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Turbolift

von Verena

Kapitel 1

Als Janeway erwachte, fühlte sie als erstes ihren schmerzenden Kopf. Danach setzten die Erinnerungen ein. Die Rückkehr von einer Außenmission. Eine plötzliche Erschütterung. Der Sturz des Liftes. Chakotay. Mit einem leisen Stöhnen öffnete sie die Augen und erblickte über sich das besorgte Gesicht ihres Ersten Offiziers, der selbst reichlich mitgenommen aussah. Ein riesiger Bluterguss zierte seine rechte Gesichtshälfte und aufgrund ihrer Kopfschmerzen war sich Kathryn durchaus bewusst, dass sie wahrscheinlich ähnlich aussah. Sie lag auf dem Boden und ihr Kopf ruhte auf einem Oberschenkel Chakotays, soweit sie es aus ihrer Perspektive beurteilen konnte. Das Licht war gedämpft und wies auf einen schiffsweiten Energieausfall hin. Kathryn war sofort beunruhigt.

„Wie fühlen Sie sich?“, erkundigte sich der Commander leise.

„Haben Sie die Nummer von dem Laster, der uns überfahren hat?“, scherzte Janeway. Vorsichtig stemmte sie sich hoch und setzte sich neben Chakotay, ihren Rücken wie er an die Wand des Turbolifts lehnend. Ihr war schwindelig und Übelkeit stieg in ihr auf, die sie jedoch verdrängte. Eine Gehirnerschütterung. Davon würde sie sich nicht unterkriegen lassen. Den besorgten Blick ihres Begleiters spürend, rang sie sich ein schiefes Lächeln ab. „Mir geht es ganz gut. Und Ihnen?“

„Ich denke, mein Bein ist gebrochen“, teilte er ihr ruhig mit. Kathryn betrachtete ihn genauer. Die Art, wie er die Lippen zusammenpresste und die Bleichheit seines Gesichtes verrieten ihr, dass er starke Schmerzen haben musste. Sie widerstand der Versuchung, ihm über die Wange zu streichen und zu trösten. Sie war schließlich eine erwachsene Frau und überdies musste sie sich auf andere Dinge konzentrieren. So nickte sie nur knapp. „Die Kommunikatoren funktionieren nicht“, erklärte er. „Ich vermute, dass wir hier etwa seit einer Stunde festsitzen. Also dürften auch die Transporter ausgefallen sein. Wahrscheinlich wurden wir angegriffen.“ Kathryn erhob sich und trat, von einem erneuten Schwindelgefühl ergriffen, an die Kontrollen des Liftes. Sie gab einen Überbrückungscode ein, der die Notfallenergieversorgung für den Lift aktivieren sollte, doch nichts geschah. Der Computer teilte ihr mit, dass sie sich irgendwo zwischen Deck 10 und 11 befanden. Ansonsten war die Konsole unnütz. Kathryn bekämpfte ihre Frustration und öffnete ein kleines Fach direkt neben der Tür des Liftes. Dort befand sich der Schalter für die manuelle Schottöffnung. Als sie ihn betätigte, glitt die Tür tatsächlich etwas zur Seite, doch die Öffnung offenbarte nur das Metall des Liftschachtes und kein weiteres Schott, das eventuell zu einem der Decks führen konnte. „Die Notausstiegsklappe ist blockiert“, sagte Chakotay plötzlich und kam Janeways nächster Aktion zuvor. Verwundert sah sie ihn an. Wie konnte er das wissen? Wortlos förderte der Erste Offizier die zwei Tricorder hervor, die sie beide getragen hatten, da sie gerade von einer Außenmission zurückgekehrt waren. Sie schienen beide beschädigt zu sein und nicht mehr zu funktionieren. „Die Energiezellen haben sich entladen.“ Chakotay blickte sie ruhig an. „Der einzige Wert, den ich bekam, besagte, dass ungefähr eine halbe Tonne Trümmer auf der Kabine liegen, die den Ausstieg nach oben blockieren.“

Kathryn setzte sich stumm wieder auf den Boden neben ihren Ersten Offizier. Jetzt, da sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, die ihr Entkommen aus dem Lift irgendwie ermöglichen könnten, fühlte sie sich auf einmal hilflos. Sie war kein Mensch, der gern wartete und sich auf andere verließ. Natürlich hatte sie eine gute Crew, die sie schon herausholen würde, aber so völlig untätig zu sein ... Kathryn tastete nach ihrem Hinterkopf und fühlte eine schmerzende Beule. Sie schloss kurz die Augen. Da legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Der Captain sah auf und direkt in Chakotays Augen. „Ruhen Sie sich aus, Kathryn“, befahl er sanft.

„Ich wünschte, ich könnte etwas tun“, meinte sie leise. „Ich denke immer, wenn ich nichts tun kann, dass ich in irgendeiner Weise versage.“

„Warum?“, lautete die schlichte Frage ihres Begleiters.

Kathryn atmete tief durch. Sie hatte noch nicht vielen Menschen die Geschichte erzählt, aus der ihre Versagensangst herrührte. Ihr Mutter wusste es und ihre Schwester Phoebe. Mark wusste es. Auch Tuvok hatte sie es erzählt. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. In den vergangenen Jahren war es Chakotay gewesen, der ihr nahe gekommen war, und dies durch viele Dinge. Ihre Zeit auf der Neuen Erde. Die gemeinsamen Abendessen. Viele kleine und große Momente, in denen sie ihre Vertrautheit genossen oder diese auch auf eine große Probe gestellt worden war. Sein Alleingang, um das Problem „Seska“ ein für alle Mal zu lösen. Das Zusammentreffen mit den Borg, bei dem er ihre Befehle missachtet hatte. Viele Gelegenheiten, bei denen ihre Verbindung zueinander fast abgerissen war. Und dieser Mann, von dem sie glaubte, ihn schon ein ganzes Leben kennen zu müssen - was wusste er über sie? Sie hatte nie mit ihm zusammengesessen und von ihren Abenteuern als Kind erzählt. Von ihren verlorenen Tennismatches. Von Geburtstagen. Ihrer Zeit an der Akademie. War es zu persönlich? Sie wusste es nicht. Mit Mark hatte sie über diese Dinge gesprochen. Mark war ihr Partner gewesen. Und Chakotay? Sie blickte ihn nachdenklich an. Wie konnte man ihre Beziehung zu ihm beschreiben? Sie waren sich so nah und doch unendlich weit entfernt voneinander. Weil sie es wollte und weil die Richtlinien der Sternenflotte es vorschrieben. Wenn sie ihm jetzt ihre tiefsten Gedanken offenbarte, was würde es ändern. Sie wusste es nicht. Doch sie glaubte, dass dies der richtige Zeitpunkt war.

„Es ist ... schon sehr lange her“, begann sie, zunächst noch unsicher. Doch dann, als die Erinnerungen auf sie einströmten, stockte sie nicht mehr. „Ich war damals auf dem Testflug eines neuen Schiffstyps. Bei mir waren mein Vater und mein Verlobter Justin. Es lief alles sehr gut, doch dann gab es eine Fehlfunktion, die die Schiffssysteme lahmlegte. Wir flogen einen nahen Eisplaneten an und sendeten einen Notruf. Dann stürzten wir ab. Als ich nach dem Aufprall wieder zu mir kam, lag ich inmitten eines Teils des Schiffes, der vom Rest des Rumpfes abgesprengt worden war. Mein Vater und Justin waren dort eingeschlossen. Ihre Gesichter waren deutlich durch die Scheiben zu erkennen. Das Schiff hatten sich in das Eis des Planeten gegraben und begann langsam abzusinken. Unter den Resten der Schiffes, die ich um mich hatte, befand sich eine Konsole, die trotz der Zerstörungen noch mit den Systemen des restliche Rumpfes in Verbindung stand. Ich aktivierte den Transporter und zapfte Energien aus allen Systemen ab, um den Transport zu initiieren. Den Transport einer Person hätte ich durchführen können, doch ich war nicht sicher, ob der Transporter auch bei einem zweiten Versuch noch funktionieren würde. Deshalb wartete, bis das energetische Niveau es mir erlaubte, zwei Personen gleichzeitig zu entmaterialisieren. Doch als ich soweit war, war das Schiff bereits versunken. Ich versuchte alles, um meinen Vater und Justin zu retten. Umsonst. Ich hatte beide verloren.“ Kathryn schwieg. Sie hatte versucht, so wenig Emotionen wie möglich in ihre Erzählung zu legen, doch der Gedanken an die beiden geliebten Menschen, die sie damals verloren hatte, schmerzte wie eine frische Wunde. Sie fuhr sich mit einer unsicheren Geste durchs Haar, die von ihrer Betroffenheit ablenken sollte und setzte dann leise hinzu: „Seither fühle ich mich wie ein Versager, wenn ich einer Situation hilflos gegenüberstehe. Ich denke stets darüber nach, was ich alles nicht bedenke, welche Fehler ich mache, genau wie damals. Ich hätte anders reagieren und wenigstens einen der beiden retten können. Oder den Transporter anders kalibrieren können. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, doch ich habe sie nicht erkannt ...“

„Kathryn.“ Chakotays Stimme war sehr bestimmt, aber fast liebevoll im Tonfall, doch Janeway wollte jetzt nichts hören.

„Und jetzt sitzen wir hier fest und ich weiß nicht, was mit meinem Schiff geschehen ist“, sagte sie und starrte auf die gegenüberliegende Wand. Ihr war unbeabsichtigt das geschehen, das sie eigentlich hatte verhindern wollen. Sie hatte Chakotay zu tiefen Einblick in ihren persönlichen Schmerz gegeben und nun fühlte sie sich erst recht hilflos. Sie war es nicht gewohnt, ihre Probleme mit jemand anderem zu teilen mit als ihrem persönlichen Logbuch. Selbst mit Tuvok sprach sie nicht über den Großteil ihrer Zweifel und Ängste. Sie war Captain Kathryn Janeway und sie hatte das Kommando über fast 150 Leute, die darauf vertrauten, dass sie unfehlbar war. Und jetzt hatte sie ihrem Ersten Offizier gestanden, dass sie dies nicht war. Was würde er denken, wie ab diesem Moment mit ihr und ihren Entscheidungen bezügliches des Schiffes umgehen?

In diesem Moment entmaterialisierten sie.

***

Kathryn saß auf dem Sofa in ihrer Kabine und las den Bericht des Maschinenraumes. Die Padds, auf denen die Meldungen von der Krankenstation, der Brücke und der Astrometrie gespeichert waren, lagen auf dem Couchtisch, bereits bearbeitet. Die Voyager war beim Verlassen des Orbits des Planeten, den das Außenteam besucht hatte, auf eine getarnte Mine gelaufen, Überbleibsel einer längst ausgestorbenen, hochentwickelten Kultur. Nachdem Kathryn vom Doktor entlassen worden war, hatte sie bei den Aufräumarbeiten auf der Brücke geholfen und ihrem Bereitschaftsraum vorerst dem Chaos überlassen. Das Schiff war schwer angeschlagen, und einige der Primärsysteme liefen auf Notversorgung. Aber B'Elannas und Sevens Prognosen waren nicht allzu rabenschwarz. Insgesamt hatte es acht Verletzte gegeben, darunter sie und Chakotay. Kathryn legte das Padd weg und massierte ihre Schläfen. Die bohrenden Kopfschmerzen, die nach der ersten Behandlung verschwunden waren, kamen zurück und Janeway entschied sich, noch einmal zur Krankenstation zurückzukehren. Es gab noch eine Menge zu tun und sie wappnete sich für eine Auseinandersetzung mit dem holographischen Arzt, denn ihre Schicht war längst vorbei. In dem Moment, als sie sich erhob, ertönte der Türsensor.

„Herein.“ Das Schott glitt auf und Chakotay erschien in der Türöffnung. Kathryn fühlte, wie sich ihre Miene verschloss. Sie hatte nicht mehr über die Unterhaltung im Lift nachgedacht, einerseits, weil sie nicht die Zeit dazu gehabt hatte und andererseits, weil sie ihre unwillkommenen Gefühle verdrängen wollte. Das war jetzt vorbei. „Kommen Sie herein“, bat sie und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Der Indianer trat langsam ein und wartete, bis sich die Tür wieder geschlossen hatte, bis er ein halbes Lächeln aufsetzte.

„Hallo“, sagte er. „Ich wollte nur sehen, wie es Ihnen geht. Der Doktor hat mir das hier für Sie mitgegeben.“

Er hob kurz das Hypospray hoch, das er in der Hand hielt und verharrte dann in der Bewegung. Keiner von ihnen tat einen Schritt. Sie schwiegen nur und sahen sich an. Kathryn fühlte, wie das flaue Gefühl in ihrem Magen zunahm. Wie oft war es geschehen, dass sie so auf Distanz gegangen waren? Oft genug; und meist war dieses Bestreben von ihr ausgegangen. Dieses Mal jedoch erschien es ihr einfach nicht richtig.

„Danke.“ Sie ging auf ihn zu und er gab ihr das Medikament. Dabei berührten sich ihre Hände und Kathryn genoss den kleinen Moment, bevor sie zurückwich. „Wollen Sie sich setzen? Kann ich Ihnen etwas anbieten?“

„Ja und nein. Neelix verteilt im Kasino eine Extraportion Gemüsegulasch und ich konnte nicht widerstehen“, gestand Chakotay. Gemeinsam gingen sie zur Couch und setzen sich. Sein Blick fiel sofort auf die Berichte. „Wie ich das so sehe, hätte ich Ihnen auch etwas zu Essen mitbringen sollen. Zur seelischen Unterstützung.“

Kathryn entspannte sich, wie immer in seiner Gegenwart, und legte das Hypospray vorerst beiseite. Sein warmes Lächeln war immer eine Art Rückhalt für sie, wenn er sie auf diese Weise ansah, konnte die Situation nicht allzu schlecht aussehen.

„Je nachdem, wie es geschmeckt hat, weiß ich nicht, ob es wirklich eine Unterstützung gewesen wäre“, scherzte sie und verstummt dann erneut, als sich auf einmal Chakotays Hand auf ihre legte.

„Ich muss dir etwas sagen.“ Er sah plötzlich sehr ernst aus. „Ich hoffe, dass du mir zuhörst.“ Kathryn nickte stumm und entzog sich seiner Berührung nicht, wie sie es aus einem Reflex heraus hatte tun wollen. „Ich wollte mich bedanken, Kathryn.“

„Bedanken?“, entfuhr es ihr. „Ich dachte nicht ...“

„Was dachtest du?“

„Ich glaubte, dass dieses Gespräch im Turbolift zu persönlich war und, dass es mich irgendwie in ein falsches Licht bei Dir gerückt haben könnte.“ Kathryn fixierte einen Punkt weit hinter Chakotay, um ihn nicht ansehen zu müssen. „Ein Captain, der seine Phobien nicht unter Kontrolle bekommt, was ist das für ein Captain?“

„Ein Captain, den ich bewundere“, lautete die sanfte Antwort. „Ich kam her, um dir zu sagen, dass es mich berührt hat, dass du mir diese Geschichte erzählt hast. Es zeigt mir, dass ich dir etwas bedeute. Du hast dich mir geöffnet, vielleicht mehr als je zuvor. Auch wenn ich nicht weiß, wieso ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt.“

Während er sprach, hatte Kathryn seine Finger ergriffen und mit den ihren umschlossen. Sie erkannte die Richtung, in die das Gespräch führte. Sie sprachen jetzt nicht mehr nur über sie und ihre Gefühle, sondern auch er legte sich vor ihr offen. Das hatte er nicht oft getan. Mit einem bittersüßen Gefühl erinnerte sich Kathryn an die Neue Erde und an seine „alte Legende“.

„Ich weiß, warum ich es getan habe“, sagte sie plötzlich und ohne auf die Stimme der Vernunft in ihrem Inneren zu hören. Auf einmal wusste sie, dass sie nicht mehr zurück wollte. Er hatte ihr schon so oft seine Liebe geboten, den Schutz seiner starken Arme, Hilfe bei schwierigen Entscheidungen. Sie wollte ihm nun alles von sich preisgeben. Er verdiente es. Weil er, er war. Weil sie ihn liebte. Trotz aller Regeln und Verbote, die sie sich selbst auferlegt hatte. „Mir ist klar geworden, dass ich dich nicht verlieren darf. Und das hätte ich irgendwann, wenn ich mich dir nicht voll und ganz anvertraue.“

„Du weißt, dass ich dich nie allein lassen würde. Ich werde dir immer zur Seite stehen“, flüsterte Chakotay und streichelte mit dem Daumen sanft über ihren Handrücken. Kathryn bekam eine Gänsehaut, sowohl von seiner Berührung als auch von der Spannung, die im Raum stand. Sie war im Begriff, etwas zu tun, was sie sich lange Zeit nicht hatte vorstellen können.

„Das weiß ich, Chakotay. Ich spreche davon, dass ich irgendwann deine Liebe verlieren könnte. Und das darf nicht passieren, denn ohne sie weiß ich nicht, ob ich noch ich selbst bin. Ich liebe dich.“

„Kathy.“ Er fuhr etwas zurück, löste seinen Griff, noch zu überrascht. Dann veränderte sich seine Miene und in seinen dunklen Augen erschien ein zärtliches Leuchten. Er beugte sich zu ihr hinüber und bedeckte ihre Lippen mit seinen. Erst nur ganz kurz, fast prüfend. „Ich liebe dich auch.“ Dann küssten sie sich leidenschaftlicher und Chakotay zog Kathryn in seine Arme. Dort hielt er sie ganz fest und Kathryn wusste, dass er sie nie mehr loslassen würde. Und das war auch gut so.


Ende
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