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Sturm 9.03 - Hymne der Nacht

von Gabi , Heidi Peake

Neue Aufgaben

Es war noch da, nichts hatte sich verändert. Grüne Unberührtheit, wogendes Gras und wildwucherndes Gebüsch. Die letzten acht Jahre Abgeschiedenheit hatten diesem Land gut getan. Die Natur hatte sich ungehindert der Einmischung irgendwelcher Zweibeiner ihren Platz zurückerobert.

Sisko hatte die letzten Nächte unerkannt in kleinen Herbergen zugebracht, während er sich zu Fuß auf den Weg zu seinem Stück Land im Kendra Tal gemacht hatte. Ein langer Kapuzenmantel verbarg Statur und Gesicht. Die Litas, die er für das Buchen der Zimmer benötigte, hatte er in den tiefen Taschen des Kleidungsstücks gefunden. Das Verständnis der Propheten für das Leben ihrer Kinder war trotz der trennenden Dimensionsbarrieren profund. Sie hatten ihren Abgesandten mit allem ausgestattet, was dieser für die korporale Existenz an diesem Ort benötigte.

Sisko wusste, dass er nicht mehr lange damit durchkommen würde, sein Antlitz hinter der hochgezogenen Kapuze zu verbergen und die Neugierde der Bajoraner, denen er begegnete mit Litas zu dämpfen. Dennoch benötigte er diese Zeit alleine. Er musste nachdenken, war sich nicht gänzlich sicher, was sein Auftrag war.

Die Struktur des Himmelstempels war aus den Fugen geraten, als die pah Geister auf ihn eingestürmt waren. Wie die anderen Wesen dieser Dimensionsanomalie hatte er ihr Nahen gespürt, die zitternd machende Gewissheit, dass es nun zur alles entscheidenden Auseinandersetzung kommen würde. Und dann war plötzlich alles anders gewesen. In ihrer nichtlinearen Existenz war ein Punkt geschaffen worden, der ein davor und ein danach zuließ. Sie hatten das bisher nicht gekannt, sie mussten umlernen. Ihre ausgestoßenen Mitwesen waren ebenfalls gänzlich unvorbereitet erschienen. In ihrer Äonen dauernden Verzweiflung in den Feuerhöhlen war stets nur eine Eroberung in ihrem aufflackernden Bewusstsein verankert gewesen, niemals eine Vereinigung.

Und doch war sie geschehen. Es hatte sich etwas geändert und es würde sich noch sehr viel mehr ändern. Er war ein Teil dieser Änderung, das wusste Sisko, doch er würde noch ein wenig mehr Zeit benötigen, um zu begreifen, welcher Teil.

Auf den Wanderstab gestützt, den er sich aus einem am Waldrand liegenden Ast zu Beginn seiner Reise geschnitzt hatte, blickte er nun hinunter in die Parzelle, die er vor so unendlich langer Zeit erworben hatte. Das Land war genau so, wie er es in Erinnerung hatte, ein wenig weiter zugewachsen lediglich. Niemand hatte hier etwas bearbeitet. Er erinnerte sich daran, dass er nicht alleine gewesen war, als er noch unter den korporalen Wesen weilte. Da war Familie gewesen. Auch an sie würde er sich in den nächsten Tagen besser erinnern, wenn er sich die Zeit zum Nachdenken gab. Dessen war er sich sicher. Niemand davon schien dieses Land genutzt zu haben. Er fühlte einen kleinen Stich in dem Bereich seines Körpers, der sich in den letzten Tagen gemeldet hatte, wenn er hungrig war. Niemandem außer ihm schien dieses Land wichtig zu sein. Aber für ihn war es wichtig. Hier ganz in der Nähe hatte während der Besatzung das Massaker stattgefunden, welches Kai Opakas Sohn das Leben gekostet hatte. Jene Opaka, die ihm den Weg gewiesen hatte. Der Kreis schloss sich hier in Kendra, es fühlte sich gut und richtig an.

Er würde an dieser Stelle sein Haus errichten. Und vielleicht … vielleicht auch einen Schrein.

* * *


Colonel Kira Nerys hatte ihre Füße auf die schwere Tischplatte vor sich gelegt, in ihrer rechten Hand befand sich eine Tasse dampfenden Raktajinos, in ihrer linken ein Padd mit den neusten Besatzungsbewegungen auf Deep Space Nine. Im Augenblick hatten die Rotationen wieder zugenommen. Die Föderation hatte Bajors Beitrittsgesuch auf eine feinere Waagschale gelegt, nachdem Kira Station und Besatzung in Gefahr gebracht hatte. Es hatte auch vorsichtige Anfragen nach einer Versetzung der Kommandantin an die bajoranische Regierung gegeben. Doch auch ohne dass Shakaar Edon dieser noch vorstand, hatte sich Kira einem flächendeckenden Rückhalt der Politik und Geistlichkeit gegenübergesehen. Die Sternenflotte musste es wohl oder übel schlucken, dass die resolute Bajoranerin weiterhin das Kommando über die Wachstation zum Gamma-Quadranten innehatte.

Einige Sternenflottenoffiziere hatten daraufhin ihre Versetzung beantragt, welcher vom Oberkommando augenblicklich stattgegeben wurde. Auf der anderen Seite strebten jedoch auch immer wieder Offiziere freiwillig nach einem Posten hier, angezogen von den teilweise recht wilden Gerüchten über die unkonventionelle Militärstruktur auf der bajoranischen Station unter Sternenflotten-Protektorat.

Kira überflog die Namen der heutigen Neuzugänge. Sie nahm sich vor, sich wenigstens diejenigen Namen einzuprägen, welche ihren Dienst auf OPS antreten würden. Doch aus leidiger Erfahrung wusste sie, dass es seine Zeit brauchen würde. Ihr Namensgedächtnis war teilweise eine Katastrophe und sie war heilfroh, dass es der Job des Ersten Offiziers war, sich um das Personal zu kümmern.

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel und ließ ihre Züge weich und attraktiv scheinen. Es hatte absolut nichts mit dem zu tun, was sie gerade las.

Der Türsummer zu ihrem Büro riss sie aus ihren Träumen. Vor den Einsätzen aus transparentem Aluminium konnte sie die junge Trill erkennen, die wie stets ein wenig nervös wirkte. Diese Charaktereigenschaft hatte Kira schon immer belustigt. Für jemanden, dessen Job es war, anderen psychologische Ratschläge zu erteilen, war Ezri Dax‘ Art äußerst ungünstig. Die meiste Zeit wirkte die Counselor so, als ob sie selbst ermunternden Zuspruch nötig hätte.

„Komm rein“, wies sie sowohl den Computer als auch ihre Freundin an.

Kaum hatten sich die Türen hinter Dax geschlossen, entspannte sich deren Haltung und ihre Miene nahm jenen herzlichen Ausdruck an, den Kira im Geheimen unter „Kumpel“ abgelegt hatte. Sie ging zum Replikator, bestellte sich eine Tasse heißen Tee und nahm dann vor Kiras Schreibtisch Platz. Die Kommandantin schwang die Füße vom Tisch.

„Du siehst gut aus“, bemerkte Dax, während sie die Bajoranerin über den Tassenrand hinweg beobachtete, wo sie die heißen Dampfwolken wegpustete. „Antos tut dir gut.“

Kira nickte immer noch lächelnd. „Ich habe auch das Gefühl“, gestand sie. „Irgendwie ist er …“

„…süß“, half die Trill grinsend nach.

„Süß!“ stimmte Kira kopfschüttelnd zu. Sie legte das Padd beiseite und umfasste ihren Raktajino mit beiden Händen.

„Außerdem ist er sexy, attraktiv – und verdammt heiß“, bemerkte Dax. Dann wedelte sie mit der Hand hastig vor ihrem Mund, denn der erste Schluck Tee brannte auf den Lippen.

Kira hob die Augenbrauen.

Dax zuckte mit den Schultern. „Nur weil ich mit Julian zusammen bin, heißt das nicht, dass ich nicht auch andere Männer ansehe – und Jadzia war immer recht angetan von ihm.“ Sie pustete noch einmal über die Flüssigkeit und betrachtete dabei die Bajoranerin. Kira wirkte ungewohnt weich und verletzlich – und recht verliebt. Sie wollte den momentanen Zustand der anderen Frau nicht unterbrechen, doch die Counselor in ihr nagte so lange, bis sie die Frage stellte: „Meinst du, das wird etwas Ernstes mit euch beiden?“

Über Kiras Blick legte sich eine sanfte, wehmütige Note. „Ich weiß es nicht, Ezri. Ich fürchte, ich glaube einfach nicht mehr an die dauerhafte Liebe. Das ist etwas, was anderen passiert. Ich nehme mir für den Augenblick alles, was ich bekommen kann, damit ich später davon zehren kann. Und …“, sie senkte ihre Tasse und beugte sich verschwörerisch über die Tischplatte vor. „Dieses Mal habe ich dafür gesorgt, dass etwas bleibt, wenn er mich verlässt.“

Dax hob verwundert die Augenbrauen. Kiras Miene wirkte, als ob sie etwas ausgeheckt hätte, was die Trill momentan jedoch nicht erahnen konnte.

„Ich bin schwanger.“

Dax starrte in das grinsende Gesicht. Sie stellte ihre Tasse unsanft auf dem Tisch ab. „Nicht dein Ernst!“, stieß sie hervor. „Von Antos?“

Kira rollte mit den Augen, behielt ihr Grinsen jedoch bei. „Nein. Von dem neuen jungen Ensign aus der Nachtschicht, weil ich alle männlichen Crewmitglieder so einführe … Ezri, ich heiße doch nicht Edon. Natürlich von Antos.“

Jetzt musste Dax lachen. „Entschuldige, die Frage war dumm. Aber es kommt doch etwas überraschend.“ Sie hob ihre Tasse prostend in Kiras Richtung. „Nerys wird Mutter, wer hätte das gedacht? Herzlichen Glückwunsch!“

„Danke“, nahm Kira den Glückwunsch entgegen. „Ich freue mich auch schon sehr – und ich muss Julian nachher dringend meine Anerkennung aussprechen. Ich hätte wetten können, dass er es dir sofort brühwarm erzählt.“

Dax schüttelte den Kopf. „Er kann zwar ein Plappermaul sein, aber was die ärztliche Schweigepflicht angeht, da ist er tatsächlich sehr konsequent …“, ein neckisches Grinsen huschte über ihre Züge, „… vor allem, wenn ihn ein Ausplaudern den Kopf kosten könnte.“ Sie zwinkerte Kira zu. „Lässt du mich die Babyparty ausrichten?“

Kira sah sie fragend an. „Was für eine Babyparty?“

Die Trill winkte ab. „Ihr Bajoraner feiert immer so ernst und religiös – habt ihr denn keine Party vor der Geburt, wo alle Frauen zusammenkommen, über Babys quatschen, sich über die Männer das Maul zerreißen und alles in rosa oder hellblau dekorieren?“

„Nicht wirklich“, bemerkte Kira ein wenig gedehnt. Ihr Blick sagte, dass sie auch keinen gesteigerten Wert auf diese Tradition legte.

„Ach komm“, Dax winkte ab. „Du wirst es lieben.“ Bevor ihre Gedanken sich bereits mit der Kira-Überrumpelungsfeier befassen konnten, fiel ihr noch etwas ein. „Aber du hast mich doch nicht herbeordert, weil du mir mitteilen wolltest, dass du schwanger bist, oder?“

„Nein, in der Tat nicht“, nahm Kira dankbar den Strohhalm entgegen. Ihre Schwangerschaft hatte sie sich als eine Zeit der Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit mit Antos ausgemalt, nicht mit einer der berühmt-berüchtigten Dax-Parties. Sie nahm das Padd mit der Personalaufstellung hoch. „Ich habe heute Morgen die Liste der neuen Sternenflottenoffiziere erhalten.“ Das flache Display rutschte über die Tischplatte zur Trill hinüber. „Wir bekommen endlich einen Wissenschaftsoffizier. Ich dachte mir, das würde dich interessieren, denn ich habe mir vorgestellt, dass du ihn einführst und eng mit ihm zusammenarbeitest. Es wäre mir lieb, wenn du dich auch weiterhin mit der wissenschaftlichen Seite befasst, soweit es deine Zeit zulässt.“

Dax nahm das Padd auf. „Lieutenant Peter Gaheris, Terraner, Cestus III”, sie sah auf, „da kann Kasidy Heimaterinnerungen austauschen.“ Nach einem weiteren Blick merkte sie an: „Ein sympathisches Gesicht … und er hat sich freiwillig für diesen Posten gemeldet. Na, das ist doch mal ein großer Pluspunkt …“

„… Lies einmal die Begründung für seinen Versetzungswunsch“, riet ihr Kira mit wenig verhaltenem Stolz.

Dax tat wie geheißen: „Großes Interesse an bajoranischer Kultur und Religion.“ Sie lachte. „Wenn das nicht dein neuer Lieblingsoffizier wird, weiß ich auch nicht. Mich wundert nur, dass das Oberkommando sich getraut, so jemanden hierher zu schicken, nach dem Ärger, den sie mit Benjamin deswegen hatten.“

Kira lächelte ertappt. „Es ist eine nette Abwechslung einmal mit jemandem zusammenzuarbeiten, den ich nicht erst davon überzeugen muss, dass Bajoraner keine zurückgebliebene Rasse am Rand des Nirgendwo sind.“

„Sieht nett aus und zeichnet sich durch Unvoreingenommenheit aus – der Kerl muss irgendwo einen Pferdefuß haben“, bemerkte Dax neckend.

„Das kannst du gleich herausfinden.“ Kira berührte ihren Communicator. „Kira an Lieutenant Gaheris, bitte melden Sie sich in meinem Büro.“

Sie mussten nicht lange warten, bevor der Mann in leicht nervöser Habachtstellung vor dem Schreibtisch stand. Er war von mittelgroßer Statur, trug sein dunkelblondes Haar aus der Stirn gekämmt und wirkte mit seinen vertrauensvollen grauen Augen etliches jünger als die zweiunddreißig Jahre, die in seine Akte ihm attestierte.

Dax‘ Blick blieb unwillkürlich am Kinn des Mannes hängen. Augenblicklich lockerte er seine stramme Haltung und fuhr sich mit den Fingern über ebenjene Gesichtspartie. „Ich habe bereits mit Colonel Kira gesprochen. Wenn ich ihn pflege, darf ich ihn behalten.“

Die Trill konnte nicht verhindern, dass sie auflachte. „Der Dreitagebart stehen Ihnen gut, Lieutenant Gaheris. Ich wusste nur nicht, dass ihn die Vorschriften der Sternenflotte erlauben.“

„Bisher bin ich damit durchgekommen.“ Der Blick, den er ihr dabei zuwarf, versagte jede weitere Zurechtweisung in der gleichen Weise, wie man einem Welpen nicht böse sein konnte.

Sie streckte ihm in terranischer Manier die Hand entgegen. „Lieutenant Ezri Dax, Stationscounselor, medizinische Assistentin und bisherige Wissenschaftsabteilung in einem.“

Erfreut erwiderte er ihren Gruß. „Ich hoffe, ich beschneide nicht Ihre Kompetenzen, Lieutenant Dax.“

„Keineswegs. Wir hatten schon befürchtet, dem Oberkommando seien die Wissenschaftsoffiziere ausgegangen, weil wir so lange keinen Ersatz für den Posten erhalten haben, seit ich gestorben bin…“ Die junge Frau verzog das Gesicht, als hätte sie in etwas recht Saures gebissen. Der Lieutenant starrte sie entgeistert an.

„Das kam jetzt reichlich unglücklich herüber“, gestand Dax mit einem Schulterzucken ein. „Ich komme manchmal immer noch mit meinen Leben durcheinander. Seit der frühere Wirt gestorben ist …“

Gaheris nickte. „Ich habe alles, was ich in die Hände bekommen konnte, über die bisherigen Offiziere der Station gelesen. Trill und ihre Symbiosen finde ich unglaublich faszinierend. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns auf diesem Gebiet ein wenig austauschen könnten.“

„Liebend gerne.“ Dax warf Kira über Gaheris‘ Schulter einen Blick zu. Der junge Mann schien charakterlich das genaue Gegenteil von Commander Benteen zu sein. „Ich habe gehört, dass Sie nach Deep Space Nine versetzt werden wollten, weil Sie sich für die bajoranische Kultur interessieren? Das verschafft Ihnen schon mal einen dicken Stein im Brett unserer strengen Kommandantin.“

Das Lächeln im Gesicht der bajoranischen Vorgesetzten strafte momentan dieses Attribut Lügen.

Gaheris nickte. „Wenn man bedenkt, dass die bajoranische Kultur bereits einen ihrer ersten Höhepunkte erreichte, als auf manch anderem Planeten des Quadranten der aufrecht gehende Zweibeiner noch nicht mal in Sicht war, kann man gar nicht anders, als in Ehrfurcht zu erstarren.“

„Eine Sichtweise, die beim Oberkommando allerdings kaum jemand teilt“, bemerkte Kira sarkastisch.

„Leider nicht“, bestätigte Gaheris, „ich fürchte, deswegen blieb der Posten des Wissenschaftsoffziers auch so lange unbesetzt, Colonel.“

„Wie darf ich das verstehen, Lieutenant?“

„Sobald bekannt wurde, dass der Posten vakant ist, habe ich mich beworben. Das ist nun schon beinahe zwei Jahre her. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie vielen psychologischen Tests ich unterzogen wurde, nachdem ich anmerkte, wie interessant ich die bajoranische Religion finde …“

„Benjamin Sisko?“, mutmaßte Dax und verzog ihre Züge ein wenig.

„Benjamin Sisko“, bestätigte Gaheris. „Der Captain ist hochangesehen wegen seiner Verdienste im Dominion-Krieg, aber seine Verwicklung mit der bajoranischen Religion hat zu hitzigsten Diskussionen im Oberkommando geführt. An der Akademie wurde im letzten Semester extra ein Schwerpunkt auf das Thema zur moralischen Involvierung mit nicht föderalen Spezies gelegt.“

Verwicklung!“, bemerkte Kira scharf. „Der Abgesandte hat mein Volk vor der Vernichtung gerettet.“

„Auch das fasziniert mich ja so sehr“, stimmte der Lieutenant sofort bei. „Ich hoffe, dass ich meine freien Tage auf Bajor werde verbringen können, um so viel wie möglich vor Ort studieren zu können …“

„Colonel?“ Dax warf Kira einen fragenden Blick zu. Die Bajoranerin verstand und nickte. Daraufhin breitete sich ein offenes Lachen auf dem Gesicht der Trill aus. „Lieutenant Gaheris“, sie legte dem Mann einen Arm freundschaftlich um die Schulter, was dieser mit einem irritierten Blick quittierte, „was halten Sie davon, wenn Sie Ihren Dienst hier auf Deep Space Nine damit beginnen, Colonel Kira und mich zu einem alten bajoranischen Fest zu begleiten? Unsere beiden Lebensgefährten sind mit dem Kai bekannt und so haben wir die Einladung zur Teilnahme erhalten. Ich bin mir sicher, der Kai wird nichts dagegen einzuwenden haben, wenn wir noch jemanden mitbringen, der sich so offensichtlich für die bajoranische Religion interessiert.“

Lieutenant Gaheris starrte die Trill mit offenem Mund an. „Der Kai persönlich?“

Kira klopfte ihm auf die andere Schulter. „Ich werte das jetzt einmal als ein Ja.“

* * *



Peter Gaheris starrte den Rucksack an, welchen Colonel Kira ihn gebeten hatte zu packen: Etwas Ziviles für die Feierlichkeiten, etwas Legeres zum Schlafen, Waschzeug. Sie würden zwei oder drei Tage fort bleiben, je nachdem, wie gut die Anbindungen der Shuttletransporte waren.

Etwas missmutig warf er eine leichte Stoffhose in die offene Klappe. Er hatte noch nicht einmal seine Reisetasche ausgepackt. Sie stand mit weit aufklaffenden Verschlüssen auf dem breiten Bett, und er lagerte lediglich einen Teil ihres Inhalts in den Rucksack um.

Als er damit fertig war, ließ er sich rücklings auf das Bett fallen, das zwei Personen bequem Platz geboten hätte. Sein Kopf verfehlte nur knapp die beschlagenen Seitenlaschen der Reisetasche.

Hier war er nun also.

Mit einer unwilligen Bewegung seines Ellbogens stieß er die Tasche beiseite, so dass er genügend Platz hatte, um die Hände hinter seinem Nacken zu verschränken. Sein Blick musterte die einheitlich graue Decke.

Wie lange hatte er darauf gewartet, diesen Posten antreten zu können? Wie lange hatte er sich danach gesehnt, diese Kultur, die er sich zu seinem Steckenpferd erkoren hatte, in Realität erforschen zu können? Und dann das …


„Sie wollten mich sprechen, Sir?“ Lieutenant Gaheris stand in korrekter Habachtstellung vor dem Schreibtisch von Admiral Buhade.

Der Admiral musterte ihn, als wolle er ihn aufgrund seiner äußeren Erscheinung einschätzen. „Ihr Transporter nach Deep Space Nine geht in fünf Stunden“, erklärte er Gaheris das, was dieser bereits wusste. „Wie ich Ihrer Akte entnehmen kann“, er deutete auf ein Padd, welches auf der Schreibtischplatte lag, „geschieht die Versetzung auf persönlichen Wunsch.“

Gaheris nickte. Die Mimik des Admirals verhieß ihm nichts Gutes.

„Ich habe einen besonderen Auftrag für Sie, Lieutenant.“ Der Admiral machte eine Pause, in welcher er abermals Gaheris intensiv musterte. „Sie haben mitbekommen, auf welch riskante und bedenkliche Art Colonel Kira die Gefährdung durch die Verteronstrahlung des Wurmlochs gehandhabt hat.“

Der Lieutenant nickte abermals. Ein Auszug aus dem Bericht Commander Benteens war ihm zur Vorbereitung zur Verfügung gestellt worden. Durch seine Beschäftigung mit der bajoranischen Kultur konnte er einigermaßen einschätzen, in welchen inneren Konflikt diese Situation die Kommandantin der Station gebracht hatte. Eine Einschätzung, welche in den rationalen Ebenen des Sternenflottenoberkommandos keinen Bestand hatte.

„In absehbarer Zeit wird ein Teil des bajoranischen Militärs in die Sternenflotte eingegliedert“, fuhr der Admiral fort, „und es gibt nicht wenige, welche Bedenken haben, was die Disziplin und Loyalität unserer Alliierten angeht. Es kann sein, dass bajoranische Sternenflottenoffiziere nur außerhalb ihres Heimatbereichs eingesetzt werden können, da ansonsten ein zu großer Interessenskonflikt zu erwarten ist.“

Der Admiral machte eine kurze Pause, in welcher er Gaheris abermals musterte. „Ich erwarte von Ihnen eine absolut neutrale Position und eine wöchentliche Berichterstattung.“ Er nahm einen isolinearen Chip in die Hand, wägte ihn dort für einen Moment ab und reichte ihn dann Gaheris hinüber. „Hierauf sind Codes für abhörsichere Subraumverbindungen. Sie berichten direkt an mich, Lieutenant.“



Wie Buhade es formuliert hatte, klang es harmlos, doch es war nichts anderes als ein Auftrag zur Spionage. Die Denkweise im Oberkommando hatte sich seit dem Krieg geändert. Dieser hatte die Föderation nicht nur eine unvorstellbare Anzahl an Leben gekostet, sondern auch die friedlich-diplomatische Selbstverständlichkeit, welche die Sternenflotte stets ausgezeichnet hatte, und die der Grund für so viele aufstrebende Jugendliche war, sich auf der Akademie einzuschreiben.

Der Ton war härter geworden, Vertrauen nicht mehr das Mittel der Wahl sondern nur noch eine Rückzugsposition. Gerade an einer strategisch so empfindlichen Position wie Deep Space Nine war es dem Oberkommando sehr daran gelegen, das Geschehen unter Kontrolle zu halten. Jede unbekannte Größe bedeutete eine mögliche Gefahr. Der Glaube der Bajoraner war nach wie vor eine jener unbekannten Größen. Trotz aller entgegengesetzter Verlautbarungen wurde hinter den Kulissen das Aufnahmeverfahren für Bajor vorangetrieben. Die Position der Sternenflotte war um einiges stärker, wenn dieser Sektor und vor allem das Wurmloch endlich in ihren administrativen Bereich fiel und sie personelle Entscheidungen zur Not auch über den Kopf der bajoranischen Regierung hinweg fällen konnte.

Gaheris rollte sich auf die Seite und richtete sich auf. Er trat zum Replikator hinüber, um sich ein Glas kaltes Wasser zu bestellen. Er konnte die Sorge des Oberkommandos zum Teil verstehen. Das Entsetzen, welches sich durch das Wurmloch verbreitet hatte, hatte sie an den Rand einer völligen Katastrophe getrieben, welche nicht einmal die pessimistischsten ihrer Strategen für möglich gehalten hatten. Nie mehr wollte die Sternenflotte in diesen naiven und selbstgefälligen Status zurückfallen.

Die Bitte Admiral Buhades brachte ihn in eine unangenehme Situation. Außer vielleicht Commander Benteen, welche für ihre kritische Haltung gegenüber Bajor bekannt war, konnte er niemandem davon erzählen, wenn er keine erneute Versetzung riskieren wollte. Jetzt war er endlich dort stationiert, wo er schon lange dienen wollte, und dann konnte er den Umstand nicht einmal genießen, weil er sich den anderen gegenüber vorkam wie ein Schnüffler.

Er nahm sich fest vor, seinen wöchentlichen Berichten alles fern zu halten, was einen Schatten auf den bajoranischen Glauben und seine neue Kommandantin zu werfen vermochte. Inwieweit er das bewerkstelligen konnte ohne dass Buhade misstrauisch wurde, würde sich zeigen.

Gaheris stellte das nun leere Glas in den Replikator zurück, kehrte zu seinem Bett zurück und schloss die Lasche seines Rucksacks mit Vehemenz.

Diese ersten Tage auf Bajor wollte er genießen, komme was wolle.

* * *


„Geben Sie mir Papier und etwas zu schreiben.“ Siskos dunkle Hand fuchtelte unter dem Saum seines Mantels hervor, als er am Tisch in der kleinen Werkstatt in Sh’eylan saß. Dieser Ort lag seinem Land am nächsten, zu Fuß drei Stunden in zügigem Marsch entfernt. Mit Freuden hatte er gesehen, dass sich neben anderen nützlichen Einrichtungen auch ein Schreiner hier befand, dessen um die Werkstatt ausgestellten Exponate aus Holz und Stein in ihrer Symbiose aus Praxisnähe und Ästhetik augenblicklich seine Sinne angesprochen hatten. Diese Leute wären richtig, um ihm beim Bau seines Hauses zu helfen.

Sisko erhielt das Gewünschte. Um den Tisch hatten sich mittlerweile die Besitzerin der Schreinerei, sowie drei ihrer Mitarbeiter versammelt. Die Schreinermeisterin hatte anfangs noch versucht, ihre Leute wieder an die Arbeit zu scheuchen, doch mittlerweile war auch sie zu sehr davon fasziniert, was dieser leicht verrückt anmutende Fremde von ihnen wollte.

Sisko kritzelte Linien und Flächen auf das Papier, und verursachte dadurch immer wieder Einwürfe der Umstehenden in Bezug auf Stabilität, mögliche Materialien, Himmelsausrichtung und Verbesserungsvorschläge. Schließlich prangte die vordere Kantenansicht eines einstöckigen Hauses nebst Grundriss und einer Skizze eines möglichen Kellers auf dem Papier. „Können Sie mir helfen, das zu bauen?“

Die Meisterin nickte bedächtig mit dem Kopf. Ihre Mitarbeiter waren bereits in eine Diskussion verstrickt, welches Element wo an dem Haus am besten passen würde. „Ja, das könnten wir. Wo soll Ihr Haus denn stehen, Fremder.“ Das letzte Wort betonte sie, um ihrem Gast klar zu machen, dass er immer noch nicht die Höflichkeit besessen hatte sich vorzustellen.

Sisko reagierte nicht darauf. „Etwa drei Stunden südöstlich von hier befindet sich eine weitläufige Hangwiese. Dort soll es stehen. Ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, ob ich es am Fuß des Hangs oder an dessen oberem Ende haben möchte.“

Einer der Mitarbeiter nickte, ihm war die Beschreibung der Gegend ein Begriff. Die Miene der Meisterin jedoch verfinsterte sich. Sie stemmte die Fäuste auf die Hüfte. „Dieses Land gehört Ihnen nicht, Fremder. Ich weiß genau, welchen Hang Sie hier beschreiben. Das ist das Eigentum des Abgesandten. Sie werden niemanden finden, der für Sie dort etwas baut.“

„Und wenn ich die Erlaubnis des Eigentümers habe?“ Sisko hob die Hände, um die Kapuze nach hinten zu streifen. Er schenkte der kleinen Runde an bajoranischen Kunsthandwerkern ein flüchtiges Lächeln, welches seine weißen Zähne erstrahlen ließ.

Wie eine Person traten die vier Bajoraner zurück und starrten den Mann an ihrem Tisch an. Die Meisterin fasste sich als Erste wieder und neigte ihren Kopf. „Abgesandter!“, flüsterte sie. „Sie sind zurück?“

Ein weiteres Lächeln huschte über Siskos Züge. „Ganz offensichtlich.“ Er konnte den Augen der ihn anblickenden Bajoraner genau ansehen, dass eben der Grundstein für eine neue Legende gelegt worden war. Der Abgesandte war aus dem Himmelstempel zurückgekehrt und die ersten Personen, die er aufgesucht hatte, waren keine geistlichen oder weltlichen Bajoraner von Rang und Namen, sondern eine kleine Schreinerei in den wenig frequentierten Bereichen der Kendra-Provinz. Er würde die Unsterblichkeit der Propheten verwetten, dass über kurz oder lang eine Plakette mit entsprechend tiefsinnigem Text an der Außenwand der Schreinerei prangen und sie in zukünftigen Reiseführern besonders hervorgehoben wurde. Wahrscheinlich hatte er gerade unbeabsichtigt für einen steilen Karriereanstieg dieses kleinen Unternehmens gesorgt.

„Wir können alles für Sie bauen, alles“, versicherte die Frau nun mit dieser tiefen Ernsthaftigkeit, welche keinen Raum für Zweifel an der Erreichbarkeit des Unmöglichen ließ.

Sisko ließ ein Lachen in seiner Kehle vernehmen. „Dieses einfache Haus würde mir für den Anfang völlig genügen.“

Sie nickte. „Wann sollen wir beginnen?“

Er blickte sie an, die letzte Erheiterung noch nicht wieder ganz von seinen Zügen gewichen. „Jetzt?“

Es lag kein Zögern in ihrer Haltung, als sie sich zu einem ihrer Mitarbeiter umwandte. „Keral, geh die Auftragsdateien durch und teil unseren Kunden mit, dass ein wichtiger Auftrag dazwischen gekommen ist, und sich die Ausführung der anstehenden Arbeiten um eine Woche verschieben wird.“

Der junge Mann nickte. „Was soll ich den Kunden sagen?“

„Nichts“, bestimmte Sisko. „Ich möchte, dass meine Anwesenheit hier noch für ein paar Tage länger unter uns bleibt, lässt sich das machen?“

Wie eine Person nickten die vier Schreiner. „Aber natürlich, Abgesandter.“
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