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Wichtelgedichtel

von MaLi

Kapitel 1

„Was denn, wichteln!?“ Leonards Gesicht war Entsetzen und Misstrauen zugleich.
„Ach komm schon, Pille, das wird ein Spaß, glaub mir!“
Jim strahlte optimistisch übers ganze Gesicht. Leonard war trotzdem nicht überzeugt.
„Ich hasse diesen Satz, Jim!“, knurrte er nicht ganz zu Unrecht. „Jedes Mal wenn du sagst Das wird ein Spaß, Pille, wird es eben genau das nicht! Und wenn du noch ein glaub mir hinten an fügst, habe ich die Garantie darauf, dass es nicht so wird!“
„Ach Pille, du bist ein pessimistischer Griesgram“, lachte Kirk und stoppte ihre Wanderung durch den Korridor.

Jemand hatte ihn geschmückt. Heimlich. Den Befehl, oder zumindest die Erlaubnis dazu hatte der Captain nicht gegeben. Trotzdem freute sich der Captain von Herzen, wie die Crew mitmachte und auch wenn nötig, hinter seinem Rücken den Geist der Weihnacht versprühte. Vor allem Pille konnte diese Stimmung gut gebrauchen, also ließ er die Eigeninitiative zu.

„Jim, bei dir kämen mir ja noch Ideen, aber was um Himmelswillen sollte ich denn Uhura schenken?! Oder Spock! Ein Buch? Tausend Emotionen für Anfänger? Menschlicher Humor, einfach entschlüsselt?
Sein Nebenmann lachte, klopfte ihm auf die Schulter und setzte den Weg fort.
„Pille, Manchmal könnte ich dich einfach drücken …“, grinste er ihn breit von der Seite an.
„Ich bin allergisch gegen sowas“, mahnte ihn der Arzt, um etwaige, Übermut bedingte, Spontanhandlungen gleich im Keim zu ersticken.

„Ich weiß“, nickte Jim und beruhigte ihn. „Mach dir keine Sorgen! Wir wichteln keine Geschenke. Ich habe mir etwas anderes überlegt. Lass dich überraschen!“
Leonard machte auf der Stelle rechtsumkehrt.
„Pille?! Wo willst du hin?“, rief ihm sein Captain verdutzt nach.
„Weg! Weit weg! Ich schiebe hier gleich Panik!“
Leonard rannte los als Jim ihm nachzulaufen begann.

Der Turbolift brauchte zu lange, und so schnappte sich Kirk seinen Arzt und Freund, bevor der sich in den Aufzug retten und verschwinden konnte.
„Hier geblieben!“
Leonard stieß ein überraschtes Keuchen aus, als sich Jims Hände von hinten um seine Oberarme schlossen.
„Jim! Allergisch!“
McCoy zupfte die Hände von seinem Körper, als hätten sich stattdessen schleimige Gifttentakeln um seine Arme geschlungen.

„Pille, was ist denn los?!“, lachte der Captain und schüttelte den Kopf.
„Jim, nein! Erst sagst du es macht Spaß, Pille, dann sagst du glaub mir und jetzt fügst du noch scheinheilig lass dich überraschen an! Panik, Jim! Panik! Siehst du?“
Leonard demonstrierte künstlich zitternde Hände. Jim platzte laut heraus vor Lachen.

„Oh Pille, ich hab dich lieb …“, grinste er und schüttelte den Kopf.
„Das sag bitte zu deinen Weibern, aber nicht zu deinem Chefarzt, ja?“, moserte McCoy beunruhigt und seufzte dann. „Also, die Wahrheit. Was für eine Art Folter hast du dir dieses Jahr für mich ausgedacht?“
„Wie gesagt“, meinte Jim geheimnisvoll, „lass dich überraschen …“

***

Im Konferenzraum wurden sie bereits von den anderen Führungsoffizieren erwartet. Spock, Sulu, Chekov, Uhura und Scotty hatten schon eifrig damit begonnen, den Tisch mit Nussschalen und Schokoladenpapier zu dekorieren. Vergnügtes Knuspern empfingen Captain und Arzt als sie den Raum betraten.

„Willkommen zur Sitzung“, begrüßte sie Jim herzlich, „wer von euch freut sich auf Weihnachten?“
Fünf Hände, Jims eingeschlossen, schnellten nach oben, eine, Leonards, kam etwas zögerlich hoch und die von Spock blieb auf dem Tisch.
„Captain“, beantragte er höflich, „wäre es Ihnen möglich, die Frage für vulkanische Maßstäbe neu zu definieren?“
„Unfassbar“, schnaubte McCoy, der Rest der Runde schmunzelte.

Jim Kirk strahlte. Heute vermochte nichts seine gute Laune zu schmälern.
„Also schön“, gluckste er belustigt, „dann; wer von euch ist bereit, sich mit vollem Engagement auf das Weihnachtsfest vorzubereiten?“
Jetzt hob auch Spock seine Hand, dafür ließ Leonard die seine sinken. Sein Gesicht war ein Sinnbild für misstrauischen Argwohn.
Er solle sich mit vollem Engagement, auf eine garantiert spaßige Überraschung vorbereiten? Ihm brach der Schweiß aus.

Ein Glitzern trat in Jims Augen, als er die Miene seines besten Freundes sah und sie auch sofort richtig deutete. Er hatte es sich fast zu einer religiös ernsten Lebensaufgabe gemacht, Pille wenn nötig zu seinem Glück zu zwingen.
Kirk fasste sich in die Hosentaschen und brachte kleine, gefaltete Zettel hervor. Sechs auf der linken Seite, und einen auf der rechten.
Er pickte sich einen der sechs heraus und mischte dafür den einzelnen darunter.
„Da steht mein Name drauf“, erklärte er, „nicht, dass ich mich noch selber ziehe!“

„Oohh, wir wichteln!“, rief Uhura vergnügt.
Auch die anderen schienen sich zu freuen. Nur Spock und Leonard nicht. Spock, weil er sich nicht freuen konnte und Leonard, weil er mit der Gewissheit des Verlierers wusste, dass er sich nicht freuen wollte!

„Ganz genau“, verkündete Jim. Seine blauen Topasaugen strahlten bereits wie auf Hochglanz polierter Christbaumschmuck. „Wir wichteln! Aber keine Geschenke diesmal, sondern ihr bekommt alle eine Aufgabe zugeteilt …“

Auffordernd schob er die Zettel in die Mitte des Tisches. Voller Vorfreude und Spannung waren sie schon nach drei Sekunden weg. Bis auf einen. Leonard hatte absichtlich gewartet. So konnte er immerhin überzeugend mosern, er hätte ja nehmen müssen was noch da war, und hätte sich seinen Wichtelkunden nicht selber ausgesucht. Säuerlich zog er den Zettel an sich, als stünde darauf ein abscheuliches Schimpfwort, das nur darauf wartete, von ihm laut vorgelesen und erklärt zu werden.

Uhura lächelte begeistert als sie ihren Zettel entfaltete und den Namen las. Auch Jim schien beglückt von seiner Wahl. Sulu nickte zufrieden, Spock hob eine Augenbraue, Chekov beide, Scotty kniff seine zusammen und Leonard … wurde erst weiß, dann rot.

Hippokrates und Äskulap, steht mir bei! Ich WUSSTE es!
McCoy schrie es fast in den Raum.
„Oh, oh“, murmelte Sulu leise und biss ein Schmunzeln tot.
Kirk hingegen schien sich diebisch zu amüsieren.
„Captain, eine Frage …“, begann Scotty, doch Jim unterbrach ihn.
„Steht Joker drauf? Es hat einen Joker dabei! Kleine Aufmerksamkeit des Captains“, grinste Jim gönnerhaft und freute sich ein Loch in den Bauch, dass Pille ihn verpasst hatte.

„Was, ein Joker!?“ Leonard saß kerzengerade. „Scotty hat einen Joker?“
Jim nickte bestätigend.
„Sorry, Pille!“
Leonards Miene schwankte wie ein Gummiboot im Fahrwasser eines Luxusliners. Verwunderung, Unglauben, Überraschung, Wut und Hoffnung zogen sich über sein Gesicht. Am Schluss siegte panischer Optimismus.

„Bitte! Scotty! Wenn Sie I.R.G.E.N.D.W.A.N.N. mal etwas von mir brauchen, ein Hypospray oder eine Krankschreibung oder IRGENDWAS … Bitte Scotty, bitte!“ Flehend hielt Leonard Montgomery seinen Zettel hin. „Scotty, bitte! Ich bin Ihr Freund, kommen Sie schon!“

Während sich die versammelte Crew köstlich an McCoys Leid ergötzte, versuchte der, immer verzweifelter dem Chefingenieur seinen Wichtelkunden aufzuschwatzen.
„Scotty! Bitte! Ich meine es ernst! Bitte! Scotty! Bitte!“

Den Zettel jetzt fast in den Nasenlöchern wich der Schotte grinsend im Stuhl zurück. Bequem verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und drehte sich im Stuhl hin und her.
„Ich glaube, ich werde das sehr genießen!“
„Kommen Sie nie wieder auf meine Krankenstation!“
Leonards Stimme klang wie das Knirschen einer Eisdecke, die inmitten eines tiefen Sees unter den Schuhsohlen nachgab.

„So“, begann Kirk, „jetzt da alle glücklicher Besitzer …“ Er duckte sich flink unter Leonards tödlichem Laserstrahlen weg, die dem Arzt aus den Augen schossen. „… glücklicher Besitzer eines Wichtelkunden sind: Hier die Aufgabe! Ihr sollt nämlich diesmal keine Geschenke verteilen, sondern Liebe, Anerkennung und Achtung für den Menschen aufbringen, den ihr jetzt seit drei Jahren euren Freund nennt!“

Leonards Sauermiene wechselte zu unverhohlenem Spott.
„Liebe?!“
„Ja?“
„Meinem Wichtelkunden?!“
„Ja?“
„Du nimmst mich doch auf den Arm?!“
„Pille, du hast drei Wochen Zeit“, versuchte ihn Jim erfolglos zu trösten, „am 23. kommen wir wieder hier zusammen und sehen uns die Werke an!“

„Ich will nicht wissen, was für Werke das sind, stimmt’s?“, Leonards Stimme war Erschöpfung und Resignation.
„Nein, willst du nicht“, freute sich Jim, „darum sage ich es dir jetzt: Ihr werdet dichten!“
„DICHTEN?!?“ Leonards Kinnlade landete auf dem Tisch.
Er war nicht der Einzige.

„Ach kommt schon“, meinte Jim, „ihr kennt euch jetzt drei Jahre, manche sogar noch länger! Wir sind Freunde, Leute! Ich möchte, dass jeder von euch zum Namen seines Wichtelkunden ein Gedicht schreibt, und zwar eines, das zu ihm passt!“
„Ich hätte auf der Akademie unterrichten sollen, als ich die Chance dazu hatte …“, grollte Leonard und meinte es aus vollem Herzen.
„Ach, Pille, sei nicht so! Das ist doch die Schönste Art einem Freund zu zeigen, dass man ihn kennt und ihn schätzt. Dir wird schon etwas einfallen, glaub mir. Denk positiv!“

Leonard dachte nicht positiv. Er versuchte gerade erfolgreich erfolglos, zwei Personen gleichzeitig mit seinem Blick zu ermorden. Am liebsten wäre er schreiend davon gelaufen.

„Ich finde die Idee super!“, unterstützte Sulu seinen Captain nach einigem Nachdenken.
Auch Chekov und Uhura nickten beide. Scotty, von alldem verschont grinste breit in die Runde.
„Also dann?“ Kirk klatschte in die Hände, „Machen wir uns an die Tagesbesprechung!“

***

Dreiundzwanzig Tage später kamen sie wieder zusammen. Der Konferenzraum war schon weihnachtlich geschmückt, es gab Nüsse, Mandarinen und Schokolade auf dem Tisch, und der Captain hatte sogar ein paar Flaschen Wein springen lassen, obwohl es noch nicht Weihnachten war. Dem Tisch war anzusehen, wie viel ihm dieser Wichtelabend bedeutete.

Gespannt und voller Erwartungen setzten sich die Führungsoffiziere an den Tisch. Montgomery Scott, glücklicher Zieher des Jokers und somit ohne Wichtelkunden, hatte eine Flasche Scotch, selbst gebackenes Shortbread und einen Scotch Bun gesponsert.

Noch etwas nervös rückten sie ihre PADDs zurecht, knabberten sich durch Nüsse, Kuchen und Mandarinen, bis Jim schließlich aufstand und, zugegeben kläglich ineffektiv, mit dem Fingernagel gegen ein Glas tippte.

„Herzlich willkommen zum Wichtelabend!“, begrüßte er die Anwesenden und strahlte wie der König aller Maikäfer. „Wie ich sehe, wurde fleißig geschrieben und gedichtet und ich hoffe von Herzen, dass nach diesem Abend jedem von euch klar ist, was der eigentliche Sinn und Zweck dieser Veranstaltung war!“
Leonard zog vielsagend die Augenbraue hoch und wandte sich ab. Er hätte viel darum gegeben, jetzt nicht hier sein zu müssen.

„Möchte jemand den Anfang machen?“, fragte Jim begeistert in die Runde. Nein. Niemand wollte. „Also gut, dann, mache ich den Anfang!“
Lächelnd zog er sein PADD heran, suchte in den Dateien und holte tief Luft.
„Uhura, das ist für Sie:“

Normativ, ein Spiegelbild, von Schönheit, Grazie, Mut,
Yin und Yang vereint in Dir, von Sanftheit bis zur Wut.
Oh, was wär die Brücke nur, ohn’ dein Antlitz Glanz,
Tag und Nacht ein Feuersturm, ich bin verfall’n Dir ganz!
Atemlos, James T. Kirk.

„Bravo Captain“, lachte Sulu und klatschte.
„Das werde ich mir rahmen lassen!“, versprach Uhura und gab Jim die Hand, „Vielen Dank, Sir!“
„Sehr romantisch, Jim“, piesackte ihn Leonard etwas und grinste.
„Naja, aber es passt doch, oder?“, fragte Kirk fröhlich nach und genoss das allseitige Nicken.
„In der Tat“, bestätigte Spock und hob die Braue.

Er war offenbar noch nicht sicher, ob es die Etikette gestattete, dass er seinen Captain auf die offensichtliche Verehrung seiner Gefährtin ansprechen durfte.
„Ich finde auch, dass er Recht chat“, nickte Chekov und erntete ein Strahlen von Uhura. Geheimnisvoll zwinkerte sie ihm zu.

***

„Gut, dann also der Nächste!“, rief Jim begeistert. Das Wichteln begann ja schon mal gut.
„Pille? Wen hast du gezogen?“
„Spock“, murmelte McCoy und erhob sich.
„Wen sonst“, kicherte Jim kaum hörbar und fand sich erdolcht an der Wand wieder. Symbolisch zumindest.

Es war deutlich zu sehen, wie unwohl Leonard sich fühlte. Er nahm sich auch ganz besonders viel Zeit, sein PADD vorzubereiten und das Gedicht zu suchen, das er verfasst hatte.

„Bin nicht so der Dichter“, entschuldigte er sich schon im Voraus und vermied beharrlich, Spock in die Augen zu sehen. Der hob erwartungsvoll die Braue.
„Also, hm-km:“

Spock, Sie sind ein Lexikon, ein Schatz an großem Wissen,
Präzis, korrekt und unfehlbar, beharrlich und verbissen.
Ohne Sie, wie wär es still, niemand der belehrt,
Chaos, Trubel, Anarchie, die Welt wäre verkehrt!
Kollegial und fair, ein wahrer Freund ist er!

„Ach komm schon, Pille, das war doch gar nicht schlecht?!“, lobte Jim und klatschte besonders laut, um ihn zu beschwichtigen.
„Das war fantastisch!“, rief Scotty sogar und rettete sich ein winziges bisschen Ansehen vom Doktor zurück.
„Nein, das war nichts“, murmelte Leonard und versuchte angestrengt, im Polster seines Sessels zu verschwinden.
„Also ICH habe ihn erkannt“, foppte Uhura ihren Liebsten und grinste quer über den Tisch.

„Doktor“, warf Spock ein ohne Nyotas emotionale Spitzfindigkeit, und McCoys unverhohlenen Zynismus erkannt zu haben, „darf ich Sie darauf hinweisen, dass ich sehr wohl zur Fehlbarkeit neige und …“
„Unfassbar?!“, rief Leonard, „Jetzt kritisiert er auch noch mein Gedicht!“
Spocks restlicher Kommentar ging in lautem Gelächter unter.

***

„Sulu?“, rief Jim begeistert, „Nächster Vortrag bitte!“
Sulu stand auf und wandte sich direkt an seinen Vorgesetzten.
„Captain? Ich habe die Ehre, mein Gedicht Ihnen persönlich vortragen zu dürfen!“
„Oho!“ Jim setzte sich kerzengerade auf. Er war gespannt wie ein Flitzebogen.
„Also dann?“, Sulu holte tief Luft.

James T. Kirk der Enterprise, ein Mann vom alten Schlag,
Ausgefuchst und ungezähmt, ein Freund mir, jeden Tag.
Meine Achtung vor ihm wächst, mit jedem Tag ein Stück,
Es gibt kein Ziel wo ich nicht folg’, zur Hölle und zurück.
Schrieb und meinte so, Hikaru Sulu

„Also das gefällt mir!“ Jim war hellauf begeistert.

Meistens wurde er dafür getadelt, ein Haudegen und vom alten Schlag zu sein. Aus Sulus Mund jedoch, klang es wie das schönste Kompliment, das er je bekommen hatte. Zwar ging es im Gedicht hauptsächlich um Sulu und nicht um ihn, trotzdem hatte sein Steuermann in diesen fünf Sätzen mehr ausgedrückt, als er in einen ganzen Heldenepos hätte packen können. Sulu vertraute ihm blind, verehrte ihn gar und betrachtete ihn als seinen besten Freund. Er würde ihm bis zur Hölle und zurück folgen. Das war mehr, als kaum je einer für Jim Kirk getan hatte.

„Sulu, kommen Sie her“, bat er ihn mit etwas kratziger Stimme, erhob sich ebenfalls und trat auf ihn zu. „Danke! Ich kann …“
Kopfschüttelnd brach er ab, nahm seinen Freund und Lieutenant in den Arm und klopfte ihm fester auf den Rücken als nötig. Jim war gerührt. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie viel er seiner Crew bedeutete.

„Keine Ursache, Captain“, beteuerte der Asiate und erwiderte die Umarmung, „es kommt aus tiefstem Herzen!“
„Ich schließe mich seinem Gedicht an“, nickte Leonard ernsthaft und stand auf.
„Ja, ich auch!“ Spock, Scotty, Uhura und Chekov standen ebenfalls auf und begannen zu applaudieren.

„Oh Leute!“, rief Jim überfordert und löste sich von Sulu. „Hört auf, ich fange gleich an zu heulen!“
Tatsächlich drehte er unter der Begleitung von lieb gemeinten Awwwws den Rücken zum Tisch.
Jim wusste kaum wohin mit seinen Gefühlen. Tief in ihm glaubte eine leise Stimme, all dieses Lob und die Liebesbekundungen nicht verdient zu haben.
Er war doch nur Jim! Der Farmerjunge aus Iowa. Jung und unerfahren, draufgängerisch und voller Fehler. Er war nur Jim. Einfach nur Jim!
Als er sich nach geraumer Zeit wieder auf seinen Platz setzte, glänzten seine Augen verräterisch.

***

„Wer ist der nächste?“, frage er um von sich abzulenken. „Chekov? Wollen Sie?“
„A-Aye, Keptin“, stammelte der etwas überrumpelt und erhob sich langsam. Zarte Röte kroch aus seinem Kragen empor und ließ sein Gesicht erglühen.

„Ähm“, begann Chekov etwas verlegen, „ich musste da ein wenig improvisieren … Also … Doktor, es tut mir leid, aber ich … es ist vielleicht etwas unchöflich, weil …“
„Nun spucken Sie’s schon aus, Chekov“, versuchte Jim den Monolog vorzuspulen, „nur keine falsche Scheu!“

„Also ich … damit das Gedicht auch richtig klingt, Doktor, musste ich Sie duzen! Bitte entschuldigen Sie vielmals!“
„Das eine Mal werde ich es überleben“, behauptete McCoy gut gelaunt und wartete gespannt.
Chekov räusperte sich, hob die Brauen und las vor:

Löwencherz, Dein Name ist, erchaben, stolz und gut,
Erreichen Not und Kummer Dich, niemals schwind’t dein Mut!
Ob Feind, ob Gefahren sich Dir nah’n, vor niemand es Dir graut,
Niemals lässest Du im Stich, wer ist Dir anvertraut.
Arzt Du bist, vor allem Freund, fyr mich da bist Du auch,
Reichst mir die Chand und leihst Dein Ohr, wann immer ich es brauch.
Danke Dir dafyr!

„Oh, wow!“ Leonard blinzelte überrascht. Er war etwas sprachlos.
„Oh, Chekov, das ist so süß!“, lobte Uhura und klatschte begeistert mit.
„Fantastisch, Chekov!“, bekundete Jim
„Bravo!“, meinte auch Sulu.
„Faszinierend adäquat, Mister Chekov“, stimmte Spock zu.
„Ja! Also ich erkenne den Doktor wieder!“, bestätigte Scotty und nickte seinem russischen Schiffskameraden zu.

Chekov saß jetzt da, puterrot und lächelte erleichtert die Tischplatte an.
„Pille, kommen dir die Tränchen?“, neckte ihn Jim und grinste ihn an.
„Was? Nein?!“, wiegelte der sofort ab.
Trotzdem wandte er den Kopf zur Seite und schirmte seine Augen mit der Hand ab. Es kämpfte sich tatsächlich etwas seine Speiseröhre hoch.
„Awwww! Butterweich zerfließt er, unser knochenharter, niemand hat mich lieb Grummelstein!“, foppte ihn Scotty und McCoy wandte sich endgültig ab.

Chekov hatte ihm direkt den Finger aufs Herz gelegt. Er sei ein lieber Freund, ein guter Arzt, mutig, hilfsbereit, gut und würde nie jemanden im Stich lassen. Pavel dankte ihm fürs Zuhören, dass er immer für ihn da sei auch wenn Leonard das selbst nie so empfunden hatte. Der junge Russe lobte Eigenschaften an ihm, die er selbst nie an sich wahrgenommen hatte, malte ihn bunter als er sich je vorgestellt hatte zu sein.

„Es ist …“, stammelte Chekov etwas verwirrt von der Reaktion auf sein Gedicht, „es ist doch nur die Wahrcheit?!“

„Genau darum geht es mir ja“, nickte Jim in die Runde. „Genau aus diesem Grund habe ich dieses Gedichtewichteln gemacht! Wie viele Freunde sind in den letzten drei Jahren von uns gegangen, ohne dass sie je wussten, wie viel sie uns bedeutet haben!“
Die Crew nickte leise.
„Wir wissen nicht, ob wir am Ende der Fünfjahresmission noch alle so zusammen am Tisch sitzen werden. Darum wollte ich, dass jeder von uns wenigstens von einer Person weiß, wie viel er ihr bedeutet. Oder zumindest, was über einen so gedacht wird. Uhura? Möchten Sie weiter machen?“

„Ja, Sir! Sehr gerne!“
Nyota griff den Vorschlag sofort auf. Sie war froh aus den trüben Gedanken gerissen zu werden, die Kirks Worte in ihr hatten aufkommen lassen. Ein Name. Ein Gesicht. Eine Freundin, der sie auch nie gesagt hatte, wie lieb sie ihr gewesen war …

***

„Das ist für Sie, Chekov“, lächelte sie ihn tapfer an.
Die Röte, die sich bereits von seinen Wangen verabschiedet hatte, schlich sich wieder unter die Haut.
„Pavel von Nyota Uhura:“

Plüschig, flauschig, weich und süß, ein Tribble wenn ein Tier,
Außergewöhnlich klug und schlau, unverzichtbar hier.
Vergnügt und witzig, lieb und nett, man schließt ihn schnell ins Herz,
Emsig, fleißig, wundervoll, ein Mensch aus Gold und Erz.
Lebe glücklich, lebe froh, wie der Pavel, mach es so!

„Oh Lutenend, es ist … Vielen, cherzlichen Dank! Es gefällt mir sehr!“, freute sich Pavel von Herzen.
„Ach kommen Sie“, wehrte sie lachend ab, „es ist bis jetzt das mieseste Gedicht von allen …“
„Oh nein!“, rief Jim dazwischen, „Keines ist mies! Alle kommen von Herzen!“

Versöhnlich drückte Uhura Chekov ein Küsschen in seine dichte Lockenpracht. Pavel glühte jetzt wie eine Kadettenuniform. Nyota grinste stolz. Sie hatte Pavel schon immer süß gefunden. Jetzt hatte sie es endlich amtlich und öffentlich machen können.

„Aber sie hat Recht, Junge“, bestätigte McCoy der sich endlich wieder umgedreht hatte, „Sie sind ein hochintelligenter Tribble aus Gold!“
„Vielen Dank, Doktor“, freute sich Chekov.
Aber erst, nachdem er sich überzeugt hatte, dass Leonards Miene aufrichtig und ehrlich war, und keine Züge von Spott oder Zynismus aufwies.

Leonard hielt Pavels glücklichen, dankbaren Blick nur zwei Sekunden stand und sah dann weg. Die Worte von dessen liebem Gedicht schnurrten noch immer in ihm.

***

„Oh, dann sind wir ja schon beim Letzten angekommen“, erkannte Jim Kirk mit einer ausgewogenen Mischung aus Freude und Enttäuschung. Der Abend hatte Spaß gemacht; mehr als er sich erhofft hatte. „Spock? Nun fehlen nur noch Sie!“

„Gegenstand meiner Lyrik ist Lieutenant Sulu“, informierte Spock die Anwesenden, als würde er ein Buch von Rilke versteigern.
Sulu freute sich trotzdem. Vulkanier waren ehrlich, objektiv und direkt. Was immer Spock auch gleich vorlesen würde, es war die Wahrheit und ein Spiegel seiner selbst.

„Verzeihen Sie mir“, entschuldigte sich Spock zum allseitigen Amüsement, „wenn ich dem Gedicht nicht die nötige emotionale Note verleihen kann … Hm-km:“

Hikaru Sulu ist ein Mann, der Mut sein Eigen nennt,
Integer und ein Kamerad, sagt jeder, der ihn kennt.
Kein Fluss zu breit, kein See zu tief, für Brücken die er baut.
Auch hilfsbereit und souverän, ein Mann dem man vertraut.
Reich und gesegnet jede Crew, zu der er sich gesellt,
Und wehe jedem Bösewicht, der ihm den Weg verstellt!

„DAS ist Sulu!“, rief Jim begeistert. „Das ist wirklich Sulu! Das ist ganz genau Sulu wie er ist! Auf den Punkt getroffen!“
„Vielen Dank, Commander“, lächelte Sulu und nickte Spock zu.
„Nichts zu danken, Lieutenant“, wehrte sich der Vulkanier bescheiden.

***

Der Applaus riss kaum ab. Es war vorbei, alle Gedichte gelesen, alle Herzen berührt. Fast zu schnell war es gegangen.

„Das hat sich doch jetzt wirklich gelohnt, oder?“, freute sich Jim über das geglückte Wichteln. „Jetzt weiß doch endlich mal jeder, was der Andere über ihn denkt!“
Auch Leonard musste zugeben, dass ihm der Abend mehr gegeben hatte, als er bereit zu gestehen war. Vorsichtig warf er einen Blick zu Jim. Der schenkte ihm ein tiefes, ehrliches Lächeln. Jim Kirk freute sich. Es war ihm wieder einmal gelungen, seinem zynischen, melancholischen Freund ein wenig Glück zu schenken.

„Ich habe eine Liebeserklärung vom Captain erhalten“, nickte Uhura wichtig.
„Und ich bin ein mutiger Freund“, freute sich Sulu.
„Und ich ein erhabener Löwe!“, strahlte McCoy.
„Und iech bin ein plyschiger Tribbel aus Gold“, gluckste Pavel.
„Ich bin der beste Captain der Welt!“, lachte Kirk.
„Ich bin … Spock“, bestätigte der kühl.
„Und ich bin Scotty und bereue es aus tiefstem Herzen, den Joker gezogen zu haben“, seufzte der Schotte und blickte direkt auf Leonards gebleckte Zähne.

„Also dann“, rief Jim und war kaum mehr zu bremsen, „stoßen wir an! Auf eine mutige, plüschige, integre, logische, vertrauenswürdige, wunderschöne Mannschaft! Zum Wohl!“
„Zum Wohl, Captain!“

Unbeschreiblich glücklich über die schönen, von Herzen kommenden Weihnachtsgeschenke, hob die Crew die Gläser und stieß auf den Wichtelabend an.

„Sa sdorowje, Doktor!“, rollte Pavel begeistert das R und hob seinem Lieblingsarzt und erklärten Freund das Glas entgegen.
„Sa sdorowje, Chekov“, prostete er ihm zu und schenkte ihm eines seiner seltenen, tief aus seiner Seele kommenden, Lächeln.


ENDE

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