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I'm on your Spaceship

von marliseyna

Kapitel 1

Als erstes nahm Jim die Kopfschmerzen wahr, als er aufwachte. Wobei unerträgliches Hämmern es wohl besser beschrieben hätte. Einen dermaßen schlimmen Kater hatte er seit Monaten nicht mehr gehabt und das wollte etwas heißen. Sonst schaffte er es auch immer, sich nach sexuellen Kontakten mit seinen Partnern schleunigst aus dem Staub zu machen, anstatt bis 5.00 Uhr morgens durchzuschlafen, worüber ihm der Wecker auf dem Nachttisch einige Sekunden später Auskunft gab. Er drückte die Augen einmal kräftig zu und öffnete sie dann weit, um eine klarere Sicht zu bekommen. Er drehte sich zur Seite und sah einen Rücken. Einen ziemlich breiten, leicht behaarten Rücken.

Die Erinnerung an den vergangenen Abend kam zurück und sie brachte ihn zum lächeln. Man könnte meinen, dass der Gedanke daran, mit einem anderen Mann im Bett gelandet zu sein, ihn schockiert hätte, aber das war nicht der Fall. Er hatte zwar noch nie Sex mit jemandem desselben Geschlechts gehabt, aber war schon einigen Männern näher gekommen als was die Gesellschaft als ‚normal‘ deklarierte. Wenn man ihn erwähnte, dann sowieso meistens als ‚Den Typen, der jeden gevögelt hat‘, von daher würde es andere vermutlich genauso wenig aus der Ruhe bringen wie ihn selbst.

Er stand auf und begann diverse Kleidungsstücke, die auf dem Boden verteilt waren, einzusammeln.

Jim schloss die Türe leise, um die anderen Gäste des Hotels, die eventuell um diese Zeit noch schliefen, nicht zu stören und hielt kurz inne. Er versuchte sich eine Strategie zurecht zulegen, mit der eine peinliche Stille vermieden werden konnte. Allerdings wollte sein vom Alkohol benebeltes Gehirn ihm nicht wirklich aushelfen, weshalb er sich einfach umdrehte, ohne wie gewöhnlich einen guten Spruch auf den Lippen zu haben. Zu seiner Bestürzung sah er, dass Pille (diesen Spitznamen hatte er ihm auf dem Weg hierher gegeben, nachdem er sich über diverse Antidepressiva, die Leonard in seinem Leben anscheinend schon zu sich genommen hatte, lustig gemacht hatte) den Schrank der Bar geöffnet hatte und sich bereits einen Schnaps in ein kleines Glas goss, und prompt mal eine große Menge davon auf den Teppich verschüttete. Ohne zu zögern, trank er den Inhalt des Glases mit einem Schluck aus. „Wie viel kann ein einzelner Mensch eigentlich trinken, ohne das Bewusstsein zu verlieren?", fragte Jim, der sich schleunigst einen Plan einfallen lassen wollte, um Pille davon abzuhalten, sich nochmals etwas in sein Glas zu schütten.

Dieser drehte sich um und sah ihn durch leicht glasige Augen an. „Du weißt schon ... ich ... ich bin dran gewöhnt."

Jim seufzte und ging auf ihn zu. „Wann fliegt dieses tolle Sternenflotten-Shuttle morgen?"

„Um Acht"

Jim umfasste Leonards Kopf mit den Händen und zog ihn mit sanfter Bestimmtheit näher zu sich heran, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Er setzte den verführerischsten Blick auf, den er auf Lager hatte und flüsterte: „Na, dann mal los."

Dann küsste er Leonard, hart und begierig.


Jim lächelte in sich hinein und ging zu Leonards Seite des Bettes. Er konnte sich nicht verkneifen, ihn eine ganze Weile lang beim Schlafen zu beobachten. Die Position, in der er sich befand, sah zwar irgendwie etwas schmerzhaft und eigenartig aus, aber seine Gesichtszüge waren vollkommen entspannt. Er atmete gleichmäßig. Jim nahm den Wecker und stellte ihn auf 7:15 Uhr.

Um Acht also. Jim sah auf und durch das Fenster neben dem Bett. Draußen war es noch dunkel, also konnte er sich selbst sehen. Sein Spiegelbild sah traurig aus, die Augenbrauen waren leicht zusammengezogen. Und wieder erinnerte er sich an seinen Vater. Wobei ‚erinnern‘ das falsche Wort war, denn er hatte ihn ja nie gekannt. Allerdings war er sich sicher, wenn er ihn gekannt hätte, wäre sein Leben anders verlaufen. Er hätte sich nicht immer fürchten müssen, nach der Schule nach Hause zu kommen. Er hätte jemanden gehabt, der sich um ihn gekümmert hätte, jemand der seinem Leben eine Struktur gegeben und ihm Ziele geschenkt hätte. Er würde nicht abends herumirren und es mit wildfremden Leuten treiben, weil er keinen besseren Plan für seine Zukunft hatte. Er sah hinunter auf den Mann neben sich und sah wieder ins Fenster zurück. Er seufzte.

Es war bereits eisig kalt draußen und die Straßenlaternen gaben nur sehr dürftiges Licht ab. Jim und Leonard gingen nebeneinander her, seitdem die Beiden die Bar verlassen hatten sagte keiner ein Wort. Jim war die andauernde Stille unangenehm, weshalb er sich um ein Gespräch bemühte.

„Was machst du so an der Akademie? Ich meine, was ist dein Spezialgebiet?"

„Medizin. Ich bin Arzt."

„Oho, ein Arzt!"

„Jahaa, ein Arzt. Früher hatte ich ja meine eigene Praxis, aber na ja. Hat einfach nicht funktioniert, hat mich an zu viele Dinge in der Vergangenheit erinnert. Du weißt schon, meine Frau ... Ex-Frau."

„Wie das erste Mal auf dem Untersuchungsstuhl?"

„Sehr witzig."

„Aber ernsthaft, eine eigene Praxis in deinem Alter? Du musst ein ziemlich guter Arzt sein. Die bei der Sternenflotte werden sich um dich reißen."

„Es mag sein, dass ich ein guter Arzt bin, aber mal unter uns – die Sternenflotte sucht verzweifelt nach neuen Rekruten."


***

Jim kam dem riesigen Komplex, von dem später die neuen Rekruten abfliegen sollten immer näher. Er bremste sein Motorrad ab, um das sich ihm bietende Bild ein wenig genauer betrachten zu können. Er würde sich selbst belügen, wenn er sich nicht eingestand, dass ihn der Anblick faszinierte, mehr sogar, eine gewisse Abenteuerlust in ihm entfesselte. Er tat das Richtige, irgendwie war er sich dessen sicher. Hier und jetzt war seine Chance, seinen Weg zu finden, und er würde sich diese Gelegenheit nicht selbst verbauen und trotz seines brillanten Zeugnisses als frustrierter Farmer ohne Namen enden. Was genau ihn zu diesem plötzlichen Sinneswandel gebracht hatte, konnte er sich zu diesem Zeitpunkt selbst nicht richtig erklären.

Als er sich dem Eingangstor näherte, bemerkte er zwei Männer, die in aufrechter Position dastanden und es offensichtlich bewachten. Er war ein verdammter Idiot.

„Zulassungsbescheinigung bitte", sagte einer der Beiden, als er sie erreichte. Jim setzte sein charmantestes Lächeln auf, auch wenn er sich sicher war, dass es bei diesen Beiden hier recht wenig nutzte. Die Sternenflotte sollte eindeutig mehr Frauen einstellen.

„Ähm", lachte er leicht nervös, „nun ja, die Sache ist die ... Ich habe keine Papiere. Hierher zu kommen war eine ... sehr spontane Entscheidung."

Die Wahrheit siegt am Ende immer.

Die Männer vor ihm fingen schallend an zu lachen. „Keine Papiere, so so. Was lässt Sie denken, dass Sie hier einfach so reinspazieren können?", fragte der andere.

Hinter ihm fuhr ein Fahrzeug an, und Jim tat sein Bestes es zu ignorieren. Im Moment konnte er Zuschauer wirklich absolut nicht gebrauchen. „Na ja, also ein ... Freund meinte die Sternenflotte sucht verzwei... dringend neue Rekruten."

„Wie heißen Sie, Junge?"

Die Stimme kam von hinter ihm und Jim drehte sich überrascht um. Der Mann vor ihm bekleidete den Rang eines Captain, wie Jim an seiner Uniform schnell erkennen konnte. Die Lage wurde wirklich immer besser, absolut.

„James Kirk, Sir"

„Kirk?" Die Augen des Mannes weiteten sich kurz, bevor er sich bemühte, eine professionelle Haltung zu bewahren. „George Kirks Sohn, nehme ich an?“ Jim nickte schlicht. „Gut, Ihr Freund hatte Recht. Die Besatzung in diesem Jahr schaut ein wenig mager aus, aber das kann unter uns bleiben, nicht wahr?"

Jim entging nicht, dass die beiden Wachen ihm einen überraschten und zugleich etwas entgeisterten Blick zuwarfen, dem der Captain mit einem strengen Blick seinerseits Einhalt gebot. „Mein Name ist Christopher Pike." Er gab ihm die Hand. „Ich werde mich um Ihre formelle Aufnahme kümmern. Jemand wird Sie nachher in der Akademie aufsuchen, um einige Dinge mit Ihnen zu besprechen."

Jim konnte im Moment noch nicht fassen, was für ein verdammtes Glück er gehabt hatte, und noch weniger konnte er sich erklären, wieso der Captain ihn quasi mit offenen Armen empfangen hatten, wo sein plötzliches Auftreten doch nichts als dreist gewesen war – das musste selbst er sich eingestehen. „Ich danke Ihnen", sagte er also einfach, begleitet vom Versuch eines Lächelns.

„Beweisen Sie mir einfach, dass ich mich nicht in Ihnen täusche Mr. Kirk und dass Sie das Vertrauen auch verdienen, das ich in Sie setze. Das ist der beste Dank, den Sie mir entgegen bringen können. Ich muss jetzt jedenfalls weiter und ich bin mir sicher, die Leute hinter uns hätten auch nichts dagegen, wenn es hier weitergeht."

Er stieg wieder in seinen Wagen ein und Jim sprang mit einer handschriftlichen Zulassung wieder auf sein Motorrad. Die Männer am Wachposten schüttelten einfach nur die Köpfe, als er an ihnen vorbei fuhr.

***

Er stieg in eines der Shuttles und stieß sich prompt den Kopf an einem Metallträger, der unerwartet niederen Decke an. Zu seiner Erleichterung hatte es offenbar keiner der anderen Rekruten gemerkt, so dass ihm eine komplette Blamage erstmal erspart blieb. Er setzte sich auf den ersten freien Platz und musterte die anderen. Eine bekannte Stimme unterbrach ihn und ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen, obwohl er eigentlich fest damit gerechnet hatte, sie heute noch zu hören.

„Ich brauche keinen Arzt, verdammt ich bin Arzt!"

„Sie müssen sich auf Ihren Platz setzen!"

„Ich hatte einen – im Badzimmer - ohne Fenster!"

Jim prustete. Angst vorm Fliegen, richtig. Irgendwas war da doch gewesen.

„Setzen Sie sich, oder ich werde dafür sorgen, dass Sie sich hinsetzen!", drohte ihm die deutlich kleinere Frau und sah ihn so streng an, dass er schließlich einknickte und nachgab.

Leonard warf der Frau vor sich einen kurzen, mürrischen Blick zu und nickte, dann sah er zu Jim und setzte sich auf den letzten freien Platz, direkt neben ihn. „Na schön."

Jim sah ihn an, wartete darauf, dass er irgendwas sagte, ihm das kleinste Zeichen gab, dass er Notiz von ihm genommen hatte. Dass er überrascht war Jim zu sehen, denn er hatte schließlich nichts von seinem Plan hierher zu kommen gewusst. Aber Leonard tat nichts dergleichen. Erst nachdem er sich angeschnallt hatte, drehte er sich zu ihm und sagte: „Gut möglich, dass ich dich vollkotze. Aviophobie und dann noch einen mordsmäßigen Kater, ich hätte gestern Abend nicht soviel trinken sollen, Gott verdammt."

Wenige Sekunden später fiel bei Jim der Groschen. Leonard hatte nicht die leiseste Ahnung, wer Jim eigentlich war.
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