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Eyes without a face

von Jimaine

Kapitel 3

Das Fegefeuer der Hölle - keine lodernden Flammen, Lava und schwefeligen Dämpfe, sondern ein stiller, tiefer See aus flüssigem Stickstoff, in dem die Seele ganz langsam versank, ihrem Tod entgegen. Und jede Leidenssekunde wurde von dieser unerträglichen Helligkeit überflutet....
Aber plötzlich schwächte sich das Licht...die Kälte ließ ebenfalls nach... Das Licht war immer noch da, doch etwas blockte es. Ein Schatten...zwischen ihm und dem Licht, der ihm die Chance gab, an dem blendenden Weiß vorbei zu schleichen und in die schützende Dunkelheit einzutauchen.

"Julian?" Wärme tropfte auf seine Lippen...einige Tropfen Flüssigkeit. Wasser. Aus einem Reflex heraus öffnete er den Mund und trank, was man ihm gab. Dann erst öffnete er auch seine Augen. Sein Sehvermögen kam nicht sofort wieder, zuerst kamen Geräusche und andere Gefühle. Jeder Zentimeter seines Körpers schmerzte, seine Muskeln taten weh als hätte er einen Dekathlon hinter sich - er hatte den Schmerz bislang nie so detailliert wahrgenommen, hatte ihn ignoriert, aber sein Körper ließ ihn nicht vergessen, was vor kurzem mit ihm geschehen war.
Und hier lag er auf seinem unbequemen Bett, unter allen verfügbaren Decken, wie es schien, und Commander Worf hielt seinen Kopf hoch, während jemand anderes eine Tasse Wasser an seine Lippen drückte und ihn zum Schlucken drängte...noch ein kleines bißchen...er konnte nicht sehen, wer es war, nur eine verschwommene Silhouette...
_Du bist mein Schatten, der das Licht von mir fernhält..._
"Sehr gut, Doktor", sagte die Stimme zu ihm, "lassen Sie die Augen geschlossen und entspannen Sie sich. Versuchen Sie noch nicht, sich zu bewegen..." Abermals preßte der Metallrand der Tasse an seine Unterlippe und er nippte gehorsam die kühle Flüssigkeit. Die stützende Hand ließ seinen Kopf zurücksinken und er seufzte erleichtert, als das Pochen in seinen Schläfen nachließ. "Trinken Sie."
Er wollte nicht, aber er schluckte das Wasser, das durch seine offenen Lippen tropfte. Jemand nahm seine Hand und drückte sie behutsam, beruhigend, und ließ nicht los. Mehr Wasser rann in seinen Mund und er schluckte mehrmals; schließlich gelang ihm die Frage, "Was...ist passiert?"
"Sie hatten...eine Art Anfall, Doktor", informierte ihn Martok mit sichtlicher Besorgnis.
"Und dann", fügte eine weitere Stimme hinzu, "wurden Sie ohnmächtig. Sie waren für die letzten dreißig Minuten bewußtlos."
"Garak?" krächzte er. "Sind Sie das?"
"In der Tat", bestätigte der Cardassianer. "Nun ruhen Sie sich aus. Nachher bleibt uns noch genug Zeit zum Reden."
"Nein", protestierte Julian energisch und setzte sich auf. "Ich muß..."
"Doktor, Sie können nicht. Sie sind noch viel zu schwach..."
"MIR GEHT ES GUT!" Fast gewaltsam schlug er die Hände beiseite und stand auf, begab sich außerhalb ihrer Reichweite. Er selbst war von seinem plötzlichen Ausbruch überrascht, von der Wut, die ihn plötzlich erblinden ließ und mit ihrer Hitze die Kälte aus seinem Körper vertrieb. Ihm war egal, woher sie kam - ob sie ein Gegenmittel für die Angst war oder nur ein Übel durch ein anderes ersetzte - solange sie ihn für den Moment nur wärmte.
Sie sahen ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Und vielleicht war das auch so. Seiner persönlichen Diagnose den Patienten Bashir betreffend mangelte es an Objektivität. Doch er stellte sich ihrem Blick, trotzig und herausfordernd. "Mir geht es gut", wiederholte er stur und verschränkte die Arme vor der Brust, als ein Kälteschauer des Zweifels zurückkehrte. "Mir geht es sehr gut."
Sie waren nicht überzeugt. Worf und Martok hatten die typisch finstere Klingonenmiene aufgesetzt und ließen sich ruhig und ohne weitere Diskussion am Tisch nieder, und Garak....
Sein Herz setzte für einen Schlag aus. Wißbegierige blaue Augen verengten sich und der Cardassianer sah ihn mit skeptischem Schweigen an, noch für eine weitere Sekunde, dann zuckte er mit den Schultern und meinte neutral, "Wer bin ich, einer professionellen Diagnose zu widersprechen?"
Julian erinnerte sich, wie ihn der Cardassianer nach seiner Rückkehr aus der Isolationshaft behandelt hatte, das empathische Verständnis, das er von ihm wahrgenommen hatte. Erinnerte sich an Augen wie aus seinen Träumen und wie er zu dem Klang der Stimme einschlief. Er wollte diese Sicherheit wieder spüren und sich nicht länger allein wissen. Wenn jemand diese Sache mit ihm durchstehen konnte, dann Garak - niemand sonst konnte Schmerz und Angst so gut kennen wie der ehemalige "Obsidian".
Ja, er würde Garak anvertrauen, was geschehen war, aber er würde damit warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Noch nicht.

************

Worfs Plan war ein Strohhalm von einem Plan, aber besser als nichts. Nicht lange nachdem die Jem'Hadar gekommen waren, um Tains Leiche abzuholen, hatte der Klingone vorgeschlagen, daß sie den von Tain gebauten Transmitter modifizieren sollten, um damit den Runabout zu kontaktieren.
Am Eingang zu dem geheimen Zugangstunnel kniend, verdrehte Garak den Hals und warf einen skeptischen und auch teilweise beeindruckten Blick zurück auf den Klingonen. Sein zustimmendes Nicken kam etwas zögernd.
Worf machte sich vermutlich nichts daraus, daß er soeben von dem Cardassianer hochgestuft worden war - in eine Kategorie, die der betreffenden Person eine Spur originellen Denkens zugestand - sondern merkte nur an, "Wir können den Transporter aktivieren und uns direkt zum Runabout beamen."
"Und rennen was das Zeug hält", kommentierte Julian düster.
Garak runzelte die Stirn und meinte sorgenvoll, "Den Transmitter neu zu codieren wird nicht leicht sein. Wir müssen das Gerät Schaltkreis für Schaltkreis rekonfigurieren."
"Können Sie es bewerkstelligen?"
Der Cardassianer sah zu Julian auf, offenbar von der Frage überrascht. "Ich?"
Julian zuckte mit den Achseln. "Ich bin kein Ingenieur und Mr. Worf auch nicht." Und von den Romulanern war nichts Außergewöhnliches zu erwarten; keiner von ihnen war ausreichend mit cardassianischem Ingenieurswesen vertraut, um Änderungen an Tains Konstruktion vorzunehmen. "Sie jedoch, mein lieber Mr. Garak, sind ein Mann mit vielen versteckten Talenten. - Wenn Sie es nicht können, kann es niemand." _Wenn irgendjemand aus diesem von Tain umgestöpselten Drahtsalat schlau werden kann, dann du!_
Ein Schatten wie Sorge gemischt mit Zweifel huschte über Garaks Gesicht, welches mit einem Mal bleicher aussah als zuvor. Aus irgendeinem Grund schluckte er mehrmals, bevor er antwortete, "Nun, es ist sicherlich nett, gebraucht zu werden." Und er drehte sich um und starrte in die tiefe Dunkelheit hinter der Wand.

Die laute Stimme, die durch verborgene Lautsprecher in den Raum dröhnte und allen Gefangenen befahl, sich umgehend zu versammeln, ließ sie alle zusammenschrecken. Bashirs Hände zitterten, als er die Wandöffnung verschloß, die Handgriffe mittlerweile schon Routine. Was könnten sie wollen? Sollte wieder ein Gefangener exekutiert werden als eine weitere Warnung an den schrumpfenden Rest, ein weiteres Beispiel für Dominion-Effizienz und strikte Ordnung? Er hatte es gesehen und wäre nicht sonderlich überrascht.

Wie sie sich mit den anderen hinausbewegten, war Garak einen Schritt vor ihm, doch er nahm ihn kaum wahr, jeder Schritt automatisch, bis sie auf der Rückseite der kleinen Menge zum Stehen kamen, hinter den Cardassianern und Romulanern, die sich in der großen Felsenkammer versammelt hatten. Im Abseits standen einige Jem'Hadar, ihre Plasmagewehre im Anschlag und darauf vorbereitet, die Gefangenen mit allen Mitteln zu kontrollieren...aber wer hatte noch die Energie, es auf einen Kampf anzulegen, wunderte sich Julian und schloß mit einem Seufzen die Augen.
Das Geräusch blieb von Garak nicht unbemerkt und der Schneider wandte den Kopf, doch seine Frage war, "Wer ist das?", gemünzt auf die Person, die jetzt aus einem der Verbindungstunnel auf der anderen Seite des Raumes auftauchte. Flankiert von zwei massigen Jem'Hadar trat sie in das fluoreszierende weißblaue Licht.
Julians Antwort blieb aus.

(_"Nutzlos."_)
Julians Zähne waren so fest zusammengebissen, daß sie knirschten, und er befahl seinem Körper sich zu entspannen...entspannen... Er durfte hier und jetzt nicht zusammenbrechen, selbst wenn der Anblick des Vorta unerträglich war. Er durfte einfach nicht!
_Reiß dich zusammen, Jules! Kontrolle! Kontrolle!_ Seine Nägel gruben sich unmöglich tief in die Handflächen und er hielt die Arme dicht am Körper, stand steif und kerzengerade, denn er wollte sich nicht der Panik ergeben...zumindest noch nicht. Wie lange er wohl noch so weitermachen konnte?
(_"Dennoch...ich muß zugeben, ich bin...neugierig."_)

"Das ist Deyos", beantwortete Martok Garaks Frage, "der Vorta, der dieses Camp leitet."
War dies die Kreatur, die für Julians Zustand verantwortlich war? War dies das Gesicht, das seinen Freund nachts wachhielt, das Gesicht in seinen Alpträumen?

Deyos.
Synonym für Kälte. Für Angst. Für Scham.
Julian begann zu beben und krampfte die Fäuste noch stärker zusammen, richtete sich noch gerader auf. Er hatte gedacht, ihm entkommen zu sein; das war nicht der Fall. Dort stand er und ließ seinen Blick über die armselige Menge schweifen, herablassend und voller Verachtung...in den eisblauen Augen brach sich das helle Licht.
Trotzdem konnte er seinen Blick nicht von ihm losreißen. Konnte nicht -

Eine Jem'Hadar-Wache trat an General Martok heran und befahl ihm zu schweigen, eine Unterbrechung, die es Julian ermöglichte, seinen Atem wiederzufinden und seine Aufmerksamkeit Garak zuzuwenden...der ihn scheinbar schon die ganze Zeit beobachtet hatte. Wieder war da diese unausgesprochene Frage **Was ist passiert, Julian?** Er konnte die Furcht spüren, die in seinen eigenen Augen flackerte...Garak mußte sie sehen, sie war nicht zu verbergen.
Er wollte nur weglaufen, sein jeder Muskel schmerzte, so sehr strengte er sich an, es *nicht* zu tun. Rasch schlug er die Augen nieder und kommentierte leise, "Empfindlich, unsere Freunde hier, nicht wahr?"
Eine einfache Feststellung, einfache Worte, eine Schlichtheit, die dem darin ausgedrückten Horror widersprach. Mehr konnte er nicht tun. Konnte nur Andeutungen machen, Hinweise geben. Niemals eine eindeutige Aussage, keine Details. Er konnte die Wahrheit nicht verbergen, gut, aber er konnte auch nicht darüber reden.
Garak hatte keine Gelegenheit zu antworten, denn soeben hob Deyos zu sprechen an.
"Alle cardassianischen Gefangenen vortreten!"

_Nein! Nicht! Nicht ihn..._ So lautete der allererste Gedanke, der durch Julians Denken flammte. Nackte Panik...Adrenalin... Unwillkürlich trat er einen Schritt vor, etwas näher an Garak heran, gerade wo dieser sich umwandte und ihn ansah. In den blauen Augen stand soviel Erstaunen wie er Angst in den seinigen wußte. Wenn dieser Vorta-Bastard wieder eines seiner grausamen Spielchen plante...
Er würde Garak verlieren. Deyos würde ihn und die anderen Cardassianer töten lassen - diese Aufstellung konnte keinen anderen Zweck haben!
Angsterfüllt hielt er an Garaks Blick fest, konnte sich weder bewegen noch sprechen. Vor seinem inneren Auge war der Schneider bereits tot, getötet von dem Vorta...zumindest für ihn wäre dann der Spuk vorbei. Nicht so jedoch für Julian Bashir. Besser er akzeptierte jetzt schon, daß dies sein ewiges Fegefeuer sein würde.
Bedauerlich, wie schnell die hoffnungsvolle Wärme, die er bei der Ankunft seiner Freunde gefühlt hatte, mit Eis überzogen worden war!
Die Ansage betäubte ihn ebenso wie die sieben Cardassianer. Cardassia war dem Dominion beigetreten, und allen cardassianischen Gefangenen, Mitgliedern des Obsidian Order, die lang schon von ihren Familien für tot gehalten und betrauert worden waren, war es gestattet zu gehen und nach Hause zurückzukehren. Ein Cardassia, das ganz anders war als die Welt, die sie gekannt hatten. Die Organisation, die ihr Leben gewesen war, lag in Scherben, die verbliebenen Agenten waren untergetaucht und über den Quadranten verstreut. Nur noch wenige lebten auf Cardassia Prime.
So gefürchtet der Order mehr als zwei Jahrhunderte lang gewesen war, so schnell war er im Nebel der Geschichte verschwunden und zu kaum mehr als einer Legende geworden, von der noch kleine Bruchstücke auf Cardassia überlebten und sich weigerten, vergessen zu werden.
"Glückwunsch zu Ihrem neuen Status als Bürger des Dominion."
Sie waren frei. Julian bemerkte kaum, daß Garak wieder zu ihm zurücksah und zögerte, den anderen Cardassianern zu folgen. Die uniformierten Offiziere begannen, den Raum zu verlassen, in erregte Unterhaltungen vertieft. Er dagegen sah nur Deyos, wie der Vorta den Abschied seiner ehemaligen Gefangenen beobachtete; das blasse Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung, nur die Augen. Etwas wie...Enttäuschung...
Julian erschauerte, schluckte.
Und dann sah ihn der Vorta direkt an.
Und lächelte...
Erinnerte sich.
Und dann war es nicht mehr Deyos sondern Garak, den er ansah. Der Schneider war zwischen sie getreten, hatte den Kontakt unterbrochen. Diesen Augen vertraute er.
Mit einem kleinen Nicken ließ er ihn gehen, eine einzige, kleine Kopfbewegung, mit der er Garak sowohl dankte und ihn auch von jeglicher Verpflichtung befreite, die er eventuell ihm gegenüber verspüren mochte. Angesichts dieser einzigartigen Gelegenheit hatte er kein Recht, Garak zum Bleiben zu zwingen!
"Sie nicht, Mr. Garak", hielt Deyos Garak zurück und der Cardassianer stoppte abrupt. Langsam drehte er sich zu dem Vorta hin und meinte mit höflich-ungehaltenem Spott, "Ent-*schuldigen* Sie...?"
"Sie bleiben hier."
Garak stand ihm nun unmittelbar gegenüber, Auge in Auge, und schien nicht im Geringsten eingeschüchtert. Selbstsicher und auch etwas aufmüpfig merkte er an, "Offenbar liegt hier ein Mißverständnis vor. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, *war* ich Cardassianer."
Mit dem Lächeln, das so viel in Julian aufwühlte, daß er sich auf die Lippe beißen mußte, um sein gepeinigtes Stöhnen zu unterdrücken, lehnte sich Deyos Garak entgegen; jetzt bekam auch der Gleichmut des Schneiders Risse und er trat einen Schritt zurück, als der Vorta schnurrte, "Jaaa, aber leider nicht ein besonders beliebter, fürchte ich. Zumindest nicht bei dem neuen Führer der cardassianischen Regierung." Deyos' seidenweicher Tonfall ließ in Julian die Übelkeit aufsteigen, denn dadurch war er zu dem geworden, was er war - NICHTS, und wie sehr er ihn dafür haßte!
Garak legte erstaunt den Kopf zur Seite, während er die Information verarbeitete, dann aber siegte die Neugier und er fragte, "Und _wer_ wäre das, bitte?"
"Gul Dukat."
Das Gesicht des Schneiders wurde mehrere Nuancen blasser. Julian fühlte, wie sich seine Kehle vor Mitgefühl verengte...und vor Ekel ob der Art wie Deyos Garak behandelte. Allmählich wurde der Kummer in den Augen des Schneiders sichtbar, die Belastung des vergangenen Tages hinterließ ihre Spuren. Zuerst der Tod seines Vaters und jetzt das!
Julian seufzte. Ja...es war weitaus einfacher, seine eigenen Dämonen zu ignorieren und stattdessen die von jemand anderem zu bekämpfen. Es tat nicht so weh...und war leichter.

"Doktor?"
Versunken in seinen wirbelnden Gedanken studierte Julian den Boden unter seinen Füßen und bemerkte nicht, wie sich die Versammlung aufgelöste, während er durch seine eigene Welt driftete. Diese kleine, in sich abgeschlossene Welt, in der es kein Licht gab, nur schützende Dunkelheit. Obwohl es hier draußen relativ schummerig war, traf ihn das Licht mit der Schärfe eines Messers kaum daß er aufsah und die Augen öffnete...und aus einem Reflex heraus hob er die Hände, bedeckte sein Gesicht.
"Doktor?" fragte Garak abermals und berührte ihn leicht am Arm, brachte ihn in die Realität zurück.
Nun stand nur noch Garak vor ihm, zusammen mit Worf und Martok, den Romulanern und dem einen Breen. Die ganze Gruppe. Verdammt, und so wie er sich gerade verhalten hatte, würden sie nicht aufhören, ihm Fragen zu stellen! Sie würden bohren und drängen und ihm versichern, daß er ihnen seine grauenvollen Geheimnisse anvertrauen könne...daß er sie um seiner selbst willen preisgeben solle, da sie sein Leid nur vergrößerten. Er konnte ganz gut ohne ein halbes Dutzend Leute auskommen - zwei Klingonen eingeschlossen - die Psychotherapeut spielten, herzlichen Dank!
"Alles in Ordnung", sagte er abwehrend und machte sich ohne weiteren Kommentar auf den Weg zurück in die Baracke. Die Sperrstunde war nahe und er fiel fast um vor Müdigkeit. In Wahrheit wollte er ganz einfach nicht, daß sie ihn mit Fragen wachhielten, die er nicht beabsichtigte zu beantworten.
(Nicht in diesem Leben.)

Sie stellten keine einzige Frage. Sie folgten ihm lediglich schweigend, zweifellos spekulierend - doch das kümmerte ihn nicht.
Die erste, die nach ihrer Rückkehr in die Zelle etwas sagte, war Rilana; sie schien keinen Schlaf zu benötigen, sondern bezog umgehend wieder ihren Wachposten neben der Tür und hielt nach Jem'Hadar Ausschau. "Wann gedenken Sie, mit Ihren Modifikationen anzufangen?"
Voller Unbehagen verlagerte Julian sein Gewicht von einem Bein auf das andere und spürte Garaks Blick auf sich ruhen, als der Cardassianer erwiderte, "Da ich ja nun so freundlich eingeladen wurde zu bleiben und Ihnen Gesellschaft zu leisten, sehe ich keinen Grund, nicht sofort zu beginnen. Heute Nacht. Werden zur Sperrstunde die Lichter ausgeschaltet?"
"Ja", bestätigte Martok. "Das werden sie. Aber nachts werden die Wachen in den Gängen verdoppelt. Wir müssen sehr, sehr leise sein."
Es war wunderbar, sich hinzulegen; er glaubte nicht, daß er auch nur eine Minute länger hätte stehen können. Heiser fügte Julian hinzu, "Vergessen Sie nicht die willkürlichen Kontrollen der Gefangenen... Manchmal", erklärte er ohne aufzusehen und drehte sich auf die Seite, bereit für den alles auslöschenden Schlaf, "kommen sie mitten in der Nacht oder am frühen Morgen reingestürmt. Sehr effektiv als Einschüchterungsmethode...Demonstration ihrer Überlegenheit...Entzug von REM-Schlaf...lassen Sie Ihre Phantasie spielen."
Der Raum wurde in tiefe Schwärze getaucht, als die Energieversorgung der Lichtelemente eingestellt wurde.
"Hervorragend." Garak klang fast gutgelaunt. "Das war mein Stichwort, glaube ich. Gentlemen, wenn einer von Ihnen die Güte hätte, die Wand für mich zu öffnen?"

************

Er wußte nicht, wie lange er dagelegen hatte, bewegungslos und still, oder ob er in diesen Stunden vorgetäuschten Schlafs tatsächlich für einige Minuten eingenickt war. Wollte er auch nicht wirklich. Im Moment fühlte er sich im Hier und Jetzt am sichersten, hier wo er allein und ungestört war und dennoch den beruhigenden Klang der Stimmen nahebei hörte.
Im Moment brauchte er nicht mehr. Mehr zu verlangen wäre sinnlos und ihm lag nichts an zusätzlicher Enttäuschung und Erniedrigung, wenn eine weitere schwache Hoffnung sich als töricht herausstellte.
Seine Freunde waren noch auf, soviel war ihm auch mit geschlossenen Augen bewußt, doch die Unterhaltung blieb spärlich.
Niemand wollte den Plan gefährden.

Vorsichtig öffnete er seine Augen und blinzelte. Seine Pupillen paßten sich schnell an die Lichtverhältnisse an und er sah General Martok an der Tür Wache stehen. Auf der anderen Seite des Raumes trat ein schwaches Leuchten aus der nicht vollständig geschlossenen Öffnung in der Wand hervor, genug um Julian die Gesichtszüge von Rolak erkennen zu lassen, der auf dem Bett daneben saß.
Der wachsame Romulaner, obwohl er zu schlafen schien, hatte die winzige Bewegung des Menschen registriert und nickte ihm zu. "Doktor." Sonst nichts. Rolak war stets sehr verschlossen. Aber Martok kam bereits auf ihn zu, als er sich aufrichtete und seine Beine über den Rand der Pritsche schwang.
"Haben Sie gut geschlafen?"
"Hervorragend." Er stand und streckte schmerzende Muskeln; ein unangenehmer Geschmack haftete in seinem Mund und ließ sich nicht vertreiben. Wann hatte er zuletzt etwas gegessen? Mußte Tage her sein...er fühlte keinen Hunger. Der Hunger war nur noch ein entfernter, hohler Schmerz begleitet von einem Kribbeln, das seinen ganzen Körper erfaßte und den Eindruck schuf als bewege er sich durch eine Umgebung mit Niedrigschwerkraft. Ganz und gar nicht müde, sondern seltsam belebt. Leicht benommen. Er erkannte die Symptome: ihm blieben vielleicht noch zwei Tage. Maximal. Sein Körper war kurz davor, die Grenzen seiner Belastbarkeit zu überschreiten.
"Sie sollten es besser wissen, Doktor", schnaubte der Klingone und schüttelte verständnislos den Kopf.
Worf und Rilana schliefen, soviel konnte er sehen, als er sich umsah, und ebenso der Breen. Letzterer lag ohnehin meistens nur auf seiner Pritsche herum und zog das Alleinsein dem Freigang und der Konversation mit Mitgefangenen vor. Man wußte nie, ob der Alien wach war oder schlief, der Helm des Kühlanzugs verbarg jeden Zentimeter seines Gesichts.
"Ist Garak noch da drinnen?" Er zeigte auf die Wand und lehnte sich vor, spähte hinein. In dem grünlich schimmernden Halbdunkel war der Schneider nur eine schemenhafte Gestalt.
Rolak bejahte mit einem Nicken. "Fast schon die ganze Nacht. Alle paar Stunden kommt er für eine kurze Pause heraus."
Martok räusperte sich vernehmlich. "Sie sollten ihm sagen, daß es fast Morgen ist. Die Ablösung für die Wache am Ende des Ganges ist gerade aufgetaucht."
Wachwechsel. Das hieß, daß bald jemand kommen würde, um Wasser und geschmacklose Rationen minderer Qualität auszuteilen. "Garak", rief er leise und das Echo verstärkte seine Worte um ein Zweifaches. "Machen Sie eine Pause, Sie haben es sich verdient!"

*************

Stunden in den neuen Tag hinein, Julian wußte nicht wie viele, half er Garak erneut aus dem engen Tunnel heraus. Endlich! Die Pause des Cardassianers hatte sich um zehn Minuten verzögert, dank den Jem'Hadar, die Worf abholten, und kaum daß das Panel offen war, schoß Garak förmlich heraus und kam wankend auf die Füße.
Er sah weitaus schlechter aus als das letzte Mal und was für Julian bislang nur eine vage Vermutung gewesen war, wurde nun Gewißheit. Der kalte Schweiß auf Garaks Gesicht, die Blässe seiner Haut...das rasche Atmen...nein, *Keuchen*... Die Anzeichen ließen sich nicht länger mit den Umweltbedingungen in dem Tunnel erklären und sie waren eindeutig: Garak stand unmittelbar vor einer ausgewachsenen Panikattacke, sog die Luft ein wie nach einem fünfminütigen Tauchgang. Klaustrophobie? Garak?
Der Cardassianer schüttelte sich und hustete leicht. "_Das_ war durch und durch unangenehm!"
Ja, soviel war offensichtlich, speziell für Julian, der sich inzwischen mit bitterer Ironie als Experten zu diesem Thema betrachtete. _Schlechte Beleuchtung, wenig Sauerstoff, zufällige Elektroschocks...das sollte wohl als unangenehm gelten..._ Trotzdem versuchte Garak, ihm auszuweichen, als er für eine nähere Untersuchung herantrat. "Geht es Ihnen gut?" fragte Julian, überzeugt, daß dem garantiert *nicht* so war.
Garaks Nackenkämme waren angespannt und vor Aufregung angeschwollen, der heftige Puls unterhalb des Kiefers Beweis genug. Er zitterte merklich und wich Julians Blick aus. "Kein Grund zur Sorge, mir geht's gut", machte er eine Ausflucht. Julians ausgestreckte Hand, die seinen Kopf seitwärts drehen wollte, um die Augen zu untersuchen, wurde beiseite geschlagen. "Es ist...nur viel wärmer da drinnen als ich dachte."
Das ließ Julian jedoch nicht durchgehen und als Garak kurz die Augen schloß, nutzte er die Gelegenheit und packte den anderen Mann so fest bei der Schulter wie es ihm mit seiner rechten Hand möglich war. Dann hielt er ihn fest, sah die deutlich verengten Pupillen, die verlangsamte Lichtreaktion, und sein Unbehagen wuchs. Nicht gut.
Beim Anblick des besorgten Ausdrucks auf Julians hagerem Gesicht, den tiefen Schatten dort, zuckte Garak leichtmütig mit den Schultern und spielte seinen Zustand herunter, "Mir wurde etwas schwindelig." Kein Grund Julians Sorgen zu vermehren...sein Freund hatte davon schon genug. "Geben Sie mir eine Minute", sagte er und legte möglichst viel Enthusiasmus in seine Stimme; er wußte nur nicht, wem er etwas vormachen wollte: Bashir...oder hauptsächlich sich selbst? Die Hände des Doktors zitterten leicht, als sie ihn scheinbar mit reiner Willenskraft an Ort und Stelle hielten, der Blick aus den großen dunklen Augen prüfend. Er hatte immer noch wunderschöne Augen...egal was man ihm angetan hatte. Sie hatten nicht geschafft, ihn völlig zu zerstören. Schönheit war erhalten geblieben. Nach einem weiteren tiefen Atemzug fuhr er mit einer Geste auf die Tunnelöffnung fort, "Und ich gehe wieder dort hinein."
Bashir schüttelte den Kopf. Er verstand nur zu gut, daß Garak seine Phobie lieber nicht zum Diskussionsthema machen wollte, doch ein leichter Schock war ein leichter Schock. Wenn nötig würde er ihn zwingen, eine Ruhepause einzulegen. "Oh nein", widersprach er dem Cardassianer und versperrte ihm den Weg. "Sie werden mehr als eine Minute brauchen. Ihr Puls rast, Schweißausbrüche, klamme Haut, und ich mag gar nicht an Ihren Blutdruck denken!" Entschlossen schob er Garak in Richtung der Pritsche. "Vielleicht sollten Sie bis morgen pausieren", schlug er vor und erinnerte sich an all die Male, wo er schon genau diese Warnung ausgesprochen hatte.
Und Garak explodierte, "Wollen Sie aus diesem Höllenloch rauskommen?"
Zuerst wie gelähmt von diesem plötzlichen Ausbruch erschauerte er, als der verborgene Text einsickerte ("Wollen Sie aus diesem Höllenloch rauskommen? Sie von allen Leuten sollten sich wünschen, schon *gestern* geflohen zu sein, nach all dem, was Ihnen angetan wurde! Sie haben doch mehr Grund dazu als wir alle zusammen, also sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe!"), fühlte Julian, wie ihm vor Ärger die Röte ins Gesicht schoß und er schrie zurück, "Ja, das will ich!"
"Dann lassen Sie mich zurück an die Arbeit gehen." Garak stand mit ihm fast Nase an Nase, sein schwerer Atem warm in Julians Gesicht, als er eindringlich seinen Standpunkt vertrat.
_Stur...wie sein Vater..._ In der Stille, die nun aufkam, erstarb der Funke des Trotzes und Julian gab nach. Seine Zustimmung kam in Form eines kaum bemerkbaren Nickens und eines halben Schritts zurück. _Aber es ist unsere einzige Hoffnung...nicht daß sich an meiner Situation etwas verbessern läßt, aber zumindest die anderen werden sicher sein._
Er wußte nicht, wie wenig gefehlt hatte, stattdessen einen Schritt vorwärts zu machen.
Mit zurückgekehrter Beherrschung sah er, wie Garak ihn erwartungsvoll anschaute. Der Rest des Raums war still, der Breen lag immer noch auf seiner Pritsche, reglos und unbeteiligt wie ein Stück Holz. Und Rolak stand gerade und schweigend an der Tür und kehrte ihnen den Rücken zu; der Romulaner täuschte erfolgreich Desinteresse vor und tat so, als mache er sich nichts aus den Einzelheiten des Geschehens hinter ihm, obwohl er garantiert keine Silbe verpaßt hatte.
Leise argumentierte Julian, "Ruhen Sie sich aus...für eine Viertelstunde. Und von da an können Sie stündlich eine 15-minütige Pause machen." Im Befehlston setzte er nach, "Ärztliche Anordnung."
Garak nickte widerstrebend. Er kannte sich selbst zur Genüge, um seine Grenzen zu achten. Zwar hatte ihm seine Klaustrophobie seit Jahren nicht mehr zugesetzt, doch hätte er damit rechnen müssen, daß so etwas früher oder später passieren würde. Nur hatte er nicht erwartet, daß dieser Zeitpunkt ausgerechnet jetzt gekommen war. Es erschwerte die schon fast unmögliche Aufgabe, der er sich gegenüber sah! Seine Augen kurz schließend, zwang er seine panikverkrampften Muskeln, sich zu lockern, und allmählich wurde sein Puls langsamer...langsamer...
Irgendwann schien ihm ein Weiterarbeiten machbar.

Julians Gesichtsausdruck war skeptisch, aber nachdem er Puls, Atmung, Augen- und Hautreaktion geprüft hatte, gab er seine Zustimmung...unter Vorbehalt. "Viel Glück...wie weit sind Sie bei der letzten Session gekommen?"
Dazu hatte Garak nur ein säuerliches Lächeln übrig. "Ein paar Schaltkreise weiter als bei Ihrer letzten Nachfrage."
"Zur Hälfte fertig?"
"Zwanzig Prozent. Es ist nicht einfach mit dem Rausziehen und Umstecken von ein paar Kabeln getan. Die Veränderungen müssen in einer spezifischen Reihenfolge vorgenommen werden und ich muß zugeben, daß mir ab und an ein Fehler unterläuft, wonach ich alle Änderungen rückgängig machen muß, bis zurück zu dem Punkt, wo der Fehler auftrat." Er seufzte. "Eine sehr umständliche Arbeit, das kann ich Ihnen sagen. Es wäre einfacher, die richtigen Instrumente zur Hand zu haben und die Schaltkreise im Vorfeld scannen zu können, anstatt sie alle erst anfassen und prüfen zu müssen, aber in Ermangelung dieses kleinen Luxus muß ich mich auf meinen Verstand sowie Intuition und Erfahrung verlassen."
"Und auf das Glück." Julian wechselte einen Blick mit Rolak, der ein Negativ signalisierte. Gut, der Korridor war noch immer frei von Jem'Hadar.
"Ich glaube nicht an Glück", erinnerte ihn Garak.
"Jeder tut das...auf irgendeine Art."
Der Cardassianer antwortete nicht, sondern duckte sich wieder in den engen Tunnel; er wollte Julian die Hoffnungslosigkeit nicht sehen lassen, die einen Schatten über sein Gesicht warf. Schatten der Vergangenheit. Ein junger Arzt, der ihm in einem Akt der Freundschaft das Leben rettete...einer Freundschaft, die für ihn über die Jahre so wichtig geworden war. Jetzt galt es, die Geste zu erwidern und zu zeigen, daß er einer solchen Lie ...Freundschaft würdig war.
Die Schatten lockten ihn in die Dunkelheit.

Zu Garaks Bedauern achtete Julian sehr darauf, daß er die geplanten Pausen einhielt und holte ihn in regelmäßigen Abständen ins Freie, bis zum späten Abend, als Worf und Martok in die Zelle zurückkehrten.
Beim Eintreten der Klingonen verließ Bashir seinen Sitzplatz auf dem Bett und eilte Martok entgegen, um Worf zu einer freien Pritsche hinüber zu helfen, wo das Licht einigermaßen gut war. Julian biß sich auf die Lippe und mit eisigen Händen, deren Zittern er kaum kontrollieren konnte, drückte er den klingonischen Offizier auf seinen Rücken hinunter. Unbeholfen öffnete er die Uniformjacke und entblößte die häßliche Prellung, die sich über die linke Seite des Brustkorbs zog. Für die Diagnose brauchte er keinen Tricorder. "Sie haben drei gebrochene Rippen, vielleicht vier."
"Sie werden heilen."
Warum war Sturheit so charakteristisch für die klingonische Rasse? "Nicht wenn Sie nicht aufhören zu kämpfen!" Er versuchte, vernünftig zu klingen und nicht allzu genervt. "Sie hatten Glück, daß Sie keine perforierte Lunge davongetragen haben." Hier war er und wiederholte die selben Worte, die er schon Martok vorgebetet hatte. Aber von dem älteren Klingonen konnte er wohl kaum Hilfestellung erwarten, oder? Der General teilte Worfs Einstellung...wie der Rest seiner Spezies...
Er seufzte. "Ein Körper, auch ein klingonischer, kann nur eine gewisse Menge Schaden aushalten." _Blablablabla..._
"Ich *werde* kämpfen!" ereiferte sich Worf, nur um mit einem Ächzen zurückzufallen.
Julian machte sich keine Mühe, sein ironisches *Hab ich's nicht gesagt?*-Grinsen zu verbergen.
"Es ist das einzig Ehrenvolle, was man tun kann", gab Martok voller Leidenschaft zu verstehen.
Sie gingen auf keine seiner Erklärungen ein, sondern bedrängten ihn, Worfs Rippen zu bandagieren, die Symptome zu kurieren und damit gegen sein besseres Wissen und seine Überzeugung zu handeln.
"Fühlt es sich besser an?" stellte er die Pro-Forma-Frage, obwohl er wußte, was die Antwort sein würde.
"Viel besser", brummte Worf.
Julian schüttelte den Kopf und wandte sich ab. "Sie sind kein besonders guter Lügner, Mr. Worf."
Ein lautes, widerhallendes Hämmern zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und wischte das Grinsen von General Martoks Gesicht.
"Es kommt aus dem Inneren der Wand", bestätigte Worf Julians schlimmste Befürchtungen. Garaks Zustand mußte gravierender sein als der Cardassianer vermuten ließ, und jetzt wurde der psychologische Streß zuviel für ihn. Sein Unterbewußtsein zwang seinen Körper zu Reaktionen, über die er keine Kontrolle hatte.
"Garak", murmelte er und wandte sich zur Wand um, bereits nach dem rostigen Bettgestell greifend.
Martok beeilte sich ihm zur Hand zu gehen und fragte, wie lange Garaks letzte Pause zurücklag. Sobald die Öffnung weit genug war, um seinem Kopf und seinen Schultern Durchlaß zu gewähren, rief er, "Garak...Garak, was ist?" Es kam keine Antwort und es war Martok, der ihren Plan scheitern sah und mit klingonischer Heißblütigkeit hochalarmiert forderte, "Befehlen Sie ihm, damit aufzuhören! Man wird ihn hören!"
_Das wollte ich gerade tun._ Sanft, weil er Garak nicht unnötig beunruhigen wollte, indem er ihn aufgeregt anschrie, sagte Julian, "Garak, das Panel ist jetzt offen. Sie können jetzt rauskommen." Der Tunnel war tiefschwarz, er konnte nichts sehen. Da er nur zu gut wußte, wie lähmend Furcht sein konnte, wie sie jeden rationalen Gedanken erdrückte, war die Entscheidung einfach. "Ich werde ihn da herausholen."

So schnell wie es seine Größe erlaubte, war er auf der Innenseite und eine langgeübte Körperdrehung brachte ihn auf- und seitwärts in den eigentlichen Tunnel, kaum breit genug, um Bewegung zuzulassen. Die Duraniumwände waren warm, ein Nebeneffekt der dahinterliegenden Luftfilter und Plasmaleitungen. Und sie erwärmten die abgestandene Luft so sehr, um beim Atmen maximales Unbehagen hervorzurufen. Es war als würde man faulen Dampf atmen; Julian hielt unwillkürlich den Atem an und fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
"Garak..." Er konnte ihn vor sich sehen, fast zum Greifen nahe. Dann, mit einem weiteren vorsichtigen Schritt, war er an Garaks Seite inmitten des Gewirrs von Kabeln, Schläuchen und Schaltkreisen - er wagte nicht, irgendwelche hastigen Bewegungen zu machen und den Cardassianer zu erschrecken, der sichtbar im Griff einer ausgewachsenen Panikattacke war.
Er mußte genauso aussehen, wurde ihm bewußt, immer wenn Deyos in sein Bewußtsein eindrang und ihn in Zeit und Realität zurückriß an den eisigen Ort des weißen Lichts. Dies...dies war er.
Es war so einfach...
Seine Stimme versagte für einen Moment und er schluckte, sah Garak an. Sah ihn einfach nur an.

Heftig zitternd schlug Garak mit den Fäusten gegen die Wand, wieder und wieder, und das Metall dröhnte wie ein schwerer Bronzegong. Der Klang war zweifellos weittragend.
Zu weit.
Der Schneider wirkte so verängstigt wie er selbst beim Geräusch seines eigenen Atems zusammenzuckte, ein flaches, angestrengtes Rasseln in dieser sauerstoffarmen Atmosphäre. Hyperventilation. Normale Angst hätte seine Augen nie derart weiten können und er schien Julians Gegenwart nicht einmal wahrzunehmen. Als der Arzt näherkam, bemerkte er wie glasig Garaks Blick war, wie unfokussiert.
_Tiefer Schock. Daß es soweit kommen mußte... Ich hätte es verhindern müssen, hätte ihm nicht erlauben sollen, wieder dort hineinzugehen, als mir sein Zustand bekannt war._ In dem hinter ihm einfallenden schwachen Licht, von dem Julian das meiste mit seinem Körper abfing, wirkte der Schneider wie ein Geist aus seinen eigenen schlimmsten Alpträumen. Auf dem blassen Gesicht stand der kalte Schweiß, ließ ihm die Kleidung am Leib kleben, und trotz der Hitze zitterte Garak wie Espenlaub.
Definitiver Schockzustand. Der Blutfluß in die Gliedmaßen nahm ab und der Körper schaltete sich stufenweise ab, lebensunwichtige Funktionen zuerst, um sich vor weiterem Schaden zu schützen.
Bashir trat so nahe an den Cardassianer heran wie er es wagte und sagte leise, "Garak, Sie müssen damit aufhören...Sie machen zuviel Lärm! Garak..."
"Das Licht..."Ein rauhes, angespanntes Flüstern, an niemand besonderen gerichtet. Aber Julian war anwesend, um es zu hören...und zu verstehen. "Das Licht ging aus..."
Er mußte jetzt sehr geduldig sein, eine beruhigende Präsenz darstellen, an der sich Garak festhalten konnte, sich aus dem Abgrund herausziehen konnte, in den ihn sein Unterbewußtsein gestoßen hatte.
Aber vor allem mußte er ihn davon abhalten, jeden Jem'Hadar in diesem Camp zu alarmieren!
In Garaks Zustand extremer Desorientierung und Furcht rechnete Julian fast mit einem Angriff, als er nach den zitternden Händen griff, sie festhielt und von der Wand fortdrückte. Nicht gewaltsam aber mit sanfter Bestimmtheit. Sein Griff war fest, versichernd, für Garak genauso wie für ihn selbst.
"Ja", sagte er, "ich weiß." Die Hände in den seinen waren eiskalt, doch das Zittern ließ nach. Gut. Garak stand nun sehr, sehr still, ohne ihn anzusehen, völlig in sich zurückgezogen, um dort den Kampf fortzuführen. "Kommen Sie...ich denke, Sie können Ihre Pause etwas früher nehmen."
Und er zog Garak zu sich heran. Nahe genug, um seinen Herzschlag zu spüren...seinen Atem, als er sich drehte, um einen stützenden Arm um seine Schultern zu legen und ihn in Richtung Ausgang zu wenden, dem Fenster fahlen Lichts. Was er in diesem Moment empfand...er wußte es nicht. Er beachtete die Unterströmung in seinen Gedanken nicht, die stärker wurde. Stärker.
Es war als geleite er ein Kind heim, das sich nachts im Wald verlaufen hatte. Zurück ins sichere Zuhause, zu seiner Familie und einem warmen Feuer.
Nur war dies keinesfalls Zuhause, mußte er zugeben, wie er Garak ins Freie und hinüber zu einer halbwegs sauberen Pritsche half, wo er es ihm so bequem wie möglich machte und zwei Decken über ihm ausbreitete. Jegliche verfügbare Sicherheit gab er allein mit seiner Stimme. Garak hatte das gleiche für ihn getan, erinnerte er sich.
Und es gab auch kein wärmendes Feuer und was die Familie anging... Zwei Klingonen, zwei Romulaner, einen desinteressierten, unsozialen Breen, und sich selbst. Mehr konnte er nicht bieten.

Als er es für sicher hielt, Garaks Seite für einen Moment zu verlassen, stand Julian auf und ging zu den anderen hinüber, die respektvollen Abstand von Arzt und Patient hielten. "Es scheint", erklärte er, "daß er an einer akuten Form von Klaustrophobie leidet." _Nun, *so* akut auch wieder nicht..._ "Es ist ein Wunder, daß er so lange durchgehalten konnte."
Welche Hoffnungen sie gehabt haben mochten, in ihren Gesichtern war abzulesen, daß sie sich zerschlagen hatten. Sie sahen den Plan bereits als Fehlschlag an. Und vielleicht lagen sie damit richtig.
Worf tat einen Halbseufzer und brummte dann, "Also wird einer von uns die Änderungen am Transmitter beenden müssen!"
Angesichts dieses deutlich illusorischen Vorschlags hatte Bashir Schwierigkeiten, seinen Unmut zu verbergen und sagte milde, "Und wer könnte das Ihrer Meinung nach tun?" Keine Antwort. "Genau", nickte er zynisch.
Martoks Schultern sackten leicht nach vorne, ein winziges Anzeichen von Resignation, das nur denen verborgen blieb, die nicht gelernt hatten, ihn zu durchschauen. "Wenn Garak den Runabout nicht kontaktieren kann", grollte er, "gehen wir nirgendwo hin."
Nein, Julian weigerte sich das zu glauben. Er durfte es nicht glauben, allein um bei Verstand zu bleiben und nicht dem schleichenden Wahnsinn zu verfallen, der in seinem Kopf wucherte, ihm die Luft zum Atmen nahm. Er ließ sich auf dem äußeren Ende von Garaks Bett nieder, nahe dem Kopf des Schlafenden, lehnte sich gegen die Wand und schloß seine Augen. Gott, er war so müde...er würde so gerne schlafen...doch er mußte ein Auge auf Garak haben. Er war ein Arzt mit einem Patienten, der ihn brauchte, demnach konnte er sich Schlaf nicht erlauben. Seine Arme und Beine fühlten sich herrlich schwer an; er merkte kaum, wie sein Kopf zur Seite fiel und gegen kaltes Metall lehnte. Ebenfalls unbemerkt wanderte seine Hand über die Decke, berührte Garaks Finger, kühl und reglos, und entspannte sich im nächsten Augenblick, als ihn der Schlaf übermannte.
Er schlief.
Er träumte nicht.
Zumindest nicht für mehrere Stunden und dann gelang es ihm, sich aus eigenem Willen aufzuwecken, zu fliehen, bevor der Alptraum sich entfalten konnte.
Diese Lösung war nicht von Dauer, das wußte er, schon allein medizinisch nicht machbar, denn Träume ließen sich nicht vermeiden. Doch diesen Kampf würde er nicht hier kämpfen, ohne Schutz und wo jeder ihn sehen konnte.
(_Speziell Deyos._)
Keiner durfte sehen, welche Auswirkungen das Erlebte auf ihn hatte und ihn in Alpträumen leben ließ.
Zitternd glitt er von seinem Platz hinunter auf den Boden und kauerte sich dort zusammen, hoffte, daß er Garak nicht aufweckte. Nach und nach verlangsamte sich sein hastiger Atem, langsam trocknete der Schweiß auf seinem Gesicht und seiner Brust.
Es war hier, daß die Tränen kamen, und er konnte sie nicht zurückhalten. Sie flossen haltlos gleich einer Springflut, doch wenigstens gelang es ihm, dabei still zu bleiben. Seine Ärmel fingen die Nässe auf und niemand hörte ihn. Einzig und allein der Breen richtete sich auf, als er einmal zwischen zwei Schluchzern etwas lautstark Luft holte, legte sich aber gleich wieder hin, ohne ein Wort oder Zeichen des Verstehens. War ja nur der schwache Mensch, der unter dem Druck zerbrach.
Als die Lichter wieder angingen, waren seine Uniformärmel wieder trocken, und die Klingonen, die mit einer Aufwärmübung für die heutigen Kämpfe beschäftigt waren, sahen nicht zu genau hin, da sie wußten, was sie sehen würden und er das nicht wollte.
Hohl vor Erschöpfung erwartete Julian die Ankunft der Jem'Hadar. Jede Minute...

Die Tür ging auf und die Soldaten kamen herein, Gewehre in der Hand, und befahlen Worf, ihnen zu folgen. Martok war nicht der einzige, der den klingonischen Starfleet-Offizier begleitete, auch Julian entschloß sich mitzukommen. Beim Hinausgehen warf er einen langen prüfenden Blick auf Garak, der offenbar immer noch schlief.
Die Romulaner würden sicherstellen, daß er nicht gestört wurde, darauf vertraute Julian vollends.
Seufzend griff er sein Medikit fester und verlängerte trotz der Schmerzen seine Schritte.
Bei dem Geräusch der sich schließenden Türen bewegte sich Garak kaum merklich und fiel schließlich, nach stundenlangem Zuhören und Nachdenken, in einen unruhigen Schlaf. Die in einer Flut von stillen Tränen ausgedrückte Verzweiflung verfolgte ihn bis in seine Träume und gesellte sich zu den Geistern, die dort bereits warteten. Er spürte den Schmerz so intensiv als wäre es sein eigener, bestens vertraut mit dieser Sorte Leid und Trauer. Aber im Moment konnte er nur beobachten und versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Später mehr...wenn möglich.
Wenn es ein *später* gab.

*************

Martok zeigte einen fast väterlichen Stolz für Worf, überschlug sich auf dem Rückweg in ihre Zelle nahezu mit Lob für die Kampfkünste des jüngeren Mannes. Es war früher Nachmittag - oder das örtliche Äquivalent - und die Kämpfe waren für einige Stunden vorbei.
Glücklicherweise, dachte Julian, ein Ächzen unterdrückend, als sich Worf in einer Kurve etwas stärker auf ihn lehnte.
_Ich hätte ihn auch schwerlich zurück*tragen* können!_ Der Klingone sah noch besser aus als es tatsächlich um ihn beschieden war. "Vorsichtig", warnte er Martok und gemeinsam ließen sie Worf auf eine Pritsche sinken; Rilana und Rolak sahen kritisch zu und ihre Tal'Shiar-trainierten Augen entdeckten den nicht gleich erkennbaren Schaden ebenfalls. "Ziehen Sie Ihr Hemd hoch", befahl er Worf und bekam als Antwort ein mißbilligendes Schnaufen. "Commander, bitte, ich kann Sie so nicht richtig untersuchen!" _Als ob die Romulaner einen Dreck darum gäben, den Anblick eines halbnackten Klingonen zu ertragen!_
Nach einigen weiteren Grunzern gestattete ihm Worf, den Rand seines burgunderfarbenen Uniformhemds anzuheben.
Es war, wie er es erwartet hatte, die Bandagen waren kein ausreichender Schutz gegen die brutalen Schläge der Jem'Hadar gewesen; er hatte gesehen, wie sie Worfs enge Abwehr mehrmals durchbrachen. Der Klingone war sich dieser Gefahr sehr wohl bewußt, die in weiteren Treffern auf seinen Oberkörper lag, und angesichts solch brutaler Schläge - kombiniert mit den Malen, wo Worf recht hart den Boden geküßt hatte - war es ein Wunder, daß er nur eine weitere gebrochene Rippe hatte und jede Menge neuer blauer Flecken.
Martok schwärmte dennoch weiter, "Sieben Kämpfe und sieben Siege. Welcher Sagenheld hätte sich derart gut halten können?"
_Waren es wirklich nur sieben?_ Bashir biß sich im letzten Augenblick auf die Zunge, da die Kämpfe des Klingonen ihnen wertvolle Zeit lieferten und sie interessant genug machte, daß man sie am Leben ließ.
"Sagenhelden", preßte Worf hervor, als der Doktor seinen Oberkörper und Gliedmaßen auf weitere Brüche und ernste Verletzungen hin untersuchte, "haben nicht solche *Schmerzen*!"
Da mußte Martok lachen. "Deine Föderationsfreunde haben dich Bescheidenheit gelehrt...aber dies ist nicht die Zeit für Bescheidenheit."
Das Gerede über klingonische Barden, die eine Ballade über ihre Zeit in Gefangenschaft komponieren sollten, beeindruckte Julian nicht. Daran konnte er wahrlich nichts *Glorioses* finden. Schmerz, Elend, Tod, Kampf und Leiden.
Eine Trauerballade, wenn überhaupt.
Ohne auf Worfs gequälte Grimasse zu achten - _Furchtloser klingonischer Champion, na klar!_ - tupfte er einige Tropfen seiner letzten Reserve flüssigen Desinfektionsmittels auf die Schnitte an Kinn und Schläfen des Klingonen und bemerkte trocken, "Nun, schicken Sie mir doch bitte eine Kopie."
"Ich werde viel mehr als das tun", verkündete Martok. "Ich werde sicherstellen, daß er Ihnen einen Vers widmet. Dem Heiler, der die Wunden des Kriegers versorgte, damit er wieder kämpfen konnte."
Julian brachte ein angestrengtes Lächeln zustande und fing an, die zerknitterten Meter weißer Baumwolle aufzurollen, um sie für einen neuen Stützverband wiederzuverwenden. Er fühlte sich keineswegs eines Liedes wert. Und Worf hatte Recht, als er sich beklagte, daß egal wieviele Jem'Hadar er besiegte, wie oft er seinen Tod riskierte, sie dadurch ihrer Freiheit keinen Schritt näher kamen.
Der Runabout war hoffentlich immer noch da draußen - wenn es nur einen Weg gäbe, ihn zu kontaktieren.
"Wir müssen uns einen neuen Fluchtplan überlegen", stellte er müde fest, in dem Wissen, daß es keine Alternative gab. Sie würden längst tot sein, bevor sie weit genug kamen, um nur einen Fuß auf eines der Jem'Hadar-Schiffe zu setzen.
Als habe er auf sein Stichwort gewartet, setzte sich Garak auf und schüttelte im Aufstehen die Decke ab. "Das wird nicht nötig sein", informierte er die sechs überraschten Gesichter - wer konnte schon was über den Breen sagen? - und lächelte flüchtig. "Der ursprüngliche Plan wird völlig ausreichend sein. Ich muß nur beenden, was ich angefangen habe."
Julians Hand krampfte sich unwillkürlich um die Stoffrollen zusammen; wäre es die Hand eines Patienten gewesen, hätte er gebrochene Knochen behandeln müssen.
"Schließlich", so meinte der Cardassianer fast erklärend, "würde eine Strophe über den Cardassianer, der im Angesicht der Gefahr voller Panik die Flucht ergriff, General Martoks Lied ruinieren." Der Funke Hoffnung, der Julians Augen bei diesen Worten erhellte, war für ihn Lohn genug. Ja, er würde alles tun, was nötig war, um diese Seele zu retten, die ein Teil der seinen geworden war.
Martok quittierte dies mit einem knappen Nicken. "Das wäre in der Tat höchst ungünstig." Hinter den trockenen Worten verbarg sich größtes Erstaunen und sogar Bewunderung. Der Klingone war beeindruckt von Garaks Mut, erkannte sofort, was für ein Opfer der Cardassianer brachte. Wahrer Mut beinhaltete nicht immer, daß man sich mit hocherhobener, bluttriefender Waffe dem Feind entgegenstürzte; die mutigsten Handlungen waren jene, die sich im Stillen ereigneten, so wie diese hier.
Als Julian sich niederkniete, um das Schott vor dem Tunnel zu entfernen, den Garak so treffend als sein "Gefängnis" bezeichnete, hörte er die Klingonen reden.
"Es gibt keinen größeren Feind als die eigene Furcht", bemerkte Martok ruhig und es klang als spräche er aus Erfahrung.
Und fast andächtig stimmte Worf zu, "Nur ein tapferer Mann kann sich ihr stellen."
Wenn die Lage weniger ernst gewesen wäre, hätte Julian jetzt laut gelacht. Worf, der sich von seinem hohen Podest der Moral herunterbewegte und ein paar positive Worte über Garak verlor, ohne daran zu ersticken.
_Wow...brich' dir bloß keinen Zacken aus der Krone, Worf!_
Die Schultermuskeln des Cardassianers unter seiner Hand waren hart wie Stahlseile. "Viel Glück."
Diesmal hatte Garak keine leichtfertige Antwort parat, sondern entglitt seinem Griff still und leise, ohne sich nur einmal umzusehen.

****************

Einige Stunden später machten sich Worf und Martok auf, um die letzten zwei Kämpfe des Tages zu bestreiten, doch diesmal blieb Julian zurück. Keine gute Idee, fürchtete er, denn die Warterei machte ihn noch ganz verrückt. Draußen am Ring würde er vermutlich auch nicht viel zu tun haben und hier drinnen...
Rilana, die kurz davor stand, ihre Beherrschung zu verlieren, hatte ihm auf eine noch höfliche Art und Weise zu verstehen gegeben, daß er bitte seine Auf-der-Stelle-Lauferei einstellen und sich setzen möge. Bevor sie ihn hinsetzte.
Jetzt rutschte er ungeduldig hin und her, rieb sich die Hände und schaukelte auf der Matratze vor und zurück. Seine Lippen waren trocken und aufgesprungen, so lange hatte seine nervöse Zunge sie schon bearbeitet, und Rilana hatte ein warnendes, raubtierhaftes Flackern in den Augen. Er sollte ihre Geduld nicht noch länger strapazieren. Für einen kurzen Moment erwog Julian ernsthaft die Möglichkeit, daß sie ihn erwürgen würde, sofern er nicht sofort aufhörte, dann fuhr ihr Kopf so plötzlich herum wie der eines verschreckten Vogels.
"Jem'Hadar."
Alarmiert blickte er auf das geschlossene Schott. "Können wir ihn rausholen?" Garak...
"Keine Zeit", schnappte sie.
Und sie hatte Recht, die Zeit fehlte. Schnell gab er zwei Klopfzeichen gegen die Metallverkleidung und signalisierte Garak die Bedrohung. Er hoffte sehr, daß es für diesen Besuch keinen Grund gab.
Seine Kehle schnürte sich zu und als er den Rest der Öffnung verschloß schien das Blut in seinen Adern plötzlich aus Eiswasser zu bestehen. Draußen hinter der Tür konnte er bereits die Schritte hören. Zuletzt verschwand das improvisierte Werkzeug unter der schnell wieder zurechtgerückten Matratze.
Vielleicht war es nur eine Routinekontrolle.
Doch der finstere Ausdruck auf den Gesichtern der Jem'Hadar ließ mehr vermuten. Wie eine Wand aus Muskeln und Kraft ragten die drei Soldaten vor ihm auf und brachten ihre Waffen in Anschlag.
"Der Cardassianer...wo ist er?" fragte der Anführer.
Julian fühlte, wie sein Herz stehenblieb...doch wundersamerweise schlug es weiter. Er wäre vom Gegenteil nicht überrascht gewesen. _Diese Jem'Hadar..._ Solange er lebte würde er diese Stimme nicht vergessen. Und jetzt erkannte er auch die Gesichter, auch wenn sie sich alle ähnelten. Die beiden, die am nächsten standen, waren die selben, die ihn in den Isolationsbereich gebracht hatten, zugesehen hatten und beteiligt gewesen waren an seinem Schmerz, am Verlust seiner Selbstachtung.
Jegliche Emotion wich von ihm. Wenn sie den Plan gefährdeten, würden sie dafür bezahlen. Er würde nicht zögern, das zu tun, was nötig war. Das hatten sie sich selbst zuzuschreiben, sie hatten ihn schließlich alle Skrupel verlieren lassen.
Die Schuld lag allein bei ihnen. Das, was in ihm aufstieg, war keine Furcht, nur allerkälteste Wut.
Eisig antwortete er, "Draußen, vermute ich."
Der Gewehrhieb in sein Gesicht...er sah ihn kommen, wich ihm aber nicht aus. Wenn es Schmerz gab, so spürte er ihn nicht, als er zu Boden fiel. Blut quoll aus einem neuen Schnitt auf seiner Wange, auch im Inneren seines Mundes schmeckte er neue Wärme und sein Schädel dröhnte.
"Er ist *nicht* draußen!" bellte der Jem'Hadar und nickte seinem Begleiter zu, der den Breen von seiner Pritsche hochriß und mit den anderen in einer Ecke zusammentrieb.
Blut in seinem Mund - er schluckte es und genoß den metallischen Geschmack wie eine Droge, die Ethik, Mitgefühl und zivilisiertes Verhalten zeitweilig aus seinem Denken verbannte, stärkend und berauschend - und sobald dieses neue High einsetzte, fragte er, "Was wollen Sie von ihm?"
"Ihn erwartet der Tod", berichtete der Jem'Hadar kalt und die anderen begannen zu Julians Entsetzen die einzelnen Liegen zu kontrollieren, hoben Matratzen von den Gestellen, um -
"SIR!"
Julian schloß die Augen und ließ den angehaltenen Atem langsam entweichen. Alles umsonst... (_Nutzlos...schwach..._) Er hätte es wissen sollen, hätte nicht hoffen dürfen. Die Enttäuschung war umso vernichtender. Sie würden nicht lange brauchen, um ihren ganzen Fluchtplan zu erkennen und zu vereiteln.
Er setzte sich.
Das lederumwickelte Metallstück wurde von einer großen Hand vor sein Gesicht gehalten, eine Hand, deren Berührung er selbst erlitten hatte und sich nur zu gut daran erinnerte. Die tiefe Stimme ertönte abermals, "Wenn du zu leben wünschst...erkläre dies!"
So eine zwecklose Frage, Julian lachte fast. Doch dann erlaubte er sich ein heimliches Lächeln, als sein Blick an dem Werkzeug festhielt und er sich überlegte, was er wohl antworten würde. Ihr Todesurteil war ohnehin unabwendbar, also konnte er genauso gut lügen und ihnen noch etwas Zeit verschaffen. Nutzte sowieso nichts.
Der dritte Jem'Hadar, den er nur aus dem Augenwinkel wahrnahm, hatte begonnen, die Schweißstellen zwischen den Wandabdeckplatten zu untersuchen, gründlich und vorsichtig. In regelmäßigen Abständen schlug er auf das Metall, um die Unversehrtheit der Nahtstellen zu prüfen.
"Ich frage zum letzten Mal: Was ist das hier?" Der Ton war schärfer geworden.
Der andere Jem'Hadar setzte seine Inspektion fort. Konnte es noch schlimmer werden? Nein, also antwortete Julian stoisch, "Entweder ist es ein selbstschließender Schlagbolzen oder ein umgedrehter Grabhebel - ich bin mir echt nicht sicher..." Mit unnatürlicher Kälte hob er seinen Blick und sah dem Aliensoldaten direkt ins Gesicht, seine Augen genauso ausdruckslos wie die, denen er begegnete.
Und urplötzlich fuhr der Jem'Hadar herum, Disruptor in der Hand und ein Strahl tödlicher Energie jagte durch den Raum, traf Rolak mitten in der Brust. Der Mann löste sich vor ihrer aller Augen auf.
Julian sprang auf die Füße und sein Blut kochte vor Eis, als er einen Schritt vorwärts machte, um von der Stimme des Jem'Hadar gestoppt zu werden. "Sie ist die nächste." Die Waffe wurde auf Rilana gerichtet.
"Sir..." Äußerst willig zu helfen und seinen Vorgesetzten zu beeindrucken, so eifrig wie ein kleiner Hund - wenn sich dieser Vergleich rechtfertigen ließ - zog nun der Soldat, der das verräterische Werkzeug entdeckt hatte, den Bettrahmen von der Wand ab, hinter welcher der Tunnel lag - und ein gewisser Cardassianer. "Wenn Sie mir gestatten..." Ohne seine Augen von Julian abzuwenden oder gar auch nur zu blinzeln, reichte ihm der ranghöhere Jem'Hadar das Instrument, denn offenbar folgte er dem Gedanken.
Rilana und Julian sahen mit stummem Entsetzen zu, wie der Jem'Hadar begann, die erste Abdeckplatte hochzuhebeln und dann seinen Arm in die Öffnung steckte, um innen nach dem Verschluß für die zweite zu tasten. Das war das Ende...

Der Raum hinter der Duranium-Abdeckung war völlig dunkel, nicht einmal der kleinste Lichtschimmer war sichtbar; Garak mußte den Fluß des fluoreszierenden Plasmas unterbrochen und sich selbst zur Arbeit in totaler Dunkelheit gezwungen haben, geleitet von Tastsinn und Intuition.
Julian konnte sich nur vage vorstellen, was der Cardassianer im Augenblick durchlebte, wie groß seine Angst sein mußte. Er selbst war von Furcht versteinert und betete leise, als der Jem'Hadar seinen Kopf in die Wand steckte. Doch wie der Soldat selbst sagte, er sah nichts in der Dunkelheit.
Ihm entwich ein knapper Seufzer der Erleichterung und für einige Sekunden lauschte er auf seinen Herzschlag, versuchte, die lähmende Angst zu überwinden, die sich wieder anschlich.

Und es war in diesem Moment der Stille und Ruhe, daß die Flucht begann. Nicht Rilana machte den ersten Schritt und auch nicht Julian, sondern der Breen, jene Person, der die Jem'Hadar keine Aufmerksamkeit geschenkt hatten.
Ihr Fehler.

Julians Nemesis mußte feststellen, daß seine Reflexe zwar hervorragend waren, ihn aber nicht retten konnten. Leise und schlangengleich war der Breen hinter seinen Rücken getreten und hatte ihm den Handblaster aus dem Halfter gerissen. Dann sprang er mit der geschmeidigen Schnelligkeit eben jenes giftigen Reptils zurück und hob im gleichen Moment die Waffe.

Was darauf folgte, wirkte auf Julians vor Schlafmangel vernebeltes Gehirn wie ein schemenhafter Schleier. Zuerst konnte er gar nicht handeln, sondern sah nur zu, wie sich der Kampf vor seinen Augen entfaltete.
Wendig und tödlich, Tal'Shiar Kampftaktik in Perfektion, ging Rilana den zweiten Jem'Hadar an, bevor dieser auch nur seine Waffe heben konnte, und schleuderte ihn mit aller Kraft in die Wand. Ihre Augen glitzerten gefährlich, als sie Julian ein wildes Lächeln zuwarf; sie hatte zu lange auf diesen Moment gewartet und nun genoß sie es, ihn auszuleben, sie für den Hunger, die Folter, die Grausamkeiten bezahlen zu lassen.
Julian verstand dieses Gefühl, doch war dem neugefundenen Verständnis zwischen ihnen nur der Bruchteil einer Sekunde vergönnt, da der dritte Jem'Hadar soeben seinen Kopf und Oberkörper aus der Wandöffnung zog und nach seinem Gewehr griff. Schließlich besaß er die Reflexe eines trainierten Soldaten.
Ebenso der Breen und sie drückten beide gleichzeitig ab. Und verschwanden gleichermaßen synchron in einem rötlichen Nebel verdampfender Moleküle.
Jetzt war nur noch ein Jem'Hadar übrig und sie konnten ihm nicht erlauben zu entkommen und das Lager zu alarmieren. Die Entscheidung, ihn zu eliminieren, fiel Julian leicht. Die Intensität seines Hasses und seine Gier nach Vergeltung machten ihm nicht länger Angst.

Er bückte sich und in der Vorwärtsbewegung auf den von Rilana bereits entwaffneten Jem'Hadar zu, der nun gerade auf die Füße kam und erneut mit ihr den Zweikampf begann, griff er nach dem auf dem Boden liegenden Werkzeug. Mit einer Handbewegung entfernte er den dicken Lappen, den sie für eine bessere Handhabung um das eine Ende gewickelt hatten.
Denn jetzt brauchte er kein Werkzeug, sondern eine Waffe. Als der Jem'Hadar Rilana abermals abwehrte und sie mühelos gegen die Wand warf, trat Julian in Aktion. Es war als trete ein Teil von ihm beiseite und beobachtete seine Handlungen aus der Entfernung.
Völlig unbewußt griff er nach dem Uniformharnisch des Jem'Hadar und drehte ihn seitwärts, um einen besseren Winkel zu haben für... Der Stoß kam schnell, zielgenau und tödlich, und das scharfkantige Metall glitt in die dicke graue Haut als sei sie flüssige Butter. Der schwere Körper krampfte sich sofort zusammen, die muskulösen Arme schlugen wie Dreschflegel, doch er hielt mit aller Kraft fest und reagierte, indem er die Waffe um 90 Grad drehte...und dann mit einem kräftigen Ruck herausriß, durch die Halsschlagader, die Kehle und, unnötigerweise, da die Kreatur bereits tot war, den Schlauch für das Ketracel White.
Kein Gefühl existierte. Er ließ den Körper zusammen mit dem blutigen Metallstück zu Boden fallen und trat über die Leiche hinweg. Seine Beute. Das Lebewesen, das er umgebracht hatte und sich dabei seiner Handlungen vollauf bewußt war...und es genoß. Er sollte sich schuldig fühlen - *etwas* fühlen - doch da war nur Genugtuung. Sein Mund verzog sich zu einem grimmigen Lächeln.
Das Lächeln blieb sichtbar, als er eine Hand entgegenstreckte; sie ergriff sie und ließ sich ohne einen Schmerzenslaut oder Beschwerde aufhelfen.
Stattdessen erwiderte sie sein Lächeln mit einem freimütigen Grinsen und bemerkte, "Mein Volk hat ein Sprichwort: 'Dreh' niemals einem Breen den Rücken zu'!"
Dem folgte ein lautes, entnervtes Seufzen...aus dem Inneren der Wand und ein ziemlich gereizter Garak äußerte sich vernehmlich, "Doktor, würden Sie bitte den Lärmpegel senken? Ich versuche hier zu *arbeiten*!"
Aufregung durchflutete Julian und sein Herz pumpte verstärkt Adrenalin durch seinen Körper. Er sagte sich, daß der Moment kurz bevorstand und alle Anzeichen auf ein positives Ende hindeuteten und so sammelte er die Waffen der Jem'Hadar auf; vielleicht mußten sie noch ein paar Kämpfe bestehen, doch würden sie schon bald aus diesem Höllenloch entkommen sein! "Garak, wie viele Transtator-Schaltkreise sind noch übrig?" Die personenspezifische Justierung mußte exakt sein - dieser Ausbruch war nur für geladene Gäste.
"Drei."
Rilana nahm den Handphaser; er ergriff das Gewehr und machte sich schnell mit dem Display und den verschiedenen Feuerstärken vertraut. Auf Töten gestellt...exzellent. "Aber", riet er dem Schneider, "arbeiten Sie besser schnell, denn bald werden wir bis über beide Ohren in Jem'Hadar stecken." Und hoffentlich lebten Worf und Martok noch, wenn sie an Bord des Runabout gebeamt wurden. Julian hatte plötzlich ein schlechtes Gefühl was die beiden Klingonen anging und schloß seine Hände fester um das Gewehr. Für einen kurzen Moment erwog er sogar hinauszugehen und nach ihnen zu suchen.
Wenn Garak entbehrlich war, konnte das nur bedeuten, daß Worf seinen letzten Kampf verloren hatte und sie dadurch ihren Status als "mitwirkende" Gefangene. Worf und der General konnten also schon tot sein.
Ein Blick auf Rilanas Gesicht sagte ihm, daß sie das gleiche dachte, sich aber auch entschied, diese Theorie zu ignorieren. Zumindest für den Moment. Sie nahmen eine Defensivposition zu beiden Seiten der Tür ein, Waffen im Anschlag und bereit, jeden Jem'Hadar zu erschießen, der ihnen zu nahe kam.

Noch drei Schaltkreise...wie lange konnte das dauern? Jede Sekunde kroch mit der Geschwindigkeit einer Ewigkeit vorbei; Julian wußte nicht mehr, ob er noch atmete, das Pochen seines Herzens war so laut, daß die Waffe mit jedem Schlag in seiner Hand erzitterte und er seinen Griff verstärken mußte, bis seine Finger schmerzten.
Drei Schaltkreise...es mußten jetzt schon weniger sein! Zwei, höchstens... Er war versucht, nach einem Update zu fragen, doch der beste Weg war ruhig zu bleiben und nicht die Aufmerksamkeit weiterer Jem'Hadar zu erregen. Vielleicht konnten sie ja ganz still und leise verschwinden.
Drei Schaltkreise... Draußen war das Stampfen vieler Füße hörbar, die schnell näherkamen, nun schon in den Korridor einbogen, der an dieser Tür endete... Schwere Stiefel...Rufe...ein klickendes Stakkato sich lösender Sicherheitsschalter vieler Plasmagewehre, unmittelbar gefolgt von dem Chorus schriller Summtöne, als die Waffen auf volles Energiepotential hochgejagt wurden...
Drei Schaltkreise... sein Mantra...ihm war durch und durch kalt, Hände und Herz wie aus Eis, gefroren vor Angst und furchtsamer Erwartung. Drei kleine Schaltkreise -

Die kalte Beleuchtung innerhalb der Baracke löste sich auf, der Felsboden wurde zu Teppich, die Wände aus gehauenem Stein und nacktem Metall zu stromlinienförmigen Schotts in Beige und cremigen Grau. Konsolen blinkten und zirpten in vertrauter Dissonanz...und für einen Moment blickte er mit aufgerissenen Augen um sich in dem Glauben, daß es eine Halluzination sei.
War es aber nicht. Garak war bereits in Bewegung, eilte nach vorne zu den Computerkontrollen und war schon dabei, die essentiellen Systeme zu aktivieren, bevor er noch im Pilotensitz Platz genommen hatte.
An seiner Seite sah er Rilana und sie beide bewegten sich hastig vom Transporterfeld, denn das System kündigte mit einem Warnton die Ankunft weiterer Personen an.
Zweier Klingonen.
Kaum daß der Transporterstrahl ihn freigab, knickten Worfs Knie ein; Martok fing ihn gerade noch rechtzeitig auf und achtete nicht auf das schmerzerfüllte Stöhnen des Starfleet-Offiziers bei dieser unsanften Behandlung.
Julian mobilisierte seine letzten Reserven, eine Leistung, die er dem Adrenalin zuschrieb, und zwang seinen Körper hinüber zu Worf und zu einer kurzen Untersuchung von dessen Verletzungen. Sie waren schwer, aber nicht lebensbedrohlich, und er konnte mit ihrer Behandlung noch etwas warten.
"Bringen Sie ihn in die hinteren Kabinen", wies er Martok an und war fast berauscht von dem Erfolgsgefühl. "Ich werde baldmöglichst nachkommen." Sie leisteten seinem Befehl ohne Widerspruch Folge. Rilana, die an Bord dieses Starfleet-Schiffes nichts zu tun hatte und klug genug war, nicht einfach auf gut Glück irgendwelche Knöpfe zu drücken, half dem klingonischen General, Worfs beeindruckende Körpermaße durch den engen Gang nach hinten zu bugsieren.
Doch Worf hielt nochmals inne und sagte mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen, "Garak..."
Der cardassianische Schneider drehte sich in seinem Sitz um, sichtlich überrascht. Auf seinem Gesicht stand immer noch dick der Angstschweiß und ließ verirrte schwarze Haarsträhnen an seinen Wangen und Brauenhöckern kleben. Trotzdem leuchteten seine Augen voller Zufriedenheit. Und Hoffnung. Erwartungsvoll blickte er Worf an und fragte sich, was wohl als Nächstes kommen würde.
"Sie haben sich gut gehalten", endete Worf.
Für den Bruchteil einer Sekunde lang schien Garak völlig perplex von diesem direkten Lob...und daß Worf es laut aussprach - und *er*, Elim Garak, der Angesprochene war - machte es umso erstaunlicher. Dann neigte er kurz den Kopf und antwortete in einem Ton, der weder neutral noch sarkastisch war, sondern nur einfache, ruhige Ehrlichkeit, "Sie ebenfalls."
Sie brauchten einander nicht zu mögen, aber es war ein neues gegenseitiges Verständnis geschaffen worden, eine gewisse Achtung, der erste Schritt zu einem zögerlichen Waffenstillstand.
Und da war noch etwas, das Julian Bashir verstand: es würde nicht mehr lange dauern, bis sein Körper ihm einfach den Dienst versagte, ihm war schwindelig und in unregelmäßigen Abständen nahm er die Geräusche um ihn herum nicht mehr wahr, Bilder verschwammen... Trotzdem trieb er sich weiter an und stand auf. Hinter dem Pilotensessel stehend, blickte er über Garaks Schulter.
Während seine Hände unablässig über die Kontrollfelder flogen und der Runabout mit einer scharfen Kehrwendung von dem Kometen und der Jem'Hadar-Bedrohung abdrehte, wandte der Cardassianer den Kopf und sah den Menschen an.
Den Freund...den Geliebten, wenn auch nur im Geheimen.
Julian schluckte und versank in den blauen Augen, zum ersten Mal mit einer vagen Gewißheit, daß Sicherheit nicht länger nur ein Traum war. Daß seine Alpträume tatsächlich ein Ende hatten und all das hier auch... Vielleicht sogar einen neuen Anfang.
Ein kurzer, heftiger Hustenanfall schüttelte seinen dünnen Körper und er hoffte, daß das Rauschen in seinen Ohren bald nachließ. Aber erstmal eines nach dem anderen. Die Dringlichkeit der Situation erlaubte niemandem ausschweifende Gedankengänge und Phantasien, zumindest sagte er sich das. Er mußte umgehend Captain Sisko benachrichtigen. Allah mochte wissen, was derzeit gerade auf DS9 passierte! Das Timing seiner Nachricht konnte entscheidend sein. "Maximale Warpgeschwindigkeit, Garak", orderte er und ließ sich in den zweiten Sitz fallen, "wir müssen die Station benachrichtigen."

Die Nachricht abzuschicken war das Letzte, was er tat, bevor er ohnmächtig wurde.
Und er kehrte zu Träumen zurück, die nicht länger dieselben waren. Etwas hatte sich verändert. Zum Schlimmeren.
Er war allein in seinen Träumen.

****************

Fünf Stunden später...

"Doktor?"
Der Runabout hatte DS9 fast erreicht. Bewegungslos lag er auf einem Bett in der kleineren der zwei Kabinen, mit denen dieses Schiff ausgestattet war. Purer Luxus verglichen mit den Wohnverhältnissen, die er gerade hinter sich gelassen hatte.
Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er versucht, etwas zu essen, jetzt wo er nicht mehr auf die Krümel angewiesen war, die ihm die Jem'Hadar gnädigerweise überließen. Nach ein paar Bissen rebellierte allerdings sein Magen. Etwas Suppe, weil Garak darauf bestanden hatte, daß er sich an etwas Heißem und Nahrhaften versuchte...etwas Brot...es war ihm schon Sekunden später wieder hochgekommen. Er fühlte sich hundeelend, müde...doch konnte er nicht schlafen.
In sich selbst ruhend studierte er die Dunkelheit.
Er hatte die Hoffnung gehegt, allein bleiben zu können, bis sie dockten und sich ihm die Chance bot, an der Menge vorbei zur Krankenstation zu schleichen. Dort könnte er hoffentlich einen gewissen Frieden finden.
Frieden.
Jede Art von Frieden wäre ihm recht.
"Ja bitte, Garak?"
Der Cardassianer stand in der Türöffnung, kam aber nicht näher. "Sind Sie...in Ordnung?"
Er seufzte. "Nichts, was ein bißchen Schlaf nicht kurieren könnte. Es geht schon besser, danke." Hatte es zu gereizt geklungen? Vielleicht. Aber warum sollte er sich entschuldigen? Es war doch eh alles sinnlos. Zitternd wiederholte er, "Es wird wieder werden, Garak. Ich werde im Handumdrehen wieder ganz der Alte sein."
Der Schatten, der das fahle aus der Hauptkabine kommende Licht verdeckte, bewegte sich nicht. "Ja...ja, das kann ich wohl sehen."
Julian fuhr hoch und herum. "Lassen Sie mich jetzt alleine, okay? Ich habe Sie nicht um Ihr Mitleid gebeten, oder gar um Ihre Gesellschaft, geschweige denn um irgendwelche Art von Trost!"
"Wohl wahr", gab der Cardassianer zu, denn er wußte es besser als einen Streit zu beginnen. "Und dennoch waren Sie einst willens, genau diese Dinge einem Freund zu geben, obgleich auch er nicht darum gebeten hatte."
Das traf einen Nerv in Julian und er fühlte, wie ihm seine Beherrschung entglitt. "Ich...ich *brauche* es nicht, h-hören Sie?" Die Tränen ließen sich kaum noch hinunterschlucken. "V-verst-stehen Sie, Garak?" Als kein Einspruch kam, sah er auf und fand den Schneider nur noch zwei Schritt entfernt, ein seltsames Glitzern in den von der Dunkelheit fast nachtschwarz gefärbten Augen.
Tränen?
Nein, nur eine Andeutung von Tränen.
Er wollte auch weinen, aber konnte es nicht, da jegliche Empfindungen in seiner Seele eingefroren waren. Und doch war da soviel Stärke in Garaks stiller Trauer (um *ihn*, wurde Julian klar, nicht um sich selbst), soviel Mut - er wünschte sich, daß er nur ein bißchen davon abhaben könnte...damit er um...mehr...bitten konnte...um Hilfe, um...
Seine Augen fielen zu, zogen Dunkelheit über den Anblick von Garak, und er sagte rauh, "Würden Sie mir Bescheid sagen, wenn wir docken? Ich will nämlich so schnell wie möglich wieder an die Arbeit und einige Dinge klären..."
"Sicher." Garaks Stimme war fest. "Noch etwas, Julian?"
Eine simple Frage. Warum brachte er dann keine Antwort zustande? Seine Finger krallten sich so fest in die Matratze, daß seine Hände wehtaten und er vor Anstrengung in Schweiß ausbrach. Den Mund öffnen und...
"Ich...ich will nur meinen Anteil gewöhnlicher Menschlichkeit", flüsterte er. "Ist das zuviel verlangt?"
Eine Weile war da nichts als Stille. "Nein, ist es nicht", bestätigte Garak leise und war dann verschwunden.
Fast - aber auch nur fast - hätte Julian ihm hinterhergerufen und gefragt, ob er bleiben könne, nur für eine Weile. Stattdessen vergrub er sein Gesicht im Kissen und versuchte, sich an die Wüste zu erinnern, die ihm als Kind so vertraut gewesen war. Ihre trockene Hitze, den klaren blauen Himmel und die sengende Sonne, die die Linie des Horizonts verschwimmen ließ und die Kälte der Nacht vertrieb...
Die Wüste, so wunderschön, aufreizend tödlich...und sauber...herrlich sauber...
(_Nutzlos. Schwach. Wie jämmerlich. Nun, bis zu einem gewissen Punkt zeigte er durchaus ein geringfügiges Potential..._)
_Du wirst mich nicht für immer gefangenhalten... Ich bin jetzt auf dem Weg nach Hause...in Sicherheit. In Sicherheit. IN SICHERHEIT!_
"In Sicherheit..."
(_Zerbrechlich...kaum begehrenswert...hilflos..._)

Mit einem gepeinigten Stöhnen setzte er sich auf und rieb sich die brennenden Augen. Wenn er schon nicht schlafen konnte, sollte er diese Zeit wenigstens sinnvoll nutzen und einen Blick auf seine klingonischen Patienten werfen.

*******************

Jeder war glücklich, alles war sooooo wie im Bilderbuch... Die Station war gerettet, man hatte einen Kampf vermieden und zahllose Todesopfer verhindert... Cardassia war nun Teil des Dominion - ein verhältnismäßig kleiner Verlust.
Nebenan konnten Dax und Worf kaum voneinander lassen...und zweifellos versuchte zeitgleich irgendwo auf der Station Ziyal ihre Klauen in Garak zu schlagen.
Er könnte ihn nicht weniger interessieren.

"Vier WOCHEN? Du willst sagen, daß ich über einen Monat mit einem Formwandler rumgehangen habe?"
Typisch O'Brien, alles so klingen zu lassen als wäre es Julians Schuld. Er nickte einmal und nahm den Vorwurf hin, der in der rauhen Stimme des Ingenieurs mitschwang - seines *Freundes*, erinnerte er sich zynisch.
"Du hast niemals auch nur einen Verdacht geschöpft, daß ich es gar nicht war?"
"Nee. Und am schlimmsten ist, daß die Hinweise direkt vor meiner Nase waren!" Als ob es ihm peinlich sei, sah O'Brien weg und stützte sich auf den Tisch, die rechte Hand in die Hüfte gestemmt.
"Was für Hinweise?" Vielleicht sollte er besser nicht fragen, warf er sich im nächsten Moment vor, denn vermutlich würde ihm die Antwort nicht gefallen.
O'Brien schluckte, schnaufte einmal vor Unbehagen und trat mehrmals wie in einem Mini-Cha-Cha-Cha von einem Fuß auf den anderen, bevor er sagte, "Nun, fürs erste war es viel einfacher mit dir...mit ihm klarzukommen..."
Was sollte er auf solch ungeschminkte Ehrlichkeit noch erwidern? O'Briens Bemerkung hätte amüsant sein können, wenn dieser Rollentausch für ihn nicht so viele Schrecken beinhaltet hätte, Dinge, die seine Freunde und Kollegen nicht einmal erahnen konnten...und sie zogen vermutlich auch nicht in Erwägung - oder hatten einen Verdacht - daß die letzten fünf Wochen für Julian Bashir nicht so angenehm verlaufen waren wie für sie.
Wenn man ihn im Dominion Hilton untergebracht hätte, könnte er jetzt vielleicht lachen.
Doch angesichts der brutalen Wahrheit wandte er sich ab. Er konnte O'Briens Anblick nicht ertragen, empfand plötzlich tiefe Abscheu, als er in das Gesicht seines Freundes sah. Wie konnte er es wagen, Witze zu machen... Nun, er wußte es einfach nicht besser. Wer konnte sich schon vorstellen...? Und wer konnte das Geschehene auch nur ansatzweise verstehen?
Er brachte nur einen unbestimmten Laut über die Lippen.
O'Brien ging und Julian spürte deutlich seine Erleichterung, endlich die Krankenstation verlassen zu können, von ihm fortzukommen.
Er konnte es ihm schwerlich verübeln. Gerne würde er dasselbe tun, sich umdrehen und fortlaufen, nur war das für ihn nicht möglich.


Epilogue:

In eine Dampfwolke gehüllt trat Julian aus der Dusche, am ganzen Körper zitternd. "Computer, Raumtemperatur um fünf Grad Celsius erhöhen", rief er durch sein Zähneklappern hindurch und rubbelte sich heftig mit dem großen, weichen Frottee-Badetuch ab.
Auf DS9 war es mitten in der Nacht und so müde wie er auch war, Schlaf lag immer noch außerhalb seiner Reichweite. Jetzt war er zum dritten Mal von seinen eigenen Schreien aufgewacht, aus dem eisigen Abgrund seines wiederkehrenden Alptraums gerissen worden. Zum dritten Mal war er in die Dusche gestolpert, getrieben von Panik, um den Schmutz und die Gerüche fortzuwaschen, die an ihm klebten.
Aber hauptsächlich, um _warm_ zu werden! Zum dritten Mal, daß er -
"Oh." Übelkeit kam auf und sein Magen zog sich sofort zusammen, als er durch die Dampfschwaden blinzelte. Auf dem Handtuch war Blut, schwache hellrote Flecken auf dem schneeweißen Stoff. Er berührte sein Gesicht, zog die Hand fort und betrachtete die Blutstreifen auf seiner Handfläche; die Platzwunde an seiner Wange brannte mit frischem Schmerz, jetzt wo sie versehentlich durch Duschgel und heißes Wasser wieder geöffnet worden war.
Er hätte vorsichtiger sein sollen.
Warum war er es dann nicht gewesen?
Etwas vorsichtiger betupfte er seine Wunden. Es waren einfach zu viele und er hatte sie nicht alle von seinen Mitarbeitern behandeln lassen. Genauer gesagt hatte er nur die leichtesten Verletzungen angegeben.
Und die verbliebenen hörten nicht auf wehzutun...auf vielerlei Art.

An einem dieser Tage würde er sich die Zeit nehmen und seine Verletzungen heilen, allein und unbeobachtet, bei Nacht, wenn die Krankenstation leer genug war.
Ja, das würde er tun.
In irgendeiner Nacht.
Nicht heute Nacht.

Ein Blick in den Spiegel, beschlagen wie er war von kondensiertem Dampf, sagte ihm, daß er schlafen sollte, essen sollte, daß er - "Mit jemandem reden sollte", murmelte er tonlos.
Doch er konnte es nicht.
Allerdings war er so entsetzlich müde.
Er war in der Hölle gewesen und danach sah er auch aus.

In das Handtuch gehüllt tappte er zurück in das dunkle Schlafzimmer, wo seine Augen fieberhaft nach verdächtigen Bewegungen in den Schatten suchten, sein Fluchtinstinkt überlagerte alle anderen. Er war allein, außer ihm war niemand sonst hier.
Sein Atem entwich als angespannter Seufzer, bloß fühlte er sich nicht sonderlich besser. Und auch nicht sicher. Die Dunkelheit, an die er sich so gewöhnt hatte, war eine geringfügige Beruhigung und nicht von bleibender Bedeutung.
Sie konnte ihn nicht vor den Dämonen beschützen, die ihn heimsuchten, kaum daß er seine Augen schloß, wann immer er den Raum verließ und in das Licht das Tages hinaustrat.
Deshalb zog er es vor hierzubleiben. Hier konnten sie ihm nichts anhaben, hier war es dunkel und warm...oder nicht? Sich Schweiß vom Gesicht wischend, setzte er sich auf die Bettkante, als seine zitternden Beine ihn nicht länger tragen wollten. Verwirrung und Verärgerung fädelten sich wie dicke Nebelschwaden durch sein Gehirn, seine Nerven sandten eine Unmenge widersprüchlicher Informationen...und er wußte einfach nicht mehr, was er noch glauben sollte. Egal was das Thema war. Er schwitzte stark...aber es war doch *kalt* hier drinnen, oder? War die Wärme nur eine Illusion?
Ein heiseres Schluchzen stieg in seiner Brust auf. Oh, er war so müde, so entsetzlich müde!
Verzweifelt nach Wärme suchend, zog er das feuchte Handtuch noch enger um seinen Körper, zog sich unter die Decken zurück. Er bemerkte nicht, daß sein Haar noch klatschnaß war, als er seinen Kopf auf das Kissen sinken ließ. Mehrere Minuten lang lag er nur da - oder waren es Stunden? - so lange wie es dauerte, die Kälte zu bloßer Kühle zu reduzieren. Diesmal würde er nicht einschlafen, würde nicht wieder in *jene* Falle tappen! Er wußte, was geschehen würde, wenn er einschlief...und träumte... Nein, er mußte vorsichtig sein...wachsam...sich keine Blöße geben, ohne Verteidigung... Ein schwaches Lächeln spielte um seine Lippen. Er würde sie überraschen. Ja...oh, ja! Wenn der Angriff kam, würde er wachsam sein, bereit zu kämpfen, etwas das sie sicher nicht erwarteten. Es würde eine gelungene Überraschung sein.
Mit weit geöffneten Augen lag er da, abwartend...erwartungsvoll...

"Die Uhrzeit ist 0600. Sternzeit 50572.5. Datum laut Erdkalender ist der 10. Februar 2374. Sie haben drei neue persönliche Nachrichten. Keine Prioritätsnachrichten wurden gestern nach 2205 empfangen. Ihr heutiger Tagesplan: 0800 - Besprechung der Senior-Offiziere im Konferenzraum. // 0830 - Fähnrich Jen No'Kae; Breitband-Impfung, Therapie Alpha. // 0915 - Lt.-Cmdr. Tabor Narys; Wirbelsäulenoperation nach multipler Wirbelfraktur aufgrund eines Sportunfalls. // 1400 - Ihre erste Sitzung mit Counselor Tellnori, Habitatring, Sektion F3-Gamma, Quartier 42. // 1615 - Lt. Jenna Angeletti; Nachuntersuchung zu ihrer Operation. // 1645 - Mr. Morn;...."

Sein erster Tag zurück.
Oder war es sein zweiter? Vielleicht auch der dritte...?
Er hatte keinerlei Erinnerung an die letzten Tage, an seinen Bericht, die endlosen Fragen, die mißtrauischen Blicke und entrückten Gesichter auf der anderen Seite des Konferenztisches. Nichts konnte ihn berühren, das Eis brechen, in dem er an einem bestimmten Punkt im Strom der Zeit festgefroren war.
In der Vergangenheit.
Im Licht.

Er schlüpfte in seine Uniform - die von gestern - und hielt sich gar nicht erst mit Rasieren auf, sondern klatschte sich nur etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Anschließend zog er noch einen Kamm durch Haare, die vom Kopfkissen zu brillanter Unordnung gestylt worden waren. Das Bett blieb ungemacht. Er bemerkte es nicht einmal.
Der Turbolift brachte ihn bis in die Nähe des Konferenzraumes. Auf dem Weg traf er Kira und Dax und die Unterhaltung der beiden Frauen kam bei seinem Anblick zu einem abrupten Ende. Sie wahrten ihren Abstand, vermieden es, seinen Blick zu erwidern...vermieden *ihn*, bemerkte er mit schmerzhafter Klarheit. Sie *vertrauten* ihm nicht...wahrscheinlich eine Nachwirkung dieser Formwandler-Scharade, auf die sie so komplett reingefallen waren.
Es sollte wehtun, wußte er, doch überraschenderweise war das nicht der Fall. Ganz und gar nicht.
Nun, wenn es *sie* nicht kümmerte, warum sollte es ihn kümmern? Und wenn er sich selbst nicht vertraute, warum sollten sie es dann tun?
Irgendwie schien es ihm passend...

Sisko eröffnete die Sitzung.
Julian war so müde, so müde.
Er hatte keine Ahnung, worüber sie redeten; glücklicherweise mußte er nichts sagen.
Ihm entwich ein schwacher Seufzer, wie er in seinem Stuhl seitwärts rutschte und Unbehagen und Rastlosigkeit wuchsen exponentiell. Dies hatte alles keinen Sinn, es gab für ihn *Arbeit* zu tun!
Anschließend führte ihn sein Weg in die Krankenstation. Niemand, auch nicht Miles O'Brien, richtete ein einziges Wort an ihn. Alle hielten Abstand. Er könnte sich an diese seltsam beruhigende Stille in dieser seiner neuen Welt gewöhnen.

Ihm war kalt, aber vielleicht würde er sich mit der Zeit auch daran gewöhnen und ebenso an den Schmerz.
Es würde besser werden, ja, das würde es.
Ihm würde es gutgehen und alles würde wieder normal sein. Ja, das würde es.

Eines Tages.
Nicht heute.


ENDE
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