diese Frau. Was ein anderes Leben alles ändern konnte!
Maggie wusste, dass Miral sich immer wieder fragte, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn all das was passiert war nicht passiert wäre. Sie hatten oft darüber geredet, vor allem als sie noch jünger waren, doch die immer praktisch denkende Maggie hatte Mirals Suche nach Antworten auf die Frage ihrer Identität immer als sentimentalen Unfug abgetan. Miral war, wer sie war, und Maggie konnte sich keine andere vorstellen. Was passiert war, war passiert, und sie konnten es nicht ändern.

Konnten es nicht ändern.
Was wäre, wenn ...?
Nein!

Sie hatte immer so viel ändern wollen, doch jetzt, da sie es theoretisch konnte, wollte sie nicht, denn das konnte sie nicht verantworten. War es egoistisch? Was auch immer es war, es war die einzige gangbare Möglichkeit. Aus dem Augenwinkel und ganz verstohlen beobachtete Maggie Janeway die Mannschaft der Voyager, mit der sie Seite an Seite arbeitete.
Harry Kim befremdete und amüsierte sie – er war so diszipliniert und erfindungsreich wie sie es gewohnt war, und seine Präsenz verlieh ihr ungeahnte Sicherheit, doch der Harry Kim, den sie kannte, würde es trotz allem niemals wagen, so unverschämt und öffentlich mit ihr zu flirten. Tom Paris jedoch faszinierte sie – und es tat höllisch weh, doch sie konnte einfach nicht wegsehen, denn es war zu schön ihn zu sehen. Seit er ihr das erste Mal gegenübergestanden war, kämpfte sie gegen das tiefsitzende innere Bedürfnis an, loszuheulen und sich in seine Arme zu werfen und ihn nie wieder loszulassen. Doch dieser Tom Paris hier hatte keine kleine Nichte namens Margaret, nie gehabt, denn hier existierte sie nicht einmal. Dieser Tom Paris hier hatte ihr kein Karamellpopcorn gemacht und keine albernen Geschichten erzählt, die sie jedes Mal wieder zum Lachen gebracht hatten, wenn sie traurig war. In dieser Zeitlinie hatte ihre Mutter offenbar immer stur an ihren Prinzipien festgehalten, weswegen sie nie ihre Mutter geworden war, und Chakotay hatte Seven geheiratet, weswegen auch Kate Barclay nie geboren worden war, denn in dieser Zeitlinie hatten ihre Eltern sich nie kennen gelernt ... Ihr Kopf begann unweigerlich zu schmerzen. Was musste das für ein Leben sein, ein Leben ohne sie und ohne alles was sie kannten und liebten?
In der anderen Zeitlinie, im echten Leben, waren sie eine riesige und verrückte Familie, sie nannten sich selbst nicht ohne Stolz die ‚Kinder der Voyager’, auch wenn nur zwei von ihnen – Naomi Wildman und Miral Paris – tatsächlich an Bord der Voyager geboren worden waren. So sehr sie sie auch manchmal verfluchte, sie liebte diese Familie über alles, denn es war ihre und die einzige, die sie hatte. Und sie würde alles tun, um sie zu behalten, genau so, wie sie waren.

„Lieutenant Paris.“, sagte sie mit fester Stimme, nach einem letzten prüfenden Blick auf ihre Konsole. Trotz ihrer abschweifenden Gedanken hatte sie sich nicht ablenken lassen und immer weitergearbeitet, schließlich stand die Mission und nicht ihre Emotion im Vordergrund.
„Fähnrich?“, erkundigte sich Tom, und mit einem großen Schritt waren nicht nur er sondern auch Harry an Amelia Deltas Seite und begannen, abwechselnd auf das Terminal und das raumfüllende, dreidimensionale Display des Labors zu starren.
„Der Weg nach Hause.“, murmelte Harry, plötzlich ganz ergriffen, und am Liebsten hätte er Amelia umarmt.


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