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Kinderspiel

von VGer

Prolog: Aufnahmeprüfung

Drei Monate zuvor.
Es war Übermut, der den Lauf des Universums veränderte, und Langeweile war der beste Nährboden für Übermut. Wenn ihnen langweilig war, und das kam oft vor, dann stahlen sie Shuttles und flogen der Langeweile einfach davon.

Mit nicht einmal fünftausend Einwohnern war Deep Space Four eine der kleinsten Raumstationen im Föderationsterritorium. Ihre Lage kurz vor der Romulanischen Neutralen Zone, in unmittelbarer Nachbarschaft der Typhon-Ausdehnung – eines stellaren Phänomens, das nur Wissenschaftler und ein paar unheilbar romantisch veranlagte Sternengucker interessant fanden – kam ihre Lage der Definition von „Irgendwo im Nirgendwo“ ziemlich nahe; und wenn man auf der Panoramaplattform stand und die Augen fest zusammenkniff, dann konnte man bis zur imaginären Linie der Föderationsgrenze sehen, und zwar in jeder Richtung. Im Umkreis eines Parsecs lag nur ein einsames Sonnensystem, das um einen trüben roten Zwergstern kreiste, anderthalb Planeten davon waren bewohnt und der Rest ebenso unwirtlich wie diese Region des Weltraums es allgemein war. Besucher fanden das alles erstaunlich und exotisch, doch Besucher blieben meist nur wenige Tage, für sie war die kleine Promenade mit den drei Lokalen (eins davon ein romulanisches Restaurant, das andere eine vanathische Spielhölle, das dritte ein Replimat, der sich als Offizierscasino tarnte, und keins davon war wirklich gut besucht), der Panoramaplattform mit spektakulärem Blick auf die Typhon-Ausdehnung, und dem traditionellen vanathischen Tempel mit seinen Glockenspielen Sehenswürdigkeit genug. Doch wenn man hier lebte und alles schon gesehen hatte, waren Sehenswürdigkeiten längst nicht genug, dann konnte man sich nur mehr auf die Panoramaplattform stellen und dem Schiffsverkehr zusehen (wenn es denn gerade Schiffsverkehr gab, manchmal blieb das umgebende All tage- oder gar wochenlang schwarz, abgesehen von dem täglichen Pendlershuttle von und nach Vanados, aber das galt nicht wirklich als Raumschiff), die bestaunen, die kamen und die beneiden, die wieder ablegten.

Kurz und gut, Deep Space Four war nur aus politischer Räson interessant, doch wenn man nur fünfzehn Standardjahre alt war, war nichts im Universum so dermaßen uninteressant wie politische Räson.

Stehlen ... nein, stehlen war ein viel zu harsches Wort, sie borgten sie aus, die Shuttles, mit denen sie der quälenden Langeweile davonfliegen wollten. Der Chief war ein junger Bursch von kaum fünfundzwanzig Standardjahren, der sich nach einer Strafversetzung widerstrebend hier draußen wiedergefunden hatte, und er drückte gerne ein Auge oder gleich zwei zu, wenn man ihm das höchstheiligste und allergeheimste Versprechen gab, auch wirklich ganz gut aufzupassen und gar nichts kaputt zu machen, und ein unschuldig verstohlenes Küsschen auf die Wange außerdem. Letzteres funktionierte natürlich nur, wenn man türkis und entzückend war und außerdem die Tochter des Captains.

„Haltet euch fest, ich hab’s!“, rief Laya begeistert aus, und für einen kurzen Moment hörten ihre Finger auf, über die Konsolen zu tanzen.
Die Startsequenz piepste und blinkte, die Tore der Hangarbucht glitten stumm vor ihren Augen auf, und obwohl sie es schon so oft getan hatten, konnten sie es kaum fassen und mussten tumb starren. Dann jauchzten sie alle und ließen die Motoren heulen. Sie wussten schon lang, was sie tun mussten, um das Shuttle unbemerkt durch das Sensorengitter der Station schlüpfen zu lassen, das war so simpel wie eine Integralrechnung, wenn man es einmal kapiert hatte. Die Silhouette von Deep Space Four schrumpfte auf dem Monitor zusammen und verschwand allmählich aus ihrem Sichtfeld.
Sie sollten nichts kaputt machen, hatte der Chief sie wie immer zwinkernd ermahnt bevor sie aufgebrochen waren, doch hier draußen gab es auch nicht viel kaputtzumachen, diagnostizierte Laya mit der schier unendlichen Weisheit ihres jugendlichen Übermuts. Vom vanathischen System und ein paar verirrten Asteroiden einmal abgesehen gab es genau gar nichts im Umkreis von ein paar Parsecs zu viel – außer natürlich, man flog in die Typhon-Ausdehnung oder in die Neutrale Zone ein, doch auch wenn sie wahnsinnig waren, so wahnsinnig waren sie dann auch wieder nicht.
„Na komm schon, Teddy, oder bist du ein petaQ?“, grinste sie frech. „Geh auf Warp!“
„Aye, Ma’am!“, konterte Teddy, mindestens ebenso frech, und er machte ein dramatisch zischendes Geräusch während er die Finger auf der Steuertafel zum Beschleunigen nach vorn schob.
„Wohin?“, fragte Laya, als sich das vertraute Silberstreifenmuster der Sterne vor ihren Augen aufbaute.
„Frag nicht so blöd, sag schon. Du hast doch gerade noch einen auf Captain gemacht.“, frotzelte Teddy. Er nahm die Hand nur von der Konsole, um Laya in die Antenne zu zwicken, und sie quietschte empört auf.
„Deep Space Five!“, rief Laya, aber erst nachdem sie zurückgeboxt hatte, zielsicher in Teddys Flanke, gleich unterhalb des Rippenbogens, wo es am Meisten wehtat (schließlich hatten sie im letzten Trimester Xenobiologie in der Schule gelernt, und damit auch die Anatomie des Menschen – und im Gegensatz zu Teddy hatte sie tatsächlich aufgepasst. Ha!)
Während Teddy sich noch schmerzverzerrt wie ein Xant im Wasser wand und wimmerte, drehte Laya sich um und warf den beiden anderen Personen an Bord, die bisher nur stumme Passagiere gewesen waren, einen herausfordernden Blick aus violetten Augen zu.
„Deep Space Five!“, rief sie noch einmal.
„Warum?“, fragte Jack, der immer viel zu vernünftig war. „Hast du mal einen Blick auf den Navigationscomputer geworfen, du Pakled? Das ist viel zu weit weg, bis wir dort sind haben uns die Eltern die halbe Flotte für eine Such- und Rettungsmission hinterhergejagt! Und vor allem, was sollen wir tun, wenn wir erst mal dort sind?“
„‚Raumkontrolle Deep Space Five, hier Runabout Typhon V, beantragen Andockerlaubnis ...’“ Mel schaffte es für ein paar Sekunden, eine tiefe und seriöse Kommandantenstimme zu imitieren, bis sie von einer Lachsalve geschüttelt wurde. „‚Legitimation und Flugplan ... also wirklich, DS5 Kontrolle, jetzt haben Sie sich gefälligst mal nicht so, das wird völlig überbewertet!’“
„Im Ernst jetzt, Laya?“ Jack versuchte für ein paar Augenblicke noch, streng zu klingen, doch dann ließ er sich von Mels Gelächter mitreißen. „Wobei ...“, kicherte er dann. „Du hast immer noch deinen Namen, auf den du dich berufen kannst. Du könntest dich für Captain Weycori ausgeben – und dass du ein Andorianer mittleren Alters bist, das nimmt dir sicher jeder auf Anhieb ab!“

Telayas Antennen sackten mit leichtem Zittern in sich zusammen, und sie wandte sich wieder dem Navigationscomputer zu, bevor der Jähzorn sie überwältigen konnte. Sie kämpfte entschieden dagegen an, schließlich waren sie irgendwo mitten im Nirgendwo des Weltraums und man hatte ihr gesagt, sie solle nichts kaputt machen ... nicht einmal Jack, nicht einmal ein bisschen, nicht einmal wenn er es so offensichtlich verdient hatte wie gerade eben. Nicht, dass sie je darauf hörte, was man ihr sagte, aber sie war vernünftig genug um sich selbst durch den bläulichen Schleier der unbändigen Wut einzugestehen, dass das eine schlechte Idee war, Jack und seine unermessliche Blödheit ausgerechnet jetzt niedermetzeln zu wollen.
Teddy war es, der schließlich und endlich verstand. Obwohl er eigentlich ziemlich begriffsstutzig war, verstand Teddy immer, jedenfalls besser als alle anderen, und obwohl sie ihn meistens lieber erschlagen würde, liebte sie ihn dafür ... nur ein bisschen.

„Deep Space Five!“, rief Teddy. „Die Außenstelle der Akademie!“
„Genau das! Sag ich doch schon die ganze Zeit, ghuy’cha!“, jubelte Laya.
„Um was zu tun?“, fragte Jack.
Laya und Teddy wirbelten synchron und so schnell herum, dass die Scharniere an ihren Stühlen quietschten. Sie besahen Jack mit einem entgeisterten Blick, denn sie konnten gerade nicht feststellen, ob er einfach nur naiv oder ernsthaft geistig zurückgeblieben oder beides war. Vermutlich beides ... auch der Gedanke kam synchron, und sie mussten ihn nicht einmal laut aussprechen.
„Die Aufnahmeprüfung!“, sagten sie mit einer Stimme.
„Was für eine blöde Frage!“, sekundierte Melis, kichernd. „Lebst du hinter der Typhon-Ausdehnung, oder was?“

Sternenflottenoffiziere! Was hätten sie anderes tun können als davon zu träumen, Sternenflottenoffiziere zu werden, wenn sie einmal groß waren? Schließlich waren sie umgeben von der Sternenflotte und ihren Heldensagen aufgewachsen, hatten seit sie groß genug waren den ablegenden Raumschiffen fasziniert hinterhergeglotzt und danach noch tagelang über die Abenteuer, die ihre Besatzungen weit weg von hier erleben würden, phantasiert ... (Auf die Idee, dass man als Sternenflottenoffizier auch auf eine sterbenslangweilige Tiefenraumstation wie die DS4 versetzt werden konnte, und das schlimmstenfalls für immer, war keiner von ihnen gekommen, in dem Fall hätten sie vielleicht noch einmal darüber nachgedacht ... aber sie waren fünfzehn, und nachzudenken lag ihnen nicht.)

„Die Akademie nimmt keine Pakleds wie euch auf!“, wandte Jack ein.
„Natürlich nimmt die Akademie Pakleds auf!“, protestierte Mel sofort. „Kled ist kein Föderationsplanet, aber wenn ein Pakled die Aufnahmeprüfung besteht und ein valides Empfehlungsschreiben eines Sternenflottenoffiziers bringt, dann darf er oder sie auch die Akademie besuchen.“
„Ich meinte doch nicht Pakleds wie die Spezies.“, wehrte sich Jack. „Ich meinte Pakleds wie komplette Vollidioten ohne einen Funken Verstand im Kopf, so wie die zwei da!“
Mit einer unbestimmten Geste deutete er auf Laya und Teddy, die immer noch in ihren schicken, gepolsterten Drehstühlen ganz vorn im Shuttle saßen und eigentlich den Kurs und die Instrumente überwachen sollten. Er rollte mit den Augen und führte seinen ursprünglichen Gedanken weiter, noch bevor Mel ihm einen aufgeregten Vortrag halten konnte, dass es nicht nur nicht nett sondern sogar diskriminierend sei, andere Spezies nur auf Grund ihres ... wie auch immer, es war ihm schon klar, dass Mel eigentlich ganz indigniert ‚Pakled sagt man nicht!’ sagen hätte wollen ... er rollte noch einmal mit den Augen, er hatte es einmal zu oft gehört und trotzdem nichts daraus gelernt, und gerade eben tangierte es ihn auch nur periphär.
„Meine Güte ... Man kann doch nicht einfach an jedem beliebigen Tag in die Akademie hineinspazieren und sich bewerben, was glaubt ihr denn?“ Jack lachte höhnisch auf.
„Da gibt’s Termine und Formulare und lauter so Sachen, das ist gar nicht so einfach, das ist sogar ziemlich kompliziert.“, sekundierte Mel, und der Keim der vorhergehenden Auseinandersetzung starb ab. „Die Aufnahmeprüfungen finden nur alle drei Monate statt, im ganzen Föderationsterritorium zur selben Zeit, und davor muss man den gesamten Anmeldungsprozess durchlaufen, für den Fall dass man besteht ...“
„Wir haben ja Glück, dass wir hier draußen im Tiefenraum sind. Eigentlich herrscht ja Chancengleichheit im gesamten Territorium, auf jedem Akademiestandort sind die Prüfungsaufgaben gleich und die Perzentilen des Auswertungsalgorhythmus auch, aber ...“ Jack senkte die Stimme, räusperte sich kurz, und führte seine verschwörerische Erklärung dann raunend weiter. „Aber ich habe gehört, dass man bessere Chancen hat, wenn man sich auf einer abgelegenen Station bewirbt. Ich habe sogar gehört, dass regelmäßig Bewerber von den zentralen Planeten auf Stationen im Tiefenraum gehen, wenn sie die Aufnahmeprüfung beim ersten Mal versaut haben, weil es hier angeblich leichter sein soll ...“

Laya und Teddy starrten erst sich gegenseitig an und dann Jack und Mel. Sternenflottenoffizier zu werden, Raumschiffcaptain zu werden, das war in erster Linie ihrer beider Traum, immer schon gewesen, nicht Jacks und schon gar nicht Mels, denn das war ganz und gar unmöglich. Und dennoch schienen die beiden schon wesentlich mehr Gedanken daran verschwendet zu haben als sie. Für einen Moment wussten sie nicht, ob sie lieber beleidigt oder dankbar sein sollten. Sie entschieden sich für letzteres, in beängstigender Übereinstimmung, die sie nicht abgesprochen hatten, und sie mussten auch nicht darüber sprechen, denn nichts war je klarer gewesen.

„Wollen wir’s trotzdem versuchen?“, fragte Laya schließlich, wie immer die Rädelsführerin in ihrer kleinen, eingeschworenen Gruppe. „Nicht heute, aber ... naja, beim nächsten Termin eben, wann auch immer man die Aufnahmeprüfung ablegen kann.“
„Klar!“, rief Teddy enthusiastisch. „Ich bin dabei.“
„Na gut.“, stimmte Jack zu, wesentlich weniger enthusiastisch.
„Ich auch.“, fügte Mel hinzu.

Laya war es, die ein jubelndes Geheul einstimmte, doch nach einem Moment waren sie alle schlagartig still, als die Bedeutung von zwei Worten, die gesagt worden waren und beinahe überhört worden wären, endgültig durch die anderweitig beschäftigten Bereiche ihres Gehirns gesickert war und ihren rationalen Verstand erreicht hatte. Drei Augenpaare richteten sich, weit aufgerissen, auf eine Person, doch die zuckte nur mit den Schultern und zupfte unbeirrt ihren langen, glänzendschwarzen Zopf zurecht.

„Du auch, Mel?“, stammelte Laya, als sie die Sprachlosigkeit endlich überwunden hatte, doch sie war noch nicht in der Lage, einen kohärenten Gedanken in Worte zu fassen.
„Ja, warum auch nicht?“ Mel zuckte noch einmal mit den Schultern.
„Ist das dein Ernst?“, rief Jack aus, fassungslos kopfschüttelnd.
„Du ... du kannst das nicht machen, Mel!“ Teddy spuckte und stotterte, und dann begann er, mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand wild vor Mels Gesicht herumzufuchteln. „Du hast ... du hast ... du hast Ohren!“
„Du hast auch Ohren, Dummkopf, auch wenn du sie meist nicht zum Hören benutzt!“ Mel lachte auf, versuchte vergeblich ihre plötzlich aufkeimende und so untypische Unsicherheit mit Humor zu überspielen. „Alle haben Ohren, jedenfalls habe ich noch niemanden getroffen, der keine hatte. Die von manchen sind sogar so spitz wie meine.“
„Du bist Romulanerin, Mel.“, sagte Jack, wieder von einem Augenrollen begleitet. „Das meinten wir.“
„Danke, dass du mich daran erinnerst, Jack.“, zischte Mel, und ihre Stimme nahm eine leise und angsteinflößend zynische Tonlage an. „Für einen Moment hätte ich das fast vergessen. Es ist ja nicht so, als würde ich siebenmal täglich daran erinnert, sobald ich mein Quartier verlasse, oder so.“

Das Schweigen in der Kabine nahm ihnen beinahe die Luft zum Atmen, und wäre Teddy nicht trotz allem so geistesgegenwärtig gewesen den Autopiloten zu aktivieren und sie in eine andere Richtung, in den freien Raum, zu navigieren, wären sie schon längst in einen verstreuten Haufen Raumfahrtmüll, der hier draußen wo es keinen scherte gerne achtlos entsorgt wurde, gekracht.

„Na und wenn schon.“, sagte Laya schließlich, mit entschlossener Solidarität packte sie Mels Schulter und hielt sie fest. „Mein vavnI’ war der erste Klingone in der Sternenflotte, wusstest du das? Und du bist meine beste Freundin, also was auch immer du vor hast, ich bin auf deiner Seite. Wir kriegen das schon hin, wenn du das wirklich willst.“
„Du bist Romulanerin, Mel!“, wiederholte Jack, immer noch ungläubig.
„Wir wissen es!“, fauchte Laya. „Na und wenn schon.“
„Warum?“ Jack ließ nicht locker, und er ließ sich auch nicht von Layas aufwallender Aggression beeindrucken, dafür kannte er sie viel zu lang und viel zu gut.
„Warum nicht?“, konterte Mel und warf mit einer energischen Kopfbewegung ihren Zopf zurück über ihre Schulter. „Habt ihr euch je gefragt, warum?“
„Klar.“ Teddy zuckte nonchalant mit den Schultern, doch Mel unterbrach ihn, bevor er noch zu einer Erklärung ansetzen konnte.
„Schon klar. Die Familienehre und die berühmte Großmutter und alles was dazu gehört, ich kenne die Geschichte inzwischen.“, kommentierte sie spitz, und tatsächlich hatte sie das einmal zu oft gehört. „Für dich ist das alles kein Privileg, sondern eine Selbstverständlichkeit!“
„Mel?“ Jack war der verzweifelte Unterton in ihrem schnippischen Kommentar nicht entgangen.
„Ales in Ordnung?“, fiel Laya sofort, und nicht minder besorgt, ein.
„Nein, nichts ist in Ordnung!“ Mel schrie enerviert auf, sprang von ihrem Sitzplatz auf, denn sie konnte einfach nicht mehr anders. „Ich bin Romulanerin wie ihr mir in den vergangenen sieben Minuten mindestens siebzehn Mal hinter meine verdammten spitzen Ohren gerieben habt! Aber wisst ihr was, ich bin es nicht. Ich bin es einfach nicht. Mein Vater, ja klar, aber nicht ich.“
„Mel?“, fragte Laya, denn sie wusste nicht mehr, was sie sonst sagen sollte.
„Ich bin es nicht. Ihr wisst, wo ich geboren bin: in San Francisco, in der Hauptstadt auf dem Zentralplaneten der verdammten Föderation. Ihr wisst auch, wo ich bin, seit ich alt genug bin um schreiben und lesen und rechnen und denken zu können: auf DS4, einer Raumstation der verdammten Föderation. Verdammte Scheiß-Grenze, verdammte Scheiß-Politik! Ich kenne nichts anderes als die verdammte Föderation, versteht ihr das?“

Mel schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und plumpste zurück in ihren Stuhl, doch es war mehr ein Zusammenbruch. Laya sprang auf, um ihre Freundin zu umarmen und zu trösten.

„Dreimal.“, schluchzte Mel. „Ich war nur dreimal im Imperium, keine fünf Wochen insgesamt. Ich war fünfzehn Jahre hier in der Föderation, und trotzdem sehen mich die Leute an und sagen: du bist Romulanerin.“
„Leute sind blöd.“, sagte Laya mit Bestimmtheit. „Ich war nur ein einziges Mal auf Andoria, die Familie meines Vaters sagt ‚Bastard’ zu mir und nennt nicht einmal meinen Namen, was für Andorianer die größte Beleidigung überhaupt ist ... und die Leute hier sehen trotzdem nur meine Hautfarbe und wundern sich über meine komische Haarfarbe.“
„Laya, ich hab dich sehr lieb, aber ...“ Mel schniefte und richtete sich auf, um ihrer Freundin direkt in die Augen zu sehen. „Das ist traurig, aber es hält dich nicht davon ab zu tun was du tun willst, oder? Du bist immer noch eine vollwertige Bürgerin der Föderation und ...“
Laya hatte sich ein Argument zurechtgelegt, doch es versiegte auf ihren beschämt dunkelblauen Lippen. Mel hatte recht, und eigentlich ging es auch gar nicht darum, wer schlimmer dran war.
„Es ist nicht falsch, Sternenflottenoffizier werden zu wollen.“, sagte sie also, schlicht und einfach, und besann sich auf das Wesentliche. „Du bist keine Föderationsbürgerin, also brauchst du für die Bewerbung an der Akademie ein Empfehlungsschreiben eines Sternenflottenoffiziers. Mein Vater ist ein Captain, er kennt dich und er mag dich, schon seit du so klein bist ...“ Laya machte eine Handbewegung, die keinen halben Meter überhalb des tristen, beigen Bodens, ungefähr auf der Höhe der Armlehnen ihrer Stühle, endete. „Du musst ihn nur fragen, er macht das sicher für dich. Und wenn nicht, kann ich noch immer große lila Augen aufsetzen und jaulen, dann sagt er sicher ja. Er ist mein Vater, er kann nicht einfach nein sagen.“
Aus dem Augenwinkel warf Laya einen warnenden Blick in Teddy und Jacks ungefähre Richtung, doch die waren beide immer noch zu perplex um zu sprechen.
„Danke.“, flüsterte Mel, und dann sagte sehr lange niemand mehr etwas, obwohl oder gerade weil aller Augen auf Mel gerichtet blieben.

Die Jugend zu unterschätzen war ein Fehler, der im gesamten Universum regelmäßig passierte. Sie alle waren in behüteten Verhältnissen aufgewachsen und hatten noch keine Ahnung vom Leben, hatten noch nicht einmal eine Ahnung davon wie das Leben, das sie sich vorstellten, zukünftig aussehen sollten, doch das war nicht länger relevant. Just in dem Moment hatten sie alle etwas mehr Einsicht gewonnen in das obskure und manchmal grausam ungerechte System, das sich Universum nannte. Sie sprachen nicht darüber, und das war auch besser so, doch sie dachten nach, und mit jeder Minute, die verging, und jedem Gedanken, der gedacht wurde, brach die Realität gnadenloser über sie herein. Doch sie waren noch jung genug, um der Realität einfach ins Gesicht lachen zu können.

„Annäherungsalarm!“, kreischte die Computerstimme, völlig emotionslos doch begleitet von einem eindringlichen Piepsen. Es war genug, um sie alle gleichzeitig aus ihrer gedankenversunkenen Benommenheit zu holen.
„Quelle?“, schrie Laya sofort.
„Romulanische Neutrale Zone ein Lichtjahr voraus.“, informierte das System.
„Abdrehen!“, befahl Teddy, panisch, denn er hatte nicht einmal realisiert wie weit sie schon geflogen waren, er hatte ihn zwar eingeschaltet, aber er musste dennoch fluchen: verdammter Autopilot! Und dann noch einmal: „Abdrehen!“
„Spezifikation erforderlich.“, schnarrte die Computerstimme, und dann noch so einiges, das so klang als müsste man fortgeschrittene technische Fähigkeiten haben, um es bewerkstelligen oder überhaupt verstehen zu können. Doch die hatten sie nicht, sie borgten sich nur Shuttles aus und flogen ziellos damit durch die Gegend, um der Langeweile auf der Station zu entgehen. Sie hatten gelernt zu fliegen, kaum dass sie Nummern lesen konnten und groß genug gewesen waren um die Paneele an den Konsolen zu erreichen, und Captain Weycori selbst war ganz stolz darauf gewesen, dass er persönlich ihnen das alles beigebracht hatte, doch das waren bestenfalls die Grundlagen gewesen und nicht das, worauf es wirklich ankam.
Teddy saß da wie festgefroren und starrte auf den grell blinkenden Alarm auf seiner Konsole, bis Laya ihn energisch beiseite schubste.
„Abdrehen!“, befahl sie dem Computer mit klarer und völlig ruhiger Stimme. „Steuerung manuell überbrücken!“

Unter Layas Fingerspitzen, die mehr intuitiv als fachmännisch über die Konsole sprangen, wendete das Shuttle und drehte sich weg von der imaginären Barriere, die das Hier von dem Dort trennte. Als das bewerkstelligt war, nach langen Augenblicken des Bangens, schaltete sie abrupt den Antrieb aus und ließ das Shuttle taumelnd ins Nichts stürzen. Es war das Fehlen an Schwerkraft, das sie daran erinnern sollte, dass sie lebten.

Sie schrien auf, und sie schrien lang, allesamt, bis ihnen die Köpfe rauschten.
Langeweile schien plötzlich sehr verlockend.
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