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Wie der Wind und das Meer

von werewolf

Kapitel 1

Es war Winter auf Bajor.
Naprem beobachtete die im Schnee spielenden Kinder mit ihren Eltern, meistens Müttern – die Rollenverteilung auf Bajor war nicht unbedingt so wie in anderen Teilen der Föderation.
Ihr Blick fiel auf den zugefrorenen See und den angrenzenden Wald, den im Winter fast niemand betrat, und im Sommer auch nicht unbedingt.
Ein abgelegenes Landstück, für das sich nur wenige interessierten.
Es war Sommer gewesen, als sie Skrain Dukat dort zum ersten Mal gesehen hatte.
Damals hatte sie unauffällig die Flucht ergriffen – alle hatten sie davor gewarnt, einem Cardassianer allein zu begegnen.

Ihr Blick fiel wieder auf die umherlaufenden Kinder.
Einige waren in Ziyals Alter, und sie würde es ihrer Tochter wünschen, dass sie zusammen mit gleichaltrigen Freunden und in einer normalen Schule aufwachsen konnte.
Aber das war nicht möglich.
Ziyals Existenz hielt sie geheim, so gut es ging.
Sie hatte ihr Kind und ihren Mann inzwischen so oft verleugnet, dass sie es schon fast selbst glauben könnte.
Sie war schwanger gewesen, das Kind aber ein paar Tage nach der Geburt gestorben.
Der Cardassianer, den man ein paarmal bei ihr gesehen hatte – eine notwendige Art und Weise, während der Besatzung Geld zu verdienen. Und welchen Sinn hätte es schon gehabt, abzulehnen? Schließlich wusste doch wohl jeder selbst, dass Cardassianer ein Nein nicht akzeptierten.
Für die schauspielerische Leistung, die sie bei diesen Erklärungen erbrachte, hätte sie eigentlich schon eine Auszeichnung verdient.

Nur wenige Personen konnte sie ihre Freunde nennen, unter anderem Isaon und Arani, ein Paar, das sie schon sehr lange kannte, mit ihrer Tochter Sali. Die beiden kannten die ganze Wahrheit, aber sie waren so ziemlich die einzigen.
Sie verurteilten Naprem nicht, im Gegenteil, sie hatten sie immer unterstützt und taten das immer noch.

Sie erreichte das Gebäude, in dem ihre Tochter unterrichtet wurde.
Zusammen mit zwei anderen Kindern, die aus verschiedenen Gründen ebenfalls in der Gesellschaft nicht so gerne gesehen waren.
An sich war Ziyal ein ganz normales Kind.
Die Achtjährige hatte nur etwas zu graue Haut, zu fremdartige Gesichtszüge, sowie zu dunkle Augen und zu schwarze Haare.
Ihre zur Hälfte cardassianische Herkunft ließ sich nun einmal nicht verbergen, und das machte das Kind in den Augen der Gesellschaft zu einer Aussätzigen.
Sie unterrichtete Ziyal zusätzlich zuhause, um sie entsprechend zu fordern, aber dennoch würde sie viel darum geben, wenn ihre Tochter eine normale Schule besuchen könnte – ihr fehlte das soziale Miteinander definitiv.

„Bewundernswert, wie du das hinbekommst.“ Die Mutter eines der anderen Kinder hatte sie angesprochen.
Sie war etwas zu interessiert an Naprems Geschichte, aber diese versuchte, bisher mit Erfolg, bei ihren üblichen Ausflüchten zu bleiben.
„Muss ja gehen“, antwortete sie, „du hast es ja auch nicht gerade leicht mit deinem Sohn.“
„Schon, aber ich habe immerhin die Unterstützung von meinem Mann.“
Pause.
„Und ich wollte das Kind auch, genauso, wie ich mir meinen Mann freiwillig ausgesucht habe.“
Naprem winkte ab. „Reden wir nicht davon.“
„Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten…“
Bist du aber, dachte Naprem.
Sie wusste, dass die andere Frau und deren Mann noch zwei weitere, aber gesunde, Kinder hatten und eine absolutes Vorzeigepaar waren, mit Geld und Ansehen.
Und sie wusste, was diese aufdringliche Person in ihr sah – noch eine andere Version als die, die sie erzählte, und noch schlimmer.
Ungezählt waren die Versuche, Informationen über ihr Schicksal durch vermeintlich unauffällige Fragen zu bekommen.

Sie schreckte hoch.
Mal wieder ein Alptraum, stellte sie fest.
In ihren Träumen sah sie ihre Tarnung auffliegen. Sie sah, wie man Ziyal tötete und sie selbst ebenfalls.
Sie sah Skrain, wie er hingerichtet wurde.
Wie sehr sie sich wünschte, ihn gesund wiederzusehen.
Ihren geliebten Mann, einen hochrangigen Cardassianer.
Ziyals Vater.
Die Ungewissheit quälte sie – vielleicht war er längst tot oder inhaftiert.
Der Gedanke, ihn nie wiederzusehen, erschien ihr unerträglich.
Wenn er gestorben wäre, hätte sie das zwar in tiefe Trauer gestürzt, wäre aber erträglicher gewesen, als der Gedanke, dass sie sich nicht hatte von ihm verabschieden können.

Als sie ein paar Tage später von der Arbeit zurückkam, zeigte ihr Terminal eine Nachricht von einem unbekannten Absender an.
Sie überflog den Text ungläubig, musste sich kurz wieder sammeln und las ihn dann noch einmal sorgfältig.
Die Nachricht war von Skrain. Er wollte sie treffen, übermorgen, am See, an dem ihre erste Begegnung stattgefunden hatte.
Zum Beweis seiner Identität hatte er einige Dinge geschrieben, die nur er wissen konnte – den ersten Satz, den er zu ihr gesagt hatte, Ziyals Alter, als sie zu sprechen anfing, wie viele Räume ihre damalige Wohnung gehabt hatte.
Er lebte. Er war frei. Sie würden sich wiedersehen.
Ihre Gedanken überschlugen sich.

Am nächsten Tag kontaktierte sie Arani.
„Er ist zurückgekehrt. Und wir treffen uns morgen.“
Ihre Freundin war einen Moment lang sprachlos, ehe sich die Freude nach und nach in ihrer Mimik zeigte.
„Das ist ja wunderbar!“, meinte sie überwältigt, „ich freue mich so für dich. Ihr wart so ein schönes Paar damals, so unterschiedlich und doch ähnlich. Ich könnte mir keinen besseren Partner für dich vorstellen.“
Sie redeten noch eine Weile über das Ereignis, ehe Arani wieder zurück an die Arbeit musste

Sie hatte Ziyal vorerst zuhause gelassen, als sie die Anhöhe hinaufkletterte, die zum Treffpunkt führte.
Naprem sah eine Person, die ihr entgegen kam und nach etwas Ausschau zu halten schien.
Die Gestalt war noch nicht nahe genug, um Einzelheiten erkennen zu können. Aber schon der Gang und die Art, wie er sich umsah, sagten ihr, dass er es war.
„Skrain!“
Er sah in ihre Richtung und erkannte sie offenbar ebenfalls, jedenfalls eilte er auf sie zu.

Sie lagen sich lange in den Armen, ohne etwas zu sagen.
Sie beide verstanden den jeweils anderen auch ohne Worte.
Jeder unendlich froh, den geliebten Partner gesund wiederzusehen.
Die untergehende Sonne warf lange Schatten und beleuchtete die gefrorene Oberfläche des Sees in unterschiedlichsten Orange – und Rottönen.
Sie machten sich erst auf den Weg zu ihrer Wohnung, als es dunkel geworden war und die Kälte ihnen bis auf die Knochen ging.
Sie stolperten mühsam den Abhang hinunter, sie voran, da Felsen und Gebirge noch nie seine Welt gewesen waren.
Er bemerke es sofort, als sie mit einem Fuß ins Leere getreten war, und bevor sie etwas sagen konnte oder musste, hielt er sie bereits fest, um sie vor einem Sturz zu bewahren.
Wie früher, dachte sie, wir ergänzen uns wie früher.
Wie der Wind und das Meer.

ENDE
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