Jim Kirk fühlte sich wohl. Nicht einfach nur gut, sondern richtig pudelwohl. Bones hatte seine Grippe kuriert und ihm bescheinigt, dass er durchaus am Weihnachtsessen teilnehmen konnte, da keine Ansteckungsgefahr mehr bestünde. Alles andere wäre für Jim auch ein absolutes Desaster gewesen, schließlich hatte er zusammen mit Uhura und Chapel ein ganz besonderes Dinner vorbereitet und sich seit Tagen darauf gefreut.
Während Jim also schwitzend, hustend und schniefend im Bett gelegen und seine Grippe auskuriert hatte - unter Bones‘ Argusaugen, versteht sich - hatten Scotty, Sulu und Chekov einen Weihnachtsbaum auf dem Eisplaneten geschlagen, der einer irdischen Tanne nicht ganz unähnlich war, und an Bord gebeamt.
Dieser stand nun in all seiner geschmückten und duftenden Pracht hinter Jim, in dessen privatem Speiseraum. Vor ihm befand sich der festlich gedeckte Tisch, auf den Jim nun prüfend hinabblickte. Es schien nichts zu fehlen.
„Computer, dimme das Licht auf 20 Prozent.“ Langsam wurde das Licht im Raum schwächer und Jim zündete die Kerzen an, die auf der festlichen Tafel standen. „Perfekt“, flüsterte er selig. Jetzt fehlten nur noch seine Gäste. Nein, korrigierte er sich, seine Freunde.
„Computer, spiele klassische Weihnachtsmusik. Lautstärke auf eins Komma fünf Sone.“ Sogleich erklang der sanfte Ton einer Geige, begleitet von einem Piano und einer Klarinette.
Der Türsummer erklang, noch während Jim zufrieden der Melodie zu ,Stille Nacht‘ lauschte. Abermals sah er sich um. Ja, es war alles perfekt vorbereitet. Und so ging er, um freudestrahlend die Tür zu öffnen. Zum Vorschein kam Christine Chapel, die Jim eine Flasche Rotwein mitbrachte. „Frohes Fest, Captain.“
„Schwester Chapel“, grüßte Jim sie freundlich und bat sie herein. „Willkommen. Auch Ihnen ein frohes Fest.“ Seit einer Weile spielte er mit dem Gedanken, ihr das Du anzubieten, wenn sie nicht gerade im Dienst waren. Aber nachdem, was in der Vergangenheit zwischen ihnen geschehen war, und an das Jim sich absolut gar nicht mehr erinnern konnte, hielt er die professionelle Distanz für besser. Inzwischen war er einfach froh, dass es Carol gelungen war, Chapel zu überreden, sie doch auf die Fünfjahresmission zu begleiten. Bones hatte ihn bereits wissen lassen, dass diese Frau nicht mehr aus seinem medizinischen Stab wegzudenken war.
Sie sah sich beeindruckt um, ehe sie sich dem Captain wieder zuwandte. Immerhin war sie noch nie bei ihm zum Essen eingeladen gewesen. „Sie haben sich selbst übertroffen, Captain. Ich muss gestehen, dass ich ziemlich traurig war, als mir klar wurde, dass ich dieses Jahr zu Weihnachten nicht bei meinen Eltern sein würde. Aber, dass Sie es uns ermöglichen hier zu feiern ...“ Sie kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen, da sich der Türsummer erneut meldete.
„Verzeihung ...“ Das war, was Jim überhaupt nicht mochte, wenn Gäste erwartet wurden. Dass man kaum Zeit hatte, sich vernünftig zu begrüßen, bevor es erneut klingelte.
Steif und mit den Händen hinterm Rücken, stand Spock vor der Tür, neben ihm breit grinsend Uhura, die Jim ohne Umschweife in die Arme schloss. „Fröhliche Weihnachten, Captain.“
„Fröhliche Weihnachten“, erwiderte Jim und drückte Uhura einen Moment an sich, ehe er sich von ihr löste, um Spock zur Begrüßung zuzunicken. Er wusste inzwischen, dass Spock es vorzog Körperkontakt zu vermeiden, wenn es die Etikette erlaubte. „Ich war mir nicht sicher, ob Sie ebenfalls kommen würden. Aber ich habe es gehofft. Schön, dass Sie beide da sind.“
„Da ich zur Hälfte Mensch bin, wie Sie stets so eloquent einstreuen, war es eine logische Entscheidung zu kommen.“ Spock trat nach Uhura ein. Hinter ihnen glitt die Tür wieder zu.
„Als ob das der einzige Grund gewesen wäre“, mischte Uhura sich zwinkernd in das Gespräch ein, ehe sie hinüber zu Chapel ging, um diese zu begrüßen.
Die beiden Frauen diskutierten über den Weihnachtsbaum, vor dem sie lächelnd standen und schienen ganz in ihrem Element zu sein, als der Türsummer erneut Besuch ankündigte. Die Prozedur wiederholte sich noch einige Male, bis endlich alle erwarteten Besucher beisammen waren.
Zu Jims Verwunderung, war Bones als letzter und Scotty diesmal ohne Keenser erschienen. Scotty hatte erklärt, dass sein kleiner Kollege fand, dass er an diesem Abend nicht dazu passte. Und Jim verstand, dass es für jemanden, der nicht von der Erde stammte, wenig Sinn machte, Weihnachten zu feiern. Allerdings hatte Scotty Keenser versprochen, ihm später etwas von dem Essen vorbeizubringen und Jim fand die Idee sehr schön.
Schließlich nahmen alle an der festlichen Tafel Platz, nur Jim blieb am Kopf des Tisches stehen und erhob sein Glas. „Bevor wir das Essen genießen, möchte ich mich aus der Tiefe meine Herzens dafür bedanken, dass Sie alle gekommen sind. Und natürlich auch dafür, dass durch Ihr Zutun dieser Abend überhaupt erst möglich geworden ist.“ Er sah glücklich lächelnd in die Runde, begonnen bei Bones zu seiner Rechten, blickte dann zu Chapel, zu Sulu, hinüber zu Scotty am gegenüberliegenden Ende des Tisches. Es folgte Chekov, neben ihm Uhura und schließlich sah er zu Spock, der zu seiner Linken Platz genommen hatte. Sie alle sahen ihn erwartungsvoll an, selbst Spock. „Heute sitzen wir hier nicht als Crew beisammen, sondern vielmehr als Familie. Ich weiß“, fuhr er fort und sah dabei Chapel einen längeren Moment an, „dass so ziemlich jeder von Ihnen auf der Erde Familie hat, bei der er oder sie heute viel lieber wäre. Für Sie mag das heute nicht dasselbe sein, aber ich hoffe doch sehr, dass ich Ihr Heimweh ein wenig mildern kann.“ Es folgte leise Zustimmung, Nicken, der eine oder andere wehmütige Blick. Jim entging nicht, dass besonders Bones neben ihm niedergeschlagen aussah und er konnte sich auch sehr gut vorstellen, weshalb. Es war Bones‘ erstes Weihnachten ohne seine Tochter Joanna. Daher legte Jim ihm mitfühlend die rechte Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. Bones seufzte und nickte ihm dann ebenfalls zu. „Bon Appetit.“
Jim nahm auf seinem Stuhl Platz und wie aufs Stichwort kamen aus der angrenzenden Küche zwei Yeomen, ein Mann und eine Frau, um auf Servierwagen die vorbereiteten Teller reinzubringen. Mit Ausnahme von Spock bekam jeder Hirschbraten an Preiselbeeren, mit zweierlei Gemüse und Kroketten. Da sich Spock vegetarisch ernährte, hatte Jim ihm ein entsprechend fleischloses Festmahl zubereiten lassen. Dazu wurde Rotwein und Wasser gereicht, denn Spock trank auch keinen Wein.
„Pavel, gib mir lieber deinen Wein“, feixte Scotty, „du bist noch viel zu jung dafür.“
Chekov zog ihm eine Grimasse und hielt sein Glas besonders fest, ehe der Chefingenieur es sich nehmen konnte. Es folgte allgemeines Gelächter, ehe sie ihr gemeinsames Essen genossen.
„Du bist so still, Bones. Alles in Ordnung?“, fragte Jim, während die anderen in Gespräche vertieft waren und nur sein bester Freund in Gedanken weit weg schien.
„Ja, sicher.“ Ein erzwungenes Lächeln huschte über seine Züge.
Jim hörte die Worte, aber auch den Ton. Bones hatte ihm nur gesagt, was er dachte, sagen zu müssen, um nicht unhöflich zu sein.
„Du denkst an Joanna, nicht wahr?“, hakte Jim vorsichtig nach und schnitt etwas von seinem Fleisch ab.
Bones nickte nur und schob sein Gemüse lustlos auf dem Teller umher.
Plötzlich lachten allesamt, mit der üblichen Ausnahme, die auf den Namen Spock hörte. Jim sah in die Runde und bedauerte, dass er offenbar einen guten Witz oder eine gute Geschichte versäumt hatte, die Sulu eben zum Besten gegeben hatte. Bones wandte sich ebenfalls in Sulus Richtung und schien für einen Moment seine Melancholie vergessen zu haben.
Chekov, dessen Wangen zu glühen begonnen hatten, ließ sich sein Glas immer wieder nachfüllen, was Jim nicht entging, auch wenn er dazu nichts sagte. Bald hatte der Junge Geburtstag und war volljährig. Und hier im Kreis seiner Freunde, wollte Jim es ihm auch gönnen. Er zweifelte nicht daran, dass Sulu oder Scotty ihn später zu seinem Quartier begleiten würden.
Bones wurde mit einem Mal von Chapel in ein Gespräch verwickelt, das Jim kaum verstand, da die Geräuschkulisse an und für sich stimmungsvoll und relativ laut war. Für Spock musste es ohrenbetäubend sein, überlegte Jim und wandte sich seinem Ersten Offizier zu. „Abgesehen davon, dass Sie zur Hälfte Mensch sind, Spock, was hat Sie noch dazu veranlasst, den Abend mit uns zu verbringen?“
Der Halbvulkanier verzog keine Miene, als er seinen Teller leerte und dann zu seinem Glas Wasser griff. Es vergingen einige lange Augenblicke, ehe er antwortete. Jim ging davon aus, dass er seine Worte mit Bedacht wählte. „Mir wurde nahe gelegt, die Logik beiseite zu schieben und auf mein Herz zu hören. Es ist das Fest der Liebe, wie Nyota mich wiederholt wissen ließ.“ Er schenkte ihr über seine linke Schulter hinweg einen flüchtigen Blick. Sie war so beschäftigt damit, Chekov bei einer Erzählung zu lauschen, dass es ihr nicht auffiel. Jim jedoch entging der Blick nicht. Er musste unwillkürlich grinsen. Uhura hatte einen unglaublich starken Einfluss auf Spock.
„Ich bin jedenfalls sehr froh, dass Sie hier sind, Spock. Es wäre nicht dasselbe ohne Sie.“ Selbst wenn es in diesem Jahr noch Überredungskunst gekostet hatte, Spock hierher zu bringen, zweifelte Jim nicht daran, dass er im kommenden Jahr von ganz allein käme. Natürlich würde sein vulkanischer Freund es nie zugeben, aber er genoss es Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Denn auch er war, ebenso wie Jim, stets ein Außenseiter gewesen und hatte sich nirgendwo dazu gehörig gefühlt. Aus anderen Gründen zwar als Jim, aber das war unerheblich.
Hier auf der Enterprise waren sie gezwungen miteinander auszukommen. Und während sie sich langsam aneinander gewöhnt hatten, waren sie Freunde geworden.
Als Kind waren die Geschenke an Weihnachten immer das Wichtigste gewesen. Erst später, als seine Mutter dann oft auf Missionen unterwegs gewesen und schließlich auch noch Sam fortgegangen war, hatte Jim erkannt, dass die Menschen viel wichtiger waren. Dass einem alle Geschenke der Welt nicht die Gefühle ersetzen konnten, die sich mit jeder vergehenden Minute stärker in Jim ausbreiteten; Wärme und Geborgenheit.
Scotty verschwand nach dem Essen, um Keenser eine Portion zu bringen und kehrte bereits nach einigen Minuten zurück. Sulu hatte die Gelegenheit genutzt, sich zu Chekov zu setzen und Uhura hatte sich daraufhin auf den Stuhl neben Chapel sinken lassen.
Nach und nach verschwand die ursprüngliche Sitzordnung, die Kerzen auf dem Tisch wurden zunehmend kürzer. Der Abend neigte sich nur allzu schnell seinem Ende zu, doch Jim war noch kein bisschen müde. Wie auch, da er die letzten Tage so viel geschlafen hatte, dass Bones ihn schon ständig mit Murmeltier ansprach.
Schwester Chapel erhob sich schließlich als Erste, mit rosafarbenen Wangen und einem warmen Lächeln. „Ich verabschiede mich für heute. Danke nochmals für die Einladung, Captain.“ Sie wollte ihm gerade über Bones hinweg die Hand zum Abschied reichen, als hinter ihr Scotty ebenfalls aufstand.
„Bevor Sie gehen, Christine, würde ich gerne noch etwas sagen.“ Sein schottischer Dialekt war mit jedem Glas Wein stärker geworden. Jim konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, hörte dennoch interessiert zu, was der Chief zu sagen hatte. „Ich muss dich loben, Jim. Du hast uns einen großartigen Abend ermöglicht. Dieser Weihnachtsabend war um ein Vielfaches besser, als ich es so weit von Zuhause entfernt erwartet hätte. Und ich glaube, es geht nicht nur mir so.“ Es folgte allgemeine Zustimmung. Scotty hob sein Weinglas und wartete, bis alle anderen seinem Beispiel folgten. „Auf dich, Jim, und einen ganz bezaubernden Weihnachtsabend.“
Jim wurde tatsächlich ein wenig rot. Auch schien sein Herz unnatürlich in seiner Brust anzuschwellen. Seine Freunde prosteten ihm zu und er konnte nichts weiter tun, als ergriffen zu lächeln und sich wahrhaftig geliebt zu fühlen.
~*~
Wie nicht anders zu erwarten war, blieb Leonard bis zuletzt bei Jim. „Das war eine richtig gute Idee“, lobte er seinen Freund.
Jim warf einen Blick aufs Chronometer und nickte ein wenig abwesend.
„Wir sollten auch Schluss machen“, schlug Leonard schließlich vor. „Es ist ganz schön spät geworden.“
Jims Aufmerksamkeit galt daraufhin wieder seinem Freund. „Ich hab dir dein Geschenk noch nicht gegeben, Bones.“
„Der Abend ist Geschenk genug, Jim. Ich bin froh, dass wir alle dieses Fest zusammen verbringen konnten.“
Jim lächelte ihn an. „Ich hab trotzdem noch was für dich.“
Leonards Stirn legte sich in Falten. Seine Hoffnung war gewesen, dass Jim lediglich im Fieberwahn von einem Geschenk gefaselt hatte, da er selbst nichts für seinen Freund hatte und das zutiefst bedauerte.
„Komm mit“, bat Jim, erhob sich und deutete zur Tür hinüber.
„Wo gehen wir hin?“ Leonards Verwirrung hätte kaum größer sein können.
„In dein Quartier“, zwinkerte Jim.
Leonard versuchte sich auszumalen, was Jim ausgerechnet in seinem Quartier wollte, beschloss jedoch seinem Freund einfach zu vertrauen und folgte ihm breitwillig.
Keine fünf Minuten später schloss sich Schott zu dem Raum hinter den beiden Männern und Leonard sah Jim fragend an. „Da sind wir. Was jetzt?“
Jim dachte nicht daran, ihm zu antworten und setzte sich stattdessen an den Schreibtisch seines Freundes, wo er das Terminal aktivierte. Abermals checkte er das Chronometer und beschloss, dass der Zeitpunkt nun richtig war.
„Was treibst du an meinem Terminal, Jim?“ Leonard trat hinter seinen Freund und blickte über dessen Kopf hinweg auf den Monitor.
Jim gab einige Befehle in die Konsole ein, ehe ein Bild aufgebaut wurde.
Hinter ihm schwankte Leonard, sobald er den Raum erkannte, der auf dem Monitor erschien. Er konnte es kaum fassen. Das war das Kinderzimmer seiner Tochter, im Haus seiner Eltern. „Jim …“
Dieser stand von dem Platz auf und dirigierte den anderen Mann auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. „Alles Liebe zu Weihnachten, Bones.“
„DADDY!“ Leonard hörte ihre Stimme, noch ehe Joanna vor dem eigenen Computer Platz genommen hatte. „Daddy.“
Das fröhliche Gesicht seiner kleinen Tochter tauchte auf und Leonard spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten. „Hey, Babygirl …“ Er war vollkommen überwältigt von dem Geschenk, das Jim ihm gemacht hatte. Endlich begriff er, weshalb Jim in der letzten Stunde ständig auf das Chronometer gesehen hatte.
„Ich lasse euch mal allein“, flüsterte Jim, dem nicht entgangen war, wie Bones‘ Stimme zitterte. „Fröhliche Weihnachten, Jojo!“ Er warf dem Mädchen einen Handkuss zu, den sie ganz automatisch erwiderte.
„Danke, Onkel Jim! Dir auch frohe Weihnachten und danke, dass du das möglich gemacht hast.“
Jederzeit, dachte Jim, jederzeit!
„Wie geht es dir, Babygirl?“, konnte Jim seinen Freund noch fragen hören, ehe er sich klammheimlich davon stahl.
~*~
Jim hatte es sich im Bett mit Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte bequem gemacht und war kurz davor einzudösen, als der Türsummer erklang. Er klappte das klassische Buch zu, das er vor Jahren von seinem Großvater geschenkt bekommen hatte, und erhob sich.
Der Wein saß ihm nach wie vor in den Gliedern, ihm war tatsächlich schwindelig, daher setzte er sich nur langsam in Bewegung. Der Türmelder erklang erneut.
„Schon gut, ich bin gleich da …“
Er öffnete seinem späten Besucher die Tür und fand sich Bones gegenüber, den er vor einer guten Stunde in dessen Quartier zurückgelassen hatte. Jim wollte ihn fragen, wie das Gespräch gelaufen war und was er noch zu so später Stunde bei ihm wollte, doch soweit kam er nicht. Denn kaum, dass das Schott beiseite war, fiel Bones ihm um den Hals und drückte ihn dermaßen fest an sich, dass Jim kurzzeitig die Luft wegblieb.
„Danke, Jim. Das vergesse ich dir nie“, hauchte Bones ihm ins Ohr und machte keine Anstalten seinen Freund loszulassen.
Jim lächelte an seiner Schulter und klopfte Bones auf den Rücken. „Hab ich gern gemacht.“
Langsam löste sich Leonard von ihm und sah Jim fest an. „Wie ist dir die Verbindung über diese große Entfernung nur gelungen, Jim?“
Der jüngere Mann lächelte sonnig. „Ich hatte ein paar fleißige Elfen, die mir dabei geholfen haben. Aber bedanke dich lieber erst morgen bei ihnen. Jetzt schlafen sie vermutlich schon.“
Leonard nickte und betrachtete Jim einige lange Momente. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Jim selbst bereits vermutlich schon im Bett gewesen war, da er lediglich in eine Pyjamahose gekleidet vor ihm stand. „Du hast mir heute den vermutlich größten Wunsch erfüllt, den ich je zu Weihnachten hatte. Danke, Jim.“ Bones schenkte ihm ein beseeltes Lächeln.
„Und dich wieder glücklich zu sehen, ist mein größter Wunsch gewesen, Bones. Ich ertrage es nicht, dich traurig zu sehen.“
Einen gedehnten Augenblick knisterte die Luft zwischen ihnen, während sie sich in die Augen sahen. Schließlich schlossen sich die Freunde weiteres Mal an diesem Abend lächelnd in die Arme und erlaubten es sich, eine Weile in der unmittelbaren Nähe des jeweils anderen zu verharren.
„Also dann“, sagte Bones schließlich leise, immer noch lächelnd, „gute Nacht, Jim. Und vielen Dank nochmal.“
„Jederzeit, Bones“, nickte dieser, klopfte seinem Freund sanft auf die Schulter, ehe dieser sich zum Gehen abwandte.
Jim sah ihm noch nach und starrte für einige Sekunden auf das geschlossenen Schott. Alles, was er sich seit jeher gewünscht hatte, war Weihnachten im Kreis seiner Familie zu verbringen.
In diesem Jahr war Jims Wunsch endlich in Erfüllung gegangen …
ENDE
Während Jim also schwitzend, hustend und schniefend im Bett gelegen und seine Grippe auskuriert hatte - unter Bones‘ Argusaugen, versteht sich - hatten Scotty, Sulu und Chekov einen Weihnachtsbaum auf dem Eisplaneten geschlagen, der einer irdischen Tanne nicht ganz unähnlich war, und an Bord gebeamt.
Dieser stand nun in all seiner geschmückten und duftenden Pracht hinter Jim, in dessen privatem Speiseraum. Vor ihm befand sich der festlich gedeckte Tisch, auf den Jim nun prüfend hinabblickte. Es schien nichts zu fehlen.
„Computer, dimme das Licht auf 20 Prozent.“ Langsam wurde das Licht im Raum schwächer und Jim zündete die Kerzen an, die auf der festlichen Tafel standen. „Perfekt“, flüsterte er selig. Jetzt fehlten nur noch seine Gäste. Nein, korrigierte er sich, seine Freunde.
„Computer, spiele klassische Weihnachtsmusik. Lautstärke auf eins Komma fünf Sone.“ Sogleich erklang der sanfte Ton einer Geige, begleitet von einem Piano und einer Klarinette.
Der Türsummer erklang, noch während Jim zufrieden der Melodie zu ,Stille Nacht‘ lauschte. Abermals sah er sich um. Ja, es war alles perfekt vorbereitet. Und so ging er, um freudestrahlend die Tür zu öffnen. Zum Vorschein kam Christine Chapel, die Jim eine Flasche Rotwein mitbrachte. „Frohes Fest, Captain.“
„Schwester Chapel“, grüßte Jim sie freundlich und bat sie herein. „Willkommen. Auch Ihnen ein frohes Fest.“ Seit einer Weile spielte er mit dem Gedanken, ihr das Du anzubieten, wenn sie nicht gerade im Dienst waren. Aber nachdem, was in der Vergangenheit zwischen ihnen geschehen war, und an das Jim sich absolut gar nicht mehr erinnern konnte, hielt er die professionelle Distanz für besser. Inzwischen war er einfach froh, dass es Carol gelungen war, Chapel zu überreden, sie doch auf die Fünfjahresmission zu begleiten. Bones hatte ihn bereits wissen lassen, dass diese Frau nicht mehr aus seinem medizinischen Stab wegzudenken war.
Sie sah sich beeindruckt um, ehe sie sich dem Captain wieder zuwandte. Immerhin war sie noch nie bei ihm zum Essen eingeladen gewesen. „Sie haben sich selbst übertroffen, Captain. Ich muss gestehen, dass ich ziemlich traurig war, als mir klar wurde, dass ich dieses Jahr zu Weihnachten nicht bei meinen Eltern sein würde. Aber, dass Sie es uns ermöglichen hier zu feiern ...“ Sie kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen, da sich der Türsummer erneut meldete.
„Verzeihung ...“ Das war, was Jim überhaupt nicht mochte, wenn Gäste erwartet wurden. Dass man kaum Zeit hatte, sich vernünftig zu begrüßen, bevor es erneut klingelte.
Steif und mit den Händen hinterm Rücken, stand Spock vor der Tür, neben ihm breit grinsend Uhura, die Jim ohne Umschweife in die Arme schloss. „Fröhliche Weihnachten, Captain.“
„Fröhliche Weihnachten“, erwiderte Jim und drückte Uhura einen Moment an sich, ehe er sich von ihr löste, um Spock zur Begrüßung zuzunicken. Er wusste inzwischen, dass Spock es vorzog Körperkontakt zu vermeiden, wenn es die Etikette erlaubte. „Ich war mir nicht sicher, ob Sie ebenfalls kommen würden. Aber ich habe es gehofft. Schön, dass Sie beide da sind.“
„Da ich zur Hälfte Mensch bin, wie Sie stets so eloquent einstreuen, war es eine logische Entscheidung zu kommen.“ Spock trat nach Uhura ein. Hinter ihnen glitt die Tür wieder zu.
„Als ob das der einzige Grund gewesen wäre“, mischte Uhura sich zwinkernd in das Gespräch ein, ehe sie hinüber zu Chapel ging, um diese zu begrüßen.
Die beiden Frauen diskutierten über den Weihnachtsbaum, vor dem sie lächelnd standen und schienen ganz in ihrem Element zu sein, als der Türsummer erneut Besuch ankündigte. Die Prozedur wiederholte sich noch einige Male, bis endlich alle erwarteten Besucher beisammen waren.
Zu Jims Verwunderung, war Bones als letzter und Scotty diesmal ohne Keenser erschienen. Scotty hatte erklärt, dass sein kleiner Kollege fand, dass er an diesem Abend nicht dazu passte. Und Jim verstand, dass es für jemanden, der nicht von der Erde stammte, wenig Sinn machte, Weihnachten zu feiern. Allerdings hatte Scotty Keenser versprochen, ihm später etwas von dem Essen vorbeizubringen und Jim fand die Idee sehr schön.
Schließlich nahmen alle an der festlichen Tafel Platz, nur Jim blieb am Kopf des Tisches stehen und erhob sein Glas. „Bevor wir das Essen genießen, möchte ich mich aus der Tiefe meine Herzens dafür bedanken, dass Sie alle gekommen sind. Und natürlich auch dafür, dass durch Ihr Zutun dieser Abend überhaupt erst möglich geworden ist.“ Er sah glücklich lächelnd in die Runde, begonnen bei Bones zu seiner Rechten, blickte dann zu Chapel, zu Sulu, hinüber zu Scotty am gegenüberliegenden Ende des Tisches. Es folgte Chekov, neben ihm Uhura und schließlich sah er zu Spock, der zu seiner Linken Platz genommen hatte. Sie alle sahen ihn erwartungsvoll an, selbst Spock. „Heute sitzen wir hier nicht als Crew beisammen, sondern vielmehr als Familie. Ich weiß“, fuhr er fort und sah dabei Chapel einen längeren Moment an, „dass so ziemlich jeder von Ihnen auf der Erde Familie hat, bei der er oder sie heute viel lieber wäre. Für Sie mag das heute nicht dasselbe sein, aber ich hoffe doch sehr, dass ich Ihr Heimweh ein wenig mildern kann.“ Es folgte leise Zustimmung, Nicken, der eine oder andere wehmütige Blick. Jim entging nicht, dass besonders Bones neben ihm niedergeschlagen aussah und er konnte sich auch sehr gut vorstellen, weshalb. Es war Bones‘ erstes Weihnachten ohne seine Tochter Joanna. Daher legte Jim ihm mitfühlend die rechte Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. Bones seufzte und nickte ihm dann ebenfalls zu. „Bon Appetit.“
Jim nahm auf seinem Stuhl Platz und wie aufs Stichwort kamen aus der angrenzenden Küche zwei Yeomen, ein Mann und eine Frau, um auf Servierwagen die vorbereiteten Teller reinzubringen. Mit Ausnahme von Spock bekam jeder Hirschbraten an Preiselbeeren, mit zweierlei Gemüse und Kroketten. Da sich Spock vegetarisch ernährte, hatte Jim ihm ein entsprechend fleischloses Festmahl zubereiten lassen. Dazu wurde Rotwein und Wasser gereicht, denn Spock trank auch keinen Wein.
„Pavel, gib mir lieber deinen Wein“, feixte Scotty, „du bist noch viel zu jung dafür.“
Chekov zog ihm eine Grimasse und hielt sein Glas besonders fest, ehe der Chefingenieur es sich nehmen konnte. Es folgte allgemeines Gelächter, ehe sie ihr gemeinsames Essen genossen.
„Du bist so still, Bones. Alles in Ordnung?“, fragte Jim, während die anderen in Gespräche vertieft waren und nur sein bester Freund in Gedanken weit weg schien.
„Ja, sicher.“ Ein erzwungenes Lächeln huschte über seine Züge.
Jim hörte die Worte, aber auch den Ton. Bones hatte ihm nur gesagt, was er dachte, sagen zu müssen, um nicht unhöflich zu sein.
„Du denkst an Joanna, nicht wahr?“, hakte Jim vorsichtig nach und schnitt etwas von seinem Fleisch ab.
Bones nickte nur und schob sein Gemüse lustlos auf dem Teller umher.
Plötzlich lachten allesamt, mit der üblichen Ausnahme, die auf den Namen Spock hörte. Jim sah in die Runde und bedauerte, dass er offenbar einen guten Witz oder eine gute Geschichte versäumt hatte, die Sulu eben zum Besten gegeben hatte. Bones wandte sich ebenfalls in Sulus Richtung und schien für einen Moment seine Melancholie vergessen zu haben.
Chekov, dessen Wangen zu glühen begonnen hatten, ließ sich sein Glas immer wieder nachfüllen, was Jim nicht entging, auch wenn er dazu nichts sagte. Bald hatte der Junge Geburtstag und war volljährig. Und hier im Kreis seiner Freunde, wollte Jim es ihm auch gönnen. Er zweifelte nicht daran, dass Sulu oder Scotty ihn später zu seinem Quartier begleiten würden.
Bones wurde mit einem Mal von Chapel in ein Gespräch verwickelt, das Jim kaum verstand, da die Geräuschkulisse an und für sich stimmungsvoll und relativ laut war. Für Spock musste es ohrenbetäubend sein, überlegte Jim und wandte sich seinem Ersten Offizier zu. „Abgesehen davon, dass Sie zur Hälfte Mensch sind, Spock, was hat Sie noch dazu veranlasst, den Abend mit uns zu verbringen?“
Der Halbvulkanier verzog keine Miene, als er seinen Teller leerte und dann zu seinem Glas Wasser griff. Es vergingen einige lange Augenblicke, ehe er antwortete. Jim ging davon aus, dass er seine Worte mit Bedacht wählte. „Mir wurde nahe gelegt, die Logik beiseite zu schieben und auf mein Herz zu hören. Es ist das Fest der Liebe, wie Nyota mich wiederholt wissen ließ.“ Er schenkte ihr über seine linke Schulter hinweg einen flüchtigen Blick. Sie war so beschäftigt damit, Chekov bei einer Erzählung zu lauschen, dass es ihr nicht auffiel. Jim jedoch entging der Blick nicht. Er musste unwillkürlich grinsen. Uhura hatte einen unglaublich starken Einfluss auf Spock.
„Ich bin jedenfalls sehr froh, dass Sie hier sind, Spock. Es wäre nicht dasselbe ohne Sie.“ Selbst wenn es in diesem Jahr noch Überredungskunst gekostet hatte, Spock hierher zu bringen, zweifelte Jim nicht daran, dass er im kommenden Jahr von ganz allein käme. Natürlich würde sein vulkanischer Freund es nie zugeben, aber er genoss es Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Denn auch er war, ebenso wie Jim, stets ein Außenseiter gewesen und hatte sich nirgendwo dazu gehörig gefühlt. Aus anderen Gründen zwar als Jim, aber das war unerheblich.
Hier auf der Enterprise waren sie gezwungen miteinander auszukommen. Und während sie sich langsam aneinander gewöhnt hatten, waren sie Freunde geworden.
Als Kind waren die Geschenke an Weihnachten immer das Wichtigste gewesen. Erst später, als seine Mutter dann oft auf Missionen unterwegs gewesen und schließlich auch noch Sam fortgegangen war, hatte Jim erkannt, dass die Menschen viel wichtiger waren. Dass einem alle Geschenke der Welt nicht die Gefühle ersetzen konnten, die sich mit jeder vergehenden Minute stärker in Jim ausbreiteten; Wärme und Geborgenheit.
Scotty verschwand nach dem Essen, um Keenser eine Portion zu bringen und kehrte bereits nach einigen Minuten zurück. Sulu hatte die Gelegenheit genutzt, sich zu Chekov zu setzen und Uhura hatte sich daraufhin auf den Stuhl neben Chapel sinken lassen.
Nach und nach verschwand die ursprüngliche Sitzordnung, die Kerzen auf dem Tisch wurden zunehmend kürzer. Der Abend neigte sich nur allzu schnell seinem Ende zu, doch Jim war noch kein bisschen müde. Wie auch, da er die letzten Tage so viel geschlafen hatte, dass Bones ihn schon ständig mit Murmeltier ansprach.
Schwester Chapel erhob sich schließlich als Erste, mit rosafarbenen Wangen und einem warmen Lächeln. „Ich verabschiede mich für heute. Danke nochmals für die Einladung, Captain.“ Sie wollte ihm gerade über Bones hinweg die Hand zum Abschied reichen, als hinter ihr Scotty ebenfalls aufstand.
„Bevor Sie gehen, Christine, würde ich gerne noch etwas sagen.“ Sein schottischer Dialekt war mit jedem Glas Wein stärker geworden. Jim konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, hörte dennoch interessiert zu, was der Chief zu sagen hatte. „Ich muss dich loben, Jim. Du hast uns einen großartigen Abend ermöglicht. Dieser Weihnachtsabend war um ein Vielfaches besser, als ich es so weit von Zuhause entfernt erwartet hätte. Und ich glaube, es geht nicht nur mir so.“ Es folgte allgemeine Zustimmung. Scotty hob sein Weinglas und wartete, bis alle anderen seinem Beispiel folgten. „Auf dich, Jim, und einen ganz bezaubernden Weihnachtsabend.“
Jim wurde tatsächlich ein wenig rot. Auch schien sein Herz unnatürlich in seiner Brust anzuschwellen. Seine Freunde prosteten ihm zu und er konnte nichts weiter tun, als ergriffen zu lächeln und sich wahrhaftig geliebt zu fühlen.
~*~
Wie nicht anders zu erwarten war, blieb Leonard bis zuletzt bei Jim. „Das war eine richtig gute Idee“, lobte er seinen Freund.
Jim warf einen Blick aufs Chronometer und nickte ein wenig abwesend.
„Wir sollten auch Schluss machen“, schlug Leonard schließlich vor. „Es ist ganz schön spät geworden.“
Jims Aufmerksamkeit galt daraufhin wieder seinem Freund. „Ich hab dir dein Geschenk noch nicht gegeben, Bones.“
„Der Abend ist Geschenk genug, Jim. Ich bin froh, dass wir alle dieses Fest zusammen verbringen konnten.“
Jim lächelte ihn an. „Ich hab trotzdem noch was für dich.“
Leonards Stirn legte sich in Falten. Seine Hoffnung war gewesen, dass Jim lediglich im Fieberwahn von einem Geschenk gefaselt hatte, da er selbst nichts für seinen Freund hatte und das zutiefst bedauerte.
„Komm mit“, bat Jim, erhob sich und deutete zur Tür hinüber.
„Wo gehen wir hin?“ Leonards Verwirrung hätte kaum größer sein können.
„In dein Quartier“, zwinkerte Jim.
Leonard versuchte sich auszumalen, was Jim ausgerechnet in seinem Quartier wollte, beschloss jedoch seinem Freund einfach zu vertrauen und folgte ihm breitwillig.
Keine fünf Minuten später schloss sich Schott zu dem Raum hinter den beiden Männern und Leonard sah Jim fragend an. „Da sind wir. Was jetzt?“
Jim dachte nicht daran, ihm zu antworten und setzte sich stattdessen an den Schreibtisch seines Freundes, wo er das Terminal aktivierte. Abermals checkte er das Chronometer und beschloss, dass der Zeitpunkt nun richtig war.
„Was treibst du an meinem Terminal, Jim?“ Leonard trat hinter seinen Freund und blickte über dessen Kopf hinweg auf den Monitor.
Jim gab einige Befehle in die Konsole ein, ehe ein Bild aufgebaut wurde.
Hinter ihm schwankte Leonard, sobald er den Raum erkannte, der auf dem Monitor erschien. Er konnte es kaum fassen. Das war das Kinderzimmer seiner Tochter, im Haus seiner Eltern. „Jim …“
Dieser stand von dem Platz auf und dirigierte den anderen Mann auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. „Alles Liebe zu Weihnachten, Bones.“
„DADDY!“ Leonard hörte ihre Stimme, noch ehe Joanna vor dem eigenen Computer Platz genommen hatte. „Daddy.“
Das fröhliche Gesicht seiner kleinen Tochter tauchte auf und Leonard spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten. „Hey, Babygirl …“ Er war vollkommen überwältigt von dem Geschenk, das Jim ihm gemacht hatte. Endlich begriff er, weshalb Jim in der letzten Stunde ständig auf das Chronometer gesehen hatte.
„Ich lasse euch mal allein“, flüsterte Jim, dem nicht entgangen war, wie Bones‘ Stimme zitterte. „Fröhliche Weihnachten, Jojo!“ Er warf dem Mädchen einen Handkuss zu, den sie ganz automatisch erwiderte.
„Danke, Onkel Jim! Dir auch frohe Weihnachten und danke, dass du das möglich gemacht hast.“
Jederzeit, dachte Jim, jederzeit!
„Wie geht es dir, Babygirl?“, konnte Jim seinen Freund noch fragen hören, ehe er sich klammheimlich davon stahl.
~*~
Jim hatte es sich im Bett mit Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte bequem gemacht und war kurz davor einzudösen, als der Türsummer erklang. Er klappte das klassische Buch zu, das er vor Jahren von seinem Großvater geschenkt bekommen hatte, und erhob sich.
Der Wein saß ihm nach wie vor in den Gliedern, ihm war tatsächlich schwindelig, daher setzte er sich nur langsam in Bewegung. Der Türmelder erklang erneut.
„Schon gut, ich bin gleich da …“
Er öffnete seinem späten Besucher die Tür und fand sich Bones gegenüber, den er vor einer guten Stunde in dessen Quartier zurückgelassen hatte. Jim wollte ihn fragen, wie das Gespräch gelaufen war und was er noch zu so später Stunde bei ihm wollte, doch soweit kam er nicht. Denn kaum, dass das Schott beiseite war, fiel Bones ihm um den Hals und drückte ihn dermaßen fest an sich, dass Jim kurzzeitig die Luft wegblieb.
„Danke, Jim. Das vergesse ich dir nie“, hauchte Bones ihm ins Ohr und machte keine Anstalten seinen Freund loszulassen.
Jim lächelte an seiner Schulter und klopfte Bones auf den Rücken. „Hab ich gern gemacht.“
Langsam löste sich Leonard von ihm und sah Jim fest an. „Wie ist dir die Verbindung über diese große Entfernung nur gelungen, Jim?“
Der jüngere Mann lächelte sonnig. „Ich hatte ein paar fleißige Elfen, die mir dabei geholfen haben. Aber bedanke dich lieber erst morgen bei ihnen. Jetzt schlafen sie vermutlich schon.“
Leonard nickte und betrachtete Jim einige lange Momente. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Jim selbst bereits vermutlich schon im Bett gewesen war, da er lediglich in eine Pyjamahose gekleidet vor ihm stand. „Du hast mir heute den vermutlich größten Wunsch erfüllt, den ich je zu Weihnachten hatte. Danke, Jim.“ Bones schenkte ihm ein beseeltes Lächeln.
„Und dich wieder glücklich zu sehen, ist mein größter Wunsch gewesen, Bones. Ich ertrage es nicht, dich traurig zu sehen.“
Einen gedehnten Augenblick knisterte die Luft zwischen ihnen, während sie sich in die Augen sahen. Schließlich schlossen sich die Freunde weiteres Mal an diesem Abend lächelnd in die Arme und erlaubten es sich, eine Weile in der unmittelbaren Nähe des jeweils anderen zu verharren.
„Also dann“, sagte Bones schließlich leise, immer noch lächelnd, „gute Nacht, Jim. Und vielen Dank nochmal.“
„Jederzeit, Bones“, nickte dieser, klopfte seinem Freund sanft auf die Schulter, ehe dieser sich zum Gehen abwandte.
Jim sah ihm noch nach und starrte für einige Sekunden auf das geschlossenen Schott. Alles, was er sich seit jeher gewünscht hatte, war Weihnachten im Kreis seiner Familie zu verbringen.
In diesem Jahr war Jims Wunsch endlich in Erfüllung gegangen …
ENDE
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