TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Zeit für Revolution

von Omikron

Offenbarung

2247 n.Chr.

„Achte auf deine Gedanken, sie sind die Schlüssel deiner Entscheidungen.
Noch mehr aber achte auf deine Gefühle aus ihnen erwachsen deine Taten.“
Vers aus der Zeit des Erwachens, ca. 300 n.Chr.



Am Ende seiner Kräfte angekommen, musste er sich dazu zwingen, nicht locker zu lassen. Nun aufzugeben, hätte seinen sicheren Tod zur Folge gehabt. Er wusste nicht, woher er diese letzten Kräfte noch nahm, doch dieses Wissen war viel weniger wichtig, als dass seine rechte Hand sich ein weiteres Mal in das blutrote Sandgestein grub und seinen Körper nach oben zog. Vorsichtig nach Halt suchend entlastete er nun seine Hand und zog sich über den Rand des Felsvorsprungs hinweg. Hätte er nun, in den letzten Momenten seines Aufstiegs, den Halt verloren, wäre er vierhundert Meter in die Tiefe gestürzt. Mindestens. Obwohl der Mann robuster als ein Mensch war, wäre selbst er nicht in der Lage gewesen, solch einen Sturz zu überleben.
Der Pilger ließ sich auf den steinigen Boden des Felsvorsprungs fallen. Er war erschöpft, musste rasten. Schweiß lief über sein Gesicht und verklebte sein langes, dunkles Haar, das er sich mit der Hand zur Seite strich. Dabei wurden seine Ohren sichtbar, die elegant nach oben hin spitz zuliefen. Wären sie nicht gewesen, hätte man ihn leicht mit einem Menschen verwechseln können, doch der Mann stammte vom Planeten Vulkan. Der Vulkan unterschied sich stark von der Erde, allein schon, wenn man seine Oberfläche betrachtete, die von weitläufigen Wüsten, Lavaseen und schroffen Gebirgszügen übersät war. Und einen dieser Berge bestieg der Pilger nun. Der beinahe symmetrische Sandsteinkegel des Berges Seleya unterschied sich in nichts von tausend anderen Gesteinsmassiven außer in seiner Geschichte. In jenem Tempel, der vierhundert Meter unter der Steilwand, die der Pilger erklommen hatte, lag, war vor etwa zweitausend Jahren ein Vulkanier gestorben. Wahrscheinlich der größte aller Zeiten. Surak. Er war Philosoph, Denker und Lehrer gewesen und hatte auch lange nach seinem Tod die Kultur der Vulkanier beeinflusst, sodass heute das ganze Volk nach seinen Vorstellungen lebte. Und der Vulkanier, der nun den Berg Seleya bestieg, hatte den großen Fehler gemacht, Suraks Lehren nicht ganz ernst zu nehmen.
Eine einzige unbedachte Äußerung bei einem Vortrag vor anderen Studenten der vulkanischen Wissenschaftsakademie hatte zum entrüsteten Eklat geführt. Und wenn sein Vater, dessen Ernennung zum vulkanischen Botschafter auf der Erde aufgrund dieses Vorfalls auf Messers Schneide stand, etwas nicht brauchen konnte, so war dies ein entrüsteter Eklat. Sarek hatte also seinen Sohn gebeten, eine Pilgerreise zum Berg Seleya zu unternehmen, um die geschlagenen Wogen wieder zu glätten.
Dieser Aufforderung war er bereitwillig gefolgt, auch um sein Studium an der Akademie zu retten. Er hatte im Tempel meditiert, doch keines der Lippenbekenntnisse hatte sein Herz auch nur berührt. Der Pilger hatte erkannt, was die vulkanische Religion war. Eine leere Hülse, sonst nichts. Nur ein Abbild der modernen Lebensweise der Vulkanier verbunden mit alten Ritualen. Doch blickte man hinter die schöne Fassade dieser Religion, was blieb da noch? Leere. Dies war auch der Grund gewesen, weshalb er den Tempel noch vor dem Morgengrauen verlassen hatte. Die massenhafte Anbetung von Suraks Mumienschrein hatte ihm nicht die Erleuchtung gebracht. Und wenn er schon eine wochenlange Pilgerreise auf sich nehmen musste, wollte er zumindest auch ein kleines bisschen Erkenntnis finden. So hatte er sich daran gemacht, den Berggipfel zu erklimmen. Nach einem mehrstündigen Aufstieg war der Pilger nun fast am Ziel. Nur noch wenige Meter trennten ihn vom höchsten Punkt des Berges und so zwang er sich, wieder aufzustehen.
Der Vulkanier blickte in die schwindelerregende Tiefe und dachte nur: Wer hoch steigt, wird tief fallen. Erst viel später sollte er sich dieser Worte wieder erinnern. Sareks Sohn überwand die letzten Meter schnell und erreichte schließlich den Gipfel des Berges Seleya, der durch nichts markiert war außer durch einen kleinen, aber sauber aufgeschichteten Steinhügel. Wer ihn wohl errichtet hat? Vielleicht Surak selbst? Der Gedanke inspirierte ihn. Der Pilger ließ sich neben der Markierung nieder und wandte sein Gesicht gen Osten. Der Berg Seleya gehörte zu den höchsten Punkten des Gebirgsmassivs, das der Pilger von hier aus komplett überblicken konnte. Jenseits des Gebirges lag die weite Ebene von Shival, über der jeden Moment die Sonne aufgehen musste. Und tatsächlich schillerte der frühmorgendliche Himmel schon in einem weiten Farbspektrum, als sammle sich dort ein Heer von Engeln, um die nächtliche Dunkelheit zu vertreiben und den neuen Tag einzuläuten. Sybok liebte die abstrakte Schönheit seines Heimatplaneten.
Eine Schönheit, die die Massen in den Städten nicht wahrnehmen können, wurde ihm schlagartig bewusst. Es hatte dieses langen, harten Aufstiegs bedurft, damit er etwas wahrnehmen konnte, was jeden Tag passierte und doch einzigartig war. Dabei war ein Sonnenaufgang eigentlich nichts Besonderes, es sei denn, man sah ihn auf eine ganz eigene Art. Eine Art, die die meisten Vulkanier nicht verstanden.
Sie sehen, aber sie sehen nicht hin, formulierte Sybok seine Gedanken. Sie hören, aber sie hören nicht zu. Mit jedem einzelnen Satz fühlte er sich in seiner Ansicht gestärkt. Sie leben, aber sie fühlen nicht. Und sie lernen, ohne zu begreifen!
Der Pilger wagte es eine Zeit lang nicht, seine Erkenntnis zu Ende zu formulieren. Doch hier oben waren seine Gedanken frei und so sagte er sich: Nur, weil sie sagen, meine Ansichten seien falsch, heißt das noch nicht, dass sie Recht haben. Selbst wenn sechs Milliarden Stimmen gegen nur eine stehen, heißt das nicht, dass die Mehrheit Recht hat. Damit verstieß er gegen den Grundgedanken der vulkanischen Philosophie. Ja. Ich hatte Recht mit meiner Aussage und sie hatten Unrecht. Sha Ka Ree ist irgendwo da draußen.
Und als schließlich die Sonne über den Rand des Horizonts stieg und eine Welle des Lichts in allen Farben des Universums auf Sybok einbrandete, verließen unbewusst jene Worte seinen Mund: „Lasset uns abschwören den Dämonen der Finsternis und uns besinnen auf die Mächte des Lichts.“ Als er sah, wie das Licht die Nacht vertrieb, stieg eine unanfechtbare Gewissheit in Sybok auf. Er fühlte sich, als hätte er es immer schon gewusst und nicht die kleinste Spur eines Zweifels an der Wahrheit, die er empfand, blieb, um seinen Blick zu trüben. Sybok empfand Furcht, als er seine letzte Erkenntnis formulierte:
Sha Ka Ree ist irgendwo da draußen. Und Gott existiert.
Ich existiere“, hallte eine unbekannte Stimme in Syboks Geist wider. Der Vulkanier war plötzlich unfähig, sich zu bewegen und blieb starr vor Schreck. Hörte er da tatsächlich die Stimme Gottes? Er musste sich Gewissheit verschaffen.
„Qual se'tu?“
Ich bin es, Tael A'valtî. Du hast Mich gerufen, Sybok. Hier bin Ich. Eine Stimme, viele Gesichter.
„Du sprichst zu mir?“, flüsterte Sybok. Seine eigene Stimme klang wie das Krächzen eines Raben im Vergleich zu der Stimme in seinem Geist, einem Klang, edel und angenehm wie ein Glockenschlag. Angesichts dieses melodiösen Tons empfand er sich selbst auf einmal als unwürdig und klein.
Ich sprach immer zu dir“, sagte die Stimme und klang dabei sanft und erhaben zugleich, aber auch ein wenig tadelnd. „So wie Ich immer zu allen Wesen spreche, die Ich geschaffen habe. Nur sind sie zu verblendet, Mich zu hören.
Unglaublich. Ich spreche mit Gott, wurde sich Sybok bewusst. So viele Theologen und Priester in ihren Tempeln und keinem von ihnen ist das gelungen.
Sybok, Ich berufe dich zu Meinem Dienst. Bist du bereit, Mir zu dienen?
„Ich … ich bin bereit, Dir zu dienen, mein Herr. Ich werde alles tun, was Du von mir verlangst.“
So werde Mein Prophet“, sprach die Stimme. „Führe Meinen Willen aus und verbreite Meine Botschaft. Du bist der erste seit einer langen Zeit, der würdig ist, Mir zu dienen. Das Volk Vulkans, Mein Volk, ist verblendet. Der Ketzer Surak hat es einst auf Pfade geführt, die Ich nie vorgesehen hatte. Seine falschen Lehren haben es verdorben. Du, Sybok, wirst der Quell der Läuterung sein und Mein Volk von diesem Irrglauben befreien. Gib ihnen ihre Gefühle wieder. Führe sie zurück zu Mir.
„Mit Freuden will ich das tun!“, rief Sybok euphorisch, bevor ihm klar wurde, was sein Gott von ihm verlangte. „Aber ich bin doch nur ein einziger Mann, wie soll ich das schaffen?“
Hast du nicht selbst gesagt, selbst wenn sechs Milliarden gegen einen stünden, hieße das nicht, dass die Mehrheit Recht hätte? Du wirst Erfolg haben, Mein Prophet. Du wirst nicht alleine stehen. Ich stelle dir Meine Gesandten an die Seite.
Schare sie um dich, ehe du beginnst!

Plötzlich wurde der Pilger von einem seltsamen Gefühl erfasst, als zöge ihn eine unsichtbare Kraft aus seinem eigenen Körper hinaus, und tatsächlich sah er nur Augenblicke später auf seine eigene körperliche Hülle hinunter, die ausdruckslos in die Ferne starrte. Er stieg nach oben, überblickte den Berg Seleya. Dann verzerrte sich sein Sichtfeld und das Auge Gottes stieß auf ein kleines Dorf westlich der Metropole Shi'Kahr hinab. So deutlich, als stünde er vor ihm, erblickte Sybok das Gesicht eines jungen Vulkaniers mit ernster Miene, der gerade über ein Schriftstück gebeugt saß und es eingehend studierte. Sybok prägte sich das Gesicht ein, ehe seine Sicht verblasste und sich das Auge auf die Stadt Ta'Riah fokussierte und ihm das Bild eines vulkanischen Mannes und einer Frau aufzeigte. Anschließend formierte sich das Bild eines grübelnden V'SharAgenten in seinem Geist, der gerade gedankenverloren eine Phasenpistole polierte. Der Vorgang wiederholte sich, bis Sybok zwölf Vulkanier vor seinem geistigen Auge erblickt hatte und wieder in seinen eigenen Körper zurückkehrte. Die Vision endete so abrupt, wie sie begonnen hatte. Und die Stimme sprach: „Dies werden deine Gefolgsleute sein, Sybok. Rufe sie und sie werden dir folgen. Nur gemeinsam werdet ihr in der Lage sein, Meinen Willen auszuführen. Enttäusche Mich nicht, Mein Prophet.
„Das werde ich nicht, mein Herr!“, rief Sybok, doch die Stimme in seinem Geist war schon verklungen. Zitternd und verwirrt von den vielen Eindrücken blieb Sybok noch lange auf dem Gipfel des Berges Seleya zurück. Und die Sonne schien ihm ins Gesicht.
Rezensionen