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Sein Glückstag

von werewolf

Kapitel 1

Ich habe mich für Nummer 2 entschieden.

Jahr 2594, irgendwo im Alpha Quadranten

Seran sah sein Spiegelbild im Wasser eines Sees.
Jeden Morgen kam er hierher, um auf Beute zu lauern.
Ratten und andere kleine Säuger meist, auch Vögel, nur selten konnte er größeres Wild erlegen.
Heute war ein guter Tag. Er hatte schon zwei Wildkaninchen erbeutet, beides stattliche Exemplare, nicht so mager wie die meisten.
Heuschrecken und Kakerlaken gab es in rauen Mengen auf diesem Planeten, sodass seine Frau, die Kinder und er zwar nie wirklich satt wurden, aber auch nicht wirklich hungerten.

Gedankenverloren strich er über seine Stirn.
Anstatt Augenbrauen hatte er seltsame knöcherne Erhebungen oberhalb der Augen, und auch seine Haut war seltsam geschuppt und noch dazu leicht grau.
Das auffälligste aber war eine Art Vertiefung oberhalb der Nase.
Er kannte niemanden sonst, der so aussah, und keiner wusste, weshalb er so war.
Seine Mutter hatte angeblich –das hatte man ihm so gesagt, er selbst konnte sich nicht daran erinnern- auch so ausgesehen, aber sie und sein Vater waren gestorben, als er noch ein Kind war.
Er dachte manchmal, wenn er wie eben stundenlang ausharrte, darüber nach und konnte es sich auch nicht erklären, aber wissen würde er es schon ganz gerne.
Noch dazu, wo es ihm ja auch Vorteile brachte, dass er so war.
Er war kräftiger als andere und konnte schneller reagieren, weshalb er effektivere Waffen nutzen konnte und seine Beute ihm fast nie entkam.
Nahrungsmangel machte ihm weniger zu schaffen als den anderen.
Aber auf Kälte reagierte er sehr empfindlich.
Glücklicherweise hatte dieser Planet, den man Bajor nannte, keine besonders kalten Winter.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er eine Bewegung.
Eine Ratte. Und was für eine. Heute schien sein Glückstag zu sein.
Langsam hob er den Bogen und zielte.
Leider bemerkte der Säuger ihn und floh.
Er sprang auf und verfolgte das Tier.
Seran rannte durch kniehohes Dornengestrüpp, sprang über einen Trümmerhaufen, griff das überraschte Tier und brach ihm das Genick.
Auch ein Vorteil seines seltsamen Aussehens – seine Haut war widerstandsfähiger und Dornenranken machten ihm nicht viel aus.
Er wollte gerade seinen Bogen und die beiden anderen erbeuteten Tiere holen, als ihm etwas Seltsames auffiel.
Inmitten einiger anderer Trümmer –die gab es hier viel, aber er wusste nicht wirklich, was vorher auf Bajor gewesen war, nur, dass es sich um einen Krieg gehandelt hatte- befand sich eine graue Kiste mit einem blau leuchtenden Stein an jeder Seite.
Der Deckel war offen, und die nähere Umgebung des Gegenstands flimmerte bläulich.

Seine Frau hatte ihm vor einigen Jahren das Lesen und Schreiben beigebracht, sodass er mit einiger Mühe die Informationen hatte entziffern können.
Seiten waren herausgerissen, durch Feuer oder Wasser unleserlich geworden, aber offenbar war vor etwas mehr als hundert Jahren ein anderes Volk, das man Cardassianer nannte, auf Bajor gelandet, hatte sich aber nach mehreren Jahrzehnten und einigen ausufernden Konflikten mit dem einheimischen Volk, den Bajoranern, wieder zurückgezogen.
Dann hatte es Krieg gegeben, an dem auch andere Völker beteiligt gewesen waren. Diese hießen Romulaner, Klingonen, das Dominion, Menschen und noch andere, die entsprechende Seite hatte aber gefehlt.
Jedenfalls hatten Menschen und einige andere Völker eine als Föderation bezeichnete Allianz gegründet und zusammen mit den Romulanern vorrangig gegen das Dominion, die sich mit den Cardassianern zusammengetan hatten, gekämpft. Letztere hatten aber auch einen kriegerischen Konflikt mit den Klingonen.
Der letzte Satz beschrieb eine Formation klingonischer Schiffe mit Kurs auf Bajor.
Dann endete das Buch abrupt.
Aber in einem vorherigen Kapitel über die Kultur der Bajoraner hatte er von Objekten gelesen, die man Tränen der Propheten nannte und denen man besondere Eigenschaften und Fähigkeiten zuschrieb.
Eine Zeichnung hatte dieses hier dargestellt. Der Legende nach konnte es eine Person oder einen Gegenstand in der Zeit reisen lassen.
Ein Schritt weiter, und er würde Hunderte von Jahren hinter sich lassen. Ein Schritt weiter und nichts wäre mehr so, wie es zuvor gewesen war.
Er war schon immer neugierig gewesen, und so trat er auf das Objekt zu.

Ein Strudel aus Farben umgab ihn, und er konnte sich nicht orientieren.
Dann klärte sich sein Sichtfeld wieder, und er sah ein Bajor, wie er es nicht kannte.
Städte und Dörfer überall, auch Tempel.
Bajoraner und Bajoranerinnen, die Ackerbau und Viehzucht betrieben, Maschinen bauten und Raumschiffe, die zu den Sternen reisten und eine seltsame Erscheinung entdeckten, die sie Himmelstempel nannten und die irgendwo im All sein musste.
Dann sah er die Cardassiner auf Bajor landen, aber so weit entfernt, dass er Raumschiffe und ihre Besatzung nicht näher erkennen konnte.
Es folgten kriegerische und friedliche Szenen, dann der Abzug des anderen Volkes.
Nachdem eine Zeit lang die Bevölkerung ihren tägliche Pflichten nachgegangen war, sah er die Schiffe der Klingonen, die Bomben abwarfen und deren Truppen alles zerstörten.
Er war an Leid gewöhnt, aber dieser Anblick war verstörend für ihn.
Jetzt sah der Planet so aus, wie er ihn kannte.
Er war erstaunt, wie viele vorher hier gelebt hatten, was es für Tiere gegeben hatte.
Besonders faszinierten ihn die großen Säugetiere, die verschieden gefärbtes Fell hatten –besonders die weißen davon mochte er-, lange Haare am Hals und am hinteren Körperende, die sich schnell fortbewegen konnten. Man konnte sich auf ihren Rücken setzen oder sie die schweren Geräte für den Feldbau ziehen lassen. Einige hielten sie auch, damit sie über Hindernisse sprangen oder um die Wette liefen.
Die kleineren Fleischfresser wären sehr nützlich für ihn und die anderen. Sie lebten am liebsten in Gruppen, wurden schnell zahm und folgten ihren Besitzern auf Schritt und Tritt. Sie konnten verletztes Wild aufspüren und es gegebenenfalls töten, erstaunlicherweise fraßen sie es dann nicht, sondern brachten es ihren Besitzern. Außerdem konnten sie den Besitz bewachen, verscheuchten andere Personen durch Gebell und waren für die Kinder schon fast Freunde.
Aber am meisten begeisterten ihn die wild lebenden Tiere mit braunem Fell und langen Beinen, bei denen die männlichen Exemplare ein Geweih trugen, das sie jedes Jahr wechselten und an dessen Enden man das Alter des Tieres ablesen konnte.
Nicht nur das Fleisch, das so ein Tier bringen würde, wirkte verlockend, auch der einfache Anblick eines so stolzen und eleganten Tieres wäre ein absolutes Geschenk.
Dann sah er ein Paar in einem Wildpark, vermutlich zur Zeit der Cardassianer.
Die Frau sah so aus wie alle auf Bajor, aber der Mann war ihm selbst zweifellos ähnlich. Die graue, schuppige Haut, die Knochenauswüchse im Gesicht, die schwarzen Haare.
Seran wusste ohne jeden Zweifel, dass er von den beiden abstammte.
Die Frau trug ein Mädchen auf dem Arm, ein Kleinkind, das sowohl ihr als auch dem Mann ähnelte.
Eines der prächtigen Tiere mit dem Geweih, ein weißes, wie Seran erstaunt feststellte, lag im Schatten eines Baumes und ruhte. Die beiden unterhielten sich auf Bajoranisch, und so erfuhr er, wie man dieses Tier nannte: eres.
Die Frau wandte sich ihm zu.
„Ist deine Welt das Bajor der Zukunft?“
Er nickte.
„Warum ist es so gekommen?“ Sie wirkte gefasst, aber von einer subtilen Traurigkeit.
„Klingonische Schiffe verwüsteten den Planeten.“
Auch der Mann war inzwischen hinzugetreten, er wirkte ebenso wie seine Frau.
„Wie ist dein Name?“
„Seran. Seid ihr…?“ Er sprach den Satz nicht zu Ende.
„Deine Urgroßeltern, ja. Tora Naprem, Skrain Dukat und“, er deutete auf das Kind, „Ziyal. Sie wird einmal deine Großmutter sein.“
Es war unwirklich, seinen Vorfahren gegenüberzustehen. Seine spätere Großmutter war gerade so alt wie sein jüngster Sohn. Ein seltsames Gefühl.
„Ich freue mich auf jeden Fall zu erfahren, dass Ziyal einmal Kinder bekommen wird, oder bekommen hat. Was für eine skurrile Situation“, meinte Naprem.
„Wusstet ihr das nicht?“
„Leider werden wir beide nicht lange genug leben, um das zu erfahren.“ Skrains Gesichtsausdruck war nun definitiv traurig. „Das Schiff, mit dem Naprem reisen wird, wird angegriffen werden und abstürzen, ich werde von einem Geist besessen und deshalb von einem Menschen getötet werden.“
Seran spürte Trauer um den Tod der beiden.
Naprm bemerkte das.
„Du musst nicht um uns trauern. In deiner Zeit sind wir schon längst tot.“
Pause.
„Hast du eine Familie?“
Seran nickte. „Meine Frau, zwei Söhne und eine Tochter. Sie sehen… so ähnlich aus wie ich.“
Pause.
„Wird dieses Gespräch die Zeitlinie beeinflussen?“
„Ich weiß es nicht“, meinte Skrain, „die Zeit ist so ziemlich das letzte Mysterium. Vielleicht hat sich alles so ereignet, weil dieses Gespräch stattgefunden haben wird. Niemand weiß das.“
„Wir sehen uns eines Tages wieder“, bemerkte Naprem zum Abschied.
Dann endete die Vision.

Als er das Trümmerfeld wieder verließ, sah er einen weißen eres, nicht weit entfernt, auf einer Lichtung.
Das Tier beobachtete ihn aufmerksam, floh aber nicht.
Hirsche gab es noch, aber nur sehr selten und in den Hochebenen des Nordens.
Nur wenige hatten jemals einen gesehen.
Es konnte kein Zufall sein.

Als er mit der Beute zurückgekehrt war, fasste er einen Entschluss.
Er holte das Buch hervor, das er gefunden hatte, mischte aus farbiger Erde und Wasser eine schreibfähige Substanz, und schrieb mit einer Feder, ungeübt zwar, aber lesbar, auf eine freie Seite:
Jahr 2594, Bajor. Mein Name ist Seran. Ich habe eine der Tränen der Propheten entdeckt, die die folgende Vision hervorrief…

Die Zeit verging, Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte.
Bajor erwachte zu neuem Leben, die Städte wurden wiederaufgebaut, die Äcker wieder bewirtschaftet.
„Ich habe etwas gefunden, Sir“, meinte Area, eine junge bajoranische Archäologin, deren Haut einen leichten Grauschimmer aufwies, und hielt ein Buch in die Höhe, das schon sehr alt zu sein schien, und dessen letzte Seite handschriftliche Eintragungen aufwies.

Der Angesprochene war von ihr unbemerkt außer Hörweite gegangen, um nach dem restlichen Team zu sehen.
Aber im Licht der untergehenden Sonne stand ein weißer eres. Er sah ihr direkt in die Augen.


Ende

Danke fürs lesen :) Hab aufgrund eines konstruktiven Reviews noch ein paar Kleinigkeiten geändert.
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