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Now-here

von werewolf

Kapitel 1

Ich hoffe, das Rating stimmt so... wenn nicht, bitte Bescheid sagen.
Joret spürte, dass die Schmerzen weniger wurden.
Seine Hand lag noch immer auf der Stelle dicht unter den Rippen, wo ihn der Messerstich getroffen hatte, ausgeführt von irgendeinem Jem‘Hadar, und irgendwo auf irgendeinem Planeten, in irgendeinem Kampf.
Er wusste, dass es bei solchen Verletzungen nichts Gutes bedeutete, wenn man keine Schmerzen mehr hatte. Es bedeutete, dass man bald sterben würde.
Sterben, ja. Es schien ihm gar nicht mal so schlimm zu sein. Angst hatte er jedenfalls keine. Jemand hatte ihm mal gesagt, dass man im Angesicht des Todes an die wichtigsten Menschen in seinem Leben denken würde. Derjenige, der das gesagt hatte, fiel ihm aber nicht mehr ein.
„Ich bin hier. Ich gehe nirgendwo hin. Hörst du, Jaxa?“ Das hatte er zu ihr gesagt, damals. Als sie wieder auf der Enterprise gewesen waren. Nachdem er sie aus dem schwer beschädigten Shuttle gerettet und zur Krankenstation gebracht hatte.
Ob sie ihn gehört hatte, hatte er nie erfahren. Man hatte ihr nicht mehr helfen können, und sie war wenige Minuten später gestorben. Sie hatte ihn in diesem Moment noch einmal kurz angesehen, als er später einen Arzt darauf angesprochen hatte, meinte dieser, niemand könne sagen, ob es eine bewusste Handlung oder ein Reflex im Moment des Todes gewesen war. Jedenfalls hätte er in dem Moment alles darum gegeben, dass sie überlebte. Auch sein eigenes Leben.
Wie gerne er sich wenigstens in Ruhe von ihr verabschiedet hätte, allein.
Er seufzte. Warum musste er sich an diesen Moment mit ihr erinnern? Es hätte doch auch eine schöne Situation sein können. Sie hatten sich nur kurz gekannt, aber angenehme Erinnerungen an diese Zeit hatte er eigentlich genug.
Unterbewusst wunderte er sich, dass das Sterben bei der Schwere seiner Verletzung so lange dauerte. Vielleicht kam es ihm aber auch nur so vor. Das wusste er nicht, schließlich starb er zum ersten Mal.
Der Himmel war bewölkt, das bemerkte er erst jetzt richtig. Ein paar rabenartige Vögel zogen ihre Kreise. Jaxa hatte ihm erzählt, dass es auf der Erde einmal ein Volk gegeben hatte, für das die Raben eine religiöse Bedeutung hatten. Diese Menschen hatten geglaubt, die Raben würden ihre Seele holen, wenn sie starben. Vielleicht stimmte das ja.
Wenn ja, wer hatte dann ihre Seele geholt? Das Weltall war ein schlechter Ort zum Sterben, so gesehen.
Plötzlich überfiel ihn die Angst, dass das niemand getan hatte. Dass ihre Seele einfach weg war. Das durfte nicht sein. Die Seele von so einer Person durfte einfach nicht im Nichts verschwinden.

Niemand an Bord des Schiffs hatte seine Trauer um sie verstanden. Sie glaubten, dass Cardassianer nicht trauerten. Wenn sie wüssten, wie falsch sie lagen. Sein Volk trauerte sehr wohl, und es war weit verbreitet, sich für jeden verlorenen Angehörigen oder Freund einen Schnitt zuzufügen, meist am Unterarm, damit man jedes Mal, wenn man die Narbe sah, an die Person erinnert wurde. Er selbst trug vier solcher Narben, für seine Eltern und seinen jüngeren Bruder, der bereits als Kleinkind verstorben war. Und eine wegen Jaxa, aber am Oberarm, damit niemand zufällig die Verletzung bemerkte.
Auf Cardassia trug man diese Wunden offen und behandelte sie nicht, der Narbenbildung wegen, aber im Gebiet der Föderation kannte man dieses Ritual nicht, man würde ihn zum Arzt schicken und unangenehme Fragen stellen. Sie würden es nicht verstehen und ihm psychologische Beratung empfehlen, weil sie es als Zeichen seelischer Probleme missverstehen würden, wie auch schon die anderen drei Narben.
Jaxa hatte ihn auch einmal danach gefragt, und er hatte nur gesagt, dass es sich dabei um eine Tradition handelte. Sie hatte das so akzeptiert, und er hatte sich später gewünscht, er hätte ihr mehr darüber erzählt, schließlich war ihr Tod der Anlass für eine weitere solche Wunde.
Diese Verletzung war noch nicht wirklich verheilt. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass ich nie darüber hinweggekommen bin, dachte er.
An seine Familie auf Cardassia dachte er nur kurz. Seine Kinder hatte er schon lange nicht mehr gesehen, und von deren Mutter war er getrennt. Seine beiden Söhne würden vielleicht die nächsten großartigen Krieger Cardassias sein, die für Ruhm und Ehre starben. Er hoffte es nicht. Gerade starb er für die Föderation, und das war auch nicht besser.
„Joret.“
Jaxas Stimme, stellte er überrascht fest. Er wollte antworten, bekam aber einen recht heftigen Hustenanfall. Reflexartig hatte er sich etwas auf die Seite gedreht, und als er sich zum Gesicht fasste, bemerkte er Blut. Deshalb konnte er wohl nicht sprechen. Das Atmen fiel ihm auch immer schwerer, aber er hatte nicht das Gefühl, zu ersticken, er war eher… müde. Ja, müde war wohl das richtige Wort dafür.
„Du musst nicht reden“, meinte Jaxa, „ich kann hören, was du denkst.“
„Bist du es wirklich?“
„Aber natürlich.“ Sie klang amüsiert. „Ich weiß, schwer zu glauben, aber es ist so.“
Sie fühlte sein Zögern.
„Das Sterben ist gar nicht so schlimm, wie du wahrscheinlich gerade selbst feststellst. Du musst nur loslassen können, dann geht es ganz leicht. Ich hatte Angst gehabt, damals, aber du warst da, und dann hatte ich keine Angst mehr. Es geht immer besser, wenn Leute da sind, die einem nahestehen, und deshalb bin ich jetzt da.“
„Du hast mich damals noch bemerkt?“
„Ja. Sonst wäre ich nicht gestorben, weil ich zu viel Angst gehabt hätte.“ Sie bemerkte wohl, dass er begann, sich Vorwürfe zu machen. „Ich bin froh, dass du dagewesen bist. Das Weiterleben wäre eine Qual für mich geworden, körperlich und seelisch. Unter anderem war mein Gehirn so stark geschädigt, dass ich taub gewesen wäre und das Gehen hätte neu lernen müssen, wenn ich wieder aufgewacht wäre. Das hätte ich nicht gewollt.“
„Woher weißt du das alles so genau?“
„Das wirst du bald erfahren. Sieh mal nach rechts.“ Ein Gebirge erhob sich dort, ziemlich hoch und ein wenig wie die Berge auf Cardassia.
Etwas mühsam stand er auf. Plötzlich hatte er genug Kraft dazu, und er bekam auch wieder richtig Luft. Joret betrachtete kurz seine Seite. Die Wunde hatte aufgehört zu bluten und der Schmerz war ganz verschwunden.
Er ging in Richtung des Gebirges. Was wohl ganz oben war? Bergsteigen hatte er schon immer gemocht, und warum sollte er diese Gelegenheit nicht wahrnehmen?
Kaum hatte der Cardassianer die ersten Schritte auf dem steinigen Gebirgspfad unternommen, sah er Jaxa an seiner Seite.
Sie lächelte. „Wie schön, dich wiederzusehen, Joret, auch wenn du ruhig noch etwas länger unter den Lebenden hättest weilen können.“
„Hast du mich auch vermisst?“, fragte er.
„Oh ja. Du weißt, dass du mir sehr wichtig warst im Leben“, sie sah ihm direkt in die Augen, „und das hat sich auch jetzt nicht geändert. Du warst mir der erste und einzige wahre Freund, den ich je hatte.“
„Wenn wir schon mal dabei sind, du bist für mich eine der wenigen Personen, die mich nicht verraten wollten, denen ich vertrauen konnte. Du hast keine Fragen gestellt, wenn ich über etwas nicht reden wollte, auch wenn ich weiß, dass dich einige Dinge davon ziemlich interessiert haben.“ Er lächelte kurz, etwas wehmütig, bevor er weitersprach. „Es gibt so viele Dinge, die ich dir gerne noch gesagt hätte. Zum Beispiel, was es mit den drei Narben auf meinem Unterarm auf sich hatte.“
„Deine Eltern haben mir von diesem Ritual erzählt. Wirklich eine faszinierende Sache, und ich bin sicher, das hilft, die Trauer zu überwinden.“
Er blieb vor Überraschung kurz stehen, dann setzte er sich wieder in Bewegung. „Sie sind hier? Du kennst sie?“
„Alle sind hier, die du schätzt, dein Bruder und auch deine Söhne, aber die beiden nur für eine kurze Zeit, weil sie in die Welt der Lebenden gehören. Sie wollen dir gratulieren, weil du mit so wenig Angst hierhergekommen bist, und sie wollen dir alles Gute für die Zukunft wünschen. Deine Eltern freuen sich so, dich wiederzusehen, auch wenn sie dir ein längeres Leben gewünscht hätten. Sie sind wirklich nette Leute, und wie herzlich sie mich hier begrüßt haben, als sie erfahren haben, dass wir uns so gut verstanden haben.“ Sie sprach erst nach einer kurzen Pause weiter. „Als ich hier ankam, hast nur du mich begleitet. Ansonsten wollte das niemand tun. Wir sind durch einen See geschwommen, weil ich das Wasser immer so gemocht habe und jeder so hierher kommt, wie er das zu Lebzeiten bevorzugt hat.“
„Ja, stimmt, ich habe in der Nacht nach deinem Tod davon geträumt, dass wir in einem See geschwommen sind, und ich fand es seltsam, weil ich nie schwimmen konnte. Aber sprich weiter.“
„Ich hatte zwischendurch immer mal wieder Angst gehabt, aber du hast mir Mut gemacht. Ich wollte nicht sterben, weil ich noch so jung war, aber mit dir an meiner Seite war es nicht schlimm gewesen.“
„Ich hätte dich auch nicht im Stich gelassen, wenn du wieder aufgewacht wärst.“
„Ich weiß, aber das mit dem Gehirn war nur eine Sache von vielen. Ich hätte so nicht leben wollen.“ Pause. „Als wir angekommen sind und du zu mir gesagt hast, dass du wieder gehen musst, war ich sehr traurig und verzweifelt gewesen, weil ich nicht wusste, was ich ohne dich machen soll. Du hast mich umarmt und mir gut zugeredet. Dass du immer bei mir sein wirst, auch wenn wir durch Welten getrennt sind, und dass wir uns manchmal in deinen Träumen sehen würden, und das haben wir, auch wenn du dich daran wahrscheinlich nur wenig und verschwommen erinnerst. Dass ich mich immer auf dich würde verlassen können, egal, was passiert. Das hat mir sehr geholfen. Nachdem du wieder verschwunden warst, bin ich bald zwei Cardassianern, einem Mann und einer Frau, begegnet. Sie haben mich gefragt, ob du noch unter den Lebenden weilst, und als ich das bejaht habe, wollten sie wissen, wer ich bin. Ich wollte meinen Namen nennen, aber den wollten sie gar nicht wissen, sondern wie du mich gesehen hast, in welcher Beziehung wir zueinander standen und wie ich gestorben bin. Ich beantwortete es ihnen, und dann haben sie sich mir als deine Eltern vorgestellt und wir haben uns sehr lange unterhalten.“
Sie waren am Ziel angekommen.
„ Wir sind da, und du wirst bereits von deinen Angehörigen erwartet. Du solltest sie erst begrüßen.“
„Willst du nicht mitkommen?“
„Sehr gerne“, sie schien sich wirklich zu freuen, „und ehe ich das vergesse: du bist noch nie geschwommen?“
„Nein, in meinem ganzen Leben nicht.“
„Das sollten wir später unbedingt nachholen."

Danke fürs Lesen :)
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