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Quälende Erinnerung

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Mit müden Bewegungen knöpfte Captain Jean-Luc Picard den Kragen seiner Galauniform zu. Hätte er dem Spiegel vor sich auch nur einen einzigen Blick gegönnt, hätte er darin das Gesicht eines Mannes erblickt, dem anzusehen war, dass er sich nicht gerade in bester Verfassung befand. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass er seit drei Monaten fast keine Nacht mehr richtig geschlafen hatte. Rein körperlich gesehen fehlte ihm nichts, wenn man einmal von den physischen Folgen des andauernden Schlafmangels absah, doch sein psychischer Zustand machte ihm schwerer zu schaffen, als er jemals zugegeben hätte.

Wohl bemerkte er die besorgten Blicke, mit denen Beverly Crusher ihn des Öfteren musterte und die darin enthaltene Aufforderung, sich ihr anzuvertrauen. Doch es war ihm noch nie leichtgefallen, seine Gefühle und Ängste einem anderen zu offenbaren. Nicht einmal Counselor Troi wusste etwas von den schrecklichen Alpträumen, die ihn Nacht für Nacht quälten seit jener schicksalshaften Mission auf Celtris-3.

Nach seinem furchtbaren Erlebnis bei den Borg hatte er geglaubt, den Gipfel dessen erreicht zu haben, was ein Mensch durchmachen kann, ohne zu sterben oder seinen Verstand zu verlieren. Wie sehr er sich getäuscht hatte, war ihm dann in jenen schier endlosen Tagen klargeworden, in denen er sich in cardassianischer Gefangenschaft befand.

Die Borg hatten sich seines Geistes und seines Körpers bemächtigt, ihn zum Werkzeug der Vernichtung gemacht. Doch bei all dem war da tief in ihm ein Teil gewesen, den sie nicht zu unterwerfen vermochten. Dieser Teil, der es schließlich schaffte, mit Data in Verbindung zu treten und den entscheidenden Hinweis zu geben, der zur Niederlage der Borg führte.

Auf Celtris-3 hingegen ...

Zu spüren wie die eigene Persönlichkeit Stück für Stück unter der Folter zerbrach bis vom Menschen Jean-Luc Picard nichts mehr übrigblieb, als eine erniedrigte, verzweifelte Kreatur, bereit alles zu sagen, alles zu tun, damit die Qual ein Ende habe ...


Das Piepen des Kommunikators unterbrach jäh Picards Gedanken. Mechanisch meldete er sich.

»Captain«, erklang Commander Rikers Stimme. »Bitte entschuldigen Sie, Sir, aber das Schiff des cardassianischen Millitärgesandten hat bereits zweimal angefragt, ob wir bereit sind, den Delegierten an Bord der Enterprise zu empfangen. Wenn Sie wünschen, dass ich Sie entschuldige, dann ...«

»Nicht nötig, Nummer Eins. Übermitteln Sie den Cardassianern, dass ich in wenigen Minuten im Transporterraum sein werde, Picard Ende.«

Die Besorgnis in Rikers Stimme war dem Captain nicht entgangen. Einerseits wusste er die Anteilnahme seines Ersten Offiziers zu schätzen, andererseits verspürte er einen leichten Anflug von Ärger. Genaugenommen hatte Riker indirekt seinen Zweifel angedeutet, ob er der kommenden Begegnung gewachsen sei. Nun, ich werde ihm zeigen, dass ich dazu in der Lage bin.

Entschlossen wandte Picard sich zum Gehen, als plötzlich ein heller Blitz durch sein Quartier gleißte.

»Bonjour, mon Capitain. Sie ahnen gar nicht, wie ich mich freue Sie wiederzusehen.«

* * *

Commander Riker war anzusehen, dass er sich unbehaglich fühlte. Sein Versuch, Captain Picard die bevorstehende Begegnung zu ersparen war gründlich fehlgeschlagen. Er hätte es besser wissen müssen. Schließlich bewunderte er Picard gerade deswegen, weil dieser die Pflichten stets über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse stellte.

Und ein Captain war laut Protokoll nun einmal verpflichtet, jeden Gast vom Status eines Botschafters persönlich an Bord willkommen zu heißen. Nun war ein Millitärgesandter zwar kein Botschafter im üblichen Sinne, hatte jedoch, zumindest nach cardassianischen Maßstäben, den gleichen, wenn nicht gar einen höheren Rang.

Aber selbst wenn der Mann weniger wichtig gewesen wäre, die anstehenden Gespräche mit Vertretern der Föderation auf Sternenbasis 12 waren es auf jeden Fall, betrafen sie doch die Zukunft der im Grenzbereich liegenden Kolonien. Es kursierten Gerüchte darüber, dass der Verlauf der Grenze neu festgelegt werden sollte, eine Vorstellung die Vielen missfiel und den Hass gegen die Cardassianer schürte. Nicht umsonst hatte Admiral Nechayev gerade die Enterprise, das stärkste Schiff der Flotte damit beauftragt, den cardassianischen Delegierten zu befördern. Ein Attentat im Raum der Föderation würde den schwer errungenen Frieden wahrscheinlich auf der Stelle vernichten. Aus diesem Grund hatte der Captain für die Zeit des Aufenthalts des Delegierten an Bord auch Sicherheitsstufe eins angeordnet. Dies erklärte die Anwesenheit von Lieutenant Worf im Transporterraum.

Verstohlen musterte Riker das wie immer völlig ausdrucklose Gesicht des klingonischen Sicherheitschefs und fragte sich unwillkürlich, wie dieser wohl über die Mission denken mochte.

Als hätte er die Gedanken des Ersten Offiziers erraten, wandte Worf sich ihm plötzlich mit den Worten zu: »Auch ich wünschte, dieser Auftrag wäre bereits erfüllt, Sir. Dass Admiral Nechayev ausgerechnet Captain Picard damit betraut hat, spricht nicht gerade für ein hohes Maß an ...«, er zögerte kurz, »Sensibilität«, beendete er dann den Satz.

Völlig verblüfft starrte Riker den Klingonen an. Hätte dieser sich vor seinen Augen in Luft aufgelöst, hätte das nicht mehr Fassungslosigkeit in Riker auslösen können. Gleichzeitig fühlte er einen fast unwiderstehlichen Drang laut loszulachen. Doch ein Blick in das todernste Gesicht des Sicherheitschefs erinnerte ihn gerade noch rechtzeitig daran, dass dieser eine solche Reaktion zweifellos als tödliche Beleidigung seiner Ehre empfunden hätte.

»Mister Worf «, brachte er schließlich heraus. »Verzeihen Sie bitte meine Überraschung, aber ich bin es nicht gewohnt, derartig, äh, gefühlvolle Äußerungen von Ihnen zu vernehmen. Aber in der Sache haben Sie ganz recht, wenn Sie meinen ...«

»Meine Worte dokumentieren nicht direkt meine Meinung, sondern die von Deanna. Ich meine von Counselor Troi, Sir «, unterbrach ihn Worf schroff, mit der Miene eines Mannes, der es zutiefst bedauerte, überhaupt etwas gesagt zu haben.

»Ach ja?«, war alles was Riker einfiel. Wie immer, wenn der Klingone seine Neigung für die betazoidische Schiffsberaterin mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck brachte, versetzte ihm das einen feinen Stich. Insbesondere, da er das Gefühl nicht loswurde, dass auch Deanna dem wortkargen Sicherheitschef mehr als nur Sympathie entgegenbrachte. Verdammt Will, rief er sich innerlich zur Ordnung. Du hast weiß Gott kein Recht zur Eifersucht. Trotzdem, die Vorstellung, zwischen Worf und Deanna könnte sich etwas anbahnen, missfiel ihm außerordentlich. Seine widerstreitenden Gefühle spiegelten sich allzu deutlich auf seinem Gesicht ab, das war ihm nur zu gut bewusst.

Während er krampfhaft überlegte, wie er die peinliche Situation überspielen sollte, ließ er seinen Blick nervös durch den Transporterraum schweifen. Dabei bemerkte er erstmals bewusst, den blutjungen Fähnrich, der an der Bedienungskonsole stand. Irgendetwas irritierte ihn. Mit gerunzelter Stirn dachte er darüber nach, was ihn störte, und dann fiel es ihm plötzlich ein.

»Fähnrich?«, fragend sah er den jungen Mann an, den er noch niemals vorher zu Gesicht bekommen hatte, was angesichts der großen Besatzungszahl nicht weiter verwunderlich war.

»Harris, Sir.«

»Fähnrich Harris, wie kommt es, dass Sie den Transporter bedienen? Soweit ich mich entsinnen kann, müsste Chief O’Brien doch jetzt Dienst haben.«

»Das ist richtig, Sir, aber ...« Der junge Mann wand sich vor Verlegenheit.

Riker war nicht in der Stimmung, Nachsicht zu üben. »Ich warte, Fähnrich.«

»Bitte entschuldigen Sie, Sir. Heute ist der erste Hochzeitstag des Chiefs. Da habe ich ihm angeboten, seine Schicht zu übernehmen, damit er mit seiner Frau feiern kann. Ich hielt es nicht für so wichtig, dass es nötig gewesen wäre, Sie davon in Kenntnis zu setzen.«

»Auf diesem Schiff, Fähnrich, gehört es zu den Aufgaben des Ersten Offiziers, über sämtliche Dienstpläne und deren Änderungen unterrichtet zu sein.«

»Natürlich, Sir.« Harris senkte den Blick. »So etwas wird nie wieder vorkommen.«

»Das hoffe ich.« Mit diesen Worten wandte der Erste Offizier seine Aufmerksamkeit erneut der Tür zu. Wo der Captain nur bleibt?, dachte er und wünschte insgeheim, Picard wäre auf seine Anregung, auf den Empfang zu verzichten, eingegangen.

* * *
»Q!« Picard starrte seinen unerwarteten Gast an, der genau wie er selbst eine Captains-Galauniform trug und sich lässig in einem jener bequemen Sessel räkelte, die zur Standardausstattung eines Offiziersquartiers gehörten. »Sie haben mir gerade noch gefehlt!«

»Ts ts, mon Capitain«, erwiderte die Entität mit tadelndem Tonfall. »Begrüßt man so einen alten Freund?«

»Wir sind keine Freunde. Wann immer Sie an Bord meines Schiffes aufgetaucht sind, gab es nichts als Ärger.«

»Das ist aber gar nicht nett, Jean-Luc und reichlich undankbar, wenn man bedenkt, was ich schon alles für Sie getan habe. Doch so seid ihr Menschen eben. Euer begrenzter Horizont lässt euch nur das sehen, was ihr sehen wollt. Ich möchte wirklich wissen, warum ich mir immer wieder die Mühe mache, mich mit einer so beschränkten, engstirnigen Spezies abzugeben. Indessen, Großzügigkeit ist eben eine meiner Schwächen.«

»Wie schön für Sie, Q. Dann macht es Ihnen sicher auch nichts aus, so großzügig zu sein, mein Schiff zu verlassen. Meine Crew und ich können auf Ihre sogenannten Wohltaten sehr gut verzichten.«

»Touchez, mon Capitain, touchez. Es macht wirklich Spaß, mit Ihnen die Klinge zu kreuzen. Natürlich sind Sie mir als Gegner hoffnungslos unterlegen. Für jemanden mit meinen Fähigkeiten ist es leider aussichtslos, einen ebenbürtigen Gegner zu finden. Was Ihre freundliche Aufforderung angeht, ich habe nicht vor, Sie so schnell schon wieder zu verlassen. Zuvor möchte ich noch Ihrem Treffen beiwohnen.«

»Welchem Treffen?«

»Jetzt enttäuschen Sie mich. Dieser kleine Versuch, mir etwas verheimlichen zu wollen, ist lächerlich und nicht einmal eines Mannes Ihres begrenzten Intellekts würdig. Ich spreche von dem bevorstehenden Empfang dieses, wie nennt ihr Menschen das doch gleich? Millitärdelegierten

Es gelang Picard nicht vollständig, seine Verblüffung und sein Erschrecken zu verbergen. Der Gedanken daran, was Q alles anzurichten vermochte, mit welcher Leichtigkeit er den neuen Frieden mit Cardassia durch einen Blick, eine Handbewegung, zerstören konnte, ließ den Captain der Enterprise erschaudern.

Mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen verfolgte die Entität jede seiner Regungen und genoss augenscheinlich die Situation in vollen Zügen.

»Woher wissen Sie ...«, brachte Picard schließlich mühsam beherrscht hervor.

»Sie sollten sich mittlerweile daran gewöhnt haben, dass es nichts in diesem Universum gibt, das mir verborgen bleibt«, unterbrach ihn Q mit jenem aufreizend überheblichen Ton, der dem Captain so zuwider war. »Aber Sie haben es ja noch nie verstanden, meine Fähigkeiten richtig zu würdigen. Nicht dass ich Sie dafür verantwortlich machen könnte, dafür fehlt es Ihnen eben an der nötigen Intelligenz. Ein Fehler, den Sie mit dem Rest Ihrer Spezies teilen.«

»Sie wiederholen sich, Q. Kommen Sie endlich zur Sache und sagen Sie, was Sie diesmal von uns wollen. Ich habe weder die Zeit, noch die Lust, mit Ihnen über die Fehler der Menschheit zu diskutieren.«

»Haben Sie es so eilig, Ihren Gast in Glanz und Gloria willkommen zu heißen? Wie dem auch sei, Sie haben recht. Das Thema Unzulänglichkeit der menschlichen Rasse - oder warum ist sie noch nicht ausgestorben, beginnt in der Tat langsam langweilig zu werden. Daher habe ich mich entschlossen, meine Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, was weitaus interessanter und vor allen Dingen amüsanter zu werden verspricht.«

»Falls Sie vorhaben, die Verhandlungen zu stören, muss ich Sie warnen, dass ich das nicht zulassen werde.«

»Wollen Sie mir etwa drohen, Picard? Welch unglaublich arrogante Selbstüberschätzung. Als ob Sie jemals in der Lage gewesen wären, mich von irgendetwas abzuhalten. Aber wenn es Sie beruhigt, Ihre kindischen Friedensversuche sind viel zu unwichtig, um meiner Beachtung wert zu sein. Sie haben mein Wort, dass ich dieses Mal lediglich als passiver Zuschauer gekommen bin. Ohne die geringste Absicht, Sie oder einen anderen aus Ihrer Crew zu, wie drückte es der bewundernswerte Commander Riker doch bei meinem letzten Besuch so schön aus: quälen. Weder Ihr humorloser Erster Offizier, noch dieser unzivilisierte Klingone mit dem wilden Temperament, dem Sie unverständlicherweise gestatten, sich auf Ihrem Schiff ohne Hundeleine und Maulkorb zu bewegen, werden überhaupt bemerken, dass ich mich an Bord der Enterprise befinde. Sie werden der Einzige sein, der mich sehen kann. Und wenn ich mir einen Rat erlauben darf, Sie sollten sich, sobald andere dabei sind, bei Ihrer Unterhaltung mit mir auf eine rein gedankliche Kommunikation beschränken. Es wäre doch zu schade, würde der hochverdiente Captain des stärksten Föderationsschiffes schmählich in einer Zwangsjacke enden, weil er mit der Luft zu reden pflegt. Ich sehe schon Dr. Crushers medizinisches Logbuch vor mir: Sternzeit: bla, bla ...; heute drei Beinbrüche geschient, fünf Pflaster aufgeklebt, den lieben Jean-Luc in die Klappsmühle eingewiesen ... Und dann Ihre Kollegen von der Sternenflotte: Admiral, haben Sie schon gehört? Ja, ja der arme Picard, hat ein schlimmes Ende mit ihm genommen ... wahrhaft peinlich!«

Picard wusste nicht so recht, ob er sich angesichts der Versicherung von Q erleichtert fühlen sollte. Andererseits hatte er ohnehin keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen, dass Q sich an sein Versprechen hielt. »Also gut, ich hoffe, dass Sie dieses eine Mal ehrlich sind.«

»So misstrauisch, Jean-Luc? Wäre ich nicht von Natur aus über derart kindliche Emotionen erhaben, könnte ich jetzt glatt beleidigt sein. Nun, ich werde Ihnen beweisen, dass ich keinerlei unlautere Absichten hege. Durch unser kleines aufschlussreiches Gespräch habe ich Sie aufgehalten. Erlauben Sie, dass ich diesen Zeitverlust ausgleiche.«

Bei diesen Worten schnippte Q lässig mit den Fingern, ein helles Gleißen und im nächsten Moment standen sie direkt vor der Tür zum Transporterraum.

* * *

Commander Riker wünschte sich Lichtjahre weg und verfluchte im Stillen Admiral Nechayev und diese ganze Mission.

Mittlerweile war eine dritte Anfrage des cardassianischen Schiffes eingegangen, deren ausgesucht höflicher Ton keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass die Geduld des Delegierten langsam zu Ende war und jede weitere Verzögerung unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen würde.

So sehr es Riker auch persönlich widerstrebte, seinen kommandierenden Offizier zur Eile zu drängen, wusste er doch, dass die gegenwärtige Situation ihm keine Wahl ließ. Gerade, als er mit einem tiefen Seufzer erneut nach seinem Kommunikator griff, öffnete sich die Tür und ein sichtlich erregter Picard betrat den Raum.

»Captain ...«, begann Riker, wobei die Erleichterung in seiner Stimme nicht zu überhören war. »Was ...«

»Später, Nummer Eins. Wir wollen unseren Gast nicht noch länger warten lassen.« Picards Hand glitt zum Kommunikator. »Brücke, geben Sie den Cardassianern Bescheid, dass wir nunmehr der Ankunft ihres Gesandten entgegensehen und drücken Sie ihnen nochmals unser Bedauern darüber aus, dass wir ihn nicht eher an Bord der Enterprise empfangen konnten. Picard Ende.«

Wenig später materialisierte die Gestalt des cardassianischen Millitärdelegierten in einem bläulichen Schimmern.

»Mein lieber Captain Picard, Sie ahnen gar nicht wie ich mich freue, Sie wiederzusehen.«

* * *

Counselor Deanna Troi saß allein an einem der kleinen Nischentische im Zehn Vorne. Vor ihr stand ein riesiger Becher, bis zum Rand gefüllt mit cremigen Schokoladeneis.

Gerade als sie mit einem genussvollen Seufzen einen langstieligen Löffel in diese Köstlichkeit tauchte, erklang dicht neben ihr eine mahnende Stimme: »Deanna, also wirklich, ich bin zutiefst schockiert. Wollten Sie sich dieses Laster nicht abgewöhnen? Als Medizinerin kann ich Ihnen versichern, dass Sie alle Anzeichen einer fortgeschrittenen Schokoladensucht aufweisen. Sie sollten umgehend mit einer Therapie beginnen, vielleicht ist ja noch nicht alles verloren.«

»Geben Sie es auf, Beverly«, erwiderte die Bordcounselor mit gespielter Verzweiflung. »Ich bin wohl das, was man einen hoffnungslosen Fall nennt. Warum setzen Sie sich nicht zu mir? Dann können Sie das klassische Endstadium ganz aus der Nähe studieren.«

»Diesem Angebot kann mein angeborener Forscherdrang nicht widerstehen.« Damit nahm Doktor Crusher ebenfalls Platz. »Irgendwie romantisch diese kleinen Nischentische. Hier sollte man in charmanterer Gesellschaft als der eines Eisbechers sitzen, meinen Sie nicht auch?«

»Falls Sie damit auf Commander Riker anspielen sollten, der befindet sich zurzeit im Transporterraum und begrüßt unseren Gast. Aber Sie sind doch sicher nicht hier, um mit mir über Will zu reden, oder?«

Unwillkürlich musste die rothaarige Schiffsärztin lächeln. »Offensichtlich vergesse ich immer wieder, dass man einer Empathin nichts vormachen kann.«

»Sie wollen mit mir über den Captain reden.«

»Sie haben recht. Deanna, ich mache mir große Sorgen um ihn. Seit er von Celtris-3 zurück ist, hat er sich irgendwie verändert.«

»Er hat Schreckliches mitgemacht. So eine Erfahrung steckt niemand leicht weg. Es braucht seine Zeit, bis ...« Plötzlich zuckte die Counselor wie unter einem heftigen Schlag zusammen, erstarrte buchstäblich mitten im Satz.

Mit weit aufgerissenen Augen sah sie durch Crusher hindurch, die sie erschrocken am Arm griff und leicht zu schütteln begann.

»Deanna, um Gottes willen, was haben sie?«

Langsam löste sich die Starre und Troi schien die Ärztin wieder wahrzunehmen. »Beverly«, hauchte sie mit bebenden Lippen.

»Was war denn auf einmal los mit Ihnen?«

»Ich weiß es nicht genau«, erwiderte die Counselor zögernd. »Ich spürte auf einmal eine gewaltige Emotion. Sie war so stark, dass sie mich im ersten Moment einfach überrannte.«

»Was für eine Emotion?«

Deannas Augen musterten Sie mit einem Ausdruck, der Dr. Crusher unwillkürlich schaudern ließ, dann antwortete sie und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Qual. Ich fühlte unsagbare Qual.«

* * *

»Gul Madred!« Fassungslos starrte Captain Picard den Cardassianer an, der völlig gelassen vor ihm stand. Das konnte nur ein böser Traum sein.

»Q!«, rief er in Gedanken. »Das ist Ihr Werk! Hören Sie auf damit, sofort!«

»Warum Ihr Menschen nur immer jemanden haben müsst, den Ihr für alle Unbilligkeiten, die Euch im Laufe Eures erbärmlichen Lebens widerfahren, verantwortlich machen könnt.«

Unwillkürlich drehte Picard seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Dort saß Q, mitten auf der Transporterkonsole und ließ die Beine baumeln. Offenbar war er tatsächlich der einzige, der ihn wahrnahm.

»Wann immer Ihnen etwas Unangenehmes passiert«, fuhr die Stimme der Entität nun in seinem Kopf fort. »Fangen Sie auch schon an zu schreien: Q, das ist Ihr Werk. Q, hören Sie auf damit. Tut mir leid Jean-Luc, aber Sie sollten anfangen, sich der Realität zu stellen. Gul Madred ist der erwartetet Militärdelegierte und damit Ihr hochgeschätzter Ehrengast.«

Verzweifelt versuchte Picard seine wirbelnden Gedanken zu ordnen, dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. »Sie haben es von Anfang an gewusst, nicht wahr? Nur deshalb sind Sie überhaupt hergekommen. Um zu sehen, wie ich auf diese Situation reagiere, um sich an meinem Entsetzen zu weiden.«

»In gewisser Weise haben Sie recht, wenn ich es auch nicht so dramatisch ausdrücken würde. Jedenfalls wissen Sie jetzt, warum ich mich diesmal mit der Rolle eines Zuschauers begnüge. Das Aufeinandertreffen zwischen Ihnen und diesem Cardassianer sorgt auch ohne jegliches Zutun meinerseits für ausreichende Unterhaltung.«

»Aber wie können Sie wissen, dass Gul Madred ... «

»Derjenige war, der Sie damals auf Celtris-3 auf so, sagen wir mal unangenehme Art und Weise verhört hat? Nun, an dieser Stelle könnte ich erneut auf die mittlerweile hoffentlich bekannte Tatsache hinweisen, dass ich einfach alles weiß, aber diese Erklärung wäre zu banal. Kurzum, der Grund warum ich so gut von den Vorgängen auf Celtris-3 unterrichtet bin ist ganz einfach der, dass ich sie gewissermaßen miterlebt habe.«

»Soll das etwa heißen, dass Sie die ganze Zeit dabei gewesen sind?«

»Unsichtbar für alle Beteiligten, ja. Aber nicht die ganze Zeit. Auf die Dauer wurde Ihre eher einseitige Unterhaltung: Was wissen Sie von Minos Corva? -- Ich weiß nichts über Minos Corva -- etc. etc. -- doch etwas langweilig. Außerdem fand ich die ganzen Umstände irgendwie unappetitlich. Soviel primitive Brutalität, einfach ekelerregend, dazu bin ich wohl zu zart besaitet. «


Picard war nahe dran, die Beherrschung zu verlieren. »Wenn Sie das alles so sehr abgestoßen hat, warum haben Sie mir nicht geholfen und diesem ekelerregenden Schauspiel ein Ende gemacht? Oder wäre das zu viel verlangt gewesen, von einem alten Freund?«

»Warum so verbittert, Jean-Luc? Sie hatten sich schließlich selbst in diese missliche Lage gebracht. Ihr Menschen seid wirklich äußerst merkwürdig. Immer wenn ich auf Ihrem Schiff erschienen bin, wollten Sie mich auf der Stelle am liebsten gleich wieder fortjagen. Dennoch meinen Sie, ich hätte Sie retten müssen. In der mir ureigenen Güte hätte ich tatsächlich fast eingegriffen. Doch da gab es etwas, das mich davon abhielt: meine Neugier.«

»Bitte, ich glaube ich verstehe nicht ganz?«

»Was ja bei Ihnen leider nichts Neues ist. Nun ich konnte mich nicht einmischen, nicht ehe ich erfahren hatte, ob Gul Madred es wirklich schaffen würde, Sie fünf Lichter sehen zu lassen, wo doch nur vier waren...«

»Das kann nicht Ihr Ernst sein, Q!«

»Ich würde Sie in einer so persönlichen Sache nie belügen. Ich verstehe gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Sie wissen doch, dass das Studium menschlicher Reaktionen eine meiner Leidenschaften ist. Apropos Reaktionen, der gute Commander und Ihr Gast fangen langsam an, nervös zu werden. Wir sollten dieses Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortführen.«


Ein heller Blitz, und Q war verschwunden.

Ein einziger Blick bewies Picard, dass es in der Tat höchste Zeit gewesen war.

Knisternde Spannung lag in der Luft.

Picard spürte, wie der Schweiß ihm in einem dünnen Rinnsal den Nacken herabzurinnen begann. Du bist der Captain dieses Schiffes, versuchte er sich verzweifelt zu beruhigen. Gul Madred ist hier Gast. Er kann dir keine Schmerzen zufügen. Wir sind nicht auf Celtris-3. Madred hat hier keinerlei Macht über dich.

Picard atmete tief durch. Es gelang ihm, ein halbwegs unverbindliches Lächeln zustande zu bringen.

»Gul Madred, bitte verzeihen Sie. Im Namen der Vereinten Föderation der Planeten begrüße ich Sie an Bord der Enterprise. Darf ich Ihnen meinen Ersten Offizier, Commander Riker und meinen Sicherheitschef, Lieutenant Worf vorstellen.«

Das Gesicht des Cardassianers verzog sich zu einem, wie es Picard vorkam, verächtlichen Lächeln. »Vielen Dank für den herzlichen Empfang, Captain. Seien Sie versichert, dass ich ihn sehr zu schätzen weiß. Commander Riker, Lieutenant. Worf, es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.«

Niemand achtete während dieser formalen Begrüßung auf Fähnrich Harris, der jetzt langsam unter die leicht erhöhte Schalttafel der Transporterkonsole griff.

Um wenig später ungläubig auf seine leere Hand zu starren ...

Während er ein weiteres Mal, nun mit beiden Händen, nach etwas tastete, das offensichtlich nicht mehr da war, hatte sich Madred erneut Picard zugewandt.

»Mein lieber Captain, es würde mir eine außerordentliche Freude bereiten, Sie und Ihre Offiziere heute Abend zu einem cardassianischem Festmahl einladen zu dürfen. Alles was ich dafür benötige, ist eines Ihrer Holodecks.«

»Es wird uns allen eine Ehre sein, Delegierter«, erwiderte Picard mechanisch. »Wenn ich Sie jetzt bitten dürfte, Commander Riker zu folgen. Er wird Sie zu dem für Sie vorbereiteten Quartier begleiten.«

Wenige Minuten Später war Fähnrich Harris allein im Transporterraum. Der junge Mann zögerte kurz, bückte sich, und warf einen suchenden Blick unter die Schalttafel. Stirnrunzelnd tastete er nochmals jeden Millimeter ab, dann gab er auf. Mit einem letzten verwunderten Kopfschütteln drehte er sich um und verließ den Raum.

Kaum, dass die Tür sich mit leisem Zischen hinter ihm geschlossen hatte, gleißte ein heller Blitz über die Konsole und als er verblasste, saß dort Q. In seinen Händen hielt er einen kleinen Gegenstand, den er nachdenklich musterte.

»Tut mir leid, Fähnrich, aber ich konnte nicht zulassen, dass Sie mir den Spaß verderben, ehe er erst richtig angefangen hat.«

Mit diesen Worten verschwand die Entität.

Zurück blieb der kleine Gegenstand, der jetzt auf der Konsole lag. Im Grunde genommen sah er ganz harmlos aus.

Nun, solange ein Phaser auf Betäubung eingestellt war, konnte er auch keinen gravierenden Schaden anrichten. Doch dieser Phaser war alles andere als harmlos, denn sein Regler war nicht auf Betäubung gestellt, sondern auf Töten.
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