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The Wayward Wind

von Melui

Catch Fire

3 • Catch Fire


Er wurde Jim so schnell nicht wieder los und irgendwann gegen Abend des dritten Tages hatte Leonard sich damit abgefunden. Kaum hatte er das geschafft, wurde Jim deutlich erträglicher, auch wenn Leonard nicht genau festmachen konnte, ob er sich nur allmählich auch an Jims Art gewöhnte oder ob der wirklich aufhörte sich ununterbrochen darzustellen und zu posieren wie ein Gockel. Zwei- oder dreimal hatte er es in den Tagen davor geschafft, Leonard mit seinem ständigen Geplapper dazu zu bringen, ihn genervt und forsch genug wegzuschicken, dass Jim tatsächlich darauf hörte. Dann blieb er ein paar Stunden auf Abstand, hängte sich abwechselnd an einen der anderen oder verschwand aus Leonards Sichtfeld wusste der Teufel wohin – auf die andere Seite der Herde womöglich.

Sie mochten ihn ja alle, die Jungs ohnehin, die sich altersmäßig so nah waren, Quinn, Allan und der ganze Rest, innerhalb weniger Stunden war Jim einer von ihnen gewesen. Aber sogar Jenkins und der alte Pete. Es musste die Ausstrahlung sein, die ewig gute Laune und dass Jim darüber hinweg eben doch etwas drauf hatte. Leonard wusste wirklich nicht, warum der Junge ausgerechnet an ihm klebte wie eine Biene am Honigtopf. Das heißt, natürlich wusste er, worauf Jim aus war, aber die Hartnäckigkeit überraschte ihn. Dass er am vierten Tag, den er sie nun schon begleitete, immer noch nicht aufgegeben hatte, die meiste Zeit neben Leonard herzutraben und auf ihn einzuplappern, obwohl Leonard kaum je antwortete.

„Du hörst mir gar nicht zu.“ Jim wirkte mehr amüsiert als beleidigt, als er das – nicht zum ersten Mal – feststellte. „Dann erzähl doch du zur Abwechslung mal was. Ich bin neugierig – was bringt einen Medizinmann aus Georgia dazu, Rinderherden quer durch die Südstaaten zu treiben?“

„Eine Frau“, antwortete Leonard knapp. Sein Lieblingsthema, ausgerechnet.

„Eine Frau?“ Einen Moment klang Jim erstaunt, dann schnaubte er. „Was auch sonst.“

Leonard brummte zustimmend. Er rechnete keinen Augenblick damit, dass Jim nicht weiter bei diesem Thema nachbohren würde, aber er wurde überrascht.

„Und was war vor dieser Frau?“

Das war besser, über seine Familie reden, nicht über Jocelyn und die Demütigung. Jim brachte ihn tatsächlich dazu, in knappen Worten davon zu erzählen, wie seine Großeltern aus Schottland nach Amerika gekommen waren und sich in Georgia ein Leben als Farmer aufgebaut hatten. Die Farm, auf der auch Leonard aufgewachsen war.

„Willst du irgendwann zurück?“, fragte Jim ihn, als Leonard schließlich schwieg. Die Frage überrumpelte ihn ein wenig.

„Mal sehen“, antwortete er nach kurzem Zögern. Seit er mit dem Lebensweg gescheitert war, den er als seine Zukunft angesehen hatte – Landarzt, ein kleines Haus, Frau, Kinder – hatte er kein Ziel mehr, außer so wenig Menschen wie möglich um sich zu haben. „Wo kommst du her?“, schwenkte er um. Jim redete zwar viel, aber kaum je wirklich über sich.

„Ich?“ Er ließ sich Zeit mit der Antwort, bis Leonard ihm einen kurzen Blick zuwarf, seufzte dann leise. „Keine Ahnung, wenn du die Wahrheit wissen willst. Nirgendwo und überall.“

Normalerweise hätte das ausweichend geklungen, aber Leonard sah ihn an, sah den gesenkten Blick und den harten Zug um den Mund und wusste, dass das die womöglich ehrlichste Antwort gewesen war, die er von Jim bisher bekommen hatte.

„Was soll das heißen?“, fragte er dennoch nach.

„Mein Vater ist vor meiner Geburt gestorben und danach hat meine Mutter nichts mehr länger als ein paar Jahre an einem Ort gehalten. Ursprünglich bin ich damit wohl aus Iowa, aber daran erinnere ich mich nicht mal. Am längsten waren wir in San Francisco, vielleicht hatte meine Mutter die Hoffnung, einen zurückkehrenden erfolgreichen Goldgräber um den Finger wickeln zu können.“ Jim grinste ihn schief an und deutete an sich herab. „Hat nicht geklappt, wie man sieht.“

Leonard brummte nur zustimmend. Schon wieder hatte Jim erreicht, dass er nicht wusste, was er sagen sollte, wenn auch aus völlig anderem Grund dieses Mal. Die Offenheit überraschte ihn, zumal es deutlich war, dass das Thema Jim nicht lag.

*


Kurz nach Mittag verschwand Jim wieder, was Leonard zunächst gar nicht bemerkte, weil einige Tiere unruhig geworden waren und er alle Hände voll zu tun hatte. Später sah er ihn mehrmals abwechselnd bei den anderen Jungs, dann verschwand er aus Leonards Blickfeld. Dass er tatsächlich gar nicht mehr direkt bei ihnen herumhing, wurde Leonard erst klar, als sie das Lager aufschlugen. Bei den beiden die die liegende Herde umrundeten war er nicht, bei denen, die sich um die Pferde und das Lager kümmerten ebenfalls nicht. Das war ungewöhnlich und machte Leonard im ersten Moment besorgt, dann misstrauisch. Er schwang sich wieder in den Sattel, sagte Jenkins Bescheid, dass er sich in der Gegend umsehen würde und dass er ein schlechtes Gefühl hatte, nur um auf alles vorbereitet zu sein. Das hier war, ganz unabhängig von Jim, immer noch gefährliches Gebiet.

Er fand Spuren von Indianern, die allerdings schon einige Tage alt waren, ansonsten nichts, bis er auf einen Fluss stieß und dessen Verlauf in Richtung des Lagers ein Stück weit folgte. Kurz nachdem er an der nächsten Flussbiegung nach Süden in Richtung des Lagers abschwenken wollte, sah er Jims Grauen nah am Ufer grasen. Er ritt stirnrunzelnd näher heran. Ja, unverkennbar Jims Pferd, abgesattelt und angepflockt, Sattel und Jims Kleidung lagen ein paar Meter weiter auf dem Boden. Danach war Jim schnell entdeckt. Er stand bis zur Hüfte im Wasser und wusch sich, mit dem Rücken zum Ufer und damit auch zu Leonard. Trotz der Hitze am Tag musste der Fluss eisig sein.

Jim bemerkte ihn erst, als er am Flussufer aus dem Sattel sprang, er grinste, als er Leonard sah, winkte ihm zu und wirkte so fröhlich und unbekümmert wie eh und je.

„Komm rein, du hast das auch nötig.“ Jim grinste frech und watete näher ans Ufer. Leonard hielt den Blick verbissen auf sein Gesicht gerichtet. „Ist nicht so kalt, wie man denken könnte.“ Wie um das zu beweisen, tauchte Jim einmal ganz unter, kam prustend und lachend wieder an die Oberfläche und schüttelte sich das Wasser aus den Haaren wie ein Hund.

Leonard wusste nicht, warum er der Aufforderung folgte, tatsächlich aus Hemd und Stiefeln schlüpfte, die Hose hochkrempelte und skeptisch in das seichte Wasser der natürlichen kleinen Bucht watete. Es war kalt, nicht so eisig, wie er befürchtet hatte, aber obwohl er sich für recht hart im Nehmen hielt, wie Jim herumplantschen würde er mit Sicherheit nicht. Der sprang mit der Begeisterung eines Welpen durchs Wasser und gleichzeitig – ja, ein bisschen Angeberei war da schon, da war Leonard sich ziemlich sicher. Jim hatte einen tollen Körper, das war gar nicht zu bestreiten. Es sollte ihm nur nicht auffallen und vor allem sollte Jim nicht bemerken, dass es ihm auffiel. Für beides war es längst zu spät. Einige Meter von ihm entfernt war Jim an einer seichten Stelle stehengeblieben, nur bis zu den Knien im Wasser und grinste.

„Starrst du wieder auf meinen knochigen Hintern?“, rief Jim ihm zu und gab sich nicht die geringste Mühe, leise zu sein. Konnte doch wohl nicht wahr sein! So schnell das Wasser es erlaubte, watete Leonard zu ihm hinüber.

„Bist du wahnsinnig?!“, fauchte er. „Is‘ mir scheißegal, auf was du so stehst, aber eines garantier ich dir, den anderen nicht. Braucht nur einmal der Falsche hören und du hast ohne Nachfrage eine Kugel zwischen den Augen.“

Jim sah ihn belustigt an und kam näher, seine Hand streifte Leonards Bein, die Berührung durch den Jeansstoff kaum zu spüren. „Is‘ dir scheißegal, wirklich?“ Jims Hand verschwand nicht etwa, das Streicheln wurde nur deutlicher, hinten über seinen Oberschenkel, nach innen. Leonard atmete stockend aus, für einen Augenblick hatte er sich tatsächlich nicht unter Kontrolle und das reichte Jim wohl. Er schlang einen Arm um ihn, schmiegte sich an ihn, nackte Haut berührte seine. Jims andere Hand fuhr in seinen Schoß und massierte ihn durch den Stoff seiner Hose hindurch. Leonard war viel zu geschockt, um gleich zu reagieren, zu überrascht, um das leise Stöhnen zu verhindern, das über seine Lippen kam. Wo Jim ihn berührte, stand seine Haut regelrecht in Flammen. Aber – verdammt nochmal! Leonard wand sich aus Jims halber Umarmung, stieß ihn von sich und stolperte gleichzeitig ein paar Schritte zurück. Im ersten Moment schien Jim nachrücken zu wollen.

„Himmelherrgott, lass das!“, fauchte Leonard ihn an.

Jim rollte mit den Augen. „Sag mir, du willst das nicht und ich-“

„Ich will das nicht“, unterbrach Leonard ihn schroff. „Ich will, dass du deine verdammten Finger von mir lässt.“

Jim wich sofort zurück, die Augenbrauen geradezu erschrocken erhoben und für einen Augenblick wirkte er so verletzt, dass Leonard betroffen zur Seite sah. Er fing sich rasch wieder.

„Hier ist kein Mensch, Len“, murmelte er dann. „So wie sie stinken, meiden die anderen Wasser wie die Pest. Ich weiß nicht, vor was du so eine Angst hast.“

„Oh um Himmels willen!“ Hatten ihm seine harten Worte gerade noch leidgetan? Jetzt nicht mehr. Das war offensichtlich die einzige Sprache, die Jim verstand. „Ich sag’s nicht nochmal – bleib mir bloß vom Leib!“

Wütend stapfte Leonard aus dem Wasser, zog sich Hemd und Stiefel wieder an und schwang sich auf Peaches‘ Rücken. Auf halbem Weg zurück zum Lagerplatz kamen ihm Quinn und Allan entgegen. Leonard lächelte bitter. Jim war ein Idiot, ein verdammter leichtsinniger Idiot, wenn er wirklich gedacht hatte, sie würden da unten länger als zehn Minuten allein bleiben.

*


Gleich nach dem dürftigen Essen hatte Leonard sich aus dem Lager verzogen und sich unter ein paar Bäume auf einem Hügel ein paar hundert Meter davon entfernt hingesetzt. Cobble lag neben ihm im Gras und ließ sich das struppige schwarz gefleckte Fell kraulen. Die Sonne war längst untergegangen, aber noch waren Schemen zu erkennen – die Herde in der Ebene, immer wieder undeutlich die beiden sich bewegende Schatten, die sie umkreisten. Plötzlich hob der Hund den Kopf, stellte die Ohren auf und knurrte leise. Kurz darauf hörte Leonard die Schritte selbst. Er wusste, wer das war, noch bevor er ihn sah. Vielleicht sollte es ihm zu denken geben, dass er Jim schon an seiner Art zu gehen erkannte. Beruhigend kraulte Leonard Cobble hinter den Ohren, dessen Grummeln verstummte.

Jim ließ sich wortlos neben ihm auf den Boden fallen, streckte ein Bein aus und schlang die Arme um das andere. Er hatte den Hut so tief ins Gesicht gezogen, dass Leonard seine Augen nicht mal bei Tageslicht hätte sehen können, der angespannte Zug um den Mund verriet aber auch so alles. Das vorwurfsvolle Schweigen, das kannte Leonard noch von seiner Frau und wenn er sich nicht doch ein bisschen schuldig gefühlt hätte, hätte er das Jim auch auf den Kopf zugesagt. Dieses Schweigen war nicht angenehm, das Unausgesprochene lastete schwer, aber als Leonard gerade darüber nachdachte, die Situation aufzulösen und zu gehen, seufzte Jim neben ihm. Gras raschelte und als Leonard aufsah, saß Jim ihm zugewandt, wenn auch mit gesenktem Kopf, und rupfte kleine Grasbüschel aus.

„Ich bin das nicht mehr gewöhnt“, sagte er leise. „Meine… Freunde scheren sich nicht darum, was ich mit wem mache.“

Leonard nickte leicht, überlegte kurz. „Deine Freunde?“, wich er schließlich dem Thema aus, das eigentlich zwischen ihnen hing. Jim nickte bloß vage dazu, also fragte Leonard weiter. „Wo sind sie? Warum reist du allein?“

„Mache ich ja nicht, oder?“ Das Grinsen war mehr zu erahnen als zu sehen, war mit seinen nächsten Worten aber wieder verschwunden. „Wir stehen ein bisschen abseits der Gesellschaft, manche aus offensichtlicheren Gründen als ich. Die Gesellschaft hat nicht so viel übrig für Halbblüter.“ Noch immer rupfte Jim Grashalme aus, das einzige Zeichen dafür, dass er vielleicht nicht ganz so ruhig war, wie er vorgab. „Ich war zu unvorsichtig, ich passe ab jetzt besser auf.“

„Du passt besser auf.“ Leonard schüttelte den Kopf und lachte hohl. Er verstand schon, was Jim damit sagen wollte. Besser aufpassen war nicht aufhören. „Vielleicht fängst du auch mal damit an mir zuzuhören.“

„Tue ich ja“, behauptete Jim ungewöhnlich schroff, setzte sich auf und rutschte näher an ihn heran, sodass die Krempe seines Hutes gegen Leonards stieß. Das hatte nichts von dem Spielerischen, das Jim bisher so anhaftete, die Geste war bestimmter, aggressiver. „Ich hör dir zu und ich seh dir zu und ob du’s glaubst oder nicht, das spricht eine ziemlich deutliche Sprache, wenn man weiß, worauf man achten muss.“

„Ist das so?“, murmelte Leonard, nur halb bei der Sache. Jim war zu nah, verdammt nochmal, wie sollte er da denken. Wie sollte er um Himmelswillen richtig reagieren, wenn Jim halb über ihm hing, wenn ihre Schultern fast aneinanderstießen, seine Hand Leonards Seite berührte, wenn nur ihre Hüte verhinderten, dass Jim ihm noch näher kam. Mechanisch hob Leonard die Hand und schob Jims Hut zurück. Kurz streiften Leonards Finger Jims Gesicht, dann zog er die Hand rasch zurück. Er sollte das nicht tun, er sollte das wirklich nicht tun.

Viel war in der einsetzenden Dunkelheit nicht mehr zu erkennen, aber er sah Jims Augen glänzen, bemerkte das kurze Zögern, bevor Jim ebenfalls die Hand hob und seinerseits Leonard den Hut vom Kopf schob. Jims Finger fuhren in seine Haare, dann spürte Leonard den warmen Atem auf seinen Lippen. Zwei oder drei Herzschläge lang war es ein vorsichtiges, einseitiges Herantasten, dann erwiderte Leonard den Kuss. Er hörte Jim stöhnen, zog ihn näher, dann verlor er völlig die Kontrolle. Jim rutschte auf seinen Schoß, brachte ihn dabei fast aus dem Gleichgewicht, und vergrub beide Hände mit schmerzhaft festem Griff in Leonards Haaren. Es war genau wie am Fluss, jede Berührung von Jims Körper an seinem, jeder hungrige Kuss brannte sich wie ein Buschfeuer durch Leonards Körper. Mit einer Hand stützte er sich ab, mit der anderen hielt er Jim eng an sich gepresst. Er konnte nicht mehr denken, er versuchte gar nicht erst, es zu beenden. Dann würde es eben passieren, gerade war ihm jede Konsequenz egal, Jim fühlte sich so wahnsinnig gut an.

Eine nasse Nase an seinem Arm, dann an seiner Wange riss ihn unsanft zurück in die Wirklichkeit, aber es war Jim, der sich von ihm löste. Er blieb auf Leonards Beinen hocken und wischte sich fluchend über Wange und Mund.

„Zum Teufel, dein verdammter Hund-“ Cobble begann zu knurren und zu bellen, was Jim dazu brachte, aus Leonards Schoß zu rutschen, Leonard zwischen ihn und den Hund zu bringen. „Hat er das etwa verstanden?!“

Das war so albern, in einer anderen Situation hätte Leonard darüber gegrinst. So aber schob er Jim vollends von sich, stand auf und starrte in die Dunkelheit. Sein Hund bellte nicht grundlos, da ging irgendwas vor sich. Leonard beachtete Jim nicht, der sich murrend ebenfalls aufrappelte, sondern rannte los, zurück zum Lager. Er war keine fünf Schritte weit gekommen, als in der Ebene schon die ersten Schüsse fielen.

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