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Eyes without a face

von Jimaine

Kapitel 2

"Mensch!"
So sehr er sich bemühte, er konnte seine Augen nicht fokussieren. Gut, er sah den Jem'Hadar. Umrahmt von Helligkeit, die aus dem Korridor draußen hereinströmte, ragte das fremde Wesen über ihm auf. "Ich wurde beauftragt, dich zu holen. Du wirst mit mir kommen."
_Redet er mit mir?_ Seine Lippen wollten sich nicht bewegen, er konnte Laute nicht zu Worten formen. Das hier war nicht real, beruhigte er sich. Nichts hiervon konnte real sein.
Er mußte verschlafen haben. Jetzt mußte er sich beeilen, wenn er vor dem ersten Vortrag heute noch frühstücken wollte: Dr. Ryans Abhandlung über die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Regeneration von Knochengewebe. Um keinen Preis wollte er das verpassen, schließlich war ihm als hätte er seinen alten Freund seit Jahrhunderten nicht gesehen. Zuletzt am Abend ihrer Abschlußfeier.
Sie mußten sich heute abend auf ein Bier zusammensetzen, schlug ein wandernder Gedanke mit etwas Nostalgie vor und er fragte sich, ob sein Kollege noch immer solche seltsamen Hobbys wie Fechten hatte.

Eine Hand berührte seine Schulter und starke Finger schlossen sich nahezu vorsichtig um seinen schmerzenden Oberarm, um ihn zuerst auf den Rücken zu drehen und dann aufzurichten.
Die Erinnerung kehrte wie eine Sturzflut zurück. Er war nicht mehr in Kansas.
Die Entführung.
Das Gefängnis.
Martok.
Tain.
Der Vorta...

(_OhmeinGott! NEIN! Neiiiiin! Faß' mich nicht an!!! Aufhöreeeeeeeeeen..._)

"Ich werde dir keine Schmerzen zufügen...aber du mußt mit mir kommen."
Der Jem'Hadar.
Er konnte ihn jetzt deutlich sehen, das breite Gesicht mit der ledrig-steinähnlichen Haut, umrahmt von kleinen Knochenspitzen gleich Zähnen. Direkt vor sich den mächtigen, dunkelgekleideten Körper, an sich schon eine tödliche Waffe...und er war im Vergleich so zerbrechlich und schwach.
In der Tat nutzlos.
Wie hypnotisiert starrte er den Jem'Hadar-Krieger an, dessen große Hand schwer auf seiner dünnen Schulter ruhte. Studierte die dunklen Augen, die ihn ruhig beobachteten, folgte mit dem Blick dem steten Fluß des Ketracel White durch den dünnen Schlauch, der in den senkrechten Falten des massiven schiefergrauen Halses verschwand.
Wenn er wollte, konnte er ihn herausreißen, den Jem'Hadar dem Tod überlassen. Es würde ihm eine gewisse Genugtuung verschaffen. Und außerdem wäre es dämlich, denn der Tod wäre nicht umgehend; Julian würde längst tot sein, bevor der Jem'Hadar auch nur die allerersten Entzugserscheinungen bekam.
Nun, er wollte sowieso nichts tun. Als ob der Tod jetzt noch eine dermaßen erwähnenswerte Verschlechterung war... Fast kicherte Julian in seinem kurzen Anflug von herrlichem Fatalismus und beschloß, daß er genauso gut die Augen schließen könnte, denn es war ihm egal, was passierte.
Er schloß die Augen -

"Der Vorta erteilte mir die Anweisung, dich zu den anderen zurückzubringen", stellte die rauhe Stimme sachlich in den Raum, "und ich werde gehorchen."
Mit diesen Worten ließ er ein Bündel gefalteter Kleidung in Julians Schoß fallen.
Automatisch griff er danach (gleichzeitig schrillten die Alarmglocken in seinem Bewußtsein, daß dies auch bloß ein weiterer unerwarteter Plan für weitere Folter, weitere Demütigung sein konnte) und zu seiner Überraschung schlossen sich seine Finger um dicken, weichen Stoff, der sich so himmlisch vertraut anfühlte, daß der Kontakt schmerzte. Es war wie die Berührung eines alten Freundes...angenehm, voller Erinnerungen. Der weiche Stoff kitzelte seine Handflächen und bedeckte seine Oberschenkel, seine Nacktheit... Fast eine zweite Haut für ihn; diese Kleidung war Teil seines Alltags gewesen in dem Leben, das er liebte.
Und nicht länger lebte.
"Zieh' sie an!" kam der Befehl. "Diese Kleidungsstücke sind exakte Kopien jener, die du vorher getragen hast."
Anziehen? Noch immer befingerte er die Sachen als wären sie wertvollste Seide und nicht bloß replizierter Synthetikstoff, und dann schließlich blickte Julian zu dem Jem'Hadar auf. Ein erster Schimmer von beginnendem Verstehen erhellte seine Augen und der graue Schleier um seine Gedanken lichtete sich weit genug, um seine Augen die Realität sehen zu lassen, wie sie war.
"Ich..." War das seine Stimme? Kratzig und schwach. "Kann nicht...bin...ich bin schmutzig... Kleidung sauber..."
"Das ist für mich ohne Belang", erwiderte der Jem'Hadar. "Du wirst dich ankleiden und mitkommen."
Er würde die frische Uniform besudeln.
"Nein... bitte warten..."
Julian protestierte, als man ihn auf die Füße stellte und behutsam in Richtung der Wand nahe der Tür schob, die Anstrengung ließ ihn keuchen vor Schmerz. Jeder Zentimeter seines Körpers kribbelte und juckte mit kleinen Schauern wiederkehrender Wärme und nicht nur sein Kopf dröhnte vor Schmerz; er strich sich schmutziges, verklebtes Haar aus dem Gesicht und lehnte gegen den Felsen. Die ganze Zeit betete er still, daß seine Knie nicht nachgeben würden und der Jem'Hadar ihm wieder auf die Füße helfen mußte.
Er wollte nicht, daß ihn irgendjemand anfaßte.
Nie wieder.
Aber er hatte einfach nicht die Kraft, die Hände fortzustoßen, die jetzt begannen, ihn anzuziehen, seine verletzten Gliedmaßen ohne besondere Vorsicht anhob - auch wenn er vorsichtig genug war, nicht zu grob zu sein und die Wunden direkt zu berühren - und wärmenden Stoff über eiskalte Haut zog.
Die Prozedur schien eine Ewigkeit zu dauern. Er hielt die Augen fest geschlossen, wollte die Hände nicht an sich *sehen*, zusehen wie sie den dunklen Stoff zurechtzupften und geradezogen als wäre er eine leblose Puppe. Es reichte aus, sie zu fühlen, kaum zu ertragen, fast genug, um die blinde Furcht aufs Neue zu schüren.

"Mitkommen, Mensch."
_Zeig' ihm nicht, daß du ihn hörst! Nicht reagieren!_ Wenn er nur lange genug apathisch blieb (sich nicht bewegte, nicht *atmete*, nicht _dachte_), vielleicht ließen sie ihn dann allein. Er biß die Zähne fest zusammen und strengte sich an, die Anwesenheit des Jem'Hadar zu verdrängen, sich einzureden, daß man ihn nicht bei den Schultern griff und von der soliden Stärke der Wand fortzog.
Der leichte Druck des Stoffes auf seiner zerschundenen Haut war wie die Berührung mit einem Stromkabel...bei jedem Schritt...oh, bewegte er sich? Seltsam, er registrierte es kaum - doch nach und nach klärte sich der Nebel in seinem Kopf und drängte das beiseite, was nicht von unmittelbarer Bedeutung war, aktivierte andere Erinnerungen.
Jene aus der Zeit vor dem Licht.

Teils führte, teils zog ihn der Jem'Hadar den endlosen Korridor entlang, und Julian, der in seiner Verfassung bei diesem Kraftakt schon nach wenigen Metern zu schwitzen begonnen hatte, war dankbar für die Stärke des Soldaten, denn er konnte nicht wirklich aus eigener Kraft laufen. Bei jedem Schritt mußte er sich auf die massive Schulter an seiner Seite stützen. Und verglichen mit der Art und Weise, wie seinesgleichen die in der Regel durch Hunger, Krankheit oder Verletzung geschwächten Gefangenen für gewöhnlich behandelte, war dieser Jem'Hadar geradezu umsichtig und verlangsamte sein Tempo, um es für Bashir einfacher zu machen...mehr oder minder...
Julian dachte, daß jeder Schritt sein letzter wäre, daß der Jem'Hadar seine Geduld verlieren und ihn töten würde, wo er hinfiel. Schweiß sammelte sich auf seiner Oberlippe und seiner Stirn, seine Atmung war flach, rasselnd. Er konnte sich an Marathonläufe erinnern, nach denen er sich lebendiger gefühlt hatte als nun nach noch nicht einmal fünfhundert Metern!
Mehrmals passierten sie andere Jem'Hadar, die mit einem knappen Nicken für ihren Waffenbruder reagierten und dem angeschlagenen Menschen nur einen kalten, passiven Blick der Verachtung zuwarfen.
Er fühlte sich genötigt anzumerken, "Sie...scheinen es nicht gutzuheißen."
"Der Anschein ist ohne Bedeutung für mich. Nur die Wahrheit. Und die Wahrheit ist, daß ich mir ihren Respekt und Gehorsam verdient habe. Ich bin der Zweite in meiner Einheit. Das allein zählt." Der Jem'Hadar verstärkte seinen Griff, als Julian über eine Unebenheit im Tunnelboden stolperte; die unteren Stockwerke des Komplexes hatte man direkt aus dem Kometen gehöhlt, die oberen Gefängnisetagen dagegen waren künstliche Bauten auf der Oberfläche.
Der Fels unter seinen bloßen Füßen war kalt (wo waren seine Stiefel?) und für jemanden, der nicht ganz Herr über seine Füße und Beine war, war es schwer, auf der rauhen Oberfläche zu gehen. Zum wiederholten Mal verlor Julian seine Balance und fiel; er fiel allerdings nicht weit, sondern wurde vom Jem'Hadar gehalten und wieder aufgerichtet.
Er warf ihm einen verwunderten Blick zu, zu überrascht, um zu fragen, warum er ihn nicht einfach fallen ließ und dann solange trat, bis er von alleine aufstand. Nach einem kurzen Räuspern brach er sein Schweigen und fragte, "Schließt der Befehl auch ein...mir beim Gehen zu helfen?" Das Sprechen schmerzte, besonders im Brustkorb und Kopf.
Zuerst glaubte er, keine Antwort zu bekommen. Der Jem'Hadar schwieg für mehrere Minuten. Sie hatte schon das unterste der oberen Stockwerke erreicht, als der Soldat schließlich mit rauher Stimme zurückgab, "Du bist der Feind...wenn den Jem'Hadar befohlen wird, dich zu töten, dir Schmerz zuzufügen, gehorchen wir. Es ist der Sinn unseres Daseins, den Feind zu besiegen und das Dominion zu schützen."
Hörte er da ein *aber*? "Und?" Julian verzog das Gesicht, als seine Hüfte - ein einziger blauer Fleck - bei einer weiteren Kurve gegen die Panzerung des Jem'Hadar stieß. Wann waren sie endlich da? Seine letzten verbliebenen Kraftreserven verpufften mit jedem schleifenden Schritt.
Der andere fuhr in seinem strengen Grollton fort, "Jedoch benutzen wir Folter nicht für unser persönliches Vergnügen. Darin liegt kein Ehre für einen Krieger. Ein Krieger siegt entweder über den Feind...oder ist ihm in einem ehrenhaften Kampf unterlegen. Der Vorta mag der Wächter des White sein, unsere Verbindung zu den Göttern - doch obwohl er den Göttern nähersteht als den Jem'Hadar, so ist er in Wahrheit weniger wert als diese. Er macht Fehler und handelt manchmal unweise und impulsiv." Eine Minute lang zog er Julian schweigend neben sich her. "Was mit dir geschehen ist...war ein Fehler. Versteh' das, Mensch."
Ungewollt begannen Sterne vor seinen Augen zu tanzen, funkelnde Lichter vor einem kreisenden Hintergrund aus Schwarz, der dunkler und dunkler wurde, und *lauter*; Julian blinzelte, sein Mund staubtrocken. Er war sich nicht sicher, was er da soeben gehört hatte, und traute seinen Ohren und Verstand nicht mehr, Geräusche und Informationen zu verarbeiten wie sie es einst getan hatten, aber es hatte sich nicht so angehört als ob dieser Jem'Hadar ihm Böses wollte.
Zumindest nicht im Moment.
Also versuchte er ein Nicken und ein schwach gemurmeltes "Nun gut", auch wenn er das genaue Gegenteil von 'gut' war. Sein Atem entwich in einem kratzenden Seufzer, gerade als sein Bewußtsein davonglitt in nächtliches Schwarz...und Blau.
_Julian._
Blaue Augen begrüßten ihn zurück im Reich der Träume.

Vorsichtig ließ der Jem'Hadar den erschlafften Körper zu Boden sinken und lehnte ihn gegen die Wand; die Stiefel plazierte er neben ihm. Hier oben würde der Mensch bald von den anderen Gefangenen gefunden werden...und nach dem zu urteilen, was er gehört hatte, gab es niemanden, der nicht bis zu einem gewissen Grad bei diesem Mann in der Schuld stand, zerbrechlich wie er auch schien.
Aber wie er selbst diesem Menschen gesagt hatte, war der Anschein von geringer Bedeutung. Das Herz und der Mut eines Kriegers wurden nicht von Äußerlichkeiten geschaffen und festgelegt.
Der Mensch würde zu seinen Kameraden zurückkehren und nach einer Weile vielleicht sogar in sein Leben. Die Zukunft zu formen war nicht die Aufgabe des Jem'Hadar.
Im Gehen salutierte er dem bewußtlosen Mann, der den Vorta mit solcher Tapferkeit ertragen hatte. Ein Salut von Krieger zu Krieger.

Und trotz seiner körperlichen Niederlage kämpfte Julian Bashirs Ich weiter gegen die Dunkelheit, die aus den Tiefen der erinnerungslastigen Träume aufstieg.
Wärme durchströmte ihn, als er die vertraute Präsenz in seinen Träumen spürte.
Die Dämonen seiner Erinnerung hatten keine Chance.

************

Er war am Ertrinken...Sterben...
Julian schnappte nach Luft und das Wasser brannte in seinen Augen, als er sie öffnete...Wasser füllte seinen Mund, wie er ihn zu einem Schrei aufriß... Er hustete, fiel nach vorne über -
Nur um recht unsanft wieder aufgerichtet zu werden, zurück in den Wasserstrom...
Kaltes Wasser, doch für Julian fühlte es sich heiß an. Wasser...säubernd, reinigend...
"Das ist genug. Er kommt zu sich - denke ich", sagte jemand.
Der kalte Fluß umgab ihn, süß und unerträglich beruhigend, nahm Blut und Schmutz mit sich...sauber, sauber... Jemand half mit einem weichen Tuch nach, fuhr in langsamen, gleichmäßigen Zügen über seinen Rücken, seine Arme...Beine... Er hätte sich auf ewig in diesem Gefühl verlieren können.
_Wasch' mich sauber...von allem...wasch' es alles weg..._
"Dann schaltet es ab! Wir haben schon die Wasserration von vier Männern an ihn vergeudet - ich sehe keinen Sinn, daraus fünf zu machen."
Eine weitere Stimme, tiefer und autoritär, fuhr dazwischen, "Hüte deine Zunge! Keiner von uns wäre noch am Leben, wenn er nicht gewesen wäre! Sofern die Jem'Hadar nicht dein Ehrgefühl aus dir rausgeprügelt haben -"
"Haben sie *nicht*!"
"Dann zeige etwas mehr Respekt gegenüber einem Mitkämpfer!"
"Er ist nichts dergleichen!" Der Strom des segnenden Wassers brach ab. "*Ich* dagegen bin klatschnaß. Und mir ist kalt."
"Ich bin mir sicher, daß er dir gerne helfen wird, wenn du dir was einfängst...es sei denn, er stirbt vor dir, was der Fall sein kann, sofern wir nicht alle zusammenarbeiten und ihm helfen."
Julian hörte das Streitgespräch kaum, das um ihn herum ausbrach, obwohl er wußte, daß er der Grund dafür war. Jemand war mit ihm in der Dusche, stand hinter ihm und hatte einen Arm um seine Brust gelegt. Hielt ihn so fest und gerade als wäre er federleicht. Er konnte feuchte Kleidung an seinem Rücken spüren, an seinem Gesäß reiben, und ihn durchlief ein eiskalter Schauer. Etwas in seiner Magengrube krampfte sich zusammen, als warmer Atem sein Ohr streifte und ihm aus der Duschkabine geholfen wurde.
Es schien wie ein Wunder, daß er es schaffte, ohne über den Rand zu stolpern.
Trotzdem fühlte sich schon etwas besser. Schwach und zerschlagen und furchtbar, furchtbar müde, aber besser. Sauber.
Zumindest äußerlich.
Sein Inneres, der gefrorene Kern aus Scham und Schmerz gebadet in ewiger Helligkeit, konnte nicht so leicht gesäubert werden, ließ sich nicht schmelzen.
Ein Mann betrat sein noch immer verschwommenes Blickfeld und griff nach ihm; der Arm um ihn verschwand und stattdessen wurde etwas um ihn gewickelt.
"Hier, mein Freund." Die tiefe Stimme, die er eben schon gehört hatte. "Helft ihm, sich zu abzutrocknen. Ihr könnt doch sehen, daß er viel zu schwach ist, sich zu bewegen, schon gar nicht, um für sich selbst zu sorgen!" Hände begannen, den Stoff - ein Handtuch? - über seinen Körper zu reiben. Fester an den Stellen, wo die Haut unverletzt war, doch sehr behutsam und vorsichtig, als sie die Wunden abtupften, die gerade begonnen hatten zu heilen.
Und der, der hinter ihm in der Dusche gestanden hatte, gab murmelnd seine Zustimmung und trat nach vorne, um zu helfen. Dankbar nahm Julian das stille Angebot an und lehnte sich gegen ihn.

Romulaner. Seine Augen, die er ab und für einen kurzen Blick öffnen konnte, ließen ihn soviel erkennen, eine Bestätigung, daß das hier Wirklichkeit war. Drei romulanische Offiziere, zwei davon damit beschäftigt, ihn mit einem alten Bettlaken abzutrocknen; der dritte stand in der Nähe, eine Starfleet-Uniform über seinem Arm und ein Paar Stiefel in der Hand. Der Anblick dieser drei Romulaner löste Erinnerungen aus, die unmittelbarste davon an den zynischen Kommentar eines guten Freundes bezüglich der, seiner professionellen Meinung nach, "sehr schlecht geschneiderten Uniformen".
Er stöhnte leise und seine Anspannung wuchs. Garak. Wo war er? Er hatte geglaubt, er sei schon hier, daß er derjenige wäre, der ihn hier rausholte. Die Abwesenheit des Cardassianers schmerzte, tat fast körperlich weh. Warum war er sich so sicher gewesen, daß Garak hier war, was hatte ihn zu diesem Glauben veranlaßt? Was? Er hatte sogar geglaubt, die Stimme des Schneiders zu hören, die mit ihm sprach, als seine Welt nur aus Dunkelheit bestand, angenehm und freundlich mit dem üblichen leicht ironischen Unterton. Offenbar war es nur ein weiterer Traum gewesen.
Der Funke Verzweiflung leuchtete ihn ihm auf, entzündete die brennende Sehnsucht nach jemandem, der ihn von den Schmerzen befreite, die Lichter für immer auslöschte und die Wärme zu ihm zurückbrachte.
Dann begegnete er dem Blick des Romulaners und wußte, daß er in Sicherheit war und ihm nichts geschehen würde, nicht wenn sie es verhindern konnten. Im nächsten Moment wiederholte die tiefe Stimme das Versprechen in stockendem Englisch. Kein Translator. Englisch, und das fast ohne Akzent.
Und Julian, der nicht länger vor Kälte zitterte, sondern vor einfacher, überwältigender Müdigkeit, brachte ein Lächeln zustande. "Ich glaube Ihnen."
Hatten sie sein Flüstern gehört? Für eine Weile konzentrierte er sich darauf, auf seinen Füßen zu blieben und die Unterhaltung um ihn herum wurde zu einem gedämpften, entfernten Summen. Irgendwann faßte ihn eine kräftige Hand behutsam unterm Kinn und hob seinen Kopf an, und er quälte seine Augenlider auf.
"Wir werden Sie jetzt an einen Ort bringen, wo Sie schlafen und sich ausruhen können", sagte der Romulaner, allem Anschein nach der Vorgesetzte der anderen. "Ich habe bereits jemanden losgeschickt, um medizinische Versorgungsmittel zu holen; Ihre Wunden sind zwar gesäubert, aber sie müssen behandelt werden."
Sauber? Er fühlte sich nicht sauber. Sauberkeit war genauso eine Illusion wie Sicherheit, Wärme und blaue Augen. Jetzt wollte er nur noch schlafen. Vergessen. Schlafen und nicht träumen. Er hörte, wie die Romulaner mit ihm redeten, doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte nicht antworten.
Der Griff, mit dem er sich an die Realität klammerte, ließ nach, als ihm seine von der Dusche entspannten Muskeln den Gehorsam verweigerten und ihn eine lächerliche Parodie von Frieden überkam.
Jemand hielt ihn, redete auf ihn ein, befahl ihm zu schlafen. "Wir werden später reden. Schlafen Sie jetzt."

Das tat er. Sein Schlaf war tief, lang und traumlos und als er aufwachte, lag er auf einem schmalen Bett, das nur geringfügig sauberer war als jenes, auf dem er die letzten vier Wochen geschlafen hatte. Und ebenso unbequem.
Als er sich aufsetzte, war er überrascht, daß der Schmerz nur minimal war. An einigen Stellen war er bis auf ein dumpfes Stechen zurückgegangen und kleinere Kratzer und Abschürfungen waren komplett verschwunden. Er hob die rechte Hand und bewegte zögernd die Finger; nur ein leichtes Ziepen war zu spüren, was auf eine nicht ganz sauber ausgeführte Knochenbindung schließen ließ. Er würde die Prozedur beizeiten korrekt ausführen müssen, doch für den Augenblick war es ausreichend.
Abgesehen davon war er völlig bekleidet, Stiefel eingeschlossen. Und geduscht. Ah, ja, daran erinnerte er sich! Die Romulaner...
Sofort zog er seine Beine unter seinen Körper und kauerte sich mit dem Rücken gegen die Wand, jeder Muskel gespannt wie eine Stahlfeder und bereit sich zu verteidigen. Eine Sekunde später sah er, daß keine unmittelbare Bedrohung bestand, daß er alleine war. Ganz alleine. Muskel für Muskel zwang er sich zur Entspannung, löste sich aus seiner Abwehrhaltung und kletterte vom Bett herunter. Er war überrascht, daß seine Beine ihn ohne Protest den ganzen Weg bis zur Tür trugen.
Dort hielt er inne und spähte durch die rechteckige Sichtöffnung...und warf sich im nächsten Augenblick zur Seite. Sein Herz hämmerte, als er sich so dicht wie möglich an die Wand preßte, in der Hoffnung, daß die drei Jem'Hadar ihn nicht gesehen hatten. Daß sie vorbeigehen und diese Baracke nicht inspizieren würden oder zumindest erst dann, wenn er sich hinausgeschlichen hatte. Irgendwie mußte er zurück in seine Baracke gelangen, zurück zu Martok, zu Tain, zu den Romulanern.
Was war bloß mit *diesen* Romulanern geschehen, den Insassen dieser Zelle? Und wie lange hatte er hier drinnen geschlafen? Da der Heilungsprozeß seiner Wunden bereits im fortgeschrittenen Stadium nach künstlicher Beschleunigung war, lag seine Schätzung bei über 36 Stunden.
Vorsichtig schob er sich zentimeterweise in Richtung Fenster und fühlte, wie seine Beine zu zittern begannen. _Nicht jetzt. Nicht nochmal, bitte._ Es war der Streß, er überanstrengte sich zu kurz nach einer zu traumatischen Erfahrung, aber er konnte sich solche Sorge für seine Person im Moment nicht leisten. Nicht wenn die Möglichkeit bestand, daß der Vorta sich anderen zuwandte, jetzt wo er abgehakt war.
Deyos.
(_"Nutzlos... Zu schwach. Minderwertig..."_)
Eine eisige Welle schwappte über ihn, Übelkeit folgte, und als es vorbei war, trat Julian aus der Tür hinaus in den leeren Gang. Kein Jem'Hadar in Sicht. Keine anderen Gefangenen. Nur das leise Rauschen der Luftfilter, die das Gefängnis mit einer Atmosphäre versorgten.

Er schluckte, wählte eine Richtung und ging los; die Bewegung ließ ihn nur allzu deutlich den ständigen dumpfen Schmerz in seinem Schritt spüren und Instinkt wie Verstand sagten ihm, daß er dort Narben finden würde, denn die Wunden waren zu tief gewesen, um mit dem normalen Hautregenerator aus seinem Medikit geheilt zu werden, ohne daß eine Spur zurückblieb. Und vielleicht sollte es auch so sein. Narben auf der Außenseite genauso wie auf der Innenseite... Er biß die Zähne zusammen und unterdrückte den Schauer, der sein Rückgrat hinaufkletterte, sich gleichzeitig eine verirrte Haarlocke aus dem Gesicht streichend. Die Strähnen waren seidigweich. Sauber. Es fühlte sich so unwirklich an und wie er dastand und seine Finger durch die dicke Weiche auf seinem Kopf kämmte, war es als ob sich selbst wiederentdeckte, einen Fetzen seiner verlorenen Würde. Mißtrauisch schob er den linken Uniformärmel hoch und roch an der Haut seines Unterarms. Doch er roch nur sich selbst und eine Spur Seife.
Aber er erinnerte sich auch an andere Gerüche, intensiv, berauschend und abstoßend, und obgleich es nur Erinnerungen waren, war die Angst, die sie beschworen, nicht weniger real; er hielt kurz inne, da er glaubte, in einiger Entfernung Stimmen zu hören. Ja...
Sie kamen den Gang entlang, ihm entgegen.
Es war zu spät, sich noch verstecken zu wollen. Er hielt den Atem an.

"Noch ein Klingone. So sehr ich seine Rasse verabscheue, er verdient es nicht, über die nächsten paar Jahre stückchenweise getötet zu werden."
"Besser er als wir! Ich würde nicht gegen Ikat'ika kämpfen wollen, oder irgendeinen der Jem'Hadar, um ehrlich zu sein. Was den cardassianischen Begleiter des Klingonen angeht - ich habe von ihm gehört, man wird ihn kaum vermissen und -" Der Sprecher verstummte, als er Bashir erblickte.
Julian ließ einen erleichterten Seufzer entweichen. Zwei Cardassianer. Sie gingen zügig vorbei und musterten ihn argwöhnisch. _Immer mißtrauisch. Typisch für den Order._ Schließlich nahmen sie ihre Unterhaltung wieder auf.
"Sie haben gestern Morgen vier der Romulaner exekutiert."
"Wofür?"
"Keine Ahnung. Die Jem'Hadar haben wie gewöhnlich keine Erklärung abgegeben und der Vorta hat nur zugesehen, als man sie wegbrachte. Sagte etwas von gebrochenen Regeln und daß es ein weiteres Exempel zu statuieren gelte." Die Stimmen verklangen mit wachsender Entfernung.

Also waren die Romulaner tot, man hatte sie exekutiert, während er in ihrer Baracke schlief. Warum hatte man ihn nicht ebenfalls mitgenommen? Warum nicht? Sicherlich nicht, weil er hilflos und schlafend dagelegen hatte, verletzt und geschwächt...aber es mußte einen Grund gegeben haben. Wenn er diesen nur kennen würde...vielleicht würde er sich dann weniger schuldig fühlen, auf Kosten der Romulaner überlebt zu haben.
Julian biß sich auf die Lippe und kämpfte darum, den Schrei blinder Wut zu unterdrücken, der laut durch seinen Kopf hallte. Wie er diese Monster haßte! Diese seelenlosen, brutalen Tötungsmaschinen, die nur lebten, um für das Dominion zu kämpfen. Für den Vorta.
Nicht mal der Jem'Hadar, der ihn aus der Isolationszelle gelassen hatte, konnte ändern, wie er sich fühlte. Die Romulaner waren gestorben, weil sie ihm geholfen hatten, für eine einfache Sache wie Hilfe, dafür daß sie ihn mit dem Nötigsten versorgten. Sie hatten auf ihre wöchentliche Dusche verzichtet, um ihn zu säubern, hatten Seife und Bettzeug geopfert...hatten ihr Leben riskiert, um medizinische Hilfe für ihn zu beschaffen.
Der Vorta hatte sie töten lassen, weil sie sich um ihn kümmerten.

Nicht eher als bevor er zwischen seinen Schluchzern nach Luft schnappen mußte, bemerkte Julian, daß er weinte. Bartstoppeln kratzten seine Handfläche, als er die Feuchtigkeit fortwischte und mit seinen Händen zweifellos Schmutzstreifen auf seinem Gesicht hinterließ. Er hatte zwar jegliches Zeitgefühl verloren, doch mußte es schon über einen Monat her sein, daß er sich zuletzt rasiert hatte. Und nach einer so langen Zeit hatte auch der Langzeiteffekt des Bartwuchshemmers nachgelassen, den er normalerweise regelmäßig auftrug. Mit Sicherheit sah er genauso schlecht aus wie er sich fühlte. Jeder neue Todesfall ließ seine Zweifel wachsen, daß einer von ihnen lebendig entkommen würde. Manchmal schien es alles so sinnlos... Tain war bestimmt schon am Tag nach seinem "Umzug" an einer Herzattacke gestorben und hatte seine Arbeit an dem Transmitter nicht beenden können. Der Hilferuf war nie gesendet worden.
Niemand würde je wissen, daß er hier war.

"Nicht bewegen, Mensch!"
Erschrocken sah er auf und erstarrte. Zwei Jem'Hadar standen mitten im Gang und versperrten ihn. Es führte kein Weg um sie herum.
Blinde Aggression verschwand so plötzlich wie sie gekommen war, die Hitze verflüchtigte sich schlagartig und er war völlig ruhig. Jeglicher verbliebener Widerstand glühte ausschließlich in seinen Augen, denn sein Körper handelte aus dem neuen Glauben heraus, den weiße Lichter in sein Unterbewußtsein gebohrt hatten, und hatte sich längst ergeben.
_Natürlich tut es weh. Der Trick ist, sich nichts daraus zu machen, daß es wehtut._ Worte eines entfernten Vorfahren seitens seiner Mutter, gesprochen vor Jahrhunderten. Sie waren immer noch ach so wahr.
"Was machst du hier draußen, Mensch?"
Die Furcht, die sie weckten, war schon so sehr ein Teil von ihm, daß er sie gar nicht mehr als solche fühlte. Im nächsten Augenblick hatten sie ihn schon bei den Armen gepackt und warteten nicht erst auf eine Antwort auf ihre Frage, sondern wandten sich mit ihm gleich in die Richtung um, aus der sie gekommen waren. Zu schnell. Merkten sie denn nicht, daß er unmöglich mit ihrem rasanten Tempo mithalten konnte? Es dauerte nicht lange und er keuchte, wenn er einen Schritt machte, machten die Jem'Hadar drei, und sein Vorwärtskommen war ein einziges Gestolper. An einem Punkt, es schien Meilen später zu sein, wurden sie langsamer und hielten an. Einer ließ ihn los und zog einen kleinen PADD von seinem Gürtel; wenn der andere nicht gewesen wäre, hätte Julian seine vertikale Position gegen die horizontale eingetauscht.
In der Hoffnung, daß seine Lungen eines Tages wieder in der Lage sein würden, die benötigte Luft aufzunehmen - was sie im Moment nicht taten - richtete er seinen Blick nach vorne. Dort, wo der Gang sich mit einigen anderen vereinigte und sich ausweitete, um eine Art Gemeinschaftsraum zu schaffen, stand eine kleine Gruppe Gefangener in dem trüben, künstlichen Licht beisammen, nicht mehr als eine gräuliche Blässe (für die Julian dankbar war). Doch die einzige Sache, die sie verband, war ihre Gefangenschaft und Kontakt war selten, sofern es nicht darum ging, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.
Julian war dankbar, ein bekanntes Gesicht in der Menge zu entdecken. Rilana, die Romulanerin aus seiner Baracke. Und sie sah ihn ebenfalls. Ihre Augen weiteten sich und eine Sekunde später entschuldigte sie sich bei ihren Begleitern und eilte einen Gang hinunter, den Julian nun auch erkannte.
_Sie wird den anderen sagen, daß ich zurückkomme._
Gleich würde er ihr mit seiner Jem'Hadar-Eskorte folgen, denn der Soldat mit dem PADD packte nun seine Hand und drückte, ohne um Erlaubnis zu fragen, seinen Daumen fest auf das kleine Scanfeld. Er wartete nicht einmal auf das bestätigende Piepen des Instruments, bevor er die Hand wieder fallenließ als sei sie ein besonders widerliches Objekt. "Du gehörst in Baracke Sechs", erklärte er laut, sobald die Information auf dem Bildschirm aufleuchtete, und ergriff Julians Schulter aufs Neue.
"Hätte ich euch auch sagen können", witzelte Julian mit einer schmerzerfüllten Grimasse, als die gewichtige Hand auf seine Schulter fiel. "Wenn ihr gefragt hättet."
"Wir werden dich zurückbringen."
Dem würde er garantiert nicht widersprechen. Sie schoben ihn den Gang entlang, um einige Ecken (_Fast da, nur noch ein paar Schritte! Fast da, Jules, fast in Sicherheit!_) und stoppten vor der massiven Tür. Einer der beiden hob eine Hand, als die Tür aufging, er sah die breite Hand auf sich zukommen und hob instinktiv seine Arme, um den Schlag abzuwehren, duckte sich...aber stattdessen gab man ihm einen letzten Stoß nach vorne und er stolperte in den Raum.
Wo er schwankend zum Stehen kam und den Blick hob.

Martok. Der Breen. Die Romulaner.
Eine schiefergraue - grau? Was für eine häßliche Farbe! - Starfleet-Uniform, das Burgunderrot der Kommandosektion sichtbar...Worf! WORF???
Und dann, sich langsam von Enabran Tain fortbewegend, während sein Gesichtsausdruck sich von Sorge zu Erstaunen wandelte, war da noch Garak.
_Garak ist hier._ Julian hätte vor Freude weinen können und war sich des Zitterns nicht bewußt, das von seinem Körper Besitz ergriffen hatte.
Ungeachtet seiner plötzlichen Unfähigkeit zu sprechen, trat er auf den Schneider zu und nicht für eine Sekunde verließen seine Augen das Gesicht, auf dem sich Schock mit Verwunderung mischte. Er wollte den Namen seines Freundes sagen, wollte...
"Langsam, Doktor, langsam." Rilana und Martok, letzterer ziemlich kurzatmig (wohl noch eine gebrochene Rippe), halfen ihm zu einem freien Bett und setzten ihn hin. "Es ist gut, Sie lebendig wiederzusehen."
"Doktor Bashir", fand Worf nun seine Stimme wieder, "wie sind Sie hier hergekommen?"
Rilana unterbrach ihn scharf, "Er sollte sich vor dem Begrüßungsgespräch etwas ausruhen, oder was meinen Sie?" Sie drückte Julian sanft auf die dünne Matratze zurück und gab Worf ausreichend Grund, nicht auf einer Antwort auf seine Frage zu bestehen. Mit nur einem Blick. "Er war eine Woche fort...es ist ein Wunder, daß er überhaupt noch lebt; die meisten Leute kommen aus der Isolationshaft nicht zurück." _Und_, fügte sie im Stillen hinzu, _jene, die zurückkommen, sind nicht länger sie selbst, tot allesamt. Im Inneren._ Wie sie die Decke über den mageren Körper zog und in Julians Augen blickte, konnte sie dort nichts sehen außer einem fernen Glühen, erkaltende Kohle als Überrest vom Scheiterhaufen der Qual. Und sie wußte, daß dieser Mensch einer jener wandelnden Toten war. Nein, noch nicht, noch nicht ganz, aber er würde es sein. Bald, wenn ihm nicht geholfen wurde. "Wir werden ihn für eine Stunde in Ruhe lassen."
Garak sagte gar nichts dazu, sondern blickte nur Julian und Tain abwechselnd an und zog seinen Schleier der Nonchalance wieder erfolgreich zurecht.
Während die anderen sich auf die andere Seite des Raumes zurückzogen, kam der Schneider auf Julian zu, zögerlich, als ob ihn etwas zurückhielt. Oder fernhielt.
_Tain._ Julian fühlte, wie seine Augenlider schwerer wurden. _Darf nicht schlafen. Garak ist hier...muß mit ihm über Tain reden.. Garak..._ "Garak..." Bildete er sich das nur ein oder war der Cardassianer soeben zusammengezuckt?
"Doktor. Sie sollten schlafen", sagte der Cardassianer, der tadelnde Ton in seiner Stimme kaum hörbar.
"Will nicht schlafen." Julian klang wie ein quengeliger Fünfjähriger, der kurz vor einem Wutanfall stand, weil er seiner Meinung nach zu früh ins Bett geschickt wurde. "Will nicht schlafen..." Doch er konnte dem unerklärlichen Gefühl von Sicherheit nicht widerstehen, das ihn in seinen dicken, warmen Kokon einspann. Er konnte sich fast einreden, daß das kalte Licht aus seinem Kopf verschwunden war...
Garaks Stimme fuhr fort, sein Ton vertraut, beruhigend. "In Ordnung, dann nicht. Ich weiß es ist schwer...die Träume sind am schlimmsten..."
Wie...? Natürlich hatte Garak die verblassenden Spuren auf seinem Gesicht und seinen Händen gesehen, hatte gesehen wie er sich bewegte und auf die Jem'Hadar reagierte. Auf jeden in seiner Umgebung. Hatte gesehen, wie die furchtgeweiteten Augen hin und her jagten wie die eines gefangenen Tieres und wie angespannt sein mißhandelter Körper war - ein verängstigter Vogel, bereit zur Flucht beim ersten Anzeichen von Gefahr. Und er hatte die richtigen Schlüsse gezogen. Berufserfahrung. _Wunderst du dich jetzt gerade, welche anderen Verletzungen sich unter der Uniform verbergen, hinter einem aufgesetzten Lächeln? Wunderst du dich, mein Freund? Über das Licht, dem ich nicht entkommen kann... Ich bin so müde von dieser Flucht, Garak, so müde..._
"Garak, ich bin müde..."
"Das sind Sie in der Tat, mein lieber Doktor." Die Stimme war sanft und gab ihm Sicherheit. "Und Sie werden schlafen. Schlafen Sie jetzt, Doktor. Ich werde hierbleiben. Genau hier." Eine Hand berührte kurz seine Wange und legte sich dann auf seinen Arm, der sanfte Halt kein Vergleich mit dem Schraubstockgriff der Jem'Hadar.
Ja, er würde schlafen und er würde nicht allein sein. Die beruhigende Präsenz seines blauäugigen Wächters schloß sich bereits um ihn und lockte ihn in die Dunkelheit, obwohl er noch nicht schlief. Das war noch nie passiert. Nun, er hatte nichts dagegen. Julian lächelte und das letzte, was er wahrnahm, bevor er einschlief, war Garak (Garak...das einzige, was im Augenblick Sinn machte!), der ihn ansah...mit dem seltsamsten Ausdruck in seinen Augen.
Seine Augen...
Und dann war nur noch Dunkelheit.

************

Als das scharfe Ende des Werkzeugs/Messers - nicht mehr als ein Stück Schrottmetall - in seine Haut drang, zuckte er nicht einmal mit der Wimper und hielt seine Hand hoch, damit die anderen sehen konnten, wie die scharlachroten Tropfen aus dem Einschnitt quollen und am Finger entlang abwärts liefen, wo sie sich dann in das Netz feiner Handlinien verzweigten.
Solch ein dummes Ritual, dieser Bluttest, aber es war wirklich die schnellste und verläßlichste Methode, um festzustellen, daß keiner von ihnen ein Formwandler war. Er schloß seine Faust so fest er konnte um das Blut und war fast dankbar, es zu sehen und den Schmerz zu spüren; es erleichterte ihm zu glauben, daß dies kein Traum war, sondern die Realität, und daß *er* selbst auch echt war. Er wischte die Hand und das improvisierte Werkzeug am Bein seiner Uniformhose ab und bemerkte nebenbei, "B-Negativ...falls Sie sich wundern."
Ein Teil der Anspannung wich aus den Männern, die sich um ihn scharten, und Martok ließ seinen angehaltenen Atem erleichtert entweichen. "Nun, es scheint als ob wir alle die sind, die wir vorgeben zu sein."
"Wenn man dem Bluttest vertrauen kann", warf Worf düster ein.
_Worf, immer zweifelnd, immer direkt, und er macht sich niemals falsche Hoffnungen, wenn die Chancen wirklich gegen ihn stehen._ Julian ertappte sich bei einem flüchtigen Lächeln angesichts des ungeschminkten Pessimismus des Klingonen; er hatte ihn irgendwie vermißt und antwortete daher, "Es ist alles, was wir haben." Keine modernen Scanner, kein hochentwickeltes medizinisches Gerät, kein Labor. Nie wieder würde er sich über den Platzmangel im Lazarett der "DEFIANT" beschweren - eine kleine Krankenstation war besser als keine.
Wenn sie je zurückkamen!
Garak meldete sich zu Wort, "Was ist mit den anderen? Wurden sie auch getestet?"
Dieses Mal war Julians Lächeln schon etwas breiter und sandte leichte Wärmewellen in sein Herz; jedoch waren sie zu schwach, um dort irgendeinen Effekt zu haben. _Und Garak übertrumpft Worf ohne große Anstrengung, einfach nur indem er seine alltägliche Paranoia demonstriert._ An die er sich so gewöhnt hatte. Die Geschichten des Schneiders, die vermeintlichen Verschwörungen, die er im Detail aufdeckte und Julians Interesse für das Thema weckte...nur damit der Arzt hinterher feststellen durfte, daß es wieder eine weitere Lektion gewesen war, eine weitere Lüge mit einem Körnchen Wahrheit darin.
Aber es waren diese kleinen Krümelchen Wahrheit, diese Einblicke in Garaks sehr individuellen Kodex von Ehrlichkeit, Moral, Ethik und Integrität, die Julian diese Geschichten lieben ließen und ihn dazu bewegten, sich Woche um Woche erneut für eine verbale Fechtrunde in den Ring zu begeben. Er sah den Cardassianer ernst an, registrierte die Aufregung und merkte sachlich an, "Alle außer dem Breen. Kein Blut."
Sie hatten sogar Enabran Tain getestet, obwohl jeder Formwandler, der sich im Moment als Tain ausgab, einen Preis für diese außerordentliche Leistung verdient hätte. Das Gesicht des alten Cardassianers war kalkweiß und verquollen und wies purpurne Flecken um Augen und Nase auf. _Geplatzte Kapillargefäße. Jede Menge subkutane Blutungen._ Das getrocknete Blut an Kinn und Ohren ließ ebenso auf Blutungen in Atemwegen und Gehirn schließen.
Er wußte, daß er nichts mehr für Tain tun konnte und verfluchte im Stillen den ehemaligen Geheimdienstleiter dafür, daß er nicht auf seinen Rat gehört hatte; dies war die Quittung. _Aber er hat es geschafft, seine Arbeit zu beenden, oder? Er hat Worf und Garak hergebracht._ Verloren in der Unmenge Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, kam es wie ein Schock, als Garak ihn ansprach, "Wann hat man Sie hergebracht?"
Zweifel wurden für den Moment beiseite geräumt und in der Stimme des Schneiders überwog nun die Besorgnis. Julian begegnete dem Blick seines Freundes und erzählte seine Geschichte, Martok ebenfalls.
"Ich kann mir nur vorstellen", wunderte sich Julian, als der Klingone geendet hatte, "was mein Ersatz auf der Station so treibt." Was für Schaden hatte jenes Wesen bereits all dem angetan, das Julian lieb und teuer war und was würde noch geschehen? Zweifellos spielte es seine Rolle mit studierter Perfektion und tat all die Dinge, von denen er in den vergangenen Wochen in der Hölle nur hatte träumen können. Scherzte mit *seinen* Freunden, behandelte *seine* Patienten, lebte *sein* Leben... Er fühlte Garaks Augen auf sich ruhen und wußte, daß selbst der cardassianische Schneider, sein Freund, bei keinem ihrer gemeinsamen Mittagessen einen Verdacht geschöpft hatte, was die wahre Identität des Arztes anging. Und er konnte sehen, daß ein Teil von Garak sich verraten fühlte und die blauen Augen des Cardassianers mit erstauntem Argwohn sowie unendlicher Besorgnis füllte.
_Sorge? Um mich?_ Vermutlich nur um Tain, seinen alten Freund und Mentor.
_Ich habe diesen Blick schon mal gesehen...öfters..._ Sie fühlte sich gut an, Garaks Sorge um ihn. Er trat näher an den Cardassianer heran und rang sich ein Lächeln ab bei der Frage, "Lust auf einen Spaziergang, Garak? Ich kann Ihnen die Gegend zeigen..." Er wollte hier raus, wollte das alles hier hinter sich lassen. Worf, Martok, sie alle...
Alle außer Elim Garak. _Warum? Du bist gerade aus der Hölle zurückgekommen, einem Ort, wo du dich nach der Gesellschaft deiner Kameraden gesehnt hast, und nun ist ausgerechnet Garak die einzige Person, die du um dich haben willst._ Die anderen...mit ihnen fühlte er nicht die gleiche Sicherheit, die ihm Garaks Gegenwart vermittelte. Der Klang seiner Stimme, wenn er mit ihm redete und versicherte, daß ihm nichts zustoßen würde, während er schlief und ihn voller Wertschätzung ansah...fast sogar mit echtem Interesse... Wie er die Zelle hinter dem Cardassianer verließ, fühlte er den Schauer, der über seinen Rücken jagte. (_Nutzlos...minderwertig...so zerbrechlich...kaum begehrenswert..._) Er war gefangen, konnte nicht vor den Händen davonrennen, die über seine Haut glitten, vor der Stimme, welche die Kälte noch kälter machte und die Lichter noch heller. Sein Magen wehrte sich vehement bei der Erinnerung und er kniff die Augen zusammen, ärgerlich murmelnd, "Laß mich in Ruhe, verdammt, du Bastard! Es ist vorbei!"
Eine Hand berührte seinen Arm; der Effekt war der gleiche wie ein Peitschenhieb. Sein ganzer Körper versteifte sich, wurde kalt.
(_"Dennoch...ich muß zugeben, ich bin...neugierig."_)
"Doktor? Haben Sie etwas gesagt? Geht es Ihnen gut?"
_Ich rezitiere nur mein endloses Mantra._ "Nein...nein, Garak", log er, "nichts. Mir geht es gut. Kommen Sie, ich stelle Sie unseren romulanischen Mithäftlingen vor."

Sie schlenderten durch den Gemeinschaftsbereich und machten einmal Halt, um Garak mit Rilana und Rolak bekanntzumachen, doch Worte wurden nur wenige gewechselt. Ohne es zu beabsichtigen, hielt sich Julian die ganze Zeit über dicht an Garaks Seite und seine einzige Frage war, "Und Sie haben nie vermutet, daß es nicht wirklich ich war?"
"Nein, nicht ein einziges Mal", antwortete Garak wahrheitsgemäß und seine Stimme stockte; er vermied es, Bashir anzusehen, sondern verlängerte seine Schritte, damit der Arzt von diesem Thema abließ, nur um mitzuhalten. Danach war Julian sehr still und nachdenklich und überließ Garak das Reden, begnügte sich mit der Zuhörerrolle. So erfuhr er von den Taten des Formwandlers als Dr. Julian Bashir - wie er Sisko bei den fast tödlichen Nachwirkungen der pagh'tem'far half, den Visionen, die es dem Captain erlaubt hatten, B'hala zu finden, das bajoranische Äquivalent von Atlantis, und wie er Kiras Baby zur Welt brachte -, bekam ein Update über Ziyal und abschließend des Schneiders bittere Feststellung, "Ich kann nicht glauben, wie blind ich war..."
Julian wandte sich ihm mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue zu. "Wie bitte?"
"Nichts, Doktor, ich habe nur laut gedacht."
"Gefährlich."
Garak neigte zustimmend den Kopf und deutete ein wehmütiges Lächeln an. "Durchaus."

Sie gingen weiter und das Thema ihrer Unterhaltung wechselte zu Tain, was Garak zu der Bemerkung veranlaßte, daß er nicht kommen, sondern den Mann, Monster der er war, hätte sterben lassen sollen, allein und in Vergessenheit.
Jetzt wo ihm die Gesellschaft dieses speziellen Freundes gestattet worden war, wollte sich Julian nicht vorstellen, wie er sich gefühlt hätte, wenn es nicht so gekommen wäre. Er unterdrückte das schmerzende Angstschaudern, das sich bei dem bloßen Gedanken in ihn hineinnagte, durch diese Gänge zu laufen, ohne Garak an seiner Seite zu haben.
_Es ist, als ob nur er allein mich im Hier und Jetzt hält...und an die Zukunft denken läßt, so wenig sie mich interessiert. Dafür bin ich dankbar, obwohl meine Zukunft tot ist...tot *gewesen* ist, seit dem Moment, in dem sie mich fortbrachten und zu dem Nichts machten, das ich jetzt bin. Ich bin nicht mehr der Mann, an den du dich erinnerst, Elim Garak, dies ist nicht der Julian Bashir, den du kanntest, der Mann, der auf eine irrationale Art stolz darauf war, dich seinen Freund nennen zu können...den engsten Freund, den er wirklich hatte. Das ist vorbei. Wenn du wüßtest...wenn du sehen könntest, was sie mit mir gemacht haben...würdest du dich ekeln._
Bei seinem Seufzen wandte sich Garaks Kopf in seine Richtung und der Schneider hob fragend einen Brauenhöcker. _Dennoch ist es gut, daß du da bist, wenngleich ich bezweifele, daß es von irgendwelchem Nutzen ist. Und warum sollte es auch? Ich bin es nicht wert, gerettet zu werden, das haben *sie* bewiesen!_ Mit einem kleinen Lächeln antwortete er auf Garaks Bemerkung von vorhin und verlieh dem einfachsten seiner Gefühle Ausdruck, ganz neutrale Ehrlichkeit, "Um die Wahrheit zu sagen bin ich froh, daß Sie da sind. Geteiltes Leid ist halbes Leid."
Garak warf ihm einen merkwürdigen Blick zu und fuhr mit seiner Tirade fort, "Mein ganzes Leben lang habe ich nichts anderes getan als versucht, es diesem Mann recht zu machen. Ich habe mich von ihm formen lassen..." Der Cardassianer machte eine kurze Pause in seiner Aufregung und bemühte sich um Worte. "Ich habe zugelassen, daß er aus mir ein Spiegelbild seiner selbst macht - und wie dankt er es mir?" In seiner Stimme lag soviel Schmerz und Bitterkeit, daß der Sarkasmus nicht einmal die Hälfte davon verbergen konnte.
Oh ja...Julian hatte auf dem Gebiet auch so seine schmerzlichen Erfahrungen gemacht. Er konnte Garaks Wut auf Tain nur zu gut verstehen, den Kampf zwischen Haß und Loyalität, Wut verbunden mit Liebe.
"Mit Exil. Doch ich habe ihm vergeben. Und jetzt am Ende dachte ich, daß er vielleicht - nur *vielleicht* - auch *mir* vergeben könnte..."
Julian konnte seinen Blick nicht vom Gesicht des Cardassianers losreißen, fasziniert, völlig eingenommen als ob er ihn zum allerersten Mal sehen würde. Und er nahm mit allen Sinnen wahr, wie sich dieses Gesicht in ständiger Veränderung befand, überzogen von kleinen Lichtreflexen und Schatten, und sich in den klaren blauen Augen unzählige Gefühle regten, die dort noch nie sichtbar gewesen waren. Jetzt sah er sie. Warum jetzt? Er konnte alles beobachten...aber vielleicht waren es bloß nur Schattenspiele, die schlechte Beleuchtung, die Garaks viele Grautöne nach außen kehrte.
Und das einzige, was nach weniger als eine Minute des Schweigens übrigblieb, war die Niederlage.
Es war deutlich, daß Garak wußte, wie krank Enabran Tain war und daß der Tod schon wartete, das Leben des alten Mannes zu fordern. Ihrer aller Leben, sofern kein Wunder geschah.
Auf eine Art, die Julian nicht beschreiben konnte, teilte er Garaks Schmerz, litt mit ihm; es war nur ein flüchtiger Blick in die Seele des anderen gewesen, kurz bevor der Blickkontakt abbrach, und was er dort gesehen hatte...
_Dein wahres Ich, Elim Garak?_
Der Schneider hatte seine Gründe gehabt, Tain retten zu wollen - ob nun mit Hintergedanken oder einfach nur für einen guten Zweck - obwohl alles gegen einen Erfolg sprach und er mit Sicherheit wußte, daß er in eine Falle tappte.
_Weshalb solltest du alles riskieren, nur um diesen alten Mann zu retten, der dir soviel Leid zugefügt hat? Du hoffst, daß er dir vergeben wird...für was auch immer, ich weiß es nicht, aber..._ "Nach dem zu urteilen, was ich den vergangenen Monat von ihm gesehen und gehört habe, wirkt er auf mich nicht wie jemand, der leicht verzeiht."
"Hah", reagierte Garak scharf, seine Verzweifelung allein gegen sich selbst gerichtet. "Ich war ein Narr! Lassen Sie sich das eine Lehre sein, Doktor, vielleicht die wertvollste Lektion, die ich Ihnen je beibringen kann: Gefühle sind die allergrößte Schwäche."

(_"Glauben Sie bitte nicht, daß uns Ihre geheimen...mildtätigen...Hausbesuche nicht aufgefallen sind."_)
_Zu spät, mein Freund, diesmal kam sie zu spät..._
(_Ein Nichts! Zu zerbrechlich...schwach...nutzlos..._)
_Schon erlebt, schon gelernt._

Unsicher, ob seine Stimme wirklich so erstickt klang, wie sie sich für seine Ohren anhörte, grub Julian die Fingernägel in seine Handflächen und konzentrierte sich, als er tonlos erwiderte, "Wenn das stimmt, dann ist es eine Lektion, die ich lieber nicht lernen möchte."
Und er hatte sie nur zu gut gelernt, jeder Schritt erinnerte ihn daran und die ekeligsten Details zuckten wie unregelmäßige Blitze durch seine Gedanken (Deyos' kalte Hände, sein Geruch...), sobald seine forcierte Aufmerksamkeit auch nur geringfügig von dem unmittelbaren Moment und von Garak abließ.
Letzterer war wie versteinert, denn kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, wurde ihm offenbar bewußt, welchen Auswirkung sie auf Bashir haben mußten, und er wünschte, er könnte sie zurücknehmen. So sah er sie ihr Ziel finden und einsickern, sah wie das Gesicht des Arztes jeglichen Ausdruck verlor, als er sich anstrengte, die erdrückende Sturzflut von Erinnerungen an Schmerzen und das pure Böse einzudämmen.
Den Mund für eine Entschuldigung geöffnet hatte Garak keine Gelegenheit, diese vorzubringen, denn in dem Moment ging die nächstgelegene Tür auf und General Martok erschien. Sofort steuerte er auf sie zu.
Seinem Gesichtsausdruck nach gab es Schwierigkeiten.
_Es ist Tain!_

Die ernsten Worte des Klingonen bestätigten die Vermutung. "Ich dachte mir, daß Sie es wissen sollten...wenn Sie mit Tain sprechen wollen, dann besser gleich, bevor es zu spät ist."
Julian gab vor nicht zu bemerken, wie Garaks Gesicht gänzlich ausdruckslos wurde und die Maske wieder an Ort und Stelle fiel, damit niemand die Gefühle sehen konnte, die an der schon zu angegriffenen cardassianischen Seele rissen, sondern hielt den Blick starr auf den Klingonen gerichtet. Der alarmierte Blick in seine Richtung (Hatte er etwas gemerkt? Sein menschlicher Freund hatte doch nichts gesehen, oder? Flüchtige Jagd nach Reaktionen...Hinweisen...) hatte Garak verraten.
Martok trat beiseite und blieb in der Nähe der allgegenwärtigen Jem'Hadar-Wache stehen, als Garak an ihm vorbeistürmte, Julian nur einen Schritt dahinter.
_Ich muß bei ihm sein...alles, was er tun kann, ist mich rauswerfen, aber ich *weiß*, daß ich hier sein muß..._ Aus welchem Grund auch immer. Er mußte es einfach tun. Und da nichts darauf hinwies, daß Garak sich seiner Gegenwart bewußt war, wunderte er sich, daß er ihn entweder nicht wahrnahm oder zumindest nicht protestierte, als er auf einem Bett auf der anderen Raumseite Platz nahm.
Mit sichtlichem Unbehagen ließ sich Garak auf dem Metallrand der schmalen Pritsche nieder, seine Bewegungen sehr langsam als trüge er eine schwere Last...und das tat er wohl auch, wer konnte das schon mit Sicherheit sagen? Tain lag im Sterben und alles, was zwischen ihnen noch ungeklärt war, gut wie böse, würde es auf ewig bleiben.
_Wir leben mit demselben Bedauern, Garak, leiden unter ähnlichen Wunden in unserem Stolz und einfachen Selbstwertgefühl... Wir haben über soviel geredet - warum nie darüber? Warum haben wir unsere Zeit mit Nichtigkeiten vergeudet, während es doch offenbar Dinge von viel größerer Bedeutung gab? Stattdessen haben wir beide Masken getragen und keiner hat die des anderen als Spiegel der eigenen erkannt... Oh, Garak..._ Warum hatten sie so lange gebraucht? Warum hatte er erst durch die Hölle gehen müssen, damit sich ihm die Augen öffneten und er es *sah*...?
Er zog die Knie an und lehnte sich gegen die Wand, seine ganze Aufmerksamkeit auf Garak gerichtet.
Der Schneider tat sein Bestes, die äußerst private Natur dieses inneren Konflikts - bedingungslose Liebe gegen haßerfüllte Qual, ein Kampf, der ihn von innen nach außen zersplittern ließ - nicht zu zeigen, doch seine Augen waren eine Ausnahme.
Tain sprach zuerst. "Elim? Bist du es?" Seine Stimme war brüchig und alt, weit von der ehemaligen Stimme kalter Macht und Autorität entfernt, der allerersten Sache, die Garak in seinem Leben fürchten gelernt hatte.
Garak erinnerte sich gut und beeilte sich zu antworten. "Ja, ich bin es", kam es automatisch.
"Alles ist dunkel", flüsterte Tain. "Ich kann dich nicht sehen."
_Endstadium,_ lieferte eine kleine Stimme in Julians Kopf ungefragt die Erklärung. _Verlust der Sehfähigkeit...gefolgt von Empfindungsverlust in den Extremitäten und im gesamten Körper...vom Herzen abwärts...Herzmuskel wird als nächstes versagen...wir werden nicht erst warten müssen, bis er aufhört zu atmen..._
"Bist du allein?" hörte er den alten Mann fragen...und wunderte sich, was Garak antworten würde. Würde er...?
Da war ein Moment des Zögerns, in dem die Zeit stillstand. Garak wandte sich nach links und sah ihn an. Sah ihn *wirklich* an. In den hellen blauen Augen stand soviel Traurigkeit, Dutzende Fragen, die gleichzeitig gestellt wurden, und Julians Gedanken rasten im Zickzack ziellos durch das tiefe Blau wie ein Gummiball, suchten nach Halt, als er verstand, was für einen einfachen Wunsch Garak äußerte. So einfach...und doch so besonders. Den Wunsch, sich für einen Moment nicht mehr verstellen zu müssen, die Fassade von Stärke und distanzierter Unverwundbarkeit fallenlassen zu können und einfach nur...er selbst zu sein. Er bat um Erlaubnis, doch in Wirklichkeit nahm er Julian ins Vertrauen. Bat um die Verschwiegenheit seines Freundes.
Julian glaubte, niemals eine andere Person besser gekannt zu haben als Elim Garak in diesem einen Augenblick, dieser Sekunde Blickkontakt.
Seelenkontakt.
Wunderschöne blaue Augen voller Sorge und Liebe.
Nicht für Tain, nein, diese Gefühle hatten nicht die disharmonische, kalte Nuance, die Enabran Tain als den Empfänger abstempelten. Sie waren voller Leben und Wärme...und Julian kannte diese Wärme, war bestens mit ihr vertraut. Diese Erkenntnis ließ ihn erstarren und in der Stille zwischen zwei Herzschlägen gab er seine Zustimmung. _Es macht nichts. Ich werde nichts sagen. Laß los, mein Freund._
"Ja", sagte Garak und hielt Julians Blick, "es ist niemand hier außer dir und mir."
Es war...nein, das *konnte* nicht sein!!! _Das...das ist unmöglich! Er...?_ Warum zur Hölle dachte er bloß, daß...?
Tain nahm einen rasselnden Atemzug. "Surjek, Memet, Brun - man kann ihnen nicht vertrauen. Du mußt dich um sie kümmern."
Bei diesen Namen huschte eine Schatten der Erinnerung über Garaks Gesicht - ob gut oder schlecht konnte Julian nicht sagen. "Habe ich bereits getan."
Demnach also schlecht.
"Was ist mit Gul Volim? Konntest du ihn kontaktieren?"
_Geistesverwirrt..._, diagnostizierte Julians Gehirn. _Und ich bin es auch, fürchte ich!_ Doch in seinen Gedanken legten sich Garaks vertraute Gesichtszüge über Erinnerungen von Mitternacht. Träume. Gefangen in seinen Bemühungen, seinen Bezug zur unmittelbaren Gegenwart wiederzufinden, überhörte er einen Teil der Unterhaltung.
Tain griff soeben nach Garaks Ärmel und die alte Hand zitterte vor Anstrengung, als er hervorpreßte, "Elim...versprich mir eines..."
In der prompten Antwort des Schneiders lag eine deutliche Schärfe, eine angespannte Nervosität, so als erwarte er, daß etwas Schlechtes, eine bekannte und abgrundtief gehaßte Bedrohung erneut auf ihn zukäme. "Ich höre."
"Stirb' nicht hier!"
Und mit einer kleinen Grimasse riß Garak seinen Blick von Tain los, wandte den Kopf seitwärts als habe man ihn geschlagen. Die Reaktion war so unerwartet, daß Julian überrascht blinzeln mußte - und dennoch machte sie Sinn.
Sarkastisch gab der Cardassianer zurück, "Laß mich raten: damit ich das Dominion für all das büßen lassen kann, was dir angetan wurde." Diese Frage hatte vermutlich eine lange Hintergrundgeschichte, Garaks Miene und die Anspannung, die vom Körper des Schneiders Besitz ergriffen hatte, waren Beweis genug, aber Julian nahm an, daß es besser war, wenn Außenstehende nicht eingeweiht wurden.
"Du würdest doch einem alten Mann seine Rache nicht verweigern, oder?" fragte Tain und der verborgene Spott ließ Julian vor Abscheu zittern. _Du verdienst es nicht, daß jemand - irgendjemand - sein Leben für dich gibt, du Bastard!_ Garak wirkte ähnlich angewidert, doch er war Jahrzehnte lang Tains Gift ausgesetzt gewesen und hatte eine bessere Immunität entwickelt; Julian litt mit seinem Freund. (_Du weißt, daß ich dich nicht sterben lassen werde, oder? Ich werde kommen, Julian..._ Dämonen tanzten und die sanfte, körperlose Stimme hielt sie von ihm fern.) und ihn überkam das plötzliche Verlangen zu...
(_Ich bin bei dir, Julian. Vielleicht nicht in deinem Kopf, aber in deinem Herzen. Ich bin schon lange dort gewesen...so wie du in meinem..._)
Er schüttelte den Kopf, atmete schwer aus und rieb sich die Augen. _Was...?_
"Ich werde tun, worum du mich bittest", sagte Garak nachgiebig, "unter einer Bedingung. Daß du mich nicht um diesen Gefallen bittest als ein Mentor oder als ein vorgesetzter Offizier", seine Stimme wurde hart, "sondern als Vater, der seinen Sohn bittet."
"Du bist nicht mein Sohn!"
"Vater..." Garak lehnte sich näher heran, sein Ton dringlich, fast bettelnd, "Vater, du liegst im Sterben! Sag' einmal in deinem Leben die Wahrheit!"
Fasziniert löste sich Julian von der Wand und setzte sich auf. _Sein Sohn..._ Soviele Dinge ergaben nun einen Sinn...und andere schienen umso grausamer. Wie Garaks Exil. Alles, was er hatte erdulden müssen...alles war von seinem Mentor eingefädelt und überwacht worden...von, Allah hilf, seinem *Vater*! Wie konnte ein Vater seinem eigenen Fleisch und Blut so etwas antun? Und hieß es nicht, daß Cardassianer die Familie über alles in Ehren hielten?
_Ich frage mich, was wir sonst noch gemeinsam haben, Garak...nur noch mehr Schmerzen? Oder hast du auch Freude in deinem Leben gekannt? Liebe?_ Er schnitt diesen Gedanken ab, denn er kannte den Dämon, der ihm wie ein Schatten folgte. (_FASS' MICH NICHT AN! HÖR' AUF! LASS' ES - _)
Die unvermeidliche Übelkeit packte ihn und Tains Antwort, schwach aber voller Gift, betonte den Schauer, der seinen Rücken hinunterrieselte.
"Ich hätte deine Mutter töten sollen, bevor du geboren wurdest. Du warst immer eine Schwäche, die ich mir nicht leisten konnte."
Mit einem Seufzer schloß Garak die Augen und öffnete sie erst wieder für einen verzweifelten Blick an die Decke. Entweder konnte er den Anblick seines Vaters nicht ertragen, des Mannes, den er mit solch grimmiger Loyalität geliebt hatte und der ihn auf seinem Totenbett noch immer verleugnete, oder er wollte nicht, daß die blinden Augen sahen, wie er auf diese haßerfüllten Worte reagierte. Oder beides. "Das ", bemerkte er mit hörbarer Traurigkeit, " sagtest du mir schon oft. Hör' mir zu, Enabran! Meine einzige Bitte ist...daß du mich dein Sohn sein läßt...nur für diesen einen Augenblick..." Die Stimme war nicht länger Garaks. Zumindest nicht Garaks heutige Stimme - dies war die Bitte eines kleinen Jungen um Anerkennung...ein liebevolles Wort des Vaters, den er immer verehrt hatte, trotz der derben Behandlung, die er im Gegenzug erhielt.
Erst dachte Julian, Tain sei bereits gestorben, denn das Schweigen dehnte sich, aber Garak blickte den alten Mann weiterhin erwartungsvoll an, er konnte also noch nicht tot sein. Und dann kam es. "Elim...erinnerst du dich an den einen Tag...auf dem Land? Du mußt so fast fünf gewesen sein..."
Ein kleines Lachen, ein wehmütiges Lächeln. "Wie könnte ich das vergessen?" fragte Garak leise und sogar mit einiger Wärme. "Es war der einzige Tag..."
Julians Herz brach für seinen Freund. _Augenblicke...mehr hatten wir nicht...einige freundliche Fragmente..._ Und plötzlich waren diese Minuten von Tains Tod umso bedeutsamer für ihn, weil Garak sie mit ihm teilte, zuließ, daß er diesem Finale einer verkorksten Beziehung beiwohnte. Daß *er* derjenige sein durfte, der die Hoffnungslosigkeit sah und hörte, mit der Garak um einen seltenen Moment väterlicher Bestätigung bettelte. _Das muß ihm so viel bedeuten...und er läßt mich bleiben und zuhören...ihn sehen, wenn er am verwundbarsten ist... Vertraut er mir so sehr? Ja, ich glaube, das tut er..._
"Ich kann noch sehen...auf dem Rücken von diesem Reithund. Du bist bestimmt...ein dutzend Mal runtergefallen." Sprechen war zusehend schwerer für Tain; er konnte die Worte kaum herausbekommen. Es gab nichts, was ein Arzt noch für ihn tun könnte. "Aber du hast nie aufgegeben..."
Garaks Lippen zitterten, als er zu antworten versuchte, brachte es aber nicht fertig, die Erinnerung war zu überwältigend. Er konzentrierte seinen Blick mit solcher Intensität auf Tain, daß er den Beginn eines Kopfschmerzes fühlte. Allein so konnte er vermeiden, daß seine Augen zur Seite wanderten und Julian Bashir miteinschlossen. "Ich...", begann er endlich, "erinnere mich, wie ich nach Hause gehumpelt bin. Du hast meine Hand gehalten."
Julian schluckte. _Augenblicke..._
"Ich war...an jenem Tag sehr stolz auf dich..."
Der Ausdruck auf Garaks Gesicht, als die Augen seines Vaters sich schlossen, ließ sich nicht mit Worten beschreiben. Schockierte Faszination...Hilflosigkeit...den Tränen nahe...und dann riß der Cardassianer seinen Blick von Tain los, völlig abrupt, ein Versuch, die Gefühle zu verleugnen, die er ausdrücken wollte aber nicht länger konnte. Er drehte sich fast weit genug - hob seinen Blick fast genug - um Bashir anzusehen und brach die Bewegung dann auf halbem Weg ab, zögerte. Unschlüssig.
Langsam willte der Schneider seine Augen zurück zu Tain, dessen altes Gesicht keine Spur von Frieden und Vergebung zeigte, nicht einmal im Tod.
All dies geschah in einer schnellen und subtilen Bewegung, doch für Julian war sie mehr als offensichtlich. Besorgt und mit dem Vorsatz, Garak sein Mitgefühl auszusprechen, fragte er so leise und unaufdringlich wie möglich, "Garak?"
Garak antwortete nicht. Betont langsam kam er auf die Füße und zog nach einem letzten nachdenklichen Blick mit bemerkenswert ruhigen Händen das Laken über Tains Gesicht. Da war immer noch dieser ausdruckslose, leere Glanz in seinen Augen, dieser Unglauben, daß dies wirklich passiert war, daß sein Vater wirklich tot war. Steif trat er von dem Bett zurück.
_Enabran Tain... «Nichts in seinem Leben war besser als wie er es verließ; er starb als der, wie er in seinem Tod gesehen wurde, der seinen teuersten Besitz fortwarf wie eine bedeutungslose Nichtigkeit.»_
Die gesamte Szene hatte durchaus etwas von Macbeth. Jetzt wo er Tain kennengelernt hatte, verstand Julian Garaks Abneigung gegen Shakespeare.
Gerade wollte er aufstehen und nach Garaks Arm greifen, ihm zeigen, daß er verstand und mit ihm trauerte, als Martok und Worf just diesen Moment für ihre Rückkehr wählten.
Noch einmal kreuzte sein Blick den des Cardassianers, nur kurz, und er sah Dankbarkeit und Bedauern. Dankbarkeit für seine bloße Gegenwart...ebenso dankbar, wie er für Garaks war. Bedauern, weil die Klingonen diesen Moment so abrupt zerstörten, die Atmosphäre verfliegen ließen...ohne ihnen die Chance zum Reden zu geben...oder Julian mehr als einen flüchtigen Gedanken daran zu gewähren, Garak zu umarmen. Ihm Trost zu spenden.
Sich selbst als Empfänger von Trost vorzustellen war ein ganz anderes Thema. Unvorstellbar.
Der Gedanke an längeren körperlichen Kontakt, ganz egal welcher Art und durch wen.... Es bedurfte keines anderen Auslösers, um die Falltür in seinem Kopf zu öffnen und die Lichter wieder aufleuchten zu lassen. Die Kälte näherte sich, umkreiste ihn wie eine Löwin auf der Jagd - und wie bei Löwen üblich, waren die Hyänen auch nicht weit... Er biß die Zähne zusammen und zog sich emotional und körperlich in sich zurück, als er seinen Blick auf den Boden richtete. Schwer sackte er gegen die Wand und schaffte es, den ätzenden Klumpen Übelkeit in seinem Hals hinunterzuschlucken und den Klingonen zuzunicken, die nun herüberkamen. Nein, er würde Garak nicht damit belasten. Auch wenn er vorgab, von Tains Tod nicht sonderlich bedrückt zu sein, sein Freund würde Zeit brauchen, auf seine eigene Art damit umzugehen, und Julian war schließlich kein Kind mehr. Er *konnte* nicht darüber reden...er bezweifelte, daß er je dazu in der Lage sein würde!
Hinter Julians Schläfen begann ein furchtbarer Schmerz zu pochen und er fühlte den störenden Nerv nahe seinem Mund zucken...schneller...Schwindel brach über ihn herein wie ein Brecher an einer Klippe. Er schloß die Augen, hilflos im Griff der kommenden Attacke -

"Gentlemen", wandte sich Garak an Worf und Martok und seine Stimme klang sehr gefaßt durch das Rauschen in Julians Ohren, selbstsicher und entschlossen. "Ich kann nicht für Sie sprechen, aber ich habe hier nichts mehr zu erledigen."
Falls die Klingonen auch nur eine Spur von etwas hegten, das an Mitgefühl für Garaks Verlust herankam, ließen sie es sich nicht anmerken. Worf schaffte nur ein kurzes Nicken der Zustimmung zu Garaks Bemerkung und grollte, "Dann schlage ich vor, daß wir einen Weg hier heraus finden."
Am ganzen Körper zitternd schlang Julian die Arme um die Knie und fand seine Hände kalt wie Eis. Das Zittern wurde stärker... Ein Weg hier raus... _Es gibt keinen Weg hier raus! Sie sollten wissen, daß es vor dem Licht kein Entkommen gibt..._ Von allen Seiten kam es auf ihn zu, er konnte es sehen - konnten sie es nicht sehen? Er blinzelte in die Helligkeit hinein und konnte kaum die Umrisse der Leute ausmachen, die vor ihm standen. Oh, er wußte, daß sie da waren. Durch den Tränenschleier waren sie fast unsichtbar. Und Geräusche hörte er auch keine, obwohl sie *redeten*... Alles war so still. Warum liefen sie nicht weg, warum *versuchten* sie nicht einmal, sich zu verstecken? Sie würden noch früh genug herausfinden, wie sinnlos das war...die Kälte würde sie ebenso paralysieren wie ihn.
Einfrieren.
Sogar seine Schreie wurden zu einem frostigen Schweigen gedämpft, in seinem Bewußtsein gestoppt, bevor sie sich zu einem Laut wandeln konnten. Das Eis umschloß ihn, hielt ihn gefangen und er war immer noch zu müde, zu schwach (_Nutzlos. Schwach. Minderwertig!_), um irgendwelchen Widerstand zu leisten.
"Julian!" Noch ein Ruf, den er nicht mehr hörte.
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