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Fluchtreflex

von werewolf

Kapitel 1

Flucht.
Das war alles, woran Jaxa denken konnte. Weg von hier. Weg von den Explosionen und den fliegenden Funken.
Aber sie konnte nicht fliehen. Sie lag auf dem Boden eines Shuttles, Joret neben ihr. Zuerst hatte sie die Haltung eingenommen, die man in der Akademie für solche Fälle lernte. Den Kopf mit den Armen, den Bauchbereich mit den Knien und die Ohren mit den Händen schützen. Die Augen schließen. Auf eine Verbesserung der Lage oder weitere Anweisungen warten. Dann hatte er sie allerdings mit dem Kopf leicht an seine Schulter gedrückt und sich ausgestreckt. Sie hatte verstanden und das ebenfalls getan, sodass er einen Arm um sie legen und sie zu sich ziehen konnte.
Die veränderte Haltung hatte nicht nur ihre Sicherheit erhöht, sondern auch dafür gesorgt, dass die Schmerzen in ihrer Seite wieder weniger wurden.
Eine weitere Explosion krachte. Sie spürte, wie Joret kurz zusammenzuckte. Offenbar hatten ihn einige Funken getroffen.
Er hatte sie zu Anfang der Mission gefragt, was die Sternenflotte in solchen Situationen empfahl. Sie hatte die Haltung beschrieben, die man dann annehmen sollte, und die Verhaltensregeln genannt. „Wenn ich dir einen Tipp geben darf“, hatte der Cardassianer begonnen und auf ihr Nicken hin weitergesprochen, „in der Praxis empfehlen sich manchmal andere Dinge. Wenn du nicht fliehen oder eine Veränderung der Lage bewirken kannst, bleib ruhig liegen und vor allem, denk an etwas Anderes. Du gerätst sonst schneller in Panik und erreichst doch nichts. Noch dazu kannst du das dann psychisch eher unbeschadet überstehen, wenn du an etwas Schönes denkst.“
Sie begann zu zittern, als dicht hinter ihr die Funken zischten. Wenn Joret sie nicht vorsichtig, aber bestimmt festgehalten hätte, wäre sie aufgesprungen. Fluchtreflex. Das hätte vielleicht ihr Ende bedeutet.
Sommer auf Bajor. Die weiten Wälder, in denen man stundenlang wandern konnte, ohne jemandem zu begegnen. Die tanzenden Schattenwürfe der Blätter auf dem Boden. Das Summen der Insekten. Die Bachläufe, deren Plätschern schon von einiger Entfernung zu hören war. Die Frühlingsblumen, die in vielen Varianten dem Austreiben der Bäume vorausgingen.
Ein brennender Schmerz riss sie aus ihren Gedanken und sie spannte reflexartig sämtliche Muskeln an. Der Sinneseindruck war zu intensiv, als dass sie feststellen konnte, wo genau die Funken sie getroffen hatten. Irgendwo am oberen Rücken. Sie bemerkte, wie Joret vorsichtig über ihren Schulterbereich strich, bis er die Verletzung ertastet hatte. Dann legte er die Hand wieder an ihren Hinterkopf. Offenbar war es nicht allzu schlimm.
Sie wollte nicht sterben. Noch nicht. Und erst recht nicht so. Nicht auf dem Boden eines Shuttles, im Funkenregen. Sie wollte leben.
Sie spürte, wie er ihr leicht durch die Haare strich. Das beruhigte sie tatsächlich etwas.
Wenn sie wirklich sterben sollte, dann zumindest nicht alleine. Davor hatte sie mit am meisten Angst. Immerhin wäre jemand bei ihr, den sie kannte und schätzte. Es war schon irgendwie ironisch, dass es ausgerechnet ein Cardassianer war. Aber das interessierte sie inzwischen längst nicht mehr. Es war ihr egal, was die Cardassianer mit ihrem Volk gemacht hatten. Am Ende waren alle gleich. Menschen, Bajoraner, Cardassianer, Andorianer. Es gab keinen Unterschied mehr.
Und plötzlich wurde sie ruhig. Die Angst nahm ab. Ihre Gedanken, die sie vorher verzweifelt, aber vergeblich von der Situation abzulenken versucht hatte, schweiften ab. Ihre Gedanken flohen und nur ihr Körper blieb noch hier. Sie wusste nicht, warum das jetzt plötzlich so war, vielleicht eine Art Schock, vielleicht, weil die Angst zu viel geworden war. Das war das, was Joret gemeint hatte, als er ihr gesagt hatte, dass sie gedanklich fliehen sollte. Ruhe. Keine Explosionen mehr. Stille.
„Jaxa?“ Das Nächste, was sie mitbekam, war, dass er sie ansprach. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder in die Realität eingefunden hatte. Das Shuttle war verwüstet, aber der Beschuss schien aufgehört zu haben. „Alles in Ordnung?“ Sie nickte. „Und bei dir?“ „Auch. Wir haben es geschafft.“ Sie seufzte erleichtert. Er erhob sich langsam, wobei er nur ein Bein belastete. Zögerlich setzte sie sich auf, und er reichte ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. „Das, was ich dir über die gedankliche Flucht erzählt habe, offenbar hat es funktioniert.“ Er lächelte. „Ich denke schon“, meinte sie, „woher weißt du das?“ „Zum Schluss hat es noch ein paar Mal ordentlich gekracht, aber du hast das offenbar nicht mitbekommen. Zum Glück. Es war wirklich knapp, und ich dachte einmal, dass die Außenhülle das nicht mehr mitmacht. Aber du hast dich sehr gut gehalten dafür, dass du noch nie in so einer Situation warst.“

Sie hatten es wirklich geschafft.

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