Der Bolianer warf das maßgeschneiderte Jackett über die Stuhllehne in dem Gästequartier, welches er für diese und die folgende Nacht auf Deep Space Nine gebucht hatte. Detfo Ronsid handelte in isothermischen Legierungen und traf in den nächsten beiden Tagen hier auf vielversprechende Kunden. Seit Ende des Krieges und der Wiedereröffnung der Passage in den Gamma-Quadranten hatte sich Deep Space Nine einen guten Namen als Drehpunkt für Handelsreisende gemacht. Die Infrastruktur an Bord war auf größere Transaktionen ausgerichtet, die Gastronomie auf der Promenade so vielseitig, dass fast jeder einen Platz fand, der ihm behagte, der Barbesitzer ein Mann, der eine scheinbar unendliche Liste an zahlungskräftigen Geschäftsleuten sein eigen nennen konnte, und die Lage der Station war angenehm weit entfernt vom moralischen Zentrum der Föderation, so dass einem hier draußen nicht ganz so streng auf die Finger geschaut wurde.
Das einzige Manko war die Abwesenheit des cardassianischen Schneiders, der vor Ausbruch der heißen Phase des Dominion-Krieges hier residiert hatte. Ronsid warf einen bedauernden Blick auf das Jackett. Der Stoff besaß eine gute Qualität, die Handwerkskunst war in Ordnung, aber es fehlte das gewisse Etwas, das Elim Garak beherrscht hatte. Quark hatte ihm hinter vorgehaltener Hand erzählt, dass der Cardassianer jetzt wohl damit beschäftigt war, den Geheimdienst auf seiner Heimatwelt wieder aufzubauen. Da blieb offensichtlich nicht viel Zeit für die hohe Kunst der Maßschneiderei.
Was auch nachgelassen hatte, war anscheinend die Wartung. Ronsid runzelte die kahle Stirn, als er einen leichten nebligen Niederschlag bemerkte, welcher an der Unterkante der Tür zum Schlafzimmer waberte. Etwas mit den Umweltkontrollen musste defekt sein. Er trat an das Kontrollpanel neben dem Quartierzugang und regelte die Ventilation manuell auf die zweithöchste Stufe. Dann näherte er sich neugierig dem Durchgang zum Schlafzimmer und ließ sich in die Hocke nieder. Während die Sensoren auf seine Annäherung reagierten und die Tür sich zu öffnen begann, strich er mit dem Zeigefinger leicht über den Boden. Stiche wie von feinen Nadeln teilten ihm mit, dass dies eine ausgesprochen unvorsichtige Handlung gewesen war. Mit erstauntem Entsetzen hob er den Finger vor die Augen, der nun brannte, als ob er ihn in Säure getaucht hätte.
Doch das sollte das kleinste seiner Probleme sein, als aus dem meterhohen Nebel, der sich im Schlafzimmer abgesetzt hatte und erst allmählich von der Ventilation aufgelöst wurde, etwas hervorschoss, ihn packte und in die undurchdringliche Suppe hineinzog.
Seine Schreie, die dank der hervorragenden Schallisolation der Quartiere nicht einmal bis auf den Korridor drangen, brachen abrupt ab. Im lichter werdenden Nebel war nur noch das unheilverkündende Klacken verstärkter Gliedmaße auf dem glatten Boden zu hören.
* * *
Mittlerweile wurde es immer schwieriger ihr unauffällig aus dem Weg zu gehen. Als Commander Erika Benteen, die ihre Mittagspause im Quark’s verbrachte, die bajoranische Sicherheitsoffizierin Sito Jaxa die Bar betreten sah, wurde ihr klar, dass nur noch ein deutliches Machtwort die offensichtlichen Annäherungsversuche der blonden Frau würde stoppen können. Das Verzwickte an der Angelegenheit war, dass sie die Aufmerksamkeit irgendwie genoss und Sito nicht vor den Kopf stoßen wollte. Die Bajoranerin war herrlich ungezwungen und erfrischend unreligiös. Man konnte sich tatsächlich sehr gut mit ihr unterhalten und lachen. Wenn sie es bloß auf einer freundschaftlichen Basis würde halten können …
„Commander!“ Der erfreute Ausruf klang deutlich durch die halbbesetzte Bar. Eine überraschte Note schwang darin mit, von welcher Benteen wettete, dass sie vorgeschoben war. Sito hatte sich unter Garantie im Vorfeld erkundigt, wo sie sich aufhielt. So viele zufällige Begegnungen wie in letzter Zeit konnte es gar nicht geben. Selbst ihre Dienstpläne fielen öfters als statistisch erlaubt zusammen.
Mit einem leicht resignierten Gesichtsausdruck hob Benteen ihr Glas zum Gruß. „Lieutenant … welche unerwartete Überraschung, Sie hier zu sehen.“
„Trifft sich gut, nicht?“ Sito zog sich einen Stuhl zurecht, die Ironie in Benteens Worten vollständig ignorierend. Sie verdrehte den Oberkörper, um einen der Angestellten für eine Bestellung heranzuwinken. „Wie war Ihr Morgen?“
Benteen musste unwillkürlich in ihren Drink lächeln. Sito wirkte manches Mal so naiv, dabei hatte die junge Frau bereits einiges hinter sich. Auf gewisse Weise waren sie eine Art verwandte Seelen, beide waren sie im strengen Regelwerk der Sternenflotte gestolpert. Doch wohingegen Benteen sich ihren Fehlern gestellt hatte, und eisern daran arbeitete in ebendiesem System wieder auf die Beine zu kommen, hatte Sito die Flucht nach vorne angetreten. Sie hatte nach Jahren in einem cardassianischen Inhaftierungslager die Sternenflotte verlassen und war einer momentanen Eingebung folgend dem bajoranischen Militär beigetreten. Wahrscheinlich würde es nicht mehr lange dauern, bis sie wieder beide die Sternenflottenuniform trugen und Lieutenant Sito damit Benteen direkt unterstellt wurde.
„Ereignislos“, beantwortete sie die Frage der Bajoranerin. „Momentan ist es nahezu langweilig ruhig hier. Ich hätte erwartet, dass die Freigabe der Passage durch das Wurmloch uns einen Besucheransturm beschert.“
„Das kommt noch“, erklärte Sito mit fachmännischer Miene, während sie ihre Bestellung aufgab, „ich schätze, das ist einfach das anfängliche Zögern durch die neue Situation. New Bajor hat den Verkehr bereits wieder routinemäßig aufgenommen.“
Benteen nickte leicht. „Kennen Sie jemanden auf New Bajor?“, fragte sie, nicht aus Interesse, sondern nur um etwas zu sagen.
Sito zuckte mit den Schultern. „Angeblich hat sich eine entfernte Cousine von mir dort niedergelassen. Doch seit mein Vater mich als Kind nach Valo II geschmuggelt hat, habe ich keinerlei Verbindung mehr zu irgendjemandem von meiner Familie. Das ist wie ein anderes Leben, eines, das nicht wirklich war.“ Sie verzog die Mundwinkel zu einem reuigen Lächeln, doch ihre Augen zeugten davon, dass sie es nicht so kalt ließ wie sie vorgab.
„Vergessen Sie die Frage“, versuchte Benteen die Stimmung fortzuwischen. Mit Sitos tieferen Problemen wollte sie momentan nicht zu viel zu tun haben.
„Schon vergessen …“, Sito beugte sich ein wenig zur Seite und kramte in dem Phaserholster herum, dem einzigen Teil an ihrer enganliegenden Uniform, in dem man etwas verstauen konnte – auch wenn er dafür nicht vorgesehen war. Sie zog mit nun wieder freudig abenteuerlustiger Miene etwas hervor, bei dessen Anblick Benteen sich augenblicklich ein Gespräch über Sitos tiefere Probleme herbei wünschte.
„… das habe ich vorhin auf der Promenade gesehen und sofort an Sie gedacht …“
Sie kam nicht dazu, das kleine, in penetrantes Rot eingewickelte Geschenk an die unglückliche Person ihres Interesses zu übergeben. Beide Kommunikatoren meldeten sich fast zeitgleich.
Irritiert blickten die Frauen sich an, während sie den jeweiligen Ruf entgegennahmen.
„Benteen …“
„Sito …“
„Ja, in Ordnung …“
„… ich komme sofort.“
„Krisensitzung“, erklärten beide gleichzeitig, als sie ihre Verbindungen beendet hatten.
Die nahezu langweilige Ruhe hatte sich soeben erledigt.
* * *
„Wir haben einen Mord auf Deep Space Nine!“ Colonel Kira stand am Kopfende des Besprechungstischs und betrachtete die versammelten Offiziere mit ernster Miene. „Detfo Ronsid, ein bolianischer Geschäftsmann, der hier auf Handelsreise übernachtet hat, wurde vor wenigen Minuten tot in seinem Quartier gefunden. Ein Geschäftspartner hat keine Reaktion aus dem Quartier erhalten und daraufhin die Stationssicherheit informiert.“ Sie blickte Dr. Bashir an.
„Momentan befindet sich der Mann in der Autopsie, der Todeszeitpunkt liegt auf jeden Fall dreieinhalb Stunden zurück“, nahm dieser die stumme Aufforderung an.
„Eine natürliche Todesursache ist auszuschließen?“, fragte Lieutenant Nog nach. Zwar implizierte das bereits Colonel Kiras einleitende Formulierung, doch als Sicherheitschef war es ihm zur zweiten Natur geworden alles zu hinterfragen.
Bashir nickte. „Die Wunden, die dem Opfer zugefügt worden sind, stammen eindeutig von einer zweiten Person. Computer“, wandte er sich an den Raum im Allgemeinen, „zeige Datei Bashir-Epsilon-03.“
Der Monitor am Kopfende des Besprechungsraums flammte auf und zeigte das Abbild eines Bolianers mittleren Alters, der mit bloßem Oberkörper auf einer Krankenliege ruhte. Über den rechten Oberarm und die Hälfte des Brustkorbs hinunter zogen sich bläulich verfärbte Striemen, die von tiefen Wunden mit unsauberen Rändern durchsetzt waren.
„Welche Waffe hinterlässt denn solche Spuren?“, fragte Benteen in die entstandene Stille hinein.
„In einer ersten groben Schätzung würde ich auf einen Gegenstand tippen, der nur mäßig scharf ist, was die unsauberen Wundränder erklären würde. Die Verfärbung deutet daraufhin, dass das Mordwerkzeug eine giftige Substanz enthielt. Näheres weiß ich erst nach Abschluss der Autopsie.“ Bashir wandte seinen Blick von Benteen zu Kira. „Colonel?“
Die Angesprochene nickte. „Halten Sie uns auf dem Laufenden, Doktor“, entließ sie ihn aus der Runde.
Nachdem sich die Türen hinter Bashir geschlossen hatten, nahm Kira Platz. Lieutenant Nog und dessen Stellvertreterin Lieutenant Sito saßen auf ihrer einen Seite, Commander Benteen auf der anderen. „Ich möchte so rasch wie möglich Antworten haben. Wer oder was hat Mr. Ronsid auf dem Gewissen? War es ein gezielter Mord? Sind noch mehr Personen in Gefahr?“ Sie richtete sich in ihrem Sessel auf. „Lieutenant, befragen Sie das Umfeld des Opfers, untersuchen Sie die angrenzenden Quartiere, überprüfen Sie die Überwachungsmonitore, versetzen Sie Ihre Leute in erhöhte Alarmbereitschaft.“
Der Ferengi nickte. Colonel Kira zu erklären, dass er als Sicherheitschef das alles ohnehin getan hätte, verkniff er sich. Kira war eine Person, welche möglichst alle Fäden selbst in der Hand haben musste. Anfangs hatte Nog sich dadurch beobachtet und ein wenig missachtet gefühlt, doch mittlerweile hatte er gelernt, dass nichts Persönliches darin lag. Statt einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, wandte er sich bereits an Sito und begann, die grobe Aufgabenverteilung unter dem diensthabenden Sicherheitspersonal zu besprechen.
„Commander Benteen, lassen Sie die internen Sensoren überprüfen, ob möglicherweise Spuren einer toxischen Substanz irgendwo nachweisbar sind. Sehen Sie die Transit-Daten durch. Was war Mr. Ronsids letzter Aufenthaltsort, welches sein nächstes Ziel … alles, was uns irgendeinen Hinweis auf die Tat geben könnte. Sind in den letzten drei Stunden Schiffe von Deep Space Nine gestartet?“
Benteen machte sich knappe Notizen auf ihrem Padd. „Aye, Sir.“
„An die Arbeit!“ Kira erhob sich. „Ich werde für die nächsten zwei Stunden eine Abflugsperre erlassen. Ich hoffe, bis dahin haben wir erste Antworten, oder im besten Fall …“, sie schenkte ihren Offizieren ein aufmunterndes Lächeln, „… bereits den oder die Täter.“
* * *
Natürlich hatte niemand etwas gesehen, noch gehört. Das Gästequartier, welches auf der rechten Seite an die Unterkunft des verstorben Mr. Ronsid anschloss, war derzeit nicht gebucht. Eine Durchsuchung hatte ergeben, dass sich auch niemand in letzter Zeit unbefugt Zugang dazu verschafft hatte.
Auf der linken Seite nächtigten zwei Saurianer, doch da der Mord in den Vormittagsstunden stattgefunden hatte, hatten sie sich nicht in ihrem Quartier befunden.
Während Lieutenant Nog die Überprüfung der Personalien und Geschäftspartner, und somit möglicher Rivalen, durchführte, hatte Sito Jaxa diejenige des Quartiers übernommen. Mit zwei Kollegen vom Sicherheitsdienst drehte sie jedes Fleckchen von links auf rechts, während sie mit dem Tricorder scannte, um die Daten später im Sicherheitsbüro noch weiter auswerten zu können.
Im Aufenthaltsbereich war nichts, was sie auf den ersten Blick als ungewöhnlich eingestuft hätte. Im Schlafzimmer jedoch bot sich ein anderes Bild. Hier hatte eindeutig ein Kampf stattgefunden. Die Decke war auf den Boden gerutscht, das Material an zwei Stellen zerrissen. Ein schwacher Geruch hing in der Luft, der ihr unangenehm in den Nasenschleimhäuten kitzelte. Ein Ensign der Sternenflotte, welcher nach ihr den Raum betrat, hob ebenfalls die Nase. „Was ist das?“
Sito zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, Serouk, doch der Geruch muss zuvor noch viel stärker gewesen sein.“ Sie deutete über ihre Schulter zurück in den Aufenthaltsbereich. „Er hat die Lüftung hoch gedreht. Ich habe sie erst gerade eben wieder ausgeschaltet.“
Der vulkanische Ensign nickte. Er näherte sich dem Nachttisch, auf dem sich eine unansehnliche, bräunliche Masse befand. Sito wollte eben die Stimme erheben, um ihn davor zu warnen, irgendetwas anzufassen. Dann machte sie sich bewusst, welcher Spezies Ensign Serouk angehörte, und sie hielt den Mund. Das Angenehme an Vulkaniern war, dass sie nicht im Mindesten eine Neigung zu unvorsichtigen Handlungen verspürten. So beobachtete sie lediglich, wie Serouk den Tricorder mit einigem Abstand über die Kommode gleiten ließ.
„Und?“
Die für Sito sichtbare Braue des Ensign zuckte. „Es scheint, dass diese Masse heute Morgen noch ein mit drei verschiedenen Salatsorten belegtes Weißmehlbaguette gewesen ist.“
Die Bajoranerin umrundete das Bett, um sich neben ihren Kollegen zu stellen. „Und was hat es in diesen Zustand gebracht?“
„Genaues kann ich nicht sagen“, bemerkte der nach einem weiteren Blick auf die Anzeigen. „Ohne fundierte Daten würde ich auf eine Zersetzung auf Basis eines Enzyms oder einer Säure schließen.“
„Sorgen Sie dafür, dass es zur Analyse ins Labor kommt, Ensign.“
Während der Vulkanier die nötigen Vorbereitungen traf, kontaktierte Sito OPS, wo sie Benteen an den internen Kontrollen wusste. „Commander, hier war irgendwas im Raum, was imstande ist, organisches Material zu zersetzen. Es riecht noch ein wenig seltsam. Können Sie bitte die Technik anweisen, sich das Umweltsystem näher anzusehen?“
„Positiv“, entgegnete die körperlose, wie stets sachliche, Stimme des Ersten Offiziers, „Wir haben Unregelmäßigkeiten im Lebenserhaltungssystem festgestellt und führen gerade eine Level-Eins-Diagnose Abschnitt für Abschnitt durch. Der Chief ist auf dem Weg zu Ihnen.“
„Ob es das ist, was ihn getötet hat?“, sprach Sito laut ihre Gedanken aus, nachdem sie die Verbindung wieder deaktiviert hatte.
Ensign Serouk hob dieses Mal beide Augenbrauen. „Bei den Wunden, die wir auf der Aufnahme gesehen haben, wage ich das stark zu bezweifeln.“
* * *
Lieutenant Peter Gaheris stand im Wissenschaftslabor vor dem Holoprojektionstisch, der das Zentrum des Raums einnahm, und ließ eine Zahnform nach der anderen mit dem dreidimensionalen Modell der tödlichen Wunde vergleichen. Dr. Bashir hatte den wissenschaftlichen Leiter von Deep Space Nine zu Rate gezogen, nachdem die Autopsie einwandfrei die vergifteten Wunden als Todesursache ergeben hatte. Beide Wissenschaftler waren darin überein gekommen, dass sie den Ursprung der unsauberen Risse eher im organischen denn im mechanischen Bereich vermuteten. Um sich jedoch durch voreilige Schlüsse keine Blickrichtung zu verbauen, hatte Bashir sich daran gesetzt alle bekannten Stich- und Reißwaffen durchzugehen, während Gaheris sich Zähne und Klauen der in der Enzyklopedia Universalis gelisteten Tierformen vornahm. Lieutenant Dax hatte sich bereiterklärt, ihm dabei zu helfen. Zwar hätte Gaheris die Arbeit auch gut alleine mit dem Computer durchführen können, doch er zog die Gesellschaft anderer vor, insbesondere diejenige von Ezri Dax.
„Nein“, erklärte er zum wahrscheinlich fünfzigsten Mal, nachdem er Dax Eintrittswinkel und Bissstärke hatte anpassen lassen. Er kratzte sich an seinem gepflegten Dreitagebart. „Die Wunde ist einfach viel zu ungleichmäßig für alles, was wir bisher hatten.“ Er wandte sich vom Holoprojektor ab und der Trill zu, welche an der Wand am Terminal saß, auf dem sie unter den Parametern Form, Randbeschaffenheit und Toxizität schier endlos erscheinende Reihen von Kiefern und Krallen abgleichen ließ. Die vielversprechendsten Kandidaten ließ sie in den Puffer des Holoprojektors übertragen.
„Sieht so aus, als suchten wir ein Tier mit klingonischen Zähnen“, bemerkte Dax mit einem nonchalanten Schulterzucken.
Gaheris grinste flüchtig, dann schüttelte er jedoch den Kopf. „Ich denke, wir gehen das falsch an. Wer sagt uns denn, dass die Verletzungen von einer Reihe wie Zähnen oder Klauen stammen? Genauso gut kann das eine einzelne Spitze gewesen sein, die mehrfach mit unterschiedlicher Stärke zugeschlagen hat.“
„Also doch eher eine Waffe?“
„Nicht unbedingt … erweitere die Suche bitte auf Tiere mit Stachel – Skorpionartige, Stechinsektenartige … was immer da herum kreucht und fleucht“, wies er sie an, während er die nächste Projektion erneut mit Kopfschütteln betrachtete.
Dax betätigte ein aufblinkendes Bedienfeld. „Wir bekommen gerade die toxische Analyse von der Krankenstation. Das Gift basiert auf einer entfernten Xynthin-Basis, eine genauere Aufschlüsselung erweist sich wohl als umfangreicher.“ Sie drehte ihren Stuhl herum, so dass sie Gaheris ansehen konnte. „Aber das ist doch schon mal ein Anfang, der die Suche ein wenig einschränkt. Bei Mak’ala, ich hatte mir nie träumen lassen, dass es dermaßen viele tierische Lebewesen gibt.“
Gaheris lächelte, während er abermals eine Projektion verwarf. „Und die Enzyklopedia enthält lediglich diejenigen Exemplare, die bereits weitestgehend klassifiziert und katalogisiert worden sind. Was meinst du, was das für eine Arbeit war, die alle für die Prüfung auswendig zu lernen.“ Gaheris‘ Lächeln wurde ein wenig breiter, als Dax ihn entgeistert anstarrte. „War nur ein Scherz.“ Doch die Miene der Trill änderte sich nicht. Irritiert sah sie ihn an. Genauer gesagt an seiner linken Schläfe vorbei.
„Ezri?“
„Was ist das?“
Irritiert wandte der Wissenschaftsoffizier sich um. Aus dem Lüftungsgitter, welches in die Deckenverkleidung eingelassen war, strömte eine dampfartige Substanz. Sie begann sich rasch von ihrem Eintrittsort aus in Richtung des Bodens auszubreiten.
„Computer! Analyse der Raumluft im Bereich des Lüftungsgitters“, ordnete Dax an, während Gaheris vorsorglich an ihren Tisch zurückwich.
In dem Maße wie die Luft am Übergang zwischen Decke und Wand undurchdringlicher wurde, nahm nun auch ein erst unscheinbares, dann jedoch deutlich vernehmbares Geräusch zu.
„39.4 Prozent Kohlendioxid,28.9 Prozent Chlorgas, 12.4 Prozent Methan, 4.7 Prozent Ammoniak, 1.5 Prozent Fluorwasserstoff, 0.4 Prozent Antimonfluorid …“, ratterte die neutrale Computerstimme das Ergebnis der Analyse hinunter
„Klingt ausgesprochen ungesund.“ Gaheris hatte Dax’ Standort erreicht. „Wir sollten das Labor erst einmal verlassen.“
Die nebelartige Substanz hatte sich in der Ecke unter dem Lüftungseinlass bereits zu einem für das Auge undurchdringlichen Pool gesammelt, dessen Ausläufer sich nun träge in den Raum hinein ausbreiteten.
„Lieutenant Dax an Wartung“, betätigte die Trill ihren Kommunikator. „Im Wissenschaftslabor stimmt etwas nicht. Durch die Lüftung dringt ein unbekanntes Aerosol ein, stark säurehaltig. Wir benötigen dringend eine Technikeinheit hier.“
Gaheris wartete ab, bis die Technikzentrale den Ruf bestätigte. „Hast du das eben auch gehört? Im Versorgungsschacht ist etwas.“
Dax nickte. Die Geräusche waren nicht mehr als mögliche lose mechanische Komponenten wegzudiskutieren. Das Scharren besaß etwas Determiniertes, was die ohnehin bereits lebhafte Fantasie der Trill auf Hochtouren laufen ließ. „Ich bin nicht sicher, dass ich wissen möchte, was das ist“, flüsterte sie.
„Wo bleibt denn dein wissenschaftlicher Ehrgeiz?“, foppte Gaheris, doch seiner Stimme fehlte die rechte Überzeugung. Mit dem Blick auf den sich ausbreitenden Nebel gerichtet, zog er sich zur Eingangstür zurück. „Computer, scan den Versorgungsschacht, Abschnitt wissenschaftliches Labor, Andockring, Parameter: Biozeichen.“
Noch bevor die digitale Stimme das Ergebnis der Messung verkünden konnte, gab mit einem schrillen Knirschen ein Teil des Lüftungsgitters nach und der bisher träge nach unten diffundierende Nebel brach als nahezu solide wirkende Masse daraus hervor. Innerhalb von Sekunden war der gesamte Laborboden gute zehn Zentimeter hoch davon bedeckt.
Dax sprang erschrocken zurück. „Ich schwöre, da hinten hat sich was bewegt“, rief sie mit einer Stimme, die sie sich etwas fester gewünscht hätte.
„Ich fürchte, ich habe es auch gesehen“, Gaheris zog sich zu Dax zurück. Sie standen nun beide mit dem Rücken an der Wandkonsole, auf welcher normalerweise Proben aufbereitet wurden. Die Tür befand sich schräg zu ihrer Rechten, keine drei Schritt entfernt, jedoch hatte sich mittlerweile die neblige Atmosphäre dorthin ausgebreitet.
„Ich weise den Computer an, die Türen zu öffnen und dann rennen wir los, okay?“
Dax nickte. „Augen zu und durch.“
„Vielleicht sollten wir sie lieber offen lassen, damit wir nicht gegen die Wand rennen.“ Gaheris grinste schräg, öffnete den Mund zur Anweisung, doch bevor er ein Wort aussprechen konnte, zuckte Dax zusammen.
„Verdammt, etwas hat mich gestreift!“ Der Nebel hatte sich nun bereits um ihre Füße ausgebreitet. Mit einem Satz sprangen beide Offiziere auf das Sideboard. Im Nebel, der unter ihnen noch nicht so dicht war wie in der Ecke beim Lüftungsgitter, waren nun deutlich Bewegungen zu sehen. Etwas Langes, Gegliedertes schwang wie eine Peitsche umher und auf dem Boden waren deutlich klickende Geräusche zu vernehmen.
„Hast Du eine Waffe bei dir?“, wollte Gaheris von der Trill wissen.
Dax schüttelte den Kopf. Sie hatte ihre Beine auf der Ablage angezogen und kratzte sich nun geistesabwesend an der Stelle, wo sie offensichtlich dieser Auswuchs gerade eben getroffen hatte.
„Computer, Spektralanalyse des Bereichs Null bis dreißig Zentimeter vom Laborboden, Röntgenabtastung, Infrarotbild …“
In der angespannten Stille, in welcher lediglich das nervenaufreibende Klicken der Kreatur zu vernehmen war, setzte ein leises Motorgeräusch ein, und die Bewegung des Gases begann sich umzukehren. Langsam wurde die toxische Atmosphäre wieder in den Lüftungsschacht zurückgesaugt.
Dax atmete geräuschvoll aus. „Die Wartung scheint die Sache wieder im Griff zu haben. Wurde auch Zeit.“
Während sie und Gaheris den Blick nicht von dem Nebel nahmen, informierten sie sowohl OPS als auch die Sicherheit von den Geschehnissen im Labor.
Als die letzten dünnen Atmosphärenschlieren sich in den Lüftungsschacht zurückzogen, wurde kurzzeitig der Blick auf ein Teil des Wesens offenbart, das sich gemeinsam mit dem Nebel entfernte und dabei offensichtlich mühelos die glatte Wand erkletterte.
* * *
Vor Dr. Bashirs Nase landete ein Padd auf der Konsole. „Wir haben den Mörder identifiziert.“
Der Mediziner blickte von dem etwas unscharfen Bild eines Invertebraten mit sechs Beinpaaren und wie es schien mehreren Garnituren an Greifwerkzeugen auf zu dem leicht derangiert wirkenden Gaheris, der neben seinen Stuhl getreten war.
„Das ging rasch“, bemerkte er anerkennend. „Wie haben Sie das Wesen gefunden?“ Er drehte sich auf seinem Stuhl von der Konsole weg und dem Gesprächspartner zu, das Padd in Händen, auf welchem er sich das Gliedertier genauer betrachtete.
„Es hat wohl eher uns gefunden“, erklang Dax’ Stimme. Erst durch die Drehung des Stuhls war sie in Bashirs Aufmerksamkeitsfeld geraten.
„Ezri!“ Er legte das Padd augenblicklich wieder ab und stand auf. „Du siehst nicht gut aus. Was ist passiert?“ Der Arzt in ihm übernahm beim Anblick des bleichen Antlitz‘ seiner Freundin die Kontrolle. Er winkte eine Assistentin heran, ihm einen medizinischen Scanner zu reichen.
„Das Vieh ist über den Lüftungsschacht ins Labor eingedrungen“, berichtete Dax, während sie sich von Bashir in den angrenzenden Raum zu einer der Liegen dirigieren ließ. „Es bewegt sich in einer bestimmten Atmosphäre fort. Unsere oxidierende Umgebung scheint ihm nicht so sehr zu schmecken.“
„Verdammt ... ich brauche sofort 100 Mykrogramm Epridans, auf der Stelle!“ Er blickte Dax ernst an. „Bist du gebissen worden?“
Sie schüttelte den Kopf und legte sich dankbar auf die Liege zurück. Ein wenig schummrig fühlte sie sich schon.
Ein medizinischer Assistent reichte den Injektor mit dem geforderten Allround-Antitoxin an Doktor Bashir.
„Das Vieh hat Ezri an der Wade gestreift“, erklärte Gaheris an Dax‘ Stelle. „Hier rechts.“
Bashir verabreichte der Trill das Medikament, dann betrachtete er sich das besagte Bein näher. Der Stoff der Hose wies nur einen feinen Riss in diesem Bereich auf, doch als er sie hochkrempelte, konnte man deutlich die bläuliche Verfärbung an Dax’ Wade erkennen.
„Lediglich die obersten Epidermisschichten sind angeritzt.“ Bashir blickte auf die Anzeige des medizinischen Tricorders, mit welchem er über die Stelle fuhr. „Und doch hast du bereits eine mittelschwere Vergiftung erfahren. Noch mal 100 Mykrogramm!“ Er streckte die Hand aus, ohne aufzusehen. Mit dem nächsten Injektor in der Hand wandte er sich wieder Dax’ Halsschlagader zu. Mit einem zuversichtlichen Lächeln strich er mit den Fingerknöcheln über ihre Wange, bevor er den Hub injizierte. Dann konsultierte er abermals den Scanner. „Okay, es scheint zu wirken, die Toxinwerte beginnen zu sinken. Für eine schwerere Vergiftung wird Epridans jedoch auf keinen Fall ausreichen.“ Er setzte sich auf die Liege und atmete tief durch. Erst jetzt erlaubte er, dass seine persönlichen Gefühle die Oberhand über seine Professionalität erlangten. Er beugte sich über sie und küsste sie auf die Stirn. „Wie fühlst du dich, Ezri?“
„Besser.“ Sie schlang einen Arm um seinen Nacken und nutzte die Haltung, um sich aufzurichten. „Was für ein verdammtes Gift ist das denn?“
„Ein sehr wirkungsvolles“, bemerkte Gaheris aus dem Nebenraum. Er hatte sich an Bashirs Konsole gesetzt und wertete die Daten aus, welche die Laborsensoren auf dem Padd hatten abspeichern können.
Weitere Informationen mussten warten, als Colonel Kira und Commander Benteen mit eiligen Schritten die Krankenstation betraten. „Bericht!“, verlangte die Kommandantin zu wissen, bevor sie zum Stehen kam. „Was ist im Labor vorgefallen?“
„Wir haben den Übeltäter identifiziert“, rief Gaheris von der medizinischen Station herüber.
Kira trat hinter den Stuhl, während Benteen über Interkom Lieutenant Nog und Chief O’Brien her orderte.
Zehn Minuten später hatten sich die Führungsoffiziere in Bashirs Büro zu einer Besprechung versammelt.
Das einzige Manko war die Abwesenheit des cardassianischen Schneiders, der vor Ausbruch der heißen Phase des Dominion-Krieges hier residiert hatte. Ronsid warf einen bedauernden Blick auf das Jackett. Der Stoff besaß eine gute Qualität, die Handwerkskunst war in Ordnung, aber es fehlte das gewisse Etwas, das Elim Garak beherrscht hatte. Quark hatte ihm hinter vorgehaltener Hand erzählt, dass der Cardassianer jetzt wohl damit beschäftigt war, den Geheimdienst auf seiner Heimatwelt wieder aufzubauen. Da blieb offensichtlich nicht viel Zeit für die hohe Kunst der Maßschneiderei.
Was auch nachgelassen hatte, war anscheinend die Wartung. Ronsid runzelte die kahle Stirn, als er einen leichten nebligen Niederschlag bemerkte, welcher an der Unterkante der Tür zum Schlafzimmer waberte. Etwas mit den Umweltkontrollen musste defekt sein. Er trat an das Kontrollpanel neben dem Quartierzugang und regelte die Ventilation manuell auf die zweithöchste Stufe. Dann näherte er sich neugierig dem Durchgang zum Schlafzimmer und ließ sich in die Hocke nieder. Während die Sensoren auf seine Annäherung reagierten und die Tür sich zu öffnen begann, strich er mit dem Zeigefinger leicht über den Boden. Stiche wie von feinen Nadeln teilten ihm mit, dass dies eine ausgesprochen unvorsichtige Handlung gewesen war. Mit erstauntem Entsetzen hob er den Finger vor die Augen, der nun brannte, als ob er ihn in Säure getaucht hätte.
Doch das sollte das kleinste seiner Probleme sein, als aus dem meterhohen Nebel, der sich im Schlafzimmer abgesetzt hatte und erst allmählich von der Ventilation aufgelöst wurde, etwas hervorschoss, ihn packte und in die undurchdringliche Suppe hineinzog.
Seine Schreie, die dank der hervorragenden Schallisolation der Quartiere nicht einmal bis auf den Korridor drangen, brachen abrupt ab. Im lichter werdenden Nebel war nur noch das unheilverkündende Klacken verstärkter Gliedmaße auf dem glatten Boden zu hören.
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Mittlerweile wurde es immer schwieriger ihr unauffällig aus dem Weg zu gehen. Als Commander Erika Benteen, die ihre Mittagspause im Quark’s verbrachte, die bajoranische Sicherheitsoffizierin Sito Jaxa die Bar betreten sah, wurde ihr klar, dass nur noch ein deutliches Machtwort die offensichtlichen Annäherungsversuche der blonden Frau würde stoppen können. Das Verzwickte an der Angelegenheit war, dass sie die Aufmerksamkeit irgendwie genoss und Sito nicht vor den Kopf stoßen wollte. Die Bajoranerin war herrlich ungezwungen und erfrischend unreligiös. Man konnte sich tatsächlich sehr gut mit ihr unterhalten und lachen. Wenn sie es bloß auf einer freundschaftlichen Basis würde halten können …
„Commander!“ Der erfreute Ausruf klang deutlich durch die halbbesetzte Bar. Eine überraschte Note schwang darin mit, von welcher Benteen wettete, dass sie vorgeschoben war. Sito hatte sich unter Garantie im Vorfeld erkundigt, wo sie sich aufhielt. So viele zufällige Begegnungen wie in letzter Zeit konnte es gar nicht geben. Selbst ihre Dienstpläne fielen öfters als statistisch erlaubt zusammen.
Mit einem leicht resignierten Gesichtsausdruck hob Benteen ihr Glas zum Gruß. „Lieutenant … welche unerwartete Überraschung, Sie hier zu sehen.“
„Trifft sich gut, nicht?“ Sito zog sich einen Stuhl zurecht, die Ironie in Benteens Worten vollständig ignorierend. Sie verdrehte den Oberkörper, um einen der Angestellten für eine Bestellung heranzuwinken. „Wie war Ihr Morgen?“
Benteen musste unwillkürlich in ihren Drink lächeln. Sito wirkte manches Mal so naiv, dabei hatte die junge Frau bereits einiges hinter sich. Auf gewisse Weise waren sie eine Art verwandte Seelen, beide waren sie im strengen Regelwerk der Sternenflotte gestolpert. Doch wohingegen Benteen sich ihren Fehlern gestellt hatte, und eisern daran arbeitete in ebendiesem System wieder auf die Beine zu kommen, hatte Sito die Flucht nach vorne angetreten. Sie hatte nach Jahren in einem cardassianischen Inhaftierungslager die Sternenflotte verlassen und war einer momentanen Eingebung folgend dem bajoranischen Militär beigetreten. Wahrscheinlich würde es nicht mehr lange dauern, bis sie wieder beide die Sternenflottenuniform trugen und Lieutenant Sito damit Benteen direkt unterstellt wurde.
„Ereignislos“, beantwortete sie die Frage der Bajoranerin. „Momentan ist es nahezu langweilig ruhig hier. Ich hätte erwartet, dass die Freigabe der Passage durch das Wurmloch uns einen Besucheransturm beschert.“
„Das kommt noch“, erklärte Sito mit fachmännischer Miene, während sie ihre Bestellung aufgab, „ich schätze, das ist einfach das anfängliche Zögern durch die neue Situation. New Bajor hat den Verkehr bereits wieder routinemäßig aufgenommen.“
Benteen nickte leicht. „Kennen Sie jemanden auf New Bajor?“, fragte sie, nicht aus Interesse, sondern nur um etwas zu sagen.
Sito zuckte mit den Schultern. „Angeblich hat sich eine entfernte Cousine von mir dort niedergelassen. Doch seit mein Vater mich als Kind nach Valo II geschmuggelt hat, habe ich keinerlei Verbindung mehr zu irgendjemandem von meiner Familie. Das ist wie ein anderes Leben, eines, das nicht wirklich war.“ Sie verzog die Mundwinkel zu einem reuigen Lächeln, doch ihre Augen zeugten davon, dass sie es nicht so kalt ließ wie sie vorgab.
„Vergessen Sie die Frage“, versuchte Benteen die Stimmung fortzuwischen. Mit Sitos tieferen Problemen wollte sie momentan nicht zu viel zu tun haben.
„Schon vergessen …“, Sito beugte sich ein wenig zur Seite und kramte in dem Phaserholster herum, dem einzigen Teil an ihrer enganliegenden Uniform, in dem man etwas verstauen konnte – auch wenn er dafür nicht vorgesehen war. Sie zog mit nun wieder freudig abenteuerlustiger Miene etwas hervor, bei dessen Anblick Benteen sich augenblicklich ein Gespräch über Sitos tiefere Probleme herbei wünschte.
„… das habe ich vorhin auf der Promenade gesehen und sofort an Sie gedacht …“
Sie kam nicht dazu, das kleine, in penetrantes Rot eingewickelte Geschenk an die unglückliche Person ihres Interesses zu übergeben. Beide Kommunikatoren meldeten sich fast zeitgleich.
Irritiert blickten die Frauen sich an, während sie den jeweiligen Ruf entgegennahmen.
„Benteen …“
„Sito …“
„Ja, in Ordnung …“
„… ich komme sofort.“
„Krisensitzung“, erklärten beide gleichzeitig, als sie ihre Verbindungen beendet hatten.
Die nahezu langweilige Ruhe hatte sich soeben erledigt.
* * *
„Wir haben einen Mord auf Deep Space Nine!“ Colonel Kira stand am Kopfende des Besprechungstischs und betrachtete die versammelten Offiziere mit ernster Miene. „Detfo Ronsid, ein bolianischer Geschäftsmann, der hier auf Handelsreise übernachtet hat, wurde vor wenigen Minuten tot in seinem Quartier gefunden. Ein Geschäftspartner hat keine Reaktion aus dem Quartier erhalten und daraufhin die Stationssicherheit informiert.“ Sie blickte Dr. Bashir an.
„Momentan befindet sich der Mann in der Autopsie, der Todeszeitpunkt liegt auf jeden Fall dreieinhalb Stunden zurück“, nahm dieser die stumme Aufforderung an.
„Eine natürliche Todesursache ist auszuschließen?“, fragte Lieutenant Nog nach. Zwar implizierte das bereits Colonel Kiras einleitende Formulierung, doch als Sicherheitschef war es ihm zur zweiten Natur geworden alles zu hinterfragen.
Bashir nickte. „Die Wunden, die dem Opfer zugefügt worden sind, stammen eindeutig von einer zweiten Person. Computer“, wandte er sich an den Raum im Allgemeinen, „zeige Datei Bashir-Epsilon-03.“
Der Monitor am Kopfende des Besprechungsraums flammte auf und zeigte das Abbild eines Bolianers mittleren Alters, der mit bloßem Oberkörper auf einer Krankenliege ruhte. Über den rechten Oberarm und die Hälfte des Brustkorbs hinunter zogen sich bläulich verfärbte Striemen, die von tiefen Wunden mit unsauberen Rändern durchsetzt waren.
„Welche Waffe hinterlässt denn solche Spuren?“, fragte Benteen in die entstandene Stille hinein.
„In einer ersten groben Schätzung würde ich auf einen Gegenstand tippen, der nur mäßig scharf ist, was die unsauberen Wundränder erklären würde. Die Verfärbung deutet daraufhin, dass das Mordwerkzeug eine giftige Substanz enthielt. Näheres weiß ich erst nach Abschluss der Autopsie.“ Bashir wandte seinen Blick von Benteen zu Kira. „Colonel?“
Die Angesprochene nickte. „Halten Sie uns auf dem Laufenden, Doktor“, entließ sie ihn aus der Runde.
Nachdem sich die Türen hinter Bashir geschlossen hatten, nahm Kira Platz. Lieutenant Nog und dessen Stellvertreterin Lieutenant Sito saßen auf ihrer einen Seite, Commander Benteen auf der anderen. „Ich möchte so rasch wie möglich Antworten haben. Wer oder was hat Mr. Ronsid auf dem Gewissen? War es ein gezielter Mord? Sind noch mehr Personen in Gefahr?“ Sie richtete sich in ihrem Sessel auf. „Lieutenant, befragen Sie das Umfeld des Opfers, untersuchen Sie die angrenzenden Quartiere, überprüfen Sie die Überwachungsmonitore, versetzen Sie Ihre Leute in erhöhte Alarmbereitschaft.“
Der Ferengi nickte. Colonel Kira zu erklären, dass er als Sicherheitschef das alles ohnehin getan hätte, verkniff er sich. Kira war eine Person, welche möglichst alle Fäden selbst in der Hand haben musste. Anfangs hatte Nog sich dadurch beobachtet und ein wenig missachtet gefühlt, doch mittlerweile hatte er gelernt, dass nichts Persönliches darin lag. Statt einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, wandte er sich bereits an Sito und begann, die grobe Aufgabenverteilung unter dem diensthabenden Sicherheitspersonal zu besprechen.
„Commander Benteen, lassen Sie die internen Sensoren überprüfen, ob möglicherweise Spuren einer toxischen Substanz irgendwo nachweisbar sind. Sehen Sie die Transit-Daten durch. Was war Mr. Ronsids letzter Aufenthaltsort, welches sein nächstes Ziel … alles, was uns irgendeinen Hinweis auf die Tat geben könnte. Sind in den letzten drei Stunden Schiffe von Deep Space Nine gestartet?“
Benteen machte sich knappe Notizen auf ihrem Padd. „Aye, Sir.“
„An die Arbeit!“ Kira erhob sich. „Ich werde für die nächsten zwei Stunden eine Abflugsperre erlassen. Ich hoffe, bis dahin haben wir erste Antworten, oder im besten Fall …“, sie schenkte ihren Offizieren ein aufmunterndes Lächeln, „… bereits den oder die Täter.“
* * *
Natürlich hatte niemand etwas gesehen, noch gehört. Das Gästequartier, welches auf der rechten Seite an die Unterkunft des verstorben Mr. Ronsid anschloss, war derzeit nicht gebucht. Eine Durchsuchung hatte ergeben, dass sich auch niemand in letzter Zeit unbefugt Zugang dazu verschafft hatte.
Auf der linken Seite nächtigten zwei Saurianer, doch da der Mord in den Vormittagsstunden stattgefunden hatte, hatten sie sich nicht in ihrem Quartier befunden.
Während Lieutenant Nog die Überprüfung der Personalien und Geschäftspartner, und somit möglicher Rivalen, durchführte, hatte Sito Jaxa diejenige des Quartiers übernommen. Mit zwei Kollegen vom Sicherheitsdienst drehte sie jedes Fleckchen von links auf rechts, während sie mit dem Tricorder scannte, um die Daten später im Sicherheitsbüro noch weiter auswerten zu können.
Im Aufenthaltsbereich war nichts, was sie auf den ersten Blick als ungewöhnlich eingestuft hätte. Im Schlafzimmer jedoch bot sich ein anderes Bild. Hier hatte eindeutig ein Kampf stattgefunden. Die Decke war auf den Boden gerutscht, das Material an zwei Stellen zerrissen. Ein schwacher Geruch hing in der Luft, der ihr unangenehm in den Nasenschleimhäuten kitzelte. Ein Ensign der Sternenflotte, welcher nach ihr den Raum betrat, hob ebenfalls die Nase. „Was ist das?“
Sito zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, Serouk, doch der Geruch muss zuvor noch viel stärker gewesen sein.“ Sie deutete über ihre Schulter zurück in den Aufenthaltsbereich. „Er hat die Lüftung hoch gedreht. Ich habe sie erst gerade eben wieder ausgeschaltet.“
Der vulkanische Ensign nickte. Er näherte sich dem Nachttisch, auf dem sich eine unansehnliche, bräunliche Masse befand. Sito wollte eben die Stimme erheben, um ihn davor zu warnen, irgendetwas anzufassen. Dann machte sie sich bewusst, welcher Spezies Ensign Serouk angehörte, und sie hielt den Mund. Das Angenehme an Vulkaniern war, dass sie nicht im Mindesten eine Neigung zu unvorsichtigen Handlungen verspürten. So beobachtete sie lediglich, wie Serouk den Tricorder mit einigem Abstand über die Kommode gleiten ließ.
„Und?“
Die für Sito sichtbare Braue des Ensign zuckte. „Es scheint, dass diese Masse heute Morgen noch ein mit drei verschiedenen Salatsorten belegtes Weißmehlbaguette gewesen ist.“
Die Bajoranerin umrundete das Bett, um sich neben ihren Kollegen zu stellen. „Und was hat es in diesen Zustand gebracht?“
„Genaues kann ich nicht sagen“, bemerkte der nach einem weiteren Blick auf die Anzeigen. „Ohne fundierte Daten würde ich auf eine Zersetzung auf Basis eines Enzyms oder einer Säure schließen.“
„Sorgen Sie dafür, dass es zur Analyse ins Labor kommt, Ensign.“
Während der Vulkanier die nötigen Vorbereitungen traf, kontaktierte Sito OPS, wo sie Benteen an den internen Kontrollen wusste. „Commander, hier war irgendwas im Raum, was imstande ist, organisches Material zu zersetzen. Es riecht noch ein wenig seltsam. Können Sie bitte die Technik anweisen, sich das Umweltsystem näher anzusehen?“
„Positiv“, entgegnete die körperlose, wie stets sachliche, Stimme des Ersten Offiziers, „Wir haben Unregelmäßigkeiten im Lebenserhaltungssystem festgestellt und führen gerade eine Level-Eins-Diagnose Abschnitt für Abschnitt durch. Der Chief ist auf dem Weg zu Ihnen.“
„Ob es das ist, was ihn getötet hat?“, sprach Sito laut ihre Gedanken aus, nachdem sie die Verbindung wieder deaktiviert hatte.
Ensign Serouk hob dieses Mal beide Augenbrauen. „Bei den Wunden, die wir auf der Aufnahme gesehen haben, wage ich das stark zu bezweifeln.“
* * *
Lieutenant Peter Gaheris stand im Wissenschaftslabor vor dem Holoprojektionstisch, der das Zentrum des Raums einnahm, und ließ eine Zahnform nach der anderen mit dem dreidimensionalen Modell der tödlichen Wunde vergleichen. Dr. Bashir hatte den wissenschaftlichen Leiter von Deep Space Nine zu Rate gezogen, nachdem die Autopsie einwandfrei die vergifteten Wunden als Todesursache ergeben hatte. Beide Wissenschaftler waren darin überein gekommen, dass sie den Ursprung der unsauberen Risse eher im organischen denn im mechanischen Bereich vermuteten. Um sich jedoch durch voreilige Schlüsse keine Blickrichtung zu verbauen, hatte Bashir sich daran gesetzt alle bekannten Stich- und Reißwaffen durchzugehen, während Gaheris sich Zähne und Klauen der in der Enzyklopedia Universalis gelisteten Tierformen vornahm. Lieutenant Dax hatte sich bereiterklärt, ihm dabei zu helfen. Zwar hätte Gaheris die Arbeit auch gut alleine mit dem Computer durchführen können, doch er zog die Gesellschaft anderer vor, insbesondere diejenige von Ezri Dax.
„Nein“, erklärte er zum wahrscheinlich fünfzigsten Mal, nachdem er Dax Eintrittswinkel und Bissstärke hatte anpassen lassen. Er kratzte sich an seinem gepflegten Dreitagebart. „Die Wunde ist einfach viel zu ungleichmäßig für alles, was wir bisher hatten.“ Er wandte sich vom Holoprojektor ab und der Trill zu, welche an der Wand am Terminal saß, auf dem sie unter den Parametern Form, Randbeschaffenheit und Toxizität schier endlos erscheinende Reihen von Kiefern und Krallen abgleichen ließ. Die vielversprechendsten Kandidaten ließ sie in den Puffer des Holoprojektors übertragen.
„Sieht so aus, als suchten wir ein Tier mit klingonischen Zähnen“, bemerkte Dax mit einem nonchalanten Schulterzucken.
Gaheris grinste flüchtig, dann schüttelte er jedoch den Kopf. „Ich denke, wir gehen das falsch an. Wer sagt uns denn, dass die Verletzungen von einer Reihe wie Zähnen oder Klauen stammen? Genauso gut kann das eine einzelne Spitze gewesen sein, die mehrfach mit unterschiedlicher Stärke zugeschlagen hat.“
„Also doch eher eine Waffe?“
„Nicht unbedingt … erweitere die Suche bitte auf Tiere mit Stachel – Skorpionartige, Stechinsektenartige … was immer da herum kreucht und fleucht“, wies er sie an, während er die nächste Projektion erneut mit Kopfschütteln betrachtete.
Dax betätigte ein aufblinkendes Bedienfeld. „Wir bekommen gerade die toxische Analyse von der Krankenstation. Das Gift basiert auf einer entfernten Xynthin-Basis, eine genauere Aufschlüsselung erweist sich wohl als umfangreicher.“ Sie drehte ihren Stuhl herum, so dass sie Gaheris ansehen konnte. „Aber das ist doch schon mal ein Anfang, der die Suche ein wenig einschränkt. Bei Mak’ala, ich hatte mir nie träumen lassen, dass es dermaßen viele tierische Lebewesen gibt.“
Gaheris lächelte, während er abermals eine Projektion verwarf. „Und die Enzyklopedia enthält lediglich diejenigen Exemplare, die bereits weitestgehend klassifiziert und katalogisiert worden sind. Was meinst du, was das für eine Arbeit war, die alle für die Prüfung auswendig zu lernen.“ Gaheris‘ Lächeln wurde ein wenig breiter, als Dax ihn entgeistert anstarrte. „War nur ein Scherz.“ Doch die Miene der Trill änderte sich nicht. Irritiert sah sie ihn an. Genauer gesagt an seiner linken Schläfe vorbei.
„Ezri?“
„Was ist das?“
Irritiert wandte der Wissenschaftsoffizier sich um. Aus dem Lüftungsgitter, welches in die Deckenverkleidung eingelassen war, strömte eine dampfartige Substanz. Sie begann sich rasch von ihrem Eintrittsort aus in Richtung des Bodens auszubreiten.
„Computer! Analyse der Raumluft im Bereich des Lüftungsgitters“, ordnete Dax an, während Gaheris vorsorglich an ihren Tisch zurückwich.
In dem Maße wie die Luft am Übergang zwischen Decke und Wand undurchdringlicher wurde, nahm nun auch ein erst unscheinbares, dann jedoch deutlich vernehmbares Geräusch zu.
„39.4 Prozent Kohlendioxid,28.9 Prozent Chlorgas, 12.4 Prozent Methan, 4.7 Prozent Ammoniak, 1.5 Prozent Fluorwasserstoff, 0.4 Prozent Antimonfluorid …“, ratterte die neutrale Computerstimme das Ergebnis der Analyse hinunter
„Klingt ausgesprochen ungesund.“ Gaheris hatte Dax’ Standort erreicht. „Wir sollten das Labor erst einmal verlassen.“
Die nebelartige Substanz hatte sich in der Ecke unter dem Lüftungseinlass bereits zu einem für das Auge undurchdringlichen Pool gesammelt, dessen Ausläufer sich nun träge in den Raum hinein ausbreiteten.
„Lieutenant Dax an Wartung“, betätigte die Trill ihren Kommunikator. „Im Wissenschaftslabor stimmt etwas nicht. Durch die Lüftung dringt ein unbekanntes Aerosol ein, stark säurehaltig. Wir benötigen dringend eine Technikeinheit hier.“
Gaheris wartete ab, bis die Technikzentrale den Ruf bestätigte. „Hast du das eben auch gehört? Im Versorgungsschacht ist etwas.“
Dax nickte. Die Geräusche waren nicht mehr als mögliche lose mechanische Komponenten wegzudiskutieren. Das Scharren besaß etwas Determiniertes, was die ohnehin bereits lebhafte Fantasie der Trill auf Hochtouren laufen ließ. „Ich bin nicht sicher, dass ich wissen möchte, was das ist“, flüsterte sie.
„Wo bleibt denn dein wissenschaftlicher Ehrgeiz?“, foppte Gaheris, doch seiner Stimme fehlte die rechte Überzeugung. Mit dem Blick auf den sich ausbreitenden Nebel gerichtet, zog er sich zur Eingangstür zurück. „Computer, scan den Versorgungsschacht, Abschnitt wissenschaftliches Labor, Andockring, Parameter: Biozeichen.“
Noch bevor die digitale Stimme das Ergebnis der Messung verkünden konnte, gab mit einem schrillen Knirschen ein Teil des Lüftungsgitters nach und der bisher träge nach unten diffundierende Nebel brach als nahezu solide wirkende Masse daraus hervor. Innerhalb von Sekunden war der gesamte Laborboden gute zehn Zentimeter hoch davon bedeckt.
Dax sprang erschrocken zurück. „Ich schwöre, da hinten hat sich was bewegt“, rief sie mit einer Stimme, die sie sich etwas fester gewünscht hätte.
„Ich fürchte, ich habe es auch gesehen“, Gaheris zog sich zu Dax zurück. Sie standen nun beide mit dem Rücken an der Wandkonsole, auf welcher normalerweise Proben aufbereitet wurden. Die Tür befand sich schräg zu ihrer Rechten, keine drei Schritt entfernt, jedoch hatte sich mittlerweile die neblige Atmosphäre dorthin ausgebreitet.
„Ich weise den Computer an, die Türen zu öffnen und dann rennen wir los, okay?“
Dax nickte. „Augen zu und durch.“
„Vielleicht sollten wir sie lieber offen lassen, damit wir nicht gegen die Wand rennen.“ Gaheris grinste schräg, öffnete den Mund zur Anweisung, doch bevor er ein Wort aussprechen konnte, zuckte Dax zusammen.
„Verdammt, etwas hat mich gestreift!“ Der Nebel hatte sich nun bereits um ihre Füße ausgebreitet. Mit einem Satz sprangen beide Offiziere auf das Sideboard. Im Nebel, der unter ihnen noch nicht so dicht war wie in der Ecke beim Lüftungsgitter, waren nun deutlich Bewegungen zu sehen. Etwas Langes, Gegliedertes schwang wie eine Peitsche umher und auf dem Boden waren deutlich klickende Geräusche zu vernehmen.
„Hast Du eine Waffe bei dir?“, wollte Gaheris von der Trill wissen.
Dax schüttelte den Kopf. Sie hatte ihre Beine auf der Ablage angezogen und kratzte sich nun geistesabwesend an der Stelle, wo sie offensichtlich dieser Auswuchs gerade eben getroffen hatte.
„Computer, Spektralanalyse des Bereichs Null bis dreißig Zentimeter vom Laborboden, Röntgenabtastung, Infrarotbild …“
In der angespannten Stille, in welcher lediglich das nervenaufreibende Klicken der Kreatur zu vernehmen war, setzte ein leises Motorgeräusch ein, und die Bewegung des Gases begann sich umzukehren. Langsam wurde die toxische Atmosphäre wieder in den Lüftungsschacht zurückgesaugt.
Dax atmete geräuschvoll aus. „Die Wartung scheint die Sache wieder im Griff zu haben. Wurde auch Zeit.“
Während sie und Gaheris den Blick nicht von dem Nebel nahmen, informierten sie sowohl OPS als auch die Sicherheit von den Geschehnissen im Labor.
Als die letzten dünnen Atmosphärenschlieren sich in den Lüftungsschacht zurückzogen, wurde kurzzeitig der Blick auf ein Teil des Wesens offenbart, das sich gemeinsam mit dem Nebel entfernte und dabei offensichtlich mühelos die glatte Wand erkletterte.
* * *
Vor Dr. Bashirs Nase landete ein Padd auf der Konsole. „Wir haben den Mörder identifiziert.“
Der Mediziner blickte von dem etwas unscharfen Bild eines Invertebraten mit sechs Beinpaaren und wie es schien mehreren Garnituren an Greifwerkzeugen auf zu dem leicht derangiert wirkenden Gaheris, der neben seinen Stuhl getreten war.
„Das ging rasch“, bemerkte er anerkennend. „Wie haben Sie das Wesen gefunden?“ Er drehte sich auf seinem Stuhl von der Konsole weg und dem Gesprächspartner zu, das Padd in Händen, auf welchem er sich das Gliedertier genauer betrachtete.
„Es hat wohl eher uns gefunden“, erklang Dax’ Stimme. Erst durch die Drehung des Stuhls war sie in Bashirs Aufmerksamkeitsfeld geraten.
„Ezri!“ Er legte das Padd augenblicklich wieder ab und stand auf. „Du siehst nicht gut aus. Was ist passiert?“ Der Arzt in ihm übernahm beim Anblick des bleichen Antlitz‘ seiner Freundin die Kontrolle. Er winkte eine Assistentin heran, ihm einen medizinischen Scanner zu reichen.
„Das Vieh ist über den Lüftungsschacht ins Labor eingedrungen“, berichtete Dax, während sie sich von Bashir in den angrenzenden Raum zu einer der Liegen dirigieren ließ. „Es bewegt sich in einer bestimmten Atmosphäre fort. Unsere oxidierende Umgebung scheint ihm nicht so sehr zu schmecken.“
„Verdammt ... ich brauche sofort 100 Mykrogramm Epridans, auf der Stelle!“ Er blickte Dax ernst an. „Bist du gebissen worden?“
Sie schüttelte den Kopf und legte sich dankbar auf die Liege zurück. Ein wenig schummrig fühlte sie sich schon.
Ein medizinischer Assistent reichte den Injektor mit dem geforderten Allround-Antitoxin an Doktor Bashir.
„Das Vieh hat Ezri an der Wade gestreift“, erklärte Gaheris an Dax‘ Stelle. „Hier rechts.“
Bashir verabreichte der Trill das Medikament, dann betrachtete er sich das besagte Bein näher. Der Stoff der Hose wies nur einen feinen Riss in diesem Bereich auf, doch als er sie hochkrempelte, konnte man deutlich die bläuliche Verfärbung an Dax’ Wade erkennen.
„Lediglich die obersten Epidermisschichten sind angeritzt.“ Bashir blickte auf die Anzeige des medizinischen Tricorders, mit welchem er über die Stelle fuhr. „Und doch hast du bereits eine mittelschwere Vergiftung erfahren. Noch mal 100 Mykrogramm!“ Er streckte die Hand aus, ohne aufzusehen. Mit dem nächsten Injektor in der Hand wandte er sich wieder Dax’ Halsschlagader zu. Mit einem zuversichtlichen Lächeln strich er mit den Fingerknöcheln über ihre Wange, bevor er den Hub injizierte. Dann konsultierte er abermals den Scanner. „Okay, es scheint zu wirken, die Toxinwerte beginnen zu sinken. Für eine schwerere Vergiftung wird Epridans jedoch auf keinen Fall ausreichen.“ Er setzte sich auf die Liege und atmete tief durch. Erst jetzt erlaubte er, dass seine persönlichen Gefühle die Oberhand über seine Professionalität erlangten. Er beugte sich über sie und küsste sie auf die Stirn. „Wie fühlst du dich, Ezri?“
„Besser.“ Sie schlang einen Arm um seinen Nacken und nutzte die Haltung, um sich aufzurichten. „Was für ein verdammtes Gift ist das denn?“
„Ein sehr wirkungsvolles“, bemerkte Gaheris aus dem Nebenraum. Er hatte sich an Bashirs Konsole gesetzt und wertete die Daten aus, welche die Laborsensoren auf dem Padd hatten abspeichern können.
Weitere Informationen mussten warten, als Colonel Kira und Commander Benteen mit eiligen Schritten die Krankenstation betraten. „Bericht!“, verlangte die Kommandantin zu wissen, bevor sie zum Stehen kam. „Was ist im Labor vorgefallen?“
„Wir haben den Übeltäter identifiziert“, rief Gaheris von der medizinischen Station herüber.
Kira trat hinter den Stuhl, während Benteen über Interkom Lieutenant Nog und Chief O’Brien her orderte.
Zehn Minuten später hatten sich die Führungsoffiziere in Bashirs Büro zu einer Besprechung versammelt.
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