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Temporales Inoprovalin

von VGer

Kapitel 3

Naomi Wildman ging entschlossenen Schrittes voran, die beiden fremden Fähnriche in den seltsamen Uniformen folgten ihr kurz dahinter. Sicherheitshalber hielt sie die Hand knapp über dem Phaser, der in ihrem Hosenbund steckte, und sie bemühte sich redlich, das wie eine nonchalante Geste wirken zu lassen, als würde sie nur die Hand an der Taille abstützen. Schließlich hatte sie von den Besten gelernt – von Tuvok, als er gesundheitlich noch in der Lage dazu gewesen war ihr etwas beizubringen, und dann von seinem Nachfolger Mike Ayala. Als kleines Mädchen hatte sie davon geträumt, die Assistentin des Captains zu sein, und als sie groß genug war um zu begreifen was wirklich auf dem Spiel stand war sie – wenn auch gegen den entschiedenen Widerstand ihrer Mutter – zum Sicherheitspersonal gegangen. Ihre Mannschaft hatte sich dezimiert, sie hatte Freunde aus frühester Kindheit verloren deren Namen sie niemals vergessen würde und deren Gesichter doch allmählich verblassten, doch sie kannte nichts anderes als das Leben auf diesem Schiff und würde alles tun, um es zu beschützen.
Eindringlinge. Nicht zum ersten Mal, und auch nicht zum ersten Mal welche mit menschlichem Aussehen und in Sternenflottenuniform. Sie ließ sich nicht täuschen, anders als fast alle anderen auf dem Schiff konnte sie auch dann neutral bleiben, wenn es um den fernen Alphaquadranten ging, nach dem sie sich noch nie gesehnt hatte.
Sie spürte die Blicke der Eindringlinge in ihrem Nacken, sie hörte ihr atemlos unterdrücktes Tuscheln. Nur für einen Moment siegte die Neugier und sie hörte genauer hin.

„’93, da waren wir wie alt? Dreizehn? Das muss das Jahr gewesen sein, in dem wir am Unabhängigkeitstag das erste Mal am Olympusgipfel waren, erinnerst du dich? Aber was hat Naomi ’93 gemacht? War sie da noch auf der Enterprise, oder schon auf der Tereshkova?“, plapperte die eine.
„Solstice, glaube ich. Die Tereshkova kam später, da waren wir schon auf der Akademie.“, raunte die andere zurück.
„Ach ja, richtig, die Solstice hatte ich ganz vergessen. Wie auch immer, das ist ziemlich verrückt. Naomi, aber nicht unsere Naomi.“
„Ich wünschte sie wäre hier. Sie kennt sich schließlich aus mit Zeitlinien.“
„Als ob das je zu irgendetwas nütze gewesen wäre … und jetzt halt die Klappe, Kate.“
„Oberste Temporale Direktive, ich weiß.“

Naomi Wildman ließ sich nichts anmerken, doch innerlich begann sie sich zu wundern, was hier eigentlich vor sich ging. Der Captain und Lieutenant Ayala hatten sie gebrieft – nur das Nötigste, schließlich war sie nur ein einfacher Sicherheitswächter – und bevor sie sich weitere Gedanken machen konnte hatten sie schon das Astrometrische Labor erreicht. Sie kamen zu einem Halt, bevor die Türen sich öffnen konnten.
„Der Captain wird in Kürze bei Ihnen sein und das weitere Vorgehen erklären. Mr Kim hier wird Sie einweisen und Ihnen bei etwaigen Fragen zur Verfügung stehen.“, informierte Naomi und trat einen Schritt zurück, um den beiden Einlass in den weitläufigen Raum des Astrometrischen Labors zu gewähren.
„Genauso wie im Museum!“, staunte die mit den roten Besätzen an der Uniform, sie legte den Kopf in den Nacken und sah sich mit großen Augen um.
„Weil es das Museum ist, du Pakled!“, konterte die mit den gelben Besätzen an der Uniform und rollte mit den Augen.
Naomi Wildman schüttelte den Kopf, legte die Hand auf ihren Phaser und blieb nahe der Türe stehen, die beiden Frauen nie aus den Augen lassend.
„Sie sind bestimmt Fähnrich Delta und Fähnrich Barclay. Wir sind hier um zu ergründen was passiert ist, der Captain und Mr Paris werden uns bald Gesellschaft leisten, bis dahin werden wir so viel wie möglich über unsere Situation in Erfahrung bringen. Mein Name ist Harry Kim, ich leite die Astrometrie.“
Seine Stimme hallte dumpf von den Wänden des geräumigen Labors wider, als er von hinter seiner Konsole hervortrat um die beiden Neuankömmlinge zu begrüßen.
„Ja, Sir.“, sagte die kleine Dunkelhaarige – Delta, wenn er sich nicht täuschte – heiser.
„Oh, Sie müssen mich doch nicht Sir nennen, wir haben schließlich denselben Rang.“, warf Harry gutmütig ein und streckte ihr eine einladende Hand entgegen. „Ich bin Harry.“
„Amelia.“
Amelia Delta ergriff seine Hand, doch ihr Griff blieb lasch und ihr Blick wich beinahe scheu dem seinen aus. Dass Kate Barclay, knapp hinter ihr, verständnislos den Kopf schüttelte, entging ihm völlig.
„Sie werden vermutlich nicht wissen, was ein Astrometrisches Labor ist, denn diese Technologie wurde hier an Bord der Voyager entwickelt und ist einzigartig.“, setzte Harry an und bemühte sich um eine professionelle Miene, obwohl er den hübschen Fähnrich Delta am Liebsten strahlend angelächelt hätte. „Grundsätzlich ist die Funktion einer regulären Stellarkartographie nicht unähnlich, aber …“
„Schon gut, Sir … Harry. Ich weiß, was die Astrometrie ist.“
Amelia Delta ließ ihre Fingerspitzen ganz zart an den silbrigen Kanten der Konsole entlangstreifen, während sie mit großen Schritten das Labor durchschritt und ihre Umgebung mit wachem Blick genau studierte. Harry beobachtete sie gebannt, irgendetwas an der fremden Frau faszinierte ihn unheimlich.
„Wie können Sie das wissen?“, fragte er verdattert.
„Weil …“, setzte Amelia Delta an, dann legte sie den Kopf schief und verzog die Lippen zu einer entschuldigenden Grimasse. „Das darf ich Ihnen nicht sagen. Oberste Temporale Direktive. Aber darf ich die Spezifikationen sehen, damit ich mich zurechtfinden kann? Die Systeme, mit denen ich vertraut bin, sind vermutlich etwas anders als diese hier.“
„Selbstverständlich.“

Harry deutete auf die Konsole zu seiner Linken und Amelia Delta war mit drei eleganten Schritten an seiner Seite. Er musste schlucken, als ihre Finger wie zufällig an den seinen streiften, und noch mehr, als er den herben Zitrusduft ihrer Haare bemerkte, als sie sich vorbeugte um eine der Kontrollschaltflächen zu erreichen. Dann schimpfte er innerlich mit sich, schließlich wusste er nur zu gut wie es lief, wenn ihm einmal wieder eine schöne Frau begegnete – sie war immer die Falsche, war nach ein paar Tagen spurlos verschwunden oder eine Angehörige einer biologisch inkompatiblen Spezies oder eine intrigante feindliche Saboteurin oder schlichtweg nicht an ihm interessiert. Immer dasselbe.
Er seufzte und konzentrierte sich wieder auf die Anzeigen vor ihm, gab die Daten ein und plottete den Kurs, den ihr Slipstream genommen hatte. Vor ihren Augen baute sich Schicht für Schicht das dreidimensionale Raumgitter auf, mit allen Sternen und Planetensystemen und astronomischen Phänomenen, die ihnen bekannt waren. Harry klickte auf eine Schaltfläche und befahl dem Computer, den berechneten Kurs und die tatsächliche Flugbahn anzuzeigen, und grellbunte, verschlungene Linien erschienen im Raumgitter.
Amelia Delta hob den Blick und machte einen Schritt auf die Projektion zu. Sie stemmte die Hände in die Hüften und legte den Kopf grüblerisch schief während sie mit den Augen den Linien und Mustern folgte und leise Zahlen und Daten vor sich hin murmelte, dann drehte sie sich wieder zu Harry um.

„Ich erkenne keins der Systeme. Wo sind wir?“, wollte sie wissen.
„Man nennt es die Resaveure-Konföderation – keine besonders interessante Region – was den Vorteil hat, dass es friedlich ist.“, informierte Harry. „Dieses Gebiet erstreckt sich bis über die Grenze zum Gammaquadranten.“
„Zum Gammaquadranten?!“ Amelia Deltas Augen verengten sich skeptisch, ihre Verwirrung konnte sie kaum verbergen. „Aber ich dachte …“
„Lange Geschichte.“, seufzte Harry und schüttelte traurig den Kopf, während düstere Erinnerungen an die letzten Jahre unwillkürlich auf ihn einprasselten.
„Ich sollte es wahrscheinlich nicht wissen wollen, nicht wahr?“, fragte Amelia Delta und schenkte Harry einen beinahe tröstlichen Blick.
„Ist wahrscheinlich besser so.“, murmelte Harry, dann straffte er die Schultern und deutete auf die Abweichung ihrer Route. „Also, hier hat der Slipstream begonnen Probleme zu machen, hier hat er versagt und der Kanal ist kollabiert. Wann sind Sie genau an Bord gekommen?“
„80918.18, aber das hilft Ihnen wohl nicht viel weiter.“, seufzte Amelia Delta. „Ich weiß nicht, welche Sternzeit Sie zu dem Zeitpunkt hatten, aber wir sollten es herausfinden, vielleicht gibt es da eine Korrelation oder zumindest einen Anhaltspunkt. Für wichtiger halte ich allerdings die Sensoranalyse der Flugdaten, unsere Taktikerin auf der Pioneer sprach zuletzt von einer Quantenfissur. Wir waren unterwegs, um das zu analysieren, aber dann sind wir hier gelandet ...“

Harry nickte und gab Amelia Delta bereitwillig Zugang zu seiner Konsole. Fasziniert beobachtete er, wie ihre Finger über die Anzeigen tanzten und ihre Augenbrauen sich konzentriert zusammenzogen. Er leitete die Astrometrie jetzt schon seit einigen Jahren, es war immer schon sein Herzensprojekt gewesen und seit Seven nicht mehr lebte war er der einzige der sich noch wirklich damit auskannte. Und doch hatte er schnell bemerkt, dass Amelia Deltas Kenntnisse die seinen bei weitem überstiegen. Er musste sich wundern, wer sie war und woher sie kam.

„Krieg dich gefälligst wieder ein, Maggie.“, mahnte Kate tonlos im ersten Moment, in dem sie sich unbeobachtet wähnten. „Das ist nicht unser Captain, das ist nicht Harry. Ebensowenig wie diese Captain Janeway hier deine Mutter ist.“
„Ich weiß.“, gab Maggie ebenso tonlos zurück. „Er ist so … jung.“
„Wehe, wenn dir das gefällt.“, zischte Kate, als sie Maggies schuldbewussten Blick bemerkte. „Ich warne dich, Margaret Amelia Janeway …“
„Nein.“, beschwichtigte Maggie, doch sie musste grinsen und legte eine Hand auf Kates Schulter. „Um ehrlich zu sein – ich wünschte, unser Captain wäre hier, der wüsste nämlich was zu tun ist und wir zwei wären nicht so verdammt verloren. Ich hoffe, dieser Harry ist nur halb so gut wie er …“
„Hoffen und wünschen bringt uns aber nicht weiter.“
„Ich weiß doch.“

Beide seufzten und wandten sich wieder ihrer Arbeit zu. Man hatte ihnen versichert, dass im Maschinenraum auf Hochtouren am Quantenkern gearbeitet würde, deshalb lag ihre Priorität an der Astrometrischen Navigation und an der Kommunikation. Während Maggie, die sich als ausgebildete Pilotin hervorragend mit Sternenkarten und Navigationsdaten auskannte, gemeinsam mit Harry versuchte sie herauszufinden wo und wieso der Slipstreamkanal kollabiert war, machte Kate sich an ihren Kommunikatoren zu schaffen. Irgendwie mussten sie ihr eigenes Schiff, ihre eigene Zeit, erreichen können. Beruhigend war nur das Wissen, dass dort wo sie herkamen die Besten der Besten wohl ebenso fieberhaft an einem Weg zu kommunizieren und sich wiederzufinden arbeiten würden … und selbst wenn sie es nicht schaffen würden, Captain Barclay, Icheb und Nelly würden es schaffen, dessen war sie sich sicher.
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