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Verkaufende auf Risa (4)

von Gunni Dreher

PROLOG

PROLOG

Der steinige, schneebedeckte Hang war nicht unbedingt das, was man als ideales Gelände für eine Steppenluum bezeichnet hätte, und so wäre es eigentlich angebracht gewesen, zumindest den Tagesanbruch abzuwarten. Als Tybrang jedoch gegen Morgen erwachte, hatte er das Gefühl, daß ihn keine Macht der Welt noch länger im Habitat halten konnte. Voller Ungeduld und Freude wechselte er die Gestalt; dann ließ er seine heimatliche Wohnstätte hinter sich, um ihre summende Betriebsamkeit gegen die feierliche Stille der Bergwelt einzutauschen.
Der Rhazaghaner hatte die erste Anhöhe schon fast erklommen, als ihn ein entfernter Ruf noch einmal zurückhielt. Tybrang drehte sich um und schaute zurück auf das Meer von Lichtern, die funkelnd die Silhouette des Habitates übersäten. Weit unten hob sich eine winkende Gestalt vor dem warm leuchtenden Eingangstor des kristallförmigen Bauwerkes ab, und der Numa wußte, daß ihm sein ältester Berater seine guten Wünsche nachschickte. Tybrang sandte einen hellen Jagdruf zu Dylas hinunter, dann wandte er sich ab und stieg weiter hinauf in die Berge.
Es war bereits im Spätsommer gewesen, als die ersten Kadaverüberreste gefunden wurden, und Tybrang hatte sofort begriffen, daß sich Ärger ankündigte. Skriede ähnelten großen schlanken Tirsten; wie diese waren sie kluge und schneidige zweibeinige Räuber, besaßen jedoch längere, mit Greifklauen bewehrte Vorderbeine, die sie zu geschickten Kletterern machten. Hinzu kam, daß sie ansehnliche Rudel bildeten, während sich ihre Vettern auf der Ebene nur selten einmal zu Gruppen von zwei oder drei Tieren zusammenschlossen. Von einem Rudel Skriede ging eine erhebliche Gefahr aus, und Tybrang, in dessen Habitat mittlerweile auch viele Heranwachsende lebten, entsandte zwei starke Jagdtrupps zu seiner Bekämpfung. Nur wenig später hatte man die räuberischen Eindringlinge versprengt, einen Teil der Tiere erlegt, die übrigen aus dem Clangebiet vertrieben. Kein Clanführer Rhazaghans war bereit, sich mit der Anwesenheit eines Skriedrudels zu arrangieren.
Tybrang hatte die Sache für erledigt gehalten, bis dann am Vortag die Nachricht eintraf, ein gutes Stück weiter östlich läge der Kadaver eines Kajas im Schnee. Ein Kadaver, der ganz eindeutig von einem Skried angefressen worden war. Einer der Räuber war zurückgekehrt, und man konnte sich leicht vorstellen, was geschah, wenn es sich um ein befruchtetes Weibchen handelte. Bereits im Herbst kommenden Jahres würde man wieder vor dem alten Problem stehen.
Während der Diskussion hatte Tybrang deutlich gespürt, daß er Bewegung brauchte, und deshalb hatte er die Jagd auf den Eindringling energisch für sich gefordert. Erwartungsgemäß wurden keine nennenswerten Einwände vorgebracht. Für einen Rhazaghaner in voller Luumreife war ein Skried ein achtbarer, doch kein lebensgefährlicher Gegner, darum hatten die Berater keine Bedenken gehabt, ihrem Clanführer die Jagd auf das unerwünschte Geschöpf zu gönnen. Tybrangs nächster Weg führte ihn in das neue Computerarchiv der Numa, wo sich bereits eine beachtliche Sammlung von Jagderzählungen befand. Nachdem sich der Rhazaghaner das erforderliche Wissen angeeignet hatte, begab er sich früh zur Ruhe, um noch vor dem ersten Tageslicht aufzubrechen.
Tybrang hatte den Ehrgeiz, so lange wie möglich die Steppenluum beizubehalten und erst ein Stück weiter oben zu wechseln. Er sah es als willkommene Übung an, einen Teil des Aufstiegs unter erschwerten Bedingungen zu bewältigen, ganz davon abgesehen, daß ihm der Aufenthalt in der Steppenluum immer noch eine Menge Spaß bereitete. Auf den hochgelegenen Schneefeldern würde er dann auf das geringere Gewicht und die breiten Pranken der Krallenluum zurückgreifen.
Es war bereits Vormittag, ein dunkler Schneehimmel stand über den Bergen, als Tybrang es das erste Mal spürte. Er hielt an und blickte irritiert um sich, doch zwischen den verschneiten Hängen und Felsspalten zeigte sich nirgendwo ein lebendes Geschöpf. Der Rhazaghaner bleib eine Weile stehen, lauschte und witterte in die winterliche Stille, um sich dann wieder in Bewegung zu setzen. Dennoch glaubte er fast sicher, mehrere Momente lang etwas wahrgenommen zu haben, eine Präsenz, die ihn wachsam betrachtete und beobachtete. Gleich darauf schlug Tybrang ein schärferes Tempo an, und der seltsame Eindruck verging.
Als der Numa die Schneefelder erreichte, wechselte er in die Krallenluum, wie er es beabsichtigt hatte. Kurz nach Mittag stieß er dann auf die gefrorenen Überreste des Kajas, von dem ihm seine Jäger berichtet hatten. Es schneite mittlerweile, doch der Skried hatte seine Beute vorsorglich in den Windschatten der Felsen gezerrt, und Tybrang erkannte auf den ersten Blick, daß er vor nicht allzu langer Zeit zu seinem Riß zurückgekehrt war. Eine Überprüfung in der Zahnluum brachte den Numa zu der Einschätzung, daß der letzte Besuch etwa einen halben Tag zurücklag. Natürlich würde es ihm möglich sein, die bereits stark zugeschneite Spur zu verfolgen, aber es würde eine recht zeitraubende Angelegenheit werden.
Der Rhazaghaner überlegte. Wahrscheinlich suchte das Raubtier zwischen den Mahlzeiten einen Unterschlupf auf, einen Platz, der ihm Schutz vor Schnee und Wind gewährte. Mittlerweile kannte der Clanführer das Numa-Gebiet ziemlich gut, und darum wußte er einige Stellen in der Umgebung, bei denen sich eine Stichprobe lohnen mochte. Allerdings galt es vorsichtig zu sein, um das Raubtier nicht frühzeitig zu warnen.
Er wandte sich von den Überresten des Kajas ab - und im nächsten Moment kehrte es zurück: Das Gefühl, daß irgend etwas anwesend war, etwas Lebendiges, das seinen scharfen Blick auf ihn gerichtet hielt. Tybrang pflegte seinen Instinkten zu vertrauen, und in diesem Moment hatte er die deutliche Empfindung, die Gegenwart eines klugen und verschlagenen Geistes in der Nähe wahrzunehmen. Voller Unruhe starrte er hinaus in das Schneegestöber, strengte noch einmal sämtliche Sinne an, doch vergeblich. Was es dort draußen auch geben mochte, er schaffte es nicht, es auszumachen.
Als er sich schließlich wieder aufmachte, gewann er erneut den Eindruck, seinen Beobachter hinter sich zu lassen, und so beschloß er, vorerst abzuwarten. Noch fühlte er sich nicht bedroht, und zudem war er nicht gewillt, seine Jagd einfach abzubrechen. Sorgsam untersuchte er Felsspalten und Streifen dornigen Gestrüpps, bis ihm schließlich der Wind einen Hauch der gesuchten Witterung in die Nase wehte.
Etwas später hatte er sich so weit seinem Ziel angenähert, daß er einen Blick auf sein Jagdziel werfen konnte. Der Skried befand sich in einem kleinen Taleinschnitt, wo er sich inmitten einer Ansammlung von Strauchwerk niedergelassen hatte. Regungslos, den schlanken Hals eingezogen, hockte der Räuber im Schnee und schien zu dösen. Vorsichtig arbeitete sich Tybrang näher heran, bis er Einzelheiten des grauweißen Gefiederpelzes ausmachen konnte. Er erblickte nun das erste Mal ein solches Geschöpf in Wirklichkeit und stellte dabei voller Staunen fest, wie vorzüglich es durch sein Federkleid getarnt war. Hätte ihm nicht sein Geruchssinn den Weg gewiesen, wäre ihm die Anwesenheit des Tieres mit Sicherheit entgangen.
Nachdenklich blickte der Rhazaghaner die nahe Felswand hinauf. Wenn es dem Skried gelang, sie noch vor ihm zu erreichen, würde es bedeuten, daß er seine Jagd an anderer Stelle von neuem beginnen mußte. Die Zahnluum mochte groß und stark sein, aber sie war kein Kletterer. Eine Krallenluum hingegen war zwar in der Lage, dem Raubtier in die Wand zu folgen, doch das würde bedeuten, sich ihm gegenüber in einen hoffnungslosen Nachteil zu begeben. Niemand erlegte einen Skried in der Krallenluum, obwohl Tybrang einen Jäger kannte, der sehr wahrscheinlich einmal dazu in der Lage gewesen war.
Der Angriff des Rhazaghaners erfolgte vollkommen überraschend für den Räuber. Zwar war er blitzschnell auf den Beinen, doch als er sich der rettenden Felswand zuwandte, fand er den Weg bereits von seinem Gegner versperrt. In wütender Verzweiflung stieß das Tier einen gellenden Schrei aus, aber darauf war der Numa vorbereitet. Ihm war bekannt, daß Skriede ihre Beute mit Hilfe ihrer Stimme zu paralysieren suchten, und so hatte er vorsorglich die Ohren flach an den Kopf gelegt. Ohne auch nur einen Moment zu zögern, stürmte er auf den Räuber los.
Das Raubtier erkannte, daß ihm keine Fluchtmöglichkeit mehr blieb und griff an. Tybrang sah die gelben Augen funkeln, der lange Hals reckte sich vor und ein Rachen voller Reißzähne öffnete sich, doch der Rhazaghaner wich nicht zur Seite. Er nahm den Biß in seinen dicht bepelzten Nacken in Kauf, sprang vorwärts und schlug dem Räuber mit einem einzigen mächtigen Hieb seiner Pranke die Beine unter dem Körper weg. Das stürzende Tier schlug wild um sich, Schnee stob auf, als der Numa auch schon zupackte. Ein Knirschen von Halswirbeln wurde hörbar, dann kehrte Ruhe ein.
Tybrang wechselte in die Grundform und schaute auf das Skriedweibchen, das mit gebrochenem Genick vor seinen Füßen lag. Langsam bückte er sich und strich mit der Hand über den herrlichen Federpelz. Skriede waren das schönste, was die Welt der Südbarriere zu bieten hatte, soviel stand für ihn fest.
Und dann war es wieder da: Das Wissen um die Gegenwart des anderen. Diesmal war Tybrang ganz sicher, daß er nur aufblicken mußte, um seinen Verfolger zu sehen.
Langsam hob er den Kopf, blinzelte durch den Schnee hinauf zur Felswand - um dort zwei scharfen Augen zu begegnen. Sie gehörten Aryshtin.
Die Rhazaghani blickte ruhig und bedächtig auf ihn herab. Im nächsten Augenblick sah Tybrang fassungslos, wie ein sonderbares, fast höhnisches Grinsen über ihr Gesicht glitt, ein Grinsen, das fremd und ihm dennoch vertraut war. Was Tybrang allerdings bestürzte, war der Umstand, es auf Aryshtins Zügen wiederzufinden.
„Wird auch langsam Zeit, daß du mich entdeckst.“ kam es herablassend von seiner Beraterin. „Verdammt mäßige Leistung, würde ich sagen. Sieht wohl ganz so aus, als wärst du nicht mehr so vorsichtig wie damals.“
Der Rhazaghaner starrte stumm nach oben. Er brachte nicht ein einziges Wort heraus, ihm war, als drückten ihm kalte Hände die Kehle zu. Während er noch bewegungslos dastand, erhob sich ein scharfer Wind, pfiff über Sträucher und Felsvorsprünge und trieb Schnee in sein Gesicht. Unwillkürlich hob er die Hand und fuhr sich über die Augen.
Als Tybrang gleich darauf wieder aufblickte, war Aryshtin verschwunden.
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