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III. Dunkle Zeugung

von Racussa

Im Bereitschaftsraum

Wenn es dem Captain nicht gut geht, hilft auch ihm die Counselor. Mit guten Worten und heißer Schokolade kann aber nicht jedes Problem gelöst werden.

Die kretische Scherbe in seiner Hand war mit schwarzen und roten Schriftzeichen bedeckt. Picard wog sie und fuhr mit dem Finger über die raue Oberfläche. Da wandte er den Blick zu dem Aquarium seines Bereitschaftsraums.

 

Das nervtötende Klingeln signalisierte ihm, dass jemand ihn sprechen wollte.

 

„Herein.“

 

Als er Deanna sah, ließ er die Scherbe sinken. „Counselor, was kann ich für Sie tun? Möchten Sie sich setzen?“

 

Während Deanna auf dem seinem Schreibtisch gegenüberliegenden Sessel Platz nahm, setzte er sich auf seinen eigenen Sessel.

 

„Captain, ich habe mit Guinan gesprochen. Sie hat mir von dem Ausflug auf DS9 erzählt.“ Deanna faltet die Hände und lehnte sich zurück.

 

Picard legte die Scherbe auf den Schreibtisch: „Und jetzt wollen Sie mich rügen, weil ich mich nicht entspannt habe? Es tut mir leid, Counselor, aber mit Blick auf das bevorstehende Treffen bin ich wenig dazu angetan, Freizeit zu genießen. Und DS9 ist ein Nest von Spionen und Halsabschneidern. Guinan hat Ihnen sicher erzählt, dass auch der Cardassianer Garak da war; gut er ist nicht Gul Madred, aber seit Celtris III läuft mir immer ein kalter Schauer den Rücken hinunter, wenn ich Cardassianer sehe. Und nein…ich möchte nicht darüber reden. Denn es gibt genug Diplomaten der Föderation, die für den Dialog mit der Cardassianischen Union eingeteilt sind, ich muss dafür nicht eingesetzt werden.“

 

„Dann,“, sagte Deanna, „Lassen Sie uns über Grilka reden.“

 

Picard schaute nachdenklich zum Aquarium. Deanna setzte fort:

 

„Sie hat mit ihrem Haus tapfer für das Klingonische Reich gekämpft, ist wirtschaftlich erfolgreich – und abgesehen von ihrer zweiten Ehe – eine sehr selbstständige Frau. Es war nicht verwunderlich, dass Kanzler Gowron sie auf diplomatische Missionen schicken wird.“

 

Picard stand auf, ging zum Replikator und befahl: „Eine heiße Schokolade mit Koksraspeln und ein Earl Grey, heißer als die Schokolade.“ Mit dem typischen Glitzern replizierten sich die beiden Getränke in den passenden Tassen. Er stellte die heiße Schokolade für Deanna ab und ging dann zurück zu seinem Sitz. Nachdem er sich gesetzt hatte, trank er bedächtig einen Schluck des Tees. „Wussten Sie, Deanna, dass man früher auf der Erde echte Teeblätter mehrere Minuten in heißem Wasser einweichen mußte, bevor man dieses Aroma und diesen Geschmack erzeugen konnte?“

 

Deanna schüttelte den Kopf. „Möchten Sie vom Thema ablenken, Captain?“

 

„Nein, hinführen. Frühere Generationen haben sich viel Zeit genommen…oder sie haben viel Zeit gebraucht für viele Dinge, die wir heute in Sekundenschnelle zur Verfügung haben. Deshalb liebe ich die Archäologie: Sie lehrt uns den Wert der Langsamkeit und die Vergänglichkeit all dessen, was wir heute um uns herum sehen. Was wird von uns bleiben? So eine Scherbe? Was ist mit dem Leben des Töpfers, der das Gefäß geformt hat, mit dem Maler, mit dem Holzfäller der das Brennmaterial besorgt hat? Hat sich eine Frau gefreut, als ihr Mann ihr diese Vase geschenkt hat? Oder hat sie das Geschenk ihrer Schwiegermutter absichtlich fallen lassen, als sie nach der damaligen Arbeitsaufteilung das Haus putzen mußte? Diese Scherbe ist das Zeugnis von so vielen Leben, aber sie schweigt jetzt, wenn ich sie in Händen halte.“

 

Deanna nahm einen Schluck von der heißen Schokolade und gab unwillkürlich einen leisen Schnurrlaut von sich. „Jean-Luc, ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen? Die Zeit, die wir durch die Beschleunigung von Herstellungsprozessen gewinnen, können wir in unsere Kontakte mit anderen investieren, in das Studieren oder einfach nur in die Entfaltung unserer Phantasie. Ist das schlecht? Und was hat es mit Grilka zu tun?“ Sie trank noch einen, diesmal größeren Schluck.

 

Picard hielt die Teeschale knapp unter seiner Nase und sog den herben Duft ein: „Counselor, was ist, wenn die Gewohnheit der Schnelligkeit bei der Produktion von Materie auch unser Denken verändert? Wenn wir meinen, Vertrauen, Freundschaft, Treue ließe sich so leicht und auf Befehl replizieren wie ihre Schokolade? Grilka vom Haus der Grilka hat einen Ferengi geheiratet? Einen Ferengi! Erinnern Sie sich, was diese Großohrigen mit der Enterprise gemacht haben. Grilka hat gegen die Föderation gekämpft, wissen Sie noch, wie viele von uns in diesem Krieg gestorben sind? Zu der Zeit, als auf der anderen Seite das Dominion schon bereit stand? Ich habe Freunde in diesem Krieg verloren, Kameraden von der Sternenflottenakademie. Bin ich der einzige, dem sich hier zu schnell zu viel ändert. Feinde von gestern werden ohne jede Prüfung zu Freunden und Verbündeten? Und selbst Romulaner gehen jetzt auf der Station umher, als wären wir im Imperium. Wissen Sie noch, wie Sie damals auf der Kahzara waren, als Tal’Shiar-Agentin?“

 

Deanna stellt ihre Tasse ab, in der nur noch ein kleiner Schluck war. „Captain, ich habe all diese Dinge nicht vergessen. Ich verstehe, dass Sie – auch aufgrund Ihrer Lebenserfahrung – manchem Frieden misstrauen. Aber sehen Sie mich an: Ich habe gegen Lursa und Betor gekämpft, aber ich habe auch mit Worf gehofft; ich habe unter den Ferengi gelitten wie Sie, als sie uns damals besetzten, aber ich war auch in der Auswahlkommission für Nog, den Sohn des hiesigen Barkeepers, als er sich als erster Ferengi in die Sternenflottenakademie bewarb. Ich habe mit Ihnen gegen die Borg gekämpft – und ich weiß, dass das jetzt sehr gewagt ist – aber ich würde auch, wenn ein noch mächtigerer Feind auftritt, an der Seite der Borg gegen diese neue Bedrohung kämpfen. Leben ist immer dynamisch, die Verhältnisse zueinander verändern sich und erst…“, dabei berührte sie die Scherbe, „…erst wenn wir tot sind, wird uns ein endgültiger und nicht mehr veränderbarer Zustand zuteil.“

 

Picard stand auf und ging zu der Topfpflanze neben dem Aquarium, er streichelte eines der Blätter: „Ich würde nie an der Seite der Borg kämpfen. Denn Menschsein heißt leben, und Assimilierung ist das Ende des Lebens, wie wir es verstehen. Es sind lebende Tote, gleichgeschaltet und aufgesogen in ein uniformes Kollektiv. Aber ich verstehe, was Sie mir sagen wollen…Ich möchte, dass Sie dabei sind, wenn ich Grilka empfange. Worf wäre jetzt ein guter Ratgeber, aber er ist nicht hier. Ich werde sachlich mit ihr verhandeln; und Sie werden mich darauf hinweisen, wenn ich zu kritisch bin. Nehmen Sie die Scherbe!“

 

Deanna blickte ihn erstaunt an.

 

„Wenn Sie die Scherbe auf den Boden fallen lassen, dann weiß ich, dass ich mich zurücknehmen muss…Gibt es noch etwas?“

 

Deanna nahm die Scherbe und betrachtete sie. Dann sagte sie: „Captain, ich weiß, dass Sie jetzt viele andere Sachen zu bedenken haben, aber nach Grilkas Besuch möchte ich empfehlen, dass Sie ein vertrauliches Gespräch mit Beverly führen.“

 

Picard drehte sich erstaunt um und ließ das Blatt los: „Gibt es ein medizinisches Problem?“

 

Deanna schüttelte den Kopf. Sie stand auf, steckte sich die Scherbe ins Dekolleté und kam zu Picard. „Es ist ein familiäres Problem. Wesley ist in Schwierigkeiten. Sie sind für Beverly auch ein brüderlicher Freund und für Wesley wie ein Vater. Möglicherweise können Sie helfen.“

 

Picard blickte sie fragend an: „Ich? Wesley hat sich selbst dafür entschieden, die Akademie zu verlassen. Meines Wissens arbeitet er jetzt im wissenschaftlichen Dienst der Föderation. Was ist los? Gibt es Nachwirkungen seiner seltsamen Zeit bei diesem mysteriösen Reisenden?“

 

„Es gab einen Vorfall mit einem Shuttle.“

 

Picard zuckte zusammen. Er wandte sich zum Aquarium um, doch Deanna legte ihm die Hand auf die Schulter: „Keine Sorge, ihm ist nichts passiert. Es war kein Unfall und er ist bei bester Gesundheit. Er hat mit einem Kollegen ein Shuttle modifiziert … mit einer Tarnvorrichtung. Und er hat Laborausrüstung aus einem Klasse 6 Labor entwendet. Er weigert sich, zuzugeben wo das Material ist. Vielleicht könnten Sie jemanden bei der Sternenflottensicherheit kontaktieren? Beverly würde nie darum bitten, aber…“   

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