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Ein Tag, wie jeder andere nicht

von MaLi

Kapitel 1

Ayel schlug die Augen auf. Ein breites Grinsen, dass nur ihm alleine gehörte, zog sich über sein Gesicht. Heute war sein Tag; seiner, ganz alleine. Heute vor 29 Jahren hatte sein Vater gejubelt, weil er einen zweiten Sohn bekommen hatte, hatte seine Mutter geweint vor Glück, weil auch ihr drittes Kind gesund und so hübsch war. Heute vor 29 Jahren hatte er seinen Namen bekommen, Geschwister, Eltern, ein zu Hause. Er hatte Geburtstag.

Langsam hielt das Leben auf der Narada Einzug. Es war Donnerstag, ein ganz normaler Arbeitstag. Leise murrend und seufzend kamen die Kumpel aus dem Schlaf hoch, rieben sich die Augen, gähnten und setzten sich auf. Livis schlummerte noch und Ayel fragte sich für eine Sekunde, ob er sich an diesem speziellen Tag wohl die Freiheit nehmen dürfte, sie zu wecken. An seinem Geburtstag würde sie ihm bestimmt keine knallen! Oder doch? Noch während er abwägte, schlug sie die Augen auf und blickte ihm direkt ins Gesicht.

Ayel fuhr zusammen, drehte den Kopf dem Oberbett zu und beruhigte sein Herz. Die Schmetterlinge wirbelten vor Schreck so heftig in ihm durcheinander, dass er für kurze Zeit befürchtete, sich übergeben zu müssen oder in Ohnmacht zu fallen. Er hörte sie leise durch die Nase lachen und aufstehen. Ayel hingegen konnte keinen Muskel rühren.

Livis wusste nicht, dass er auf sie stand. Nun, vermutlich doch; dafür benahm er sich einfach zu tollpatschig in ihrer Gegenwart. Aber die anderen wussten es nicht und das war, wie er fand, auch gut so. Er kam sich selber schon dumm und dusselig vor, wie ihm in ihrer Gegenwart die Stimme zitterte, wie er grün wurde, wenn sie ihn ansprach und wie seine ganze Motorik versagte, wenn er mit ihr zusammenarbeiten sollte.
Erst als sie den Gemeinschaftsschlafsaal verlassen hatte, quälte er sich selber aus dem Bett.

„Morgen, Ayel!“
Viele Grüsse erreichten seine Ohren, auch ein Kissen das punktgenau traf, doch keine Gratulation. Die schlafen noch halb, entschuldigte er seine Freunde und warf das Kissen zurück. Es traf den verpennten Piri mitten ins Gesicht. Der lachte, gähnte und legte es zurück auf dessen angestammten Platz auf der Matratze. Ayel streckte ihm die Zunge raus, liess sein Bett zur Feier des Tages unordentlich zurück und schlurfte in die Kantine. Gefrühstückt wurde im Pyjama, da man nach dem Essen ohnehin gleich in die staubige Grubenkluft steigen würde.

Livis war schon dort und ass, doch Ayel setzte sich mit seinem warmen Getreidebrei bewusst zu Torre, Kim’tal und Komra. Wenn er seiner Angebeteten gegenüber sass, brachte er regelmässig keinen Bissen runter.
„Morgen“, grüsste er die Runde und setzte sich.
„Morgen, Ayel“, nickten sie freundlich zurück und nahmen ihr Gespräch wieder auf.
Bald gesellten sich auch Selimon, Javaid und Piri zu ihnen. Noch niemand hatte ihm gratuliert. Ayel versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.

***

Wie gewohnt blieben sie nach dem Essen sitzen und warteten darauf, dass Rurek von Oren zurückkam und den Arbeitsplan für den Tag mitbrachte. Der 1. Offizier und Steiger hatte keine grossen Neuigkeiten; sie würden wieder in den selben zwei Gruppen wie gestern arbeiten. Die Lagerstätten waren klein und ihre Mission bald zu Ende. Bereits in wenigen Tagen würden sie wieder die Heimreise antreten. Nur etwas verkündete Rurek, das gestern noch nicht auf dem Program gestanden hatte: Er schickte Ayel zu Oren.

Aufgekratzt und neugierig zugleich rutschte Ayel von seinem Stuhl, überreichte Koch Melek seine Schüssel und flitzte in die Umkleide zum Spind, um sich anzuziehen. Sie hatten jeder zwei davon. Einen in der Umkleide für die Grubenkluft, einen für die Alltagskleidung im Schlafraum und noch eine Klappe für die Schmutzwäsche. Die Kumpel wuschen die Kleidung zu Hause; nur auf längeren Missionen griffen sie auf die Waschmaschine an Bord zurück.
Ayel war so überdreht vor Vorfreude, dass er ganz vergass, den Pyjama im Schlafraum zurück zu lassen. Erst als er inklusive Arbeitsschuhe vollständig angezogen war, fiel es ihm auf. Er würde nach Staub und Erde riechen, wenn er ihn im Arbeitsspind zurücklassen würde. Das wollte er nicht. Danach würde sich der Geruch aufs Bett übertragen und er sich trotz Dusche nicht mehr sauber fühlen. Trotz des Verbotes, kehrte er in den Schlafsaal zurück um ihn im Beutel am Bett zu verstauen; doch …

„Hey?! Keine Arbeitskleidung im Schlafraum!“, maulte Thrai als erster.
„Und dann noch mit Schuhen …“, schüttelte Boknar den Kopf.
„Jaah, doch“, rief Ayel genervt, „ich haue ja gleich wieder ab?!“
So knüllte er stattdessen seinen Pyjama zusammen und warf ihn in Kugelform hinüber zu seinem Bett, wobei er Ygnars Kopf nur knapp verfehlte. Dann stob er schleunigst davon.
„Was ist denn mit dem los heute?!“, hörte er Sa’et sich wundern, dann war er schon im Flur und auf dem Weg zu Orens Quartier.

Der bat Ayel sofort herein als er klopfte. Auch sein Freund und Captain hatte sich bereits in die Grubenkluft geworfen und erwartete ihn schon.
„Alles Gute zum Geburtstag, Bruder!“, begrüsste er ihn und nahm den jungen Lehrhauer fest in die Arme.
Endlich! Der Erste
„Danke dir, Oren! Danke!“
Oren löste sich von ihm und strahlte ihn an.
„Ich wollte dich etwas fragen“, begann er, „und zwar: Xandrs Messungen haben ergeben, dass der streichende Erzgang deiner Gruppe nach wenigen Metern abfallen wird.“ Ayel nickte. Das hatte er gewusst. „Kim’tal wird also am Nachmittag bohren müssen. Willst du helfen?“
Ayel stutzte überrascht.
„Ich? In der Bohrkammer?“ Das wäre ja phänomenal!
„Im Bohrer, mein Freund! Als kleines Geschenk, sozusagen.“

„Oh wow …“ Ayels Kopf drehte sich. Das wäre ja noch … noch phänomenaler! „Ja klar! Gerne! Super!“ Er strahlte.
„Ich dachte mir schon, dass dir das gefallen würde“, nickte Oren und verschränkte zufrieden die Arme, „immerhin löcherst du mich schon lange deswegen.“
Ayel nickte glücklich und schwankte leicht. Das würde ein guter Tag für ihn werden!

***

Tatsächlich war kurz vor Mittag der streichende Flöz abgebaut und an die Oberfläche gefördert worden. Nachdem die Ladung sicher auf der Narada verstaut war, begaben auch die Kumpel sich auf das Schiff zum Mittagessen. Noch immer hatte ihm niemand gratuliert, doch angesichts dessen, dass er am Nachmittag im Bohrer würde arbeiten dürfen, tat das seiner guten Laune keinen Abbruch.

„Ayel, Oren sagt, du hast einen Anruf“, überraschte ihn Xandr gleich nach dem Essen.
„Ich?“, fragte Ayel verblüfft nach. „Ich kenne doch niemanden?!“
Xandr zuckte nur die Schulter und so flitzte Ayel heute schon zum zweiten Mal völlig aufgekratzt und neugierig zu Orens Quartier.
„Da will dir jemand gratulieren“, offenbarte ihm der mit breitem Grinsen und bot ihm seinen Stuhl vor dem Bildschirm an. Ayel wurde warm ums Herz als er das Gesicht darauf erkannte.

„Mandana!“
„Hallo Brüderchen! Alles Liebe zum Geburtstag!“
„Oh, danke dir, Schwester! Du bist leider erst die Zweite …“
„Wie traurig“, meinte sie tröstend, „doch mach dir nichts draus: Plötzlich springen sie alle hinter einer Ecke hervor und rufen ÜBERRASCHUNG!“
Ayel lachte.
„Ja, das wäre schön! Ich schätze, ich bin wohl immer noch zu neu hier, als dass man sich schon an meinen Geburtstag erinnern würde. Ist ja schliesslich mein Erster in dieser Crew!“
„Na siehst du“, lächelte sie, „plötzlich blickt einer auf den Kalender und sieht deinen Namen da stehen. Sie haben dich alle sehr gern; sie haben dich bestimmt nicht vergessen! Und falls doch: Sei ihnen nicht böse, sie meinen es nicht so.“

Ayel nickte tapfer und schaffte ein Lächeln. Trotzdem; dass seine besten Freunde Piri und Selimon ihn offenbar ebenfalls vergessen hatten, tat schon ein Bisschen weh.
„Bist du unterwegs?“, fiel ihm auf, „Du bist in einem Shuttle!“
„Ja“, bestätigte Mandana, „ich gehe jemanden besuchen.“
„Damenkränzchen, hä?“, neckte er sie.
„Vielleicht auch eine Männerclique“, zwinkerte sie ihm zu.
„Oren, hast du das gehört?“, petzte er sofort und deutete auf den Bildschirm.
Oren lehnte sich ihm Sessel zurück und lachte nur.

Kim’tal erschien in der Tür.
„Ich muss los“, informierte Ayel Mandana, „ich darf heute im Bohrer arbeiten! Willst du noch deinen Mann sprechen?“
„Ja, bitte. Wir sehen uns bald; mach’s gut, Brüderchen!“
„Bis in ein paar Tagen“, nickte Ayel glücklich, „und vielen Dank für den Anruf!“
„Für dich immer. Bye!“
„Bye!“

***

Ayel wischte sich den Schweiss von der Stirn. Er hatte sich die Arbeit im Bohrer etwas anders vorgestellt. Spassiger, doch hier drin war es heiss und stickig und es dröhnte laut, wenn das überschüssige Plasma als Flammenstoss aus den Feuerschächten schoss. Dann wurde das ganze Pendel geschüttelt und vibrierte unter den Schuhsohlen. Ayel war das unangenehm da er kitzlig war und sich beherrschen musste, um nicht jedes Mal in die Luft zu springen wenn es geschah.
Er setzte sich auf einen Drehocker und seufzte. Obwohl kaum eine Stunde im Bohrer, hatte ihn die Hitze schon völlig erschöpft. Kim’tal lachte, strich sich die Schweisstropfen aus dem Bart und liess den nächsten Überschuss Plasma ab. Ayel hob kaum sichtbar die Füsse an, kurz bevor das nächste Zittern durch das Pendel ging.

„So, das war’s!“, verkündete der Bohrtechniker und schaltete die Maschinen aus. „Komm raus an die frische Luft.“
Ayel liess sich nicht zwei Mal bitten. Verwundert nahm er den Mantel entgegen, den Kim’tal ihm reichte.
„Ich will nicht, dass du dich erkältest“, erklärte der und schlüpfte in seinen eigenen. „Oren würde mir die Ohren lang ziehen …“
Ayel grinste nickend, kämpfte sich trotz Hitze in das heisse Futter und stieg die Leiter hoch ins Freie. Noch während er den Kopf aus der Luke steckte verstand er Kim’tal. Ein eisiger Wind pfiff ihm um die Ohren. Sie waren über den Wolken, wo bereits Minusgrade herrschten. Bibbernd zog er sich die Kapuze über den Kopf und stieg ins Freie.

Die Aussicht war fantastisch! Weit und breit nur Wolken und Berge, die von Weiss bis Dunkelbraun das ganze Farbspektrum abdeckten. Ayel traute sich nicht, bis zur Kannte zu gehen und nach Unten zu blicken. Trotzdem folgte er dem Bohrtechniker bis zum Rand, als der ihn mehrmals dazu aufforderte.
„Vertraust du mir?“, wurde er gefragt.
„Natürlich“, nickte Ayel und erzitterte innerlich.

Hätte er besser die Klappe halten sollen? -Er hätte, denn gleich darauf reichte ihm Kim’tal ein Fernglas und forderte ihn auf, sich ganz nah am Rand des Bohrers hinzuknien und auf die Planetenoberfläche zu schauen. Doch erst als der Bohrtechniker: „Beeil dich!“ sagte und ihn fest am Mantelrücken festhielt fand Ayel den Mut, sich über die Kannte zu beugen und weit, weit nach Unten zu spähen. Er kam gerade noch rechtzeitig, denn kaum hatte er das Fernglas richtig eingestellt, blitzten winzige, glitzernde Punkte neben dem Bohrloch auf. Ihre Kumpel waren soeben auf der Oberfläche materialisiert.

***

Zurück in der Hitze des Bohrers ging es wieder nach Oben. Obwohl es ihm doch auch Spass gemacht hatte, war Ayel unendlich froh, als er vom Pendel springen und in der Bohrkammer landen durfte. Javaid und Thrai erwarteten sie lachend.
„Hat’s dir gefallen, Krümel? Du bist völlig verschwitzt!“, grinste Thrai und klopfte ihm auf die Schulter.
„Du hast die Eiskristalle an meinen Ohren noch nicht bemerkt“, scherzte Ayel und gähnte.
„Macht müde, hm?“, nickte Javaid, der oft im Plasmabohrer arbeitete.

Ayel nickte und reckte sich. Jetzt konnte er auch endlich nachfühlen, warum die „faulen“ Bohrtechniker danach nicht in die Stollen kamen um zu helfen. Er hätte auf der Stelle umkippen und einschlafen können. Hoffnungsvoll schielte er zu den dicken Wasserrohren, wo das Kühlwasser für den Bohrer rauschte. Es war jetzt bestimmt wohlig warm …

„Na los, mach doch“, nickte Kim’tal aufmunternd. „Oren ist unter Tage; und wir petzen nicht!“
„Danke, Leute“, nickte Ayel glücklich und drückte sich geniesserisch gegen das warme, fast mannshohe Rohr.
Mit letzter Kraft kämpfte er sich auf die Röhre, legte sich auf den Bauch, die Arme unter dem Kopf und die Füsse über der Flanschverbindung verschränkt und schloss glücklich die Augen. Gurgelnd rauschte das Wasser unter ihm hindurch und wärmte ihm wohlig den Bauch. Er war so gerne hier oben.
Oren mochte es zwar überhaupt nicht, wenn er ihn während der Arbeitszeit so vorfand; zu seiner Verteidigung musste Ayel aber auch sagen, dass am Feierabend das Wasser längst zu kühl war, um genossen zu werden. Er seufzte leise und schnurrte zufrieden. Es dauerte nur Minuten bis er eingeschlafen war.

***

„Aufstehen Krümel“, weckte ihn Kim’tal, „es ist Feierabend!“
„Was!?“ Ayel kam erschrocken aus dem Schlaf hoch. „Feierabend? Wieso habt ihr mich nicht geweckt?!“
„Es gab nicht viel zu tun“, erklärte der bärtige Romulaner und half ihm vom Rohr. „Oren war hier und hat dich gesehen; aber er hat nichts gesagt.“
Ayel grinste wissend.
„Das ist nur weil heute …“
„Ja?“
„Ach nichts. Danke fürs Wecken!“

Zufrieden mit sich und der Welt marschierte Ayel zur Umkleide. Er hatte Kim’tal nicht sagen wollen, dass heute sein Geburtstag war. Auch wenn es ihm weh tat, dass ihm von seinen Kumpeln noch immer niemand gratuliert hatte, käme er sich doch komisch vor, wenn er damit hausieren ginge. Jemanden geradezu auffordern ihm zu gratulieren wollte er wirklich nicht.
Er kam spät, denn die Duschen liefen schon und eine Gruppe Brüder wartete in der Umkleide auf freie Plätze. Zehn auf einmal passten in die grosse Nasszelle, und irgendwo dadrin duschte jetzt gerade Livis! Ayel sprang im Eiltempo aus seiner Grubenkluft, flitzte in den Schlafsaal um die frische Kleidung zu holen und sprintete zurück in die Umkleide. Dort zerbrach dann sein glückliches Grinsen.

„Es sind schon zehn“, hielt ihn Torre zurück und schenkte ihm einen mitleidigen Blick. Ayel seufzte leise und setzte sich deprimiert auf die eine Wartebank.
„Ausgerechnet heute …“
Jetzt war er bodenlos enttäuscht. Torre schien es zu bemerken und setzte sich neben ihn.
„Mach dir nichts draus“, versuchte er ihn zu trösten und knuffte ihn freundschaftlich, „du kannst morgen wieder mit Livis duschen …“
„Was!?“, erschrocken drehte er sich nach ihm um.
Torre lachte leise.
„Ach komm schon“, meinte er gut gelaunt, „ich habe schon vor Urzeiten gemerkt, dass du auf sie abfährst! Warum sonst beeilst du dich immer so, in der ersten Duschgruppe mit ihr zu sein …“
„Reiner Zufall“, knurrte Ayel leise, weil Selimon sich hinter sie beide setzte, wusste aber schon längst, dass er auf verlorenem Posten kämpfte.

Seine Wangen hatten noch immer einen leichten Grünstich, als die ersten Kumpel die Dusche verliessen. Selimon stand auf und reichte seinem pitschnassem Bruder Piri zwei Handtücher.
„Na komm; ich lasse dir den Vortritt“, bot Torre Ayel brüderlich an, „dann erwischst du sie vielleicht noch …“
„Danke“, murmelte Ayel zwar aufrichtig aber ebenso beschämt und stand auf. „Wo hab ich denn …“
Verwirrt sah er sich um. Wo war sein Handtuch?
„Was ist los?“
„Ich dachte, ich hätte ein Handtuch- … Ach, verdammt! Ich habe es offenbar im Schlafsaal liegen gelassen.“ Er knurrte böse. Ausgerechnet heute! Livis würde längst fertig sein, bis er es geholt haben würde. „Geh vor; bis ich zurück bin, bist du vermutlich auch schon geduscht.“
„Okay. Tut mir Leid, Bruder!“
„Hmpf“, brummte der nur und ärgerte sich über sich selbst, „wer keinen Kopf hat, hat Beine …“

Da er die Unterwäsche bereits in die Klappe gestopft hatte, kämpfte er sich trotz Verbot zurück in die Arbeitshose. Er wusste dass er so Gefahr lief, erneut für das Vergehen gerügt zu werden, doch splitternackt wollte er nicht durchs Schiff in den Schlafraum marschieren. Nicht an seinem Geburtstag!

***

Ziemlich verdriesslich da tatsächlich gerügt, kam er mit dem Handtuch dann wieder in die fast leere Umkleide zurück. In der Gemeinschaftsdusche lief nur noch ein einziger Hahn; die Brüder mussten schon alle fertig sein. Vermutlich duschte Oren jetzt. Da der immer gleich nach der Schicht das Grubentagebuch führte, duschte er meistens als Letzter.
Wenigstens er, freute sich Ayel und stieg aus der Hose. Kleine Krümel Stein und Sand rieselten aus den Aufschlägen zu Boden. Ihm war jede Grubenkluft zu gross.

„Auch verspätet?“, fragte ihn Livis, als er in den Duschraum trat und fast einen Salto schlug vor Überraschung.
„Ja“, stammelte er verblüfft und noch völlig fassungslos von seinem unerwarteten Glück, „hab was … hab was vergessen.“
„Du Glückspilz“, grinste sie wissend, schloss die Augen und liess das Wasser über ihr Gesicht perlen.

Ayel brachte den Mund nicht mehr zu. So offen und unverhohlen hatte er sie noch nie beglotzen können. Wenn die Brüder dabei waren, musste er sich immer bis ins Unerträgliche beherrschen. Überglücklich wanderten seine Augen schmachtend über ihren, seiner Meinung nach, absolut makellosen Körper, während seine rechte Hand alibimässig nach dem Hebel der Mischbatterie angelte und ihn ständig verfehlte. Ihr schien irgendwann aufzufallen, dass er nicht duschte, zog den Kopf unter dem Wasserstrahl weg und öffnete die Augen.

„Schon sauber?“, neckte sie ihn und deutete grinsend auf eines seiner Ohren. „Da hast du noch was …“
„Ähm … ja, … danke“, würgte er hervor und traf endlich den Hebel. Pflatsch. „AAAAAHH?!“
„Ja, Ygnar hat vorhin dort geduscht …“, nickte sie, biss ein Schmunzeln tot und schamponierte sich die Haare.

Ayels Haut war grün an der Stelle, wo das heisse Wasser ihn beinahe verbrüht hätte. Leise fluchend regelte er die Temperatur und blickte dann wieder vorsichtig zu Livis. Die spülte sich gerade den Schaum aus den Haaren und bemerkte so seine Blicke nicht. Ayel stand unter dem perlenden Nass und schmachtete. Sie hatte ihm ihre Vorderseite zugewandt. Der junge Lehrhauer betrank sich an ihrem Anblick, folgte fasziniert mit den Augen den Wasserwellen die über ihre Kurven glitten und musste sich arg beherrschen, nicht glücklicher zu werden, als er peinlichkeitenfrei überstehen würde. Nicht auszudenken wenn es ausgerechnet jetzt geschah, wo er mit ihr alleine duschte …

Ayel hatte noch nie so lange gebraucht, um sich von Sand und Schmutz zu befreien. Sein Blick, der eigentlich auf den Schmutzflecken auf seiner Haut hätte ruhen sollen, wanderte immer wieder hinüber zu Livis, die sich ebenfalls heute ausgiebiger zu waschen schien als sonst. Ayel genoss jede Sekunde davon und als sie dann endlich nach langer, viel zu kurzer Zeit die Dusche verliess, sank er glücklich der Wand entlang zu Boden. Es gab also tatsächlich Götter! Und sie liebten ihn!

***

Ayel stürzte mit Heisshunger Meleks wunderbare Hlaiterrine hinunter. Der alte Romulaner hatte schon als Koch auf Bergbauschiffen gearbeitet, als sein Boss Oren noch nicht einmal geboren war. Romulaner waren Feinschmecker und verachteten spöttisch die Militärschiffe mit ihren Replikatoren. So etwas käme ihm nie auf seine Narada, hatte Oren einst gewettert. Für diese Entscheidung waren die Kumpel ihm allesamt dankbar; ganz besonders, seit sie regelmässig von Melek bewirtet wurden. So rieb sich Ayel nach dem Essen den wohlig warmen und zum Platzen vollen Bauch und seufzte. Javaid hatte Kantinendienst, so musste er nicht einmal abwaschen. Sogar sein Teller wurde überraschend von Letzterem abgeholt.

Voll gefressen und schon wieder müde hing er dann in einem der Sessel in der Ruheecke des Speisesaals. Die Brüder waren da und plauderten. Ayel hörte heute nur zu. Je weiter der Abend fortschritt, umso weniger störte es ihn, dass von den Kumpeln noch immer niemand seinen Geburtstag bemerkt hatte. Was soll’s, dachte er sich und lächelte leicht. Seine Freunde waren sonst schon immer für ihn da und so war es ihm auch lieber, als wenn sie sich nur um seines Geburtstags Willen mit ihm beschäftigten würden. Als er nur noch am Gähnen war, weil ihn ständig ein anderer damit ansteckte, stand er auf und reckte sich.

„Ich gehe ins Bett, Leute“, verkündete er.
„Ich auch“, nickte Piri und auch Selimon kam auf die Füsse hoch.
Müde taumelten die drei Freunde in den Schlafsaal, wo Ayel erst einmal stutzte. Jemand hatte sein Bett gemacht und seine Pyjamabombe aufmerksam gefaltet und auf sein Kissen gelegt. Wieder ein kleines, unbewusstes Geburtstagsgeschenk? Das hatte hier nämlich noch nie jemand für ihn getan. Im Gegenteil! Erspähte Schlafsaalwächter Ygnars Adlerauge eine unaufgeräumte Koje, wurde der schuldige Kumpel herbeizitiert, wo er dann unter Überwachung sein Bett ordentlich machen musste.
„Ordnung muss sein!“, war Ygnars Devise und die vertrat auch Oren vollumfänglich.

Erfreut über so viel Aufmerksamkeit stieg Ayel in seinen Pyjama und kroch unter die Decke. Alles in allem war es doch ein toller Geburtstag gewesen, wie er fand. Oren und Mandana hatten ihm gratuliert, jemand hatte sein Bett gemacht, er hatte im Bohrer arbeiten und auf der warmen Leitung schlafen dürfen, Javaid hatte seinen Teller weggeräumt und er hatte ganze zehn Minuten mit Livis alleine in der Dusche verbracht!

„Gute Nacht, Leute“, wünschte Xandr und löschte das Licht.
„Gute Nacht“, klang es von überall her.

Ayel lag lächelnd in der Dunkelheit und freute sich. Wer brauchte schon Geschenke und ein Fest, wenn er so liebe Freunde hatte, einen so tollen Job, einen spannenden Arbeitsplatz und …

„Leute, das reicht jetzt?!“, rief Piri halb lachend, halb energisch. „Erlöst ihn endlich!“
Überrascht drehte Ayel im Halbdunkel den Kopf nach ihm um. Er verstand nicht. Nervten Torre und Selimon jemanden? Xandr machte Licht und Ayel erschrak etwas. Selimon stand direkt vor seinem Bett und streckte ihm die Hand entgegen. Ayel ergriff sie misstrauisch und wurde gleich darauf in eine sitzende Position hochgezogen. Sein Freund grinste übers ganze Gesicht.

„Ayel“, lachte er, „es tut mir Leid Bruder, aber wir haben dich verarscht!“
„Was!?“
Er verstand nicht. Jetzt lachten alle und standen auf. Selimon zog ihn vom Bett auf die Füsse hoch und nahm ihn in die Arme.
„Alles Gute zum Geburtstag, Bruder!“, wünschte er und klopfte dem Verdatterten vielleicht etwas heftiger als nötig auf den Rücken.
„Herzlichen Glückwunsch!“
Einer nach dem anderen kam jetzt um ihn zu drücken und eine Gratulation anzubringen. Ayel liess sich taub vor Glück und Überraschung herumreichen, bis er endlich auch bei Livis ankam.

Diese Umarmung genoss er ganz besonders. Beide nur mit einem Pyjama bekleidet, spürte er ihren Körper so deutlich wie noch nie. Er hatte gerade so richtig schön zu schnurren begonnen, als sie sich wieder von ihm löste.
„Alles Gute, Krümel“, lächelte sie und nickte ihm zu.
Eine Welle Übermut schwappte plötzlich über ihn herein.
„Ich habe Geburtstag“, erinnerte er sie unnötigerweise, „was kriege ich von dir geschenkt?“
„DU“, schimpfte sie und stach ihm ihren Zeigefinger in die Brust, „hast dein Geschenk schon gekriegt, Krümel!“
„Echt?“
Ayel schwirrte der Kopf. Er hatte nirgendwo ein Geschenk gefunden …

„Bruder“, spöttelte Selimon, „wie viele Handtücher hattest du im Spind, als du zurück gegangen bist um eines zu holen?“
„Ähm, noch drei glaube ich.“
„Und wie viele waren es, als du nach dem Duschen den Spind wieder aufgemacht hast?“
„Na zwei!“, war er überzeugt. „Nein, warte … drei? Du Schuft?! Du hast mir in der Umkleide das Handtuch geklaut und wieder zurück gelegt! Das war ein Ablenkungsmanöver; ein abgekartetes Spiel damit …“

Lautes Gelächter spendete seinem Scharfsinn Applaus. Ayel ging in Flammen auf vor Scham. Oh, Götter und Elemente! Wenn alle in diese Schandtat eingeweiht gewesen waren, wusste offenbar doch längst das ganze Schiff von seiner heimlichen Verehrung für Livis.

„Brillant, Surak“, lachte Selimon und bestätigte. „Als du mit Torre gesprochen hast, habe ich es mir geschnappt und Piri gegeben, als er aus der Dusche kam. Er hat es dann zurück in deinen Spind gelegt, während du Livis beglotzt hast!“
„Das ist so peinlich, ey …!“ Ayel verbarg seinen grünen Kopf hinter den Händen und liess sich auf das nächst beste Bett fallen. Noch immer lachten alle.
„Komm Krümel“ Ygnar klopfte ihm auf die Schulter, „gehen wir feiern!“

***

Als Ayel und Gefolge in die Kantine traten, klappte ihm erst einmal der Mund auf. Die Tische der Kantine waren in der Mitte des Raumes zusammengeschoben und festlich gedeckt worden. Auf einem davon stand eine herrliche, grosse Torte. Davor stand ein breit grinsender Oren, dahinter …
„Mandana!? Wie …“
Lächelnd kam sie auf ihn zu und drückte ihn.
„Ich sagte doch, ich sei unterwegs um jemanden zu besuchen“, lächelte sie. „Alles Liebe zum Geburtstag! Bitte verzeih uns diesen kleinen Spass.“
„Ich … hab … klar! Hast du die Torte gemacht?“
„Unsere Mutter“, strahlte Selimon und griff nach einem Messer. „Mandana hat sie freundlicherweise in Rateg abgeholt und hierher gebracht!“

Ayel verschlug es kurz die Sprache. Völlig gerührt blickte er zwischen den Brüdern hin und her.
„Eure … eure Mutter denkt an meinen Geburtstag!?“
„Sie hat dich sehr gern“, nickte Piri fröhlich, „seit Selimons Hochzeit fragt sie ständig nach dir. Du solltest mal wieder vorbei kommen! Die ganze Familie lässt dir gratulieren; Opas und Omas übrigens auch.“
„Oh, danke, Leute! Das ist …“

Ayel brach ab, denn etwas kämpfte sich seine Speiseröhre hoch. Seine Augen begannen zu brennen und seine Brust wurde so eng, dass er kaum noch Luft bekam. Noch nie in seinem ganzen Leben hatten sich so viele Leute um seinen Geburtstag bemüht. So viele Leute, die ihm so viel bedeuteten und denen er offenbar genau so wichtig war. Dieses Übermass an Wärme, Liebe und Aufmerksamkeit war ihm fast zu viel.

„Ach komm schon“, brummte Selimon väterlich, übergab das Messer Piri und nahm Ayel in die Arme. „jetzt heulst du aber nicht los, oder?“
Ayel schüttelte nur den Kopf und schniefte leise. Er brauchte seine ganze Selbstbeherrschung um es zu verhindern.
„Hast du wirklich gedacht, wir hätten dich alle vergessen? Hm?“, wollte Selimon erheitert wissen. Ayel nickte nur und drückte seine Nase an dessen Schulter platt. Er hätte sich am liebsten in Selimons Halsbeuge verkrochen. Wie dumm war er doch gewesen …
„Awwww, kleines Dummerchen“, spottete der stämmige Romulaner tatsächlich und wiegte ihn amüsiert. "Das machen wir immer so bei Neulingen, weisst du? Ist Tradition."
„Er ist so süss“, hörte er Mandana leise zu Oren sagen.
Der lächelte jetzt bestimmt.

Auch Ayel lächelte jetzt. Er lächelte, wie er es noch nie an einem seiner Geburtstage getan hatte. Er biss sich heftig auf die Lippe und seufzte zitternd durch die Nase. Glücklich, selig, stolz.

ENDE
Happy Birthday, Clifton!
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