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Kinderspiel

von VGer

Trautes Heim

DEEP SPACE FOUR
IM QUARTIER DER FAMILIE PARIS-WEYCORI




Erst vor ein paar Tagen war Captain Keval Weycori, der Kommandant des tapferen Nova-Klasse-Raumschiffs Calliope, von einer einjährigen Tiefenraumforschungsmission nach Hause zurückgekehrt. Sich zu akklimatisieren fiel ihm wie jedes Mal schwer; im Vergleich zu dem Mikrokosmos seines Schiffs mit einer Besatzungsstärke von 65 Personen kam ihm sogar Deep Space Four riesig, chaotisch und vor allen Dingen laut vor, und außerdem hatte die lange Zeit seiner Abwesenheit so viel verändert.

Kev blieb im Türrahmen stehen, betrachtete die Szene, die so banal und alltäglich war, dass er ganz vergessen hatte, wie sehr er es vermisst hatte. Jack hockte am großen Esstisch, ein ganzer Stapel PADDs neben ihm aufgetürmt, war er über seinen Computer gebeugt und ganz offensichtlich mit Schularbeiten beschäftigt. Er saß mit dem Rücken zu ihm, aber Kev kannte seinen hochkonzentrierten und seit jeher erschreckend erwachsenen Gesichtsausdruck nur zu gut. Laya lag rücklings auf der Couch, die kurzen Beine über die Lehne baumelnd, in den Händen hielt sie einen kleinen Holokubus, den sie mit gebanntem Blick betrachtete. Teddy saß neben ihr, ihr Kopf lag beinahe schon in seinem Schoß. In der linken Hand hielt er ein halb gegessenes Sandwich, die rechte spielte völlig geistesabwesend mit Layas Antenne, und auch er war auf das Geschehen im Holokubus fixiert.
Kinder wollten niemals zu hören bekommen, wie groß sie denn geworden seien, Kinder fanden sentimental-nostalgisches Seufzen ihrer Eltern unheimlich peinlich, und das galt natürlich auch für seine Kinder, denn sie waren Kinder. Aber sie waren wirklich groß geworden … Kev seufzte einmal wieder, sentimental und nostalgisch. Hätte er jeden Tag des vergangenen Jahres miterlebt, wäre es ihm vermutlich nicht einmal aufgefallen, denn es waren keine Meilensteine sondern Details nur, doch mit etwas Abstand waren die Veränderungen offensichtlich und schienen riesig und weitreichend zu sein wie die Eishöhlen seiner Heimatwelt. Je jünger man war, desto schneller verging die Zeit.
Kev räusperte sich, und machte doch keinen Schritt ins Wohnzimmer hinein, fast so als sei er nur ein Besucher, der auf eine Einladung warte, ein Fremder in seinem eigenen Leben. Den Kindern schien das nicht einmal aufzufallen, zu sehr hatten sie sich inzwischen an seine Abwesenheit gewöhnt – obwohl sie geweint hatten, alle drei (sogar Teddy, der immer viel härter sein wollte als die anderen), als er abgelegt hatte und als er zurückgekehrt war.
Doch das war vor fünf Tagen gewesen, und das war eine schiere Ewigkeit in der Gedankenwelt eines Teenagers. Sie sahen gelangweilt auf, alle drei, bedachten ihn nur mit einem knappen Nicken – nicht, dass er mit freudestrahlenden Umarmungen gerechnet hatte.

„Wo’s die SoS?“, fragte Teddy mit vollem Mund. „Bin hungrig.“
„Du denkst ans Abendessen während du eine Jause isst? Du bist ein Targ!“, frotzelte Laya. Es war ihr absolut unbegreiflich, wie viel menschliche Jugendliche essen konnten.
Statt zu antworten, zwickte er sie so fest in die Antenne, dass sie empört quietschte, und dann boxte sie zurück.
„Sie kommt später.“, sagte Kev so neutral wie möglich.
Hätten die Kinder nicht durch seine lange Abwesenheit fast vergessen wie seine Stimme klang, hätten sie den bedrohlich werdenden Tonfall bemerkt, doch die Nuancen und das Zusammenspiel mit der Mimik seiner Antennen waren ihnen inzwischen fremd geworden.
„Wie spät ist später?“, raunzte Teddy sofort, denn er wusste zu gut wie es lief.
Als diplomatischer Attaché der Föderation auf Deep Space Four war die SoS eine äußerst vielbeschäftigte Frau und ihr Arbeitsalltag war kaum planbar. An jedem beliebigen Tag konnte aus einer routinemäßigen Besprechung und ein bisschen Schreibkram eine große Krise oder zumindest (meist eher) ewig zähe bürokratische Abläufe werden, die sie bis mitten in der Nacht aufhielten, und bis dahin würden sie verhungern. Normalerweise war das kein großes Problem, aber jetzt wo der Vater zum ersten Mal seit langer Zeit wieder zuhause war, bestand sie aus irrationalen Gründen darauf, die gesamte Familie beim Abendessen um den Tisch versammelt zu sehen.
„Ein Mensch kann drei Wochen ohne feste Nahrung überleben, Teddy!“, rief Jack sarkastisch aus, bevor er sich wieder dem Computer widmete.
„Überleben vielleicht. Leben keinesfalls!“, protestierte Teddy.
„BiHnuch!“, rief Laya, und riss ihm mit einer zielsicheren Geste das Sandwich aus der Hand, und sie biss herzhaft hinein. „Und wenn sie noch die ganze Nacht mit gequirlter romulanischer Scheiße beschäftigt ist, wirst du tu'HomIraH ptaQ trotzdem nicht sterben! Du hattest schon drei thuthee-Sandwiches zwischen kurz nach Schule und jetzt!“, konstatierte sie, triumphierend mampfend.
„Zweieinhalb, Ha'DI bah!“, schrie Teddy, doch seine Versuche der Wiedereroberung der Jause blieben vergeblich.

Kev betrachtete die Szene, hätte dabei beinahe einen Schritt zurück gemacht. Familienidylle sah anders aus … Familienidylle, wie er sie sich vorstellte, beinhaltete keine klingonischen Schimpfwörter, bei denen jeder klingonische Krieger missbilligend knurren würde, keine ausgerenkten Antennen und keine blau geschlagenen Nasen, und ganz bestimmt keine gequirlte romulanische Scheiße, wie Laya so treffend formuliert hatte … doch das war kein Holoroman, das war sein Leben, und auch wenn es nicht idyllisch war, konnte er sich kein anderes Familienleben vorstellen. Er hätte es gerne noch länger genossen, das traute Heim.
Er wendete das PADD in seinen kleinen, türkisen Händen hin und wieder zurück, dann trat er einen Schritt vor, in Richtung des Familienlebens, das gleich noch ein Stück weniger idyllisch werden würde. Gequirlte romulanische Scheiße.

„Cheela.“, sagte er nur, ein Wort auf andorii, das viele Bedeutungen hatte und meist eine unbestimmte Gruppe von mehreren Personen bezeichnete. Er blieb vage, doch seine Stimme war schärfer als sonst.
„Thavan?“
Teddy war der erste, der ihn direkt ansah, er wirkte schlagartig verunsichert und das Sandwich schien vergessen zu sein, ebenso wie das Abendessen.
Kev beschloss, die Respektlosigkeit in der Anrede mit einem kühlen Lächeln und einem amüsierten Zucken der Antennen schlichtweg zu überhören. Als er noch ein Bub war hätte sein eigener Vater ihn dafür kasteit, doch eins war sicher, sie waren vieles, aber keine traditionell andorianische Familie.
„vii’Thavan?“
Laya fügte zum andorianischen Wort für Vater noch das Possesivpronomen mein Vater als Respektsbekundung hinzu; dann zwirbelte sie ihren kleinen, gedrungenen Körper mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit aus der gemütlich mümmelnden, halb-liegenden Position auf Teddys Schoß hoch. Sie hatte andorianische Gene und damit ein außergewöhnlich gutes Gehör, sie konnte die Nuancen hören, wenn sie wollte.
Jack klappte seinen Computer zu und drehte sich ebenfalls um, doch er sagte nichts, allerdings nicht ohne Laya und Teddy einen warnenden Blick zuzuwerfen.
„Kommt.“
Kev neigte die Antennen zur Seite, eine Hand auf der glänzenden Platte des Esstischs abstützend, und seine Miene war völlig neutral und undurchschaubar, doch sein Tonfall ¬-war eindeutig. Es war keine Einladung, es war ein Befehl.
Jack straffte die Schultern und schob die PADDs und seinen persönlichen Computer beiseite. Teddy und Laya kraxelten taumelnd von der Couch auf und stolperten eilig herbei.
„Ich habe heute eine Nachricht aus San Francisco erhalten.“, sagte Kev mit klirrend kalter Stimme, während er das PADD auf den Tisch legte.
„Neue Befehle, vii’Thavan?“, fragte Jack unschuldig. „Was bedeutet das?“

Kevs wachsamen violetten Augen entging nicht, dass Teddy Laya nur scheinbar unmerklich mit dem Ellenbogen in die Seite stieß und ihre Antennen zuckten. Er war selbst mit fünf Schwestern und drei Brüdern aufgewachsen, wenn jemand wusste, wie geheime Verschwörungen unter Geschwistern abliefen, dann er. Er sah kurz auf das PADD, und als er wieder aufsah, waren ihrer aller Mienen besorgt und fast schon traurig. Kevs Antennen kringelten sich nachdenklich nach unten, als er an die Worte seiner Mutter dachte, die ein altes andorianisches Sprichwort zitierte: Nichts auf der Welt ist so ehrlich wie ein Kleines, und nichts auf der Welt ist so falsch wie ein Kleines, das groß geworden ist. Damals hätte er ihr all ihre Sprichwörter liebend gern um den Kopf geknallt, doch er war längst kein rebellischer Jungspund mehr sondern ein Familienvater, und plötzlich klangen sie wahrer als je zuvor, und das schmerzte.

„Ja, was das bedeutet, das frage ich euch.“ Kev nahm das PADD in die Hand und aktivierte es mit einem Tippen des Zeigefingers, dann begann das Display matt zu leuchten. „Muss ich euch das vorlesen, oder wisst ihr es längst?“
„vii’Thaa …“ Laya ersilberte, die Antennen gekrümmt, und ihre Stimme war das klirrende Flehen eines kleinen Mädchens.
„vii’Thavan.“ Diesmal entschied sich auch Teddy aus freien Stücken, die respektvolle Anrede zu benützen, die Kev nie von ihm verlangt hätte.
„Sind es schlechte Nachrichten?“, fragte Jack angsterfüllt, und Kev kannte ihn immer noch gut genug, um zu wissen, dass seine Naivität nicht gespielt war.
„Es sind keine schlechten Nachrichten.“, beschwichtigte Kev sofort.
Er konnte Jack seine Befürchtungen kaum zum Vorwurf machen, schließlich war seine leibliche Mutter auf dem Schiff der Sternenflotte stationiert, das statistisch am häufigsten in Konflikte verwickelt war, und trotz allem, was vorgefallen war – und Kev blieb immer noch zornig und verständnislos deswegen, weswegen er sich auch Jacks und Teddys angenommen hatte, als sie niemand anderen mehr hatten –, stand Jack ihr immer noch nahe. Nachrichten aus San Francisco könnten also alles bedeuten, auch ‚deine Mutter ist tot, aber sie bekommt einen Orden’. Als jemand, der seiner ursprünglichen Familie aus diversen wohlüberlegten Gründen nicht mehr allzu nahe stand, verstand Kev dennoch, wie belastend das für das Kind, das er als seinen Sohn ansah, sein musste. Anders als Jack hatte er diese Entscheidung, sich zu distanzieren, als Erwachsener getroffen, bewusst uns selbstständig, doch er fürchtete sich dennoch vor dem Tag, an dem eines seiner vielen Geschwister sich über Subraum melden würde um zu vermelden, dass Thaan oder Zhen gestorben seien – und weder seine Mutter noch sein Vater dienten in der Flotte oder übten einen sonstwie gefährlichen Beruf aus.
Er lächelte und wuschelte durch Jacks drahtiges, glänzendschwarzes Haar – hätte er eine Antenne, hätte Kev sie gedrückt, so wie jeder gute andorianische Vater das tat, um seinem Kind etwas Selbstbewusstsein und Bestärkung zu geben, und er hoffte inständig, dass Jack das auch so verstehen würde. Ein rascher Seitenblick auf Teddy und Laya jedoch verriet, dass sie die Sorgen ihres Bruders nicht teilten, sondern genau begriffen, worauf Kev angespielt hatte. Sie standen Schulter an Schulter, ihr Grinsen präpotenter als es ihnen gut tat – Kev konnte nicht anders, als zu bemerken, wie sehr die beiden sich doch ähnelten –, und ihre Augen weit aufgerissen zu einem Gesichtsausdruck, der zwischen Spannung und Besorgnis oszillierte.
Für einen Moment nur fragte Kev sich, ob er je so jung und naiv gewesen war? Natürlich. Für einen Moment fragte Kev sich, ob es richtig war, ausgerechnet Jack als naiv zu brandmarken? Natürlich nicht.
„Was zum neev habt ihr euch dabei gedacht?“, fauchte er, die Stimme klirrend. „Ach so, ihr habt gar nicht gedacht, ich hatte es befürchtet! Habt ihr auch nur ansatzweise eine Ahnung, was ihr angerichtet habt, ihr th’iiavel?“
„vii’Thavan’neS?“ Wenn Laya an das klingonische Wort für mein Vater auch noch ein respektvolles klingonisches Suffix anhängte, dann musste die Lage ernst sein, und das obwohl Kev seine Stimme noch nicht einmal erhoben hatte.
Insgeheim brach es Kevs tiefblaues Herz, seine Tochter so verunsichert zu sehen. Sie stand vor ihm, die Antennen schuldbewusst hängend, die Haut furchtsam silbrigweiß, und sie kaute auf ihrer Unterlippe während sie Teddys Hand fest hielt. Das Grinsen war aus ihren Gesichtern gewichen, sie wechselten verunsicherte und ratlose Blicke. Kev blickte streng von einem zum anderen und wieder zurück.
„vii’Thavan, bitte … wenn es das ist, was ich glaube, das es ist, dann sei bitte nicht böse auf uns.“ Es war Teddy, der schließlich sprach, er war immer schon der vorlauteste und auch der couragierteste der Drei gewesen, und Kev konnte nicht anders, als das zu respektieren. „Wir wollten dir davon erzählen, und SoS auch … aber erst nachher, verstehst du? Wir haben uns an der Sternenflottenakademie beworben und die Aufnahmeprüfungen absolviert, als wir vor drei Monaten auf Deep Space Five waren.“
„Wir warten noch auf die Ergebnisse, und wenn Nachricht aus San Francisco bedeutet, dass du die Ergebnisse vor uns erfahren hast …“ Laya stockte, dann drehte sie ihren Kopf samt der betrübt hängenden Antennen zur Seite und ihre Stimme verzagte zu einem bloßen Flüstern. „Nur, weil wir noch nicht alt genug sind, um ein paar verdammte Monate! Wir sollten das trotzdem zuerst erfahren!“
„Wir wollten es euch erzählen, wirklich, nur eben nicht gleich.“, sekundierte Jack, der allmählich begriff, worum es eigentlich ging. „Du warst außer Kommunikationsreichweite und wir wollten nicht, dass SoS deswegen durchdreht … deswegen haben wir es euch nicht gleich erzählt.“
„Und was habt ihr mir noch nicht erzählt?“, fauchte Kev klirrend.
Die drei Zwillinge wechselten ratlose Blicke, die auch ihrem Vater nicht entgingen. Sie hatten sich verteidigt, und auch wenn er es nicht aussprechen würde, war er stolz auf sie, und irgendwann würde er es ihnen sagen, doch nicht jetzt, denn jetzt gab es wichtigeres. Kev presste erwartungsvoll seine Lippen zusammen, bis sie nur noch ein schmaler dunkelblauer Strich waren, und er reckte seine Antennen nach vorne. Ein paar Augenblicke verstrichen, dann eine Minute, und dann wurde das konstante Brummen der überalteten Gravitationsgeneratoren, das sonst nur ein kaum vernehmbares Rauschen des Alltags auf Deep Space Four war, dröhnend. Keiner der Drei sagte etwas, und es war offensichtlich in ihren Gesichtern, dass sie nichts sagen könnten, selbst wenn sie wollten, denn sie wussten nicht einmal, was.
„Du hast dich beschwert, dass SoS nicht rechtzeitig zum Essen zuhause ist?“ Kev fixierte Teddy, dessen graue Augen sich zu dunklen Schlitzen verengt hatten. „Willst du wissen, wieso?“
„Ja, natürlich, Sir!“
Kev zuckte innerlich zusammen. Er war vielleicht ein Sternenflottenoffizier, der Kommandant eines Raumschiffs, doch in erster Linie war er Wissenschaftler im Tiefenraum und die militärische Anrede war ihm seit jeher zuwider. Kev ließ sich dennoch nichts anmerken, er nahm das PADD zur Hand und drückte erneut den Aktivierungsknopf. Seine violetten Augen fixierten die Schrift, die sich in hypnotisierendem Gelb auf dem Display aufbaute, und so sehr die Kinder auch in diese Richtung starrten, sie konnten es nicht lesen, bis er vorlas.

„Captain Keval-Týrr Weycori xh’Aslan, Raumschiff Calliope, NCC-72742.
Diese Nachricht erreicht Sie, weil eine Kandidatin der Akademie, welche nicht Bürgerin der Vereinigten Föderation der Planeten ist und deshalb, wie Ihnen bestimmt bekannt ist, dem Akademiestatut §42-A-7 Folge leisten muss, Sie als erste Referenz angegeben hat. Bitte übermitteln Sie bis Sternzeit 94611.42 eine umfassende Aufzeichnung, in der Sie im Detail darauf eingehen, weshalb Sie die Kandidatin Melis Medina für eine integre Person und würdige Offiziersanwärterin halten. Beachten Sie dabei bitte, dass nach erfolgreich abgelegter Aufnahmeprüfung allein Ihre Einschätzung darüber entscheidet, ob die Kandidatin mit allen Rechten und Pflichten als Kadett an die Akademie der Sternenflotte der Vereinten Föderation der Planeten, Ingenieursklasse Abschlussjahrgang 2421, aufgenommen werden kann.
Gezeichnet: Lieutenant j.G. Lakana Zetril Tingeve, Sekretariat des Rektorats auf dem Campus San Francisco, Sol III Erde.“


Kev hatte diese Worte mehr als nur einmal gelesen, bevor er seine Kinder konfrontiert hatte, und sie waren bei keinem Mal weniger surreal geworden, nicht einmal jetzt, als er sie laut aussprach. Sich hin und wieder betrogen zu fühlen gehörte zum Leben, fand er – schließlich war er eins von neun Geschwistern, und er hatte auf der Akademie einmal wegen eines Formfehlers eine Prüfung nicht bestanden, und bei der Beförderung zum Commander war er zugunsten eines weniger qualifizierten Kollegen übergangen worden, und so weiter – doch noch nie hatte er sich so betrogen gefühlt wie jetzt, und das ausgerechnet von seinen eigenen Kindern. Er blickte von einem zum anderen, doch er sah in völlig fassungslose Gesichter.
„Heißt das … Mel hat bestanden?“ Jack war der erste, der seine Sprache wiederfand, doch seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern.
„Und was ist mit uns?“, krähte Teddy, der zweifelsohne in den letzten Tagen obsessiv seine Nachrichten immer und immer und immer wieder abgerufen hatte, weil er wusste, dass die Ergebnisse bald eintrudeln würden.
„Habt ihr drei th’iiavel keinen Funken Verstand in euren Köpfen, habt ihr denn keine Nanosekunde darüber nachgedacht, welche Konsequenzen das nach sich zieht?“ Zum ersten Mal erhob Kev seine Stimme, doch schon als er zum Nachsatz ansetzte klang er verzagter, als ihm das lieb war. „Habt ihr denn gar kein Vertrauen zu uns?“
Die drei Zwillinge wechselten Blicke, untereinander, und dann sahen sie, beinahe verstohlen und aus den Augenwinkel, ihren Vater an, als wollten sie seine Reaktion taxieren. Doch der verschränkte nur die Arme vor der Brust, klopfte mit dem PADD auf seinen Unterarm, und sein Blick blieb unerbittlich.
„Gequirlte romulanische Scheiße.“, sagte er schließlich, und das Zitat schmeckte schal auf seiner violetten Zunge. „Das ist es, womit die SoS sich jetzt auseinander setzen muss, und das nur, weil ihr th’iiavel uns nicht vertraut habt, jay’.“
„Was?“, fragte Laya aufmüpfig. „Das ist doch gut, diese Nachricht von der Sternenflotte! Du wirst sie doch empfehlen, vii’Thavan, oder? Ich meine, es ist Mel! Du kennst sie schon seit immer, du kannst ihr vertrauen! Sie wird ein guter Offizier werden, so wie ich … so wie wir alle!“
„Neev!“ Kev schrie auf, und nach der Anrufung der andorianischen Eishölle biss er sich zurück, und er betrachtete seine Kinder mit einem traurigen Kopfschütteln. „Ihr seid minderjährig, allesamt, habt ihr das auch nur für einen Moment bedacht?“
„Ja, aber …“ Natürlich war es Teddy, der sogleich protestierte. „Die Leute dort, auf DS5, die Leute von der Prüfungskommission … die haben uns gesagt, das macht gar nichts, solange wir 16 sind wenn das Semester beginnt und die nötigen Formulare nachreichen!“
„Formulare nachreichen, jay’.“, knurrte Jack, immer der Vernünftigste, und plötzlich schien ihm ein fataler Fehler in der Logik zu dämmern. „Wir sind trotzdem nicht volljährig, also müssen alle Formulare von unseren Eltern oder Erziehungsberechtigten abgezeichnet werden, und alle Korrespondenz …“
„Ja, genau.“ Kevs Lachen war harsch und bitter. „Ich sage das jetzt nur einmal, weil ich vermutlich nicht die Gelegenheit haben werde, das noch einmal zu sagen wenn der Warpkern bricht, aber … ich bin verdammt stolz auf euch, dass ihr zur Sternenflotte gehen wollt, und ich bin mir sicher, dass ihr irgendwann einmal gute Offiziere sein werdet, und das sage ich nicht nur, weil ich euer Thavan bin und euch mehr liebe als jedes stellare Phänomen im Universum, versteht ihr das?“
Alle drei nickten stumm und beklemmt, Teddy etwas peinlich berührter als die beiden anderen, und Kev kratzte sich nachdenklich zwischen den Antennen, bevor er weitersprach, und er beschloss, ehrlich zu sein.
„Als ich die Nachricht aus San Francisco erhalten habe, war ich … nun ja, überrascht ist wohl ein Hilfsausdruck. Ich habe mich doch gerade erst mit dem Gedanken angefreundet, dass ihr keine Gutenachtgeschichten vom Zanath mehr hören wollt und auf dem Holodeck nicht mehr mit Flotter spielt …“
Die drei Zwillinge kicherten kurz und blickten beschämt zu Boden – zu Recht, denn ausgewachsene Sternenflottenoffiziere glaubten nicht mehr an den Zanath und spielten auch nicht mit Flotter und Treevis im holographischen Wald. Kev musste schlucken, er erinnerte sich zu gern an diese unschuldige Zeit, doch er befahl sich, seiner Emotionen zum Trotz unbarmherzig zu bleiben.
„Hättet ihr th’iiavel nur etwas gesagt! Botschafter Qellar ist außer sich, eure SoS versucht gerade ihn zu beruhigen, aber sie klang nicht besonders optimistisch …“
„Du warst ja nicht da!“, klagte Laya.
„Dann hättet ihr etwas zur SoS sagen müssen, neev!“, rief Kev aus.
„Aber die SoS ist …“, begann Teddy zu protestieren.
„Ich weiß, jay’“, fiel Kev ihm ins Wort. „SoS ist die Strenge und sie versteht keinen Spaß, aber das aus gutem Grund. Sie ist trotzdem eure SoS, und sie wäre euch ebenso zur Seite gestanden wie ich, aber diese Chance habt ihr jetzt verspielt. Daran seid ihr selbst schuld.“
„vii’Thavan!“, rief Laya, einmal wieder, flehentlich. „Lasst uns jetzt nicht im Stich, bitte!“
„Das nicht, niemals. Euch nicht und Mel nicht. Aber ihr müsst euch trotzdem der Konsequenzen bewusst sein, und wie die aussehen wissen wir noch nicht. Vor allem in Mels Fall. Die SoS tut was sie kann, aber sie kann auch keine Wunder wirken, vor allem da sie sich nicht einmal darauf vorbereiten konnte.“
Kev schüttelte traurig den Kopf, während die drei Zwillinge fassungslos schwiegen und starrten.
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