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aThela – Schicksal

von VGer

Pertek

2375. Cardassia.

Schwarzbläulicher Ziegelstaub hatte sich wie eine Kruste über die Männer gelegt, hatte sich in ihrer Kleidung und ihren Haaren und den Rillen ihrer Haut festgesetzt. Sie kehrten zurück als die Sonne sich schon wieder fast verkrochen hatte, als wolle sie das Ausmaß der Zerstörung nicht länger mitansehen müssen; sie sahen allesamt aus wie die Silhouetten der schemenhaften dunklen Gestalten aus den Horrorgeschichten, die Iliana immer wieder böse Träume bereiteten und die trotzdem eine unerklärliche Faszination auf sie ausübten. Etliche der Kinder begannen zu kreischen, weil sie ihre Väter nicht mehr wiedererkannten. Iliana jedoch blieb ganz ruhig sitzen und zog ihren kleinen Bruder näher zu sich. jeld lo’zas, jeld lo’zas, jeld lo’zas, immer und immer wiederholte sie das Mantra, das ihre Mutter ihr eingetrichtert hatte seit das Bombardement begonnen hatte. Sie wusste nicht mehr genau, wann das gewesen war, denn seit diesem schicksalhaften Tag vor viel zu langer Zeit hatte ihr Leben jegliche Struktur verloren, und in der Dunkelheit der Schutzbunker und der Düsterkeit der staubgetränkten Atmosphäre sickerten Stunden, Tage, Wochen einfach so dahin. jeld lo’zas, wiederholte sie, formte auf tonlosen Lippen die Worte, die doch nicht trösten konnten, Ich muss stark sein. Disziplin ist Struktur ist Leben, sie war schon lange reif genug um dieses fudamentalste Grundprinzip zu verstehen, doch inmitten dieses Chaos fiel es ihr dennoch schwer sich daran zu halten.

Die Kinder und ihre Mütter sowie ein paar Greise hatten Unterschlupf gefunden in einer Halle, die nur mehr zwei statt drei Seiten hatte und trotzdem gerade ausreichend Schutz bot gegen den Staub und den unbarmherzigen Sommer. Sie gehörte Reyhan Musk – dem Mann, der ihre Hovercrafts reparierte – und Iliana erinnerte sich daran, dass ihre Eltern sie früher immer davor gewarnt hatten, mit Musks dreckigen Kindern zu spielen. Jetzt war die Ruine von Musks Halle alles was von ihrer idyllischen Siedlung geblieben war, auch wenn sie nach Treibstoff und verbranntem Metall stank, und Musk selbst hatte seine spärliche Speisekammer geplündert und aus seinen letzten Reserven einen dünnen Tee gebrüht, der sie alle nach der Nacht im kalten Schutzbunker wärmen sollte. Er schmeckte schal, doch das machte nichts, denn jetzt waren sie alle so dreckig wie Musk und seine Kinder.

Eine der schwarzbläulichen Silhouetten beugte sich über sie. Kelim hatte sich zuerst ängstlich an seine Schwester geklammert, doch als die vertraute Stimme verriet, dass es tatsächlich ihr Vater war, hüpfte er begeistert auf.

Yadik! geh’rensUtis, Yadik!“, brüllte er und schlang die Arme um die staubige Körpermitte des Vaters.

Die große Pranke des Vaters tätschelte liebevoll Kelims Kopf, bevor er den Buben mit einem entschlossenen Griff von sich abschälte. Er hielt seinen Sohn auf Armeslänge und schien ihn einige Augenblicke lang ganz genau zu betrachten, bevor er einen Kuss auf die obere Rille seiner chufa platzierte.

„Du siehst aus wie moderne Kunst, wen cestUlik“, stellte er mit einem Lächeln fest, „Wir sollten dich vielleicht ins Museum bringen!“
Tatsächlich: Kelim hatte einen staubigen schwarzblauen Abdruck überall dort wo sein kleiner Körper sich haltsuchend an den des Vaters gepresst hatte. Iliana kicherte. Sie liebte alles Ästhetische und die regelmäßigen Ausflüge in die vielen bedeutenden Museen der Stadt und des Kontinents waren die Höhepunkte ihres Schuljahrs gewesen. Nur das Museum für moderne Kunst hatten sie nie besucht, moderne Kunst sei nichts für die Augen unschuldiger Kinder, hatte Mosset-lin i’ruxt, ihre heißgeliebte Lehrerin, betont, und das hatte Iliana nur noch neugieriger gemacht. Doch das war gewesen, bevor ... Iliana konnte nicht anders, sie musste sich wundern ob die Museen jetzt überhaupt noch existierten. Letztens hatte sie irgendwo aufgeschnappt, dass die Zentren der großen Städte stärker bombardiert würden als der Rest des Planeten, was bedeuten würde, dass ...

Die sonore Stimme des Vaters riss sie abrupt wieder aus ihren Gedanken.

Thuza, Natima-lin, hol einen Lappen und pUndt harit, wenn es welches gibt, der arme Kelim soll nicht den Rest des Tages als modernes Kunstwerk verbringen müssen“, sagte er zur Mutter, die eifrig nickte, und dann senkte er die Stimme zu diesem verschwörerischen Tonfall, den Eltern immer anschlugen wenn sie etwas vor den Kindern zu verbergen hatten, „Der Staub, Natima, wir wollen kein Risiko eingehen. Wir können keine Analysen durchführen, die paar Geräte, die nicht zerstört wurden, haben längst keine Energiereserven mehr.“

Doch Iliana war kein einfältiges Kind mehr, sie war schließlich fünf Jahre älter als Kelim und wäre nicht dieser blöde Krieg dazwischen gekommen wäre sie schon eine richtige junge Dame und würde aufs Lyzeum in der Stadt gehen. Ein bloßes Flüstern konnte die Realität nicht vor ihr verbergen. Die Mutter nickte derweil hektisch und stob davon, um sich auf die Suche nach Hygieneartikeln zu machen, die inzwischen wohl so spärlich wie Nahrung sein mussten.

xot’raUnt, Iliana-lin“, rief der Vater mit gekünstelter Fröhlichkeit, die Hände immer noch hinter dem Rücken verschränkt.

Iliana machte sich Sorgen wegen des Staubes, sie hatte schließlich genau gehört und verstanden was der Vater eben der Mutter zugeflüstert hatte. Doch weil sie eine gehorsame Tochter war, tat sie wie geheißen und erhob sie sich von der notdürftigen Bank, auf der sie viel zu lange schon gesessen war und die eigentlich der Flügel eines havarierten Hovercrafts war, und machte einen Schritt auf den Vater zu. Sein strahlendes Lächeln klaffte wie ein schillerndes, perlweißes Loch mitten in seinem unnatürlich verfärbten Gesicht. Iliana zuckte zusammen, dann kicherte sie hilflos, weil es wirklich albern war sich vor dem eigenen Vater zu fürchten.

Er zog die Hände mit einer großspurigen Geste hinter dem Rücken hervor. Er hielt einen Gegenstand, den sie zuerst nicht erkennen konnte, weil er über und über von schwarzbläulichem Staub bedeckt war und aussah wie ein undefinierbarer Klumpen. Iliana schaute skeptisch drein, und als der Vater den Gegenstand ein paar Mal gegen die Wand schlug, dass es nur so staubte, hielt Iliana vorsichtshalber die Luft an und sich die Hand vor Mund und Nase. Doch als sie es wagte, die Augen wieder zu öffnen, sah sie was der Vater mitgebracht hatte.

„Pertek!“, rief Iliana, vergnügter als es für ihr Alter angemessen war, und streckte die Hände aus.

Der Vater ging vor ihr auf die Knie, und seine Miene, so lächerlich blaugefärbt sie auch sein mochte, wurde ganz ernst und traurig.

„Iliana, cestUlik-lin ... wir haben jetzt kein Zuhause mehr, aber ich habe in dem Schutt und den Ruinen unseres Hauses deine Puppe gefunden. Pass gut auf sie auf, levren?“

Levren. Aber ... adik hat mir nicht erlaubt Pertek zu suchen, als ...“

„Ich weiß, und deshalb habe ich sie jetzt für dich gesucht. Wir mussten doch in den Schutzbunker, weil das Bombardement begonnen hat. Das ist für Puppen nicht so gefährlich wie für kleine Mädchen. Also sei nicht böse auf adik, levren?“

Iliana musterte erst ihren Vater kritisch, dann die Puppe. Sie hatte einen deutlichen Riss im Torso aus dem gelblicher, flauschiger Füllstoff hervorquoll und ihre silberne Haut war immer noch verfärbt. Doch das war nicht so wichtig, Iliana hatte Pertek wieder.



*


2423. Mond.

„Du hast diese Puppe noch.“

Iliana nickte wortlos.

Marek schnappte nach Luft, seine grünen Augen weiteten sich erstaunt. Eine vage Kindheitserinnerung war urplötzlich wieder zum Vorschein gekommen, und erstmals verstand er den Zusammenhang.

„ad’ ver’tek. adik, tuza, ket wuTh.“
„Tuza ver’tek, cestUlik.“


Für einen kurzen Moment hielten sich Mutter und Sohn bei den Händen und wechselten einen liebevollen Blick voll von gegenseitigem Verständnis. Jack hatte inzwischen genug Cardassianisch aufgeschnappt um zu verstehen, dass Marek seine Mutter um Vergebung gebeten hatte und sie ihn, doch warum war ihm nicht klar.

„Es ist schon sehr lange her, ich war noch ein kleines Kind und mir war langweilig. Cora wollte nicht mit mir spielen weil sie ja schon eine junge Dame war und ich nur ein dummer kleiner Fratz, und Sia war noch nicht einmal geboren. Also habe ich allein im Schlafzimmer der Eltern im Schrank gespielt und irgendwo ganz hinten in einer Truhe eine Puppe gefunden. Ich weiß noch, dass es ganz kurz nach dem Gründungstag war, und deshalb habe ich mich gewundert warum die Eltern noch unbekannte Spielsachen im Schrank verstecken würden. Also habe ich mir die Puppe geschnappt und habe stundenlang mit ihr gespielt. Und dann ist adik ins Zimmer gekommen und hat mich angebrüllt ...“

Er kannte Mareks enervierende Angewohnheit, Emotionen mit Humor zu übertünchen, nur zu gut, und das war eine dieser Situationen. Jack konnte dennoch nicht anders, er musste sich die Hand vor den Mund halten um nicht laut loszulachen, und aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass auch Corinna ein verhaltenes Kichern in einem Schluck Kanar zu ertränken versuchte. Marek warf ihnen beiden einen empörten Blick zu und klapste Jack warnend auf den Oberschenkel.

„Hey! Das war traumatisierend! Und du brauchst gar nicht blöd grinsen, Corinna Stermann, weil eigentlich bist nur du schuld daran! Wärst du dir nicht zu fein gewesen mit deinem kleinen Bruder zu spielen ...“

Der ganz normale Großfamilienwahnsinn, Jack kannte das aus eigener Erfahrung nur zu gut und die Dynamik der Stermanns auch schon ein Bisschen. Dann fiel sein Blick jedoch auf Iliana, und er wurde schlagartig wieder ernst während er eine Entschuldigung murmelte.

„Schon gut.“ Iliana lächelte tapfer. „In dem Moment ist alles wieder hochgekommen und ich bin komplett durchgedreht. Ich war immer eine strenge Mutter, aber ich habe keinen von euch je grundlos angeschrien oder bestraft. Aber in dem Moment ... Marek, es tut mir so leid, aber du warst zu klein um zu verstehen warum du nicht damit spielen darfst.“

„Ich weiß noch, dass du gesagt hast, dass es dein Lieblingsspielzeug war als du noch ein Kind warst. Ich weiß noch, dass ich mich gewundert habe, warum die Puppe kaputt war.“ Marek schluckte deutlich. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass ...“

„... sie das einzige ist, was unserer Familie von Cardassia geblieben ist?“, führte Iliana. „Meine Puppe Pertek, ein einzelner Kotra-Spielstein, ein paar Bücher, ein paar Kleidungsstücke, und eine Truhe mit Schmuck und alten Münzen – wobei meine Eltern das meiste davon verkaufen mussten, um uns die Flucht zu ermöglichen.“
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