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Vermissen oder Hoffen?

von SF-IA

2 - Kamikaze

»Ich hoffe, Sie sind noch am Leben, Jean-Luc«, rief Shinzon in einer Mischung aus Hoffnung und Verachtung.

»Ja, sicher doch, das bin ich«, hallte es durch den Schiffslautsprecher der Scimitar.

Es war unglaublich, wie widerspenstig dieser Mensch doch war, aber seine Stimme zu hören, war befreiend für Shinzon. Es wäre überaus unerfreulich gewesen, wenn der Captain noch vor dem Blutaustausch verstorben wäre. Natürlich hatte er sich von Anfang an gedacht, dass es kein Kinderspiel werden würde, Picard zu bekommen, schließlich trug er dasselbe Blut in sich; er war eine ebenso starke Kämpfernatur, nur war er inzwischen in die Jahre gekommen. Diese respektlose Schadenfreude, in der ihm der alte Mann geantwortet hatte, grenzte an eine närrische Unverschämtheit, die Shinzon keinesfalls tolerieren konnte. Eigentlich genoss der Remaner die Herausforderung, die Picard darstellte, doch der Mangel an Zeit und die ansteigenden Schmerzen, die seinen Körper in immer kürzeren Abständen zum unkontrollierten Erzittern brachten, ließen die Freude an der Hetzjagd bis auf ein Minimum abschwellen.

Die Prozedur hätte schon längst vollzogen sein sollen. Er durfte die Transfusion nicht länger aufschieben, darauf hatte ihn auch sein Stellvertreter zum wiederholten Male hingewiesen. Nachdem es Shinzon schon einmal gelungen war, Picard von einer voll intakten Enterprise zu entführen, war es unproblematisch, ihn erneut auf die Scimitar zu holen, nachdem die Enterprise inzwischen auseinanderzufallen drohte. Er hatte seinen Anspruch auf Picards Blut schon offenkundig erhoben, also wusste Jean-Luc, um was es ihm ging. Es gab keine Möglichkeit für Picard, diesen Tag lebend zu überstehen. Nicht einmal die nächste Stunde sollte dem Menschen vergönnt sein. Es war an der Zeit, das Blut des ausgedienten Mannes in einen kraftstrotzenden, jungen Körper zu transfundieren. Und das war erst der Anfang; das Einläuten einer neuen Ära für das Romulanische Sternenimperium stand bevor.

»Meinen Sie nicht, dass es an der Zeit ist, sich zu ergeben? Warum soll der Rest Ihrer Crew sterben müssen?« Eigentlich war seine zweite Frage nichts anderes als eine lächerliche Farce. Beide wussten, dass Shinzon die Crew nicht verschonen würde, selbst wenn Picard sich ausgeliefert hätte. Zumal er bereits seine Absicht, mit dem Thalaron-Generator in nur wenigen Tagen sämtliches Leben auf der Erde zu vernichten, offengelegt hatte.

»Shinzon«, antwortete Picard und schien dabei auf die Wahl seiner Worte genauestens zu achten, »ich glaube nicht, dass ich Ihnen je von meiner ersten Beurteilung in der Akademie erzählt habe, insbesondere hielt man mich für überheblich.«

Scheinbar fiel seinem biologischen Ebenbild - seinem Urheber - nichts besseres ein, als ihn mit einer Anekdote aus seiner Ausbildungszeit zu langweilen. Etwas, das Shinzon gewiss nicht interessierte. »Captain, wirklich, ich höre Ihrem Geplauder gern zu, aber ich glaube nicht ...«

Die Komm-Verbindung wurde seitens der Enterprise beendet. Der Abbruch kam einem jämmerlichen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht gleich, der Shinzon nichts anhaben konnte. Doch er schürte die Wut auf Picard und diese verdammten nichtsnutzigen Menschen, die ihn nach Romulus begleitet hatten. Sie wären die ersten, die eine Demonstration seiner ungeheuren Macht zu spüren bekämen, nachdem er sich Picard vorgeknüpft hatte. Die Zeit des Redens war nun endgültig vorbei.

Er schenkte dem beschädigten Föderations-Flaggschiff ein boshaftes Lächeln und wollte gerade eine Reihe von Befehlen geben, um die Entführung des Captains sowie die Zerstörung der Enterprise anzuweisen, als sich das Schiff wider Erwarten in Bewegung setzte.

Das Schiff näherte sich allmählich der Scimitar, und Shinzon schob sich in seinem Thron nach vorne, um sich den auf den Schirm projizierten Bildern zu vergewissern. Doch es war keine Einbildung, die Enterprise hatte tatsächlich ihren Antrieb aktiviert und steuerte direkt auf den remanischen Warbird zu - auf seinen Warbird.

Fragende Blicke seiner Untergebenen trafen ihn. Keiner auf der Brücke konnte seinen Augen trauen. Dieses Himmelfahrtsmanöver hatte niemand vorausahnen können - außer Shinzon. Wenngleich die Enterprise schwer beschädigt war, so würden allein die Kräfte der Kollision gravierende Schäden und Opfer auf der Scimitar zur Folge haben.

»Hart backbord!«, schrie Shinzon wütend und aufgeregt. Er musste den Zusammenprall irgendwie verhindern, doch die starke Beschleunigung der Enterprise machte es wohl unmöglich, den Warbird noch irgendwie aus deren Flugbahn zu manövrieren.

Trotz der aktiven Trägheitsdämpfer spürte er, wie das Schiff den Flugwinkel veränderte. Sein Körper wurde durch die einwirkenden Fliehkräfte leicht zur Seite gedrückt. Als das Föderationsschiff bedrohlich nahe war und schon fast den gesamten Hauptschirm einnahm, suchte Shinzon intuitiv nach einem Halt, um beim Aufprall nicht aus seinem Thron geworfen und unberechenbar auf der Brücke umher katapultiert zu werden.

Ein markerschütternder Schlag erfasste das Schiff, welches gut dreimal so groß war wie die Enterprise. Mit ohrenbetäubendem Getöse schlug das Föderationsschiff auf die Außenhülle und bohrte sich wie ein kräftig geschlagener Keil wuchtig durch den Bug des Schiffes.

Trotz aller Bemühungen wurde Shinzon von seinem Thron geschleudert. Er spürte das Beben des kalten Metallbodens auf seinem Körper, als er über das Deck rutschte. Die Scimitar wurde von der Enterprise aufgerissen, als bahnte sich das Schiff mit Hilfe scharfer, spitzer Zähne seinen Weg durch die Außenhaut und ließ nicht locker. Schiffsweit wurden Energie- und Versorgungsleitungen zerfetzt, explodierten und versprühten gelbrötliche lodernde Funken aufgrund der ungeheuren Kraft, mit der die Enterprise sich immer weiter ins Innere hindurch fraß.

Auf der Brücke flackerte das stark getrimmte Licht. Durch den Druck auf die Schiffshülle wurden selbst auf der Brücke Leitungen herausgerissen und ließen keinen Zweifel am desaströsen Zustand der Scimitar.

Nach einer Ewigkeit verschwand das widerwärtige Geräusch, das bei der Verschmelzung beider Raumschiffe allgegenwärtig war und auch die Erschütterungen verebbten endlich. Benommen richtete sich Shinzon auf. Er hatte sich mehrfach den Kopf angeschlagen, nachdem er das Gleichgewicht verloren hatte und wie eine Marionette über den Boden geschliffen wurde. Doch nun war er wieder Herr über seinen Körper und setzte sich leicht wankend zurück auf seinen Thron.

Mit dieser Aktion war Picard zu weit gegangen, und das würde Shinzon nicht auf sich sitzen lassen. »Alle Energie zum Antrieb umleiten. Volle Kraft zurück!«, befahl er mit eiskalter Stimme, die die Luft auf der Brücke zu durchscheiden vermochte. Keiner seiner Untergebenen wagte es, die Gefahren und die Risiken dieser Anweisung anzusprechen, sondern leisteten ihm ohne Widerspruch folge. Ihm waren die Konsequenzen gleichgültig, die das Zurücksetzen des Schiffes mit sich brachten, er wollte nur noch diesen verdammten Duranium-Tritanium-Haufen nicht länger wie einen Dorn in seinem Schlachtschiff stecken haben.

Unmittelbar nachdem die Achterdüsen gezündet hatten, setzte das laute Schaben wieder ein und das Schiff wurde von weiteren Erschütterungen heimgesucht. Die Scimitar schaffte es, sich von diesem Plagegeist loszureißen und schob sich langsam weg von der Enterprise.

Dann setzte der Schmerz wieder ein. Völlig unvorbereitet wurde Shinzon von quälenden Krämpfen und einem nicht auszuhaltenden Stechen im Kopf befallen. Er senkte ihn und vergrub das Gesicht hinter seinen Unterarmen. Die zu Fäusten geballten Hände streiften über seinen kahlen Schädel. Er spürte, dass nicht mehr genug gesundes Blut durch die Gefäße transportiert wurde. Die enorme Anstrengung und der Stress, dem sein Körper bei der Kollision ausgesetzt war, hatten ihm sehr stark zugesetzt und lieenß die Arterien aufquellen. Sein Herz schlug rasanter als je zuvor und pumpte so stark es nur konnte, seine Augen waren angeschwollen, und als er beide Hände flach auf den Kopf legte, konnte er die vielen verzweigten Blutbahnen ertasten, die kurz davor waren, hinter der angeschlagenen, zerfallenen Haut herauszubrechen. Zweifelos waren die wuzelartigen, blau-grünen Fasern für jedermann in der Nähe deutlich erkennbar.

Dabei war es so einfach: er brauchte nur das gesunde, echte Blut von Captain Jean-Luc Picard, dann wäre der ganze Horror vorbei. Nie wieder müsste er diese Qualen erleiden, wenn ihm endlich das allesentscheidende Lebenselixier zugeführt werden würde, nach dem er sich sehnte.

»Disruptoren funktionieren nicht, Sir«, rief der Remaner von der taktischen Station aus. Diese Aussage zerschlug seinen Plan endgültig und rückten die Chance aufs Überleben in unerreichbare Ferne. Der Augenblick war gekommen, an dem alles belanglos wurde. Das persönliche Wohl, die eigene Gesundheit hatte den obersten Rang verloren und nun galt es, das Beste aus der Situation zu machen. Es ging nicht mehr um Picard, oder dessen Blut, sondern nur noch um das, was für das Imperium am wichtigsten war. Eine Ausrottung der menschlichen Rasse, damit die Remaner ihren auserkorenen, berechtigten Platz als Herrscher über die Galaxie einnehmen konnten.

»Entfaltet das Waffensystem! Tötet alles auf diesem Schiff, dann nehmt Kurs zur ErdeA Wir müssen unsere Mission zu Ende bringen!«

Der Thalarongenerator wurde mit Ausführen der Startsequenz über eine dafür vorgesehene separate Eingabekonsole aktiviert. Trotz der offensichtlichen Beschädigung der Scimitar gab der Schiffscomputer ein positives Feedback zurück: »Matrix eingeleitet ... Sequenz für Thalaronstrahlungstransfer aktiviert.«

Wenigstens das Herzstück der Scimitar war noch funktionstüchtig. In wenigen Minuten würde der Strahlungstransfer abgeschlossen und die Waffe einsatzbereit sein. Mit der Zerstörung der Enterprise würde die Geschichte ihren Lauf nehmen. Wenngleich Shinzon nicht viel von der baldigen Herrschaft der Remaner über die Galaxis miterlebte, so wäre sein Name zumindest für immer in den Geschichtsbüchern und auf dem Versammlungsplatz vor dem Senatsgebäude in Stein oder vielleicht sogar Latinum verewigt.

Shinzon lehnte sich erleichtert in seinem Thron zurück und starrte stur hinauf an die Decke, ohne ein genaues Ziel zu fixieren. »Für manche Ideen lohnt es sich zu sterben, nicht wahr, Jean-Luc?«, rief er voller Selbstgefälligkeit und wünschte sich, dass Picard diese Botschaft empfing. Die beiden verband so viel, er würde es gewiss verstehen.

»Thalaron-Intermix-Prozedur eingeleitet ... Einsatz von Zielarmen beginnt«, informierte der Schiffscomputer über den Status der Waffe, während die remanischen Offiziere das Prozedere überwachten.

Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck stellte sich Shinzon bildlich vor, wie sich die Flügel der Scimitar soeben in spinnenartige Arme verwandelten und er konnte sich ebenso gut denken, dass der Anblick dieser Transformation aus Sicht der Brücke der Enterprise Captain Picards Magen umdrehte.

Die wohl intensivste aller Emotionen, die gerade in Shinzon herrschte, war die Genugtuung, die er gleich empfinden würde, wenn er die Waffe auf die Enterprise abfeuerte. Auch wenn er es niemandem gegenüber eingestanden hätte - nicht einmal sich selbst - so fühlte er in seinem tiefsten Inneren wahnsinnige Freude dabei, seine Vergeltungslust mit dem Tod von Captain Jean-Luc Picard in jeglicher Hinsicht zu befriedigen. Er selbstwar der Stärke von ihnen, und nur weil Picard ein listiges, unerwartetes Manöver durchgeführt hatte, änderte es nichts an Shinzons Machtposition.
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