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Halloween

von Emony

Kapitel 2

Da ich nur noch eine knappe Stunde bis zum Abgabeschluss habe und morgen früh raus muss, hat es mir nicht mehr für eine Korrekturlesung gereicht. Das mache ich dann im Lauf der nächsten Tage, sobald ich Zeit finde. Ich wollte die Story jedoch unbedingt noch abschließen. :)
„Ich liebe diesen alten Filme“, schwärmte Nyota, als sie neben Leonard das Kino verließ. Sie hakte sich automatisch wieder bei ihm ein und schenkte ihm ein zufriedenes Lächeln. „So verbringe ich Halloween am liebsten.“

„Für gewöhnlich hab ich Dienst auf der Krankenstation – ganz freiwillig“, brummte Leonard. „In diesem Jahr hatte ich Pech mit der Rotation und gezwungener Maßen freinehmen müssen.“ Schließlich erwiderte er ihr Lächeln, wenn auch weniger deutlich. „Der Abend war wider Erwarten angenehm.“

„Ich hatte auch bereits mit dem Schlimmsten gerechnet, als Gaila mich zu dieser blöden Party überredete.“ Sie gingen schweigend nebeneinander her zurück zur Akademie.

Nach einigen sehr angenehm ruhigen Minuten sprang jedoch jemand verkleidet aus einem nahen Busch und erschreckte die beiden dermaßen, dass sie sich gleichzeitig ans Herz griffen. Leonard beschimpfte und verfluchte den fremden, vermeintlichen Serienkiller, der es mit dem Kunstblut auf seinem Kostüm eindeutig übertrieben hatte, während Nyota versuchte den Arzt zu beruhigen. Sie musste ihn kraftvoll am Arm festhalten, als Leonard drauf und dran war dem ‚Killer‘ an die Gurgel zu gehen, der den Arzt nur schallend auslachte und sich dann trollte.

„Wegen Idioten wie dir ist die verdammte Notaufnahme der Akademie jedes Jahr überfüllt!“, schrie Leonard dem Kadetten nach, der Richtung Wohnheime davon eilte. Nyota nahm zumindest an, dass er ein Kadett war. Sonst hätte er schließlich keinen Zutritt zum Akademie-Gelände. „Arschloch!“

„Beruhigen Sie sich, Leonard. Der Typ ist wahrscheinlich total betrunken und hat sich nichts dabei gedacht.“

„Das ist ja das Problem. Die denken alle nicht mehr nach. Alles ist nur Spaß, bis es plötzlich schief geht und ernst wird.“ Leonard hielt einen Moment inne, sammelte sich wieder und atmete schließlich tief durch. „Sie haben vermutlich Recht. Ich sollte mich nicht so ärgern. Ich habe jedoch schon zu viele Mägen ausgepumpt und Verletzungen aufgrund von Alkoholmissbrauch gesehen, dass ich mir das nicht schönreden kann.“

„Das sollen Sie auch nicht.“ Nyota seufzte hörbar. „Zum Glück ist Halloween nur in einer Nacht im Jahr.“

Leonard nickte grimmig und gab ein zustimmendes Brummen von sich, ehe er Nyota erneut einen Ellbogen anbot. „Sollen wir noch nachschauen, ob Jim und Gaila ihre kindische Séance inzwischen hinter sich gebracht haben, oder möchten Sie direkt zum Wohnheim?“

„Ich glaube, ich will gar nicht wissen, wie die Séance lief.“ Sie setzten ganz wie von selbst den Weg Richtung der Wohnheime fort. „Ich werde wohl zuhause auf sie warten. Sie wird mich eh wecken, um mir alles zu erzählen. Es sei denn … sie übernachtet bei Jim.“

Leonard wollte die Möglichkeit nicht ausschließen. Zwischen Jim und der Orionerin bahnte sich schon seit längerer Zeit etwas an. Zwar sagte Jim immer wieder, dass er kein Interesse an Gaila hätte, doch flirtete er bei jeder Gelegenheit mit ihr. Und Leonard wusste, wie Jim drauf war, wenn er etwas getrunken hatte.

Ein frischer Wind kam auf, ließ die letzten orange-braunen Blätter in den umliegenden Bäumen rascheln und brachte dunkle Wolken mit sich, die den nächtlichen Himmel zunehmend bedeckten.

„Vielleicht keine dumme Idee, direkt heim zu gehen. Sieht aus als käme eine Regenfront auf uns zu“, meinte Leonard und deutete mit einem Kopfnicken Richtung Himmel.

Sie beeilten sich, begegneten unterwegs immer wieder Gruppen verkleideter oder betrunkener Leute – manchmal auch kombiniert – versuchten diese jedoch zu ignorieren. Endlich erreichten sie eines der Wohnheime für die Kadetten Dritter Klasse. Leonards Unterkunft war jedoch nicht im selben Gebäude, da er als Arzt in dem Wohnheim der Mediziner wohnte, das näher am Medizinischen Zentrum und der Akademie-Krankenstation lag.

„Es ist nicht nötig mich bis zur Tür zu begleiten“, ließ Nyota ihren Begleiter wissen. Der Wind nahm rasch an Stärke und Geschwindigkeit zu und brachte ersten Nieselregen mit sich.

„Meine Erziehung verbietet es mir, Sie ab hier allein gehen zu lassen. Meine Mutter würde mir die Leviten lesen, wenn sie davon erführe.“

Nyota lachte leise. „In dem Fall …“ Sie betrat das Sensorfeld und erhielt umgehend Zutritt zu dem Gebäude mit den vielen Unterkünften. Vor ihrer Tür wandte sich Nyota zu Leonard um. Sie sah ihn einen Moment an, als überlege sie, ob sie ihn noch reinbitten solle oder nicht. Letztlich entschied sie sich dagegen. Sie genoss Leonards Gegenwart, wollte ihm jedoch keinen falschen Eindruck vermitteln. „Danke, dass Sie mich sicher nachhause gebracht haben.“ Sie gab ihm einen keuschen Kuss auf die Wange.

„Jederzeit“, nickte Leonard leicht, was einer halben Verbeugung gleichkam und Nyota ein Lächeln entlockte.

Nyota öffnete die Tür zu ihrem Quartier. „Gute Nacht, Leonard.“

„Gute Nacht, Nyota.“

Sie schloss die Tür hinter sich und für einen Moment stand Leonard noch im Korridor und ließ den Abend Revue passieren. Wer hätte gedacht, dass Nyota Uhura eine so angenehme Gesellschaft wäre? Nach allem was er bisher über sie in Erfahrung gebracht hatte, meist oder zweiter, dritter oder sogar vierter Hand, war sie langweilig und unnahbar. Er hatte ihre Gesellschaft jedoch ganz anders empfunden. Sie war deutlich reifer als die meisten Frauen ihres Alters, ruhiger und …

Plötzlich durchschnitt ein spitzer Schrei die Stille des nächtlichen Korridors, der Leonard durch Mark und Bein ging. Und das nicht mal wegen der Lautstärke, sondern weil Nyota ihn geschrien hatte.

***

„Gaila!“ Nyota schüttelte ihre Freundin, die unansprechbar in einer grünen Lache ihres Blutes und spitzen Scherben dessen saß, was einmal ihr gemeinsamer Ankleidespiegel gewesen war. „Leonard!“ Ihr Herz setzte einen Schlag aus, ebenso wie ihr Verstand einige lange Sekunden brauchte, um die Situation zu erfassen.

„Sie war da drin … Sie war …“, stammelte Gaila, starrte jedoch an Nyota vorbei auf die Innenseite der Schranktür, wo bisher der Spiegel angebracht gewesen war. „Sie war …“ Der Orionerin schossen Tränen in die Augen.

„Leonard!“ Nyota sprang auf, wischte sich das grüne Blut von ihren Fingern an der Kleidung ab. Sie hatte nicht mal sehen können, aus wie vielen Stellen Gaila so stark blutete. Hastig eilte sie zur Tür und betätigte die Öffnungsfunktion.

Leonard griff sofort nach ihren Schultern, sein Gesichtsausdruck in höchster Alarmbereitschaft. „Was ist passiert?“

„Gaila“, konnte Nyota nur antworten und deutete auf ihre Freundin. „Sie ist nicht ansprechbar, redet jedoch und sie blutet. Da sind überall Scherben.“

Leonard nickte und schob sich bereits an Nyota vorbei, um zu Gaila zu gelangen. Als er sie sah, erschrak er trotz Nyotas Vorwarnung. „Himmel“, raunte er, als er die Blutmenge sah. Sofort ging er vor der Orionerin in die Hocke und untersuchte ihre Augen. „Ihre Pupillen sind dermaßen weit offen, dass ich ihre Iris kaum sehen kann.“

„Sie war da drin …“, flüsterte Gaila, während ihr Tränen aus den augenwinkeln rannen und deutete immer wieder an die ehemalige Stelle des Spiegels.

„Wo, im Schrank?“, hakte Leonard nach. „Wer war im Schrank?“

Langsam schüttelte Gaila den Kopf. „Im Spiegel, nicht im Schrank. Ich habe sie gesehen.“

Immerhin war Gaila ansprechbar, überlegte Leonard grimmig. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, dass niemand im Spiegel sein konnte. Wie denn auch? Außer dem eigenen Spiegelbild konnte Gaila nicht ernsthaft jemanden im Spiegel gesehen haben. Es sei denn … „War jemand bei dir?“, wollte er wissen. „Hat dich jemand zum Wohnheim begleitet?“

Gaila erwiderte nichts, bewegte sich stattdessen langsam und drehte den Kopf gerade weit genug, dass sie Nyota sehen konnte. „Es war Bloody Mary“, flüsterte sie dann und erneut rannen Tränen aus ihren Augenwinkeln.

Leonard versuchte nicht allzu laut zu seufzten. „Womöglich hat sie irgendwelche Drogen genommen, die Halluzinationen auslösen.“ Er sah zu Nyota auf, doch diese starrte nur fassungslos Gaila an und schüttelte kaum sichtbar den Kopf.

„So etwas wie düstere Legenden gibt es nicht“, wiederholte Nyota stumpf ihre Aussage von früher am Abend. Angesichts der Tatsache, dass Gaila jedoch aus Angst den Spiegel zerschlagen hatte und offensichtlich unter Schock stand, machte ihre Überzeugung wanken.

Leonard versuchte die Worte der Frauen zu ignorieren und zückte stattdessen seinen Kommunikator. „Doktor McCoy an Krankenstation. Medizinischer Notfall in Wohnheim K3 beta, Zimmer …“ Er sah fragend Nyota an, da er die Zimmernummer nicht im Kopf hatte.

„Hundertsiebendundvierzig.“

„Haben Sie das gehört? Notfalltransport. Orionerin, Anfang zwanzig, starker Blutverlust, steht unter Schock. Möglicher Einfluss von Alkohol und Drogen.“

Nyota kniete vorsichtig zwischen zwei größeren Scherben neben Gaila auf den Boden und strich ihrer Freundin über das blutverschmierte Haar. „Alles wird gut. Hörst du? Wir sind bei dir.“

Leonard war es gleichgültig, dass Nyota ihre Freundin ausgerechnet im selben Moment berührte, wie er, um gemeinsam mit seiner Patientin von Ort zu Ort gebeamt werden zu können.

Was auch immer mit Gaila geschehen war, er würde die Verantwortlichen finden. Irgendetwas hatte dem Mädchen einen solchen Schrecken verpasst, dass sie in ihrer Verzweiflung den Spiegel zerschlagen hatte. Dieses verdammte Halloween! Wie er dieses Fest hasste. Es brachte nichts als Ärger mit sich. Und diesmal hatte es sogar jemanden getroffen, den er persönlich kannte.

***

Stunden später ging Leonard aus der Notaufnahme zum Wartezimmer und fand dort Nyota sitzend vor. Sie hatte selbst einige kleine Schnittwunden gehabt, war jedoch deutlich schneller als ihre Freundin versorgt gewesen. Orionisches Blut hatte die Akademie nicht unbedingt in rauen Mengen vorliegen gehabt. Synthetisieren ließ es sich nur sehr langsam, so dass es länger gedauert hatte, Gaila wieder soweit mit Transfusionen zu versorgen, dass sie stabil genug für die stationäre Aufnahme war.

Die junge Orionerin konnte froh sein, dass die moderne Medizin inzwischen Wundheilung ohne jegliche Narben gestattete. Ansonsten würde sie fortan wirklich wie die Zombiefrau aussehen, als die sie sich an Halloween verkleidet hatte. Blass genug war sie jedenfalls gewesen, bis drei Konserven durchgelaufen waren.

„Wie geht es ihr?“, wollte Nyota sofort wissen und ging auf Leonard zu.

Er konnte ihr die Erschöpfung ansehen und wusste, dass er selbst vermutlich kein Stück besser aussah. Leonard fuhr sich durchs Haar, seufzte und bat Nyota wieder auf einem der Stühle Platz zu nehmen. Er ließ sich dankbar direkt neben ihr auf einem nieder, da ihm die Füße vom langen Stehen inzwischen schmerzten.

„Also?“ Nyota wagte nicht zu erwähnen, dass es sie regelrecht davor gruselte in ins Wohnheim zurückzugehen. Irgendetwas hatte Gaila gesehen, dass ihr furchtbare Angst gemacht hatte und obwohl der rationale Teil ihres Verstandes ihr sagte, dass weder das Rufen der Bloody Mary vor dem Spiegel im Badezimmer, noch die Séance Grund für Gailas Zustand waren. Davon abgesehen, erinnerte sich Nyota, hatte sie Gaila doch sogar abgehalten Bloody Mary dreimalig auszurufen.

„Wir haben ihr den Magen ausgepumpt, den Restalkohol im Blut neutralisiert und ihr drei Blutkonserven gegeben, um sie wieder auf die Beine zu bekommen. Davon abgesehen hat es Stunden gedauert, ihre unzähligen Schnittwunden zu schließen.“ Nyota schluckte sichtlich. Leonard konnte ihr ansehen, dass sie wissen wollte, was ihrer Freundin derartig Angst gemacht hatte. „Das Labor hat ermittelt, dass sie auf der Party wohl Obstspieße gegessen hat. Speziell Bestandteile der Kiwi haben bei ihr wohl eine Art halluzinogene Wirkung ausgelöst. Welche genau ist noch unklar. Gaila und vermutlich alle Orioner, wir haben nicht genug Fallbeispiele um eine wirklich sinnvolle Statistik aufstellen zu können, sollten jedoch die Finger von Kiwis lassen.“

„Eine Kiwi hat das ausgelöst? Ganz sicher, Leonard? War es nicht vielleicht doch …“

Leonard nahm die dunkelbraunen Hände der Frau in seine. „Ganz sicher. Die Getränke waren harmlos. Und düstere Legenden gibt es nicht. Dass das ausgerechnet heute passiert ist, war nichts als Zufall. Gaila hat sich nach der Party vermutlich vor dem Spiegel umgezogen, dabei unbewusst an die Legende gedacht und dann fingen die Halluzinationen an.“ Leonard machte eine kleine Pause, drückte Nyotas Hände und ließ sie dann los. „Sie wird wieder gesund. Keine Sorge. Zur Beobachtung muss sie jedoch ein oder zwei Tage bleiben. Womöglich wird sie auch getestet, damit sie sich künftig schützen kann.“

„Darf ich heute Nacht bei ihr bleiben? Ich kann jetzt nicht ins Wohnheim zurück. Und sicher ist sie auch froh, wenn sie nicht allein sein muss.“

„Natürlich. Sie liegt im dritten Stock, Zimmer 53. Das liegt rechts, wenn man aus dem Lift kommt.“

„Vielen Dank für alles, Leonard. Ich weiß nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte.“

Leonard erhob sich. „Dafür bin ich da.“


In dieser Nacht bekam Nyota kein Auge zu. Stattdessen saß sie vor dem Bett ihrer Freundin, streichelte deren Hand und war dankbar, dass diese sich bald wieder erholt haben würde und vermutlich wieder ganz die Alte wurde. Wenn auch vielleicht mit ein wenig mehr Respekt gegenüber dem Übernatürlichen. Nyota jedenfalls war heilfroh, dass kein Geist in ihrem Quartier spukte und sie heimsuchte.


ENDE
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