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Deep Space K7: Niemandsland

von road runner

Kapitel 3

Robbie Crixton rannte.


Er ignorierte den stechenden Schmerz in seiner Seite ebenso wie sein Herz, das ihm von innen gegen den Brustkorb hämmerte. Seine Beine fühlten sich weich an, wie Gummi, und es wurde schlimmer mit jedem Schritt, den er tat. Trotzdem zwang er sich, weiterzumachen. Er lief, als sei der leibhaftige Teufel hinter ihm her – und gewissermaßen stimmte das sogar. Bloß, dass sich Lieutenant Thelv nicht hinter, sondern vor ihm befand – was allerdings nicht bedeutete, dass die Andorianerin ihm nicht die Hölle heißmachen würde, wenn er nicht rasch zu den anderen aufschloss.


Robbie wischte sich den Schweiß aus der Stirn und blinzelte. Er erhaschte einen kurzen Blick auf einen Rücken in einem klitschnassen Unterhemd mit Sternenflottenabzeichen, am Ende des Korridors, bevor er hinter einer Abzweigung verschwand.


Komm schon, komm schon, komm schon!, trieb er sich an. Du kannst das!


Keuchend beschleunigte er seine Schritte noch einmal. Galle kletterte seine Speiseröhre empor, doch Robbie biss die Zähne zusammen. Die Biegung kam in Sicht. Seine Beine drohten, ihm den Dienst zu versagen. Verzweifelt kämpfte er sich weiter voran und wechselte die Richtung, als der Flur vor ihm ab-knickte. Verschwommen konnte er eine geöffnete Tür ausmachen. Dem Himmel sei Dank! Endlich -


In dem Raum dahinter hatten sich die anderen Sicherheitswächter in einer langen Reihe aufgestellt. Sie alle waren außer Atem, ihre Gesichter schweißüberströmt, und ihre Trainingskleidung klebte durchnässt an ihren Körpern.


Die letzten Meter überwand Robbie im Sprint – und hätte um ein Haar den Lieutenant über den Haufen gerannt. Verzweifelt bemühte er sich, die Vorwärtsbewegung zu stoppen.

Und es gelang ihm: einen halben Meter vor ihr kam er schlitternd zum Stehen. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, als Thelv ihn mit einem verärgerten Blick musterte.

Dann bewegten sich ihre Lippen, doch Robbie verstand kein Wort – das Rauschen in seinen Ohren überlagerte jedes andere Geräusch, und es legte sich nur langsam.


„Wie bitte?“, hörte er sich schließlich atemlos krächzen.

„Ich sagte, dass das eine miserable Leistung gewesen ist. Selbst für Ihre Verhältnisse, Crixton.“


Verhaltenes Kichern kam aus den Reihen der anderen Besatzungsmitglieder, doch die Andorianerin würgte es sogleich mit einem zornigen Blick ab. „Ihre Schadenfreude können Sie sich sparen. Viele von Ihnen waren heute nur marginal besser als er.“


Die Sicherheitswächter verstummten prompt, eingeschüchtert von dem bedrohlichen Rasseln, das in ihrer Stimme mitschwang. In diesem Moment gaben seine Beine unter ihm nach. Übelkeit stieg in ihm auf, doch Robbie unterdrückte den Brechreiz.


Nicht hier, ermahnte er sich krampfhaft. Nicht vor all den Leuten.


„Haben Sie etwas dazu zu sagen, Crewman? Oder hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Sie sind doch sonst nicht so auf den Mund gefallen.“


Er wollte protestieren, sie anschreien, ihr sagen, was er von ihr hielt; davon, dass sie ihn tyrannisierte, seit er das erste Mal einen Fuß auf diese vermaledeite Station gesetzt hatte… doch als er den Mund öffnete, siegte der Reflex: ein Schwall bitteren Mageninhalts quoll ihm aus dem Rachen und ergoss sich klatschend auf das Deck, direkt vor die Stiefel des Lieutenants, und zu allem Überfluss vor den Augen der versammelten Sicherheitsmannschaft. Robbie spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Und dann packte ihn ihre schmale Hand mit einem eisenhartem Griff am Arm, zerrte ihn zurück auf die Füße.


Wankend kämpfte er darum, das Gleichgewicht zu halten. Alles drehte sich um ihn herum. Die Welt schien zu rotieren wie ein Kreisel.


Thelv hielt ihn fest. „Sehen Sie mich an“, verlangte sie.


Er tat ihr den Gefallen und wandte ihr das vor Scham und Demütigung kribbelnde Gesicht zu.


Die blassen Augen der Andorianerin hatten sich zu Schlitzen verengt.


„Ihre Leistung heute war erbärmlich, Crewman. An der Akademie der Imperialen Garde sind Strecken wie diese hier Standard.“ Sie wandte sich an den Rest der Mannschaft. „Sie dürfen wegtreten. Crixton, schnappen Sie sich ’nen Lappen und machen Sie die Sauerei weg. Danach dürfen Sie Ihre Sachen packen und verschwinden. Jemanden wie Sie kann ich hier an Bord nicht brauchen. Die Anderen finden sich um Punkt 1900 wieder hier ein.“


Die Gruppe stöhnte entsetzt auf, doch der Lieutenant beachtete sie nicht. Mit einer Handbewegung waren sie entlassen. Murmelnd und fluchend setzte sich die Gruppe in Bewegung. Sie trotteten an ihm vorbei, und Robbie wünschte sich, im Boden zu versinken.


„Lieutenant, das ist nicht fair. Er hat sein Bestes gegeben“, sprach plötzlich jemand dicht an seinem Ohr.


Diese Stimme kenne ich doch, dachte er, und fuhr erschrocken herum.


Lauren Wells stand neben ihm, die verschwitzten blonden Haare zu einem losen Zopf gebunden, die kleinen Fäuste angriffslustig geballt. In ihren Augen lag ein trotziges Funkeln. Es rührte ihn, dass sie für ihn Partei ergriff. Zu gern hätte er ihr gedankt, doch es kam ihm schon unglaublich schwer vor, auch nur in ihre Richtung zu schauen. Ihrem Blick standzuhalten erschien ihm unmöglich.


Lieutenant Thelv hingegen schien damit keine Probleme zu haben und Laurens kämpferische Haltung beeindruckte sie offenbar auch nicht im Mindesten.


„Sein Bestes“, entgegnete die Andorianerin ungerührt, „ist eben nicht ausreichend, Wells. Diese Station liegt direkt an der klingonischen Grenze. Sobald das Imperium entscheidet, dass wir ein lohnendes Ziel abgeben – und dieser Tag wird schneller kommen als Ihnen lieb ist – denken Sie vielleicht, dass ein Enterkommando ihn verschonen würde, nur weil er sein Bestes gegeben hat? Denken Sie, die würden ihm auf die Schultern klopfen und friedlich wieder abziehen?“


„Nein, Ma’am. Natürlich nicht, ich wollte nur -“


„Die Ausbildung in einer klingonischen Kaserne ist härter, als Sie es sich auch nur entfernt vorstellen können, Wells. Um einiges härter als die Ausbildungslager der Sternenflotte. Wenn Sie allen Ernstes glauben, dass sein Bestes ausreichend ist, um einem klingonischen Bekk im Kampf die Stirn zu bieten, sollten Sie lieber gleich mit ihm verschwinden – denn ich kann Ihnen versprechen, dass Sie keine reelle Überlebenschance besitzen, wenn es zu einem Angriff kommt. Und jetzt, Crewman, wegtreten!


Lauren hatte dem wohl nichts mehr entgegenzusetzen.


Mit einem verbissenen Ausdruck auf dem Gesicht zog sie ab. Thelv sah zu, wie sie hinter der Biegung des Korridors verschwand, dann setzte sie sich selbst in Bewegung, wobei sie darauf achtete, nicht in die ekelerregende Pfütze zu treten, in der Robbie die traurigen Überreste seines Frühstücks zu sehen glaubte.


Ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen, stapfte sie aus dem Raum.


Robbie blieb allein zurück.


Scheiße, dachte er bitter.


Er machte sich auf den Weg, um etwas zu holen, mit dem er sein Erbrochenes aufwischen konnte und ließ sich dabei eine Menge Zeit. Obwohl er von Kopf bis Fuß durchgeschwitzt war, verspürte er nicht die geringste Lust sich zu waschen. Denn dazu hätte er die Mannschaftsduschen aufsuchen müssen – den Ort, an dem sich in diesem Augenblick vermutlich die meisten seiner Kollegen aufhielten. Vielleicht würden sie ihm die Schuld für die zweite Trainingseinheit in die Schuhe schieben, aber das kümmerte ihn nicht.


Viel schlimmer war der Spott, der nun unweigerlich folgen würde.


Nachdem er fertig war, pfefferte er den schmutzigen Lappen in den Eimer und machte sich langsam auf den Weg zu den Duschen. Niemand kam ihm entgegen, und als er den weiß gekachelten Raum betrat, fand er ihn gnädigerweise verlassen vor. Er zog sich aus und schleuderte die Uniform achtlos in den Wäscheschacht. Dann stellte er sich unter den Duschkopf und ertränkte seinen Frust in einem kalten Wasserstrahl. Mit einem Handtuch um die Lenden machte er sich auf den Rückweg zu seiner Kabine, die er sich mit einem der anderen Sicherheitswächter teilte.


Als er eintrat, rechnete er bereits mit Dunnings breitem Grinsen, aber zu seiner Überraschung war auch die gemeinsame Unterkunft verlassen.


Was zur Hölle ist hier los?


Er öffnete das Handtuch und kramte in den Schubladen nach einer frischen Uniform.


Nachdem er sich umgezogen hatte, zog er seine Reisetasche unter dem Bett hervor, und begann, die Schränke zu öffnen. Innerhalb einer Minute hatte er seine Sachen zusammengepackt, sich die Tasche über die Schulter geworfen, und war bereit, Deep Space K-7 und Lieutenant Kerra Thelv für immer den Rücken zu kehren, als plötzlich der Türmelder zirpte. Gleichermaßen verwirrt wie argwöhnisch bezog er vor dem Schott Stellung und brummte: „Herein!“


Die Tür glitt zischend auf. Laurens schmale Gestalt drängte sich an ihm vorbei in den Raum.


Bevor er seiner Überraschung Ausdruck verleihen konnte, betrat Crewman Howard Dunning die Kabine und schaute an ihm vorbei zu Wells.


„Was hab ich dir gesagt?“, meinte er lächelnd. „Er hat’s wirklich gemacht.“


„Was denn?“, fragte Robbie verwirrt.


„Dein Zeug gepackt“, gab Dunning zurück.


„Schön. Und wo kommt ihr beide auf einmal her?“, wollte er wissen, und konnte nicht verhindern, dass sich der kleine Stich der Eifersucht, den er urplötzlich verspürte, sich auch in seinem Tonfall manifestierte.


Dunning setzte ein triumphierendes Grinsen auf. „Direkt aus dem Büro da oben. Wusstest du, dass Wildman echt scharf ist? Und ich rede nicht von Ihren Hörnern, wenn du verstehst, was ich meine …“


Lauren rollte mit ihren unglaublichen blauen Augen und versetzte Dunning für diese Zurschaustellung pubertären Humors mit ihrem Ellbogen einen schmerzhaften Stoß in die Rippen. Sein Zimmergenosse störte sich nicht daran und hob hinter Laurens Rücken vielsagend die Augenbrauen. Robbie seufzte und wünschte sich in eine andere Kabine – am Besten eine von der Sorte, die sich zurück in Richtung Erde bewegten.


„Wir waren bei Commander Wildman, um mit ihr über den Lieutenant zu sprechen“, sprach Lauren ernst.


Robbie fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. „Ihr habt was?“ Er konnte es nicht fassen. „Seid ihr komplett irre? Thelv wird denken, ich würde versuchen, sie bei ihrem Kommandierenden Offizier anzuschwärzen. Diese Frau war in der Soto, verdammt noch mal! Wenn sie spitzkriegt, was ihr getan habt, wird sie mich für Schießübungen hinhalten lassen, und -“


„Krieg dich wieder ein, Mann!“, fuhr ihm Dunning dazwischen und hob beschwichtigend die Hände.


„Zwei Dinge“, sagte er dann. „Erstens: war alles ihre Idee.“ Er wies mit dem Zeigefinger auf Lauren.


„Vielen Dank auch, Howard“, gab sie bissig zurück.


„Und zweitens?“, fragte Robbie und ließ sich frustriert auf seinem Bett nieder.


Lauren machte einen Schritt auf ihn zu. „Zweitens wirst du deine Sachen wieder einpacken. Thelv kann dich nicht einfach von der Station werfen.“


Er sah davon ab, sie darauf hinzuweisen, dass Thelv innerhalb ihrer Abteilung tun und lassen konnte, was sie wollte. Stattdessen stöhnte er. „Trotzdem kann sie mir noch das Leben zur Hölle machen! Sie hat es doch ohnehin schon auf mich abgesehen, seit ich zum ersten Mal einen Fuß auf diese Station gesetzt habe. Ich muss einfach verschwinden, bevor sie -“


„Sie hat’s doch nicht auf dich abgesehen“, meinte Dunning. „Sie mag dich eben nur ganz nicht so sehr wie uns.“


Er grinste, um zu zeigen, dass es ein Scherz war, doch Robbie war nicht zum Lachen zumute.


„Howard!“, schnappte Lauren und warf ihm einen warnenden Blick zu, der ziemlich deutlich besagte, was sie von Dunnings ganz persönlichen Art der Aufmunterung hielt.


Dann wandte sie sich wieder an Robbie. „Hör mal, ich bin sicher, dass, was sie gesagt hat, sollte dich nur anstacheln.“


Er schnaubte ungläubig und rieb sich das Gesicht mit den Händen. Das glaubt sie doch nicht im Ernst, oder? Und vor allem glaubt sie doch nicht, dass ich ihr das glaube … oder doch?


„Sie ist Andorianerin“, sprach Lauren weiter. „Die ticken anders als wir Menschen.“


Zumindest das stimmte. Die meisten Andorianer zeichneten sich durch eine erstaunliche Aggressivität und Brutalität aus. Sie waren überaus erfinderisch in der Not und besaßen einen schier unglaublichen Überlebensinstinkt, den Robbie bei keiner anderen Spezies als derart ausgeprägt empfunden hatte.


Und wenn man bedenkt, was sie schon alles durchgemacht hat … Robbie seufzte.


„Selbst wenn du recht hast, Lauren“, sagte er niedergeschlagen. „Ich glaube nicht, dass ich das hier durchhalte. Das Training, die Patrouillen auf der Promenade, die Durchsuchungen in den Frachträumen und überhaupt alles. Ich bin für so was nicht gemacht.“


„Heißt das, du willst aussteigen?“, fragte Dunning. Er wirkte regelrecht schockiert. „Komm schon, das kannst du mir nicht antun, Mann. Du weißt doch, wie lange es gedauert hat, bis wir beide miteinander zurechtgekommen sind. Jetzt überleg’ mal, was für einen Blödmann die mir als Nächstes zuteilen …“


„Ich bin gerührt, dass dir das so nahe geht, mein Freund“, brummte Robbie.


„Jetzt reicht’s mir aber!“, rief Lauren.


Sie ließ sich neben ihm auf dem Bett nieder und öffnete den Verschluss seiner Tasche. Erbost begann sie, die Sachen hinaus zu räumen. „Selbst wenn du recht hast, und sie es wirklich auf dich abgesehen hat, dann wirst du dich nicht von ihr unterkriegen lassen, verstanden? Du hast das Ausbildungslager der Sternenflotte hinter dir, also bist du genau so gut wie jeder andere von uns. Du bist nicht weniger wert als wir alle, klar?“


„Keiner von euch hat gekotzt“, erinnerte er sie.


„Und? Dann hast du’s eben. Wen kümmert das schon?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Mich kümmert das nicht – und Howard auch nicht.“


Er atmete langsam aus.


„Jetzt komm schon!“, sagte sie und knuffte ihn lächelnd in die Seite. „Wir kriegen das hin.“


Sie stand auf und lief zur Tür.


„Wir sehen uns heute Abend im Klub, um Punkt 1900. Und wehe, du machst dich aus dem Staub.“


Damit war sie verschwunden, doch Robbie starrte das Schott noch einen Moment lang entgeistert an. Dann beschloss Dunning, dass er seinen Zimmergenossen genug geschont hatte, und schleuderte ihm ein Kissen an die Stirn. Robbie bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, erntete jedoch nichts als das schadenfrohe Grinsen seines Mitbewohners.

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