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Wer nicht kämpft, hat schon verloren

von werewolf

Kapitel 1

In dem Moment, als sie mit Silon, ihrem jüngeren Bruder, das Wohnzimmer betrat und die traurigen Gesichter ihrer Eltern sah, wusste sie, das der Moment gekommen war.

„Es tut uns leid, was wir euch jetzt sagen müsse“, begann ihr Vater, „aber der gefürchtete Moment ist gekommen. Gul Piro hat mir eben gesagt, dass ihr auf der Liste steht.“

Ziyal fühlte die Wut in sich aufsteigen. „Sie haben ihn auf die Liste gesetzt? Bei den Propheten, warum? Er war bis vor kurzem noch ein Kind und ist auch jetzt noch lange nicht erwachsen.“
„Eben darum“, meinte ihr jüngerer Bruder leise, „sie wissen, dass unsere Eltern niemals aufgeben, sondern einen Widerstand anzetteln würden. Wir sind das Druckmittel, um die beiden daran zu hindern.“
„Es macht keinen Sinn, euch die Wahrheit zu verschweigen.“ Naprem wirkte, als würde sie sich nur knapp vom Weinen abhalten können. „Das Dominion hat sich gegen uns gewendet. Man wird versuchen, uns gefangen zu nehmen und Informationen zu erpressen. Wir gelten als Leitfiguren des unerbittlichen Kampfes gegen die Zerstörung unseres Planeten, und das wissen sie. Sie würden uns mit euch erpressen und wenn wir schweigen, uns töten und aus euch anderweitigen Nutzen ziehen.“
Ziyal lachte freudlos auf. „Wir sind selten. Mischlinge und die Kinder der Widerständler. Bestimmt findet sich ein Käufer für uns, der eine ordentliche Summe bezahlt.“
Ihre Eltern schwiegen, und sie wusste, dass sie richtig lag.
„Ihr müsst abreisen. Ein Bekannter, dem ein Shuttle gehört, ist uns noch einen Gefallen schuldig. Er bringt euch weg. Nach Bajor.“
„Wir hätten alles dafür gegeben, einen anderen Weg zu finden“, ergänzte ihr Vater, „aber es gibt keinen. Ihr wisst, was wir besprochen haben“
„Wir wissen nichts über unsere Herkunft. Bis vor kurzem lebten wir bei einer freundlichen alten Bajoranerin, die Mitleid mit uns hatte und uns adoptiert hat, als wir ausgesetzt worden waren. Aber sie ist leider verstorben und deshalb tauchen wir jetzt dort auf. Unser Alter kennt niemand.“
„Genau.“ Trotz der verzweifelten Lage konnte sie den Stolz aus der Stimme ihres Vaters heraushören.
„Versucht, irgendwo Arbeit zu finden“, ergänzte ihre Mutter, „aber meidet die Geistlichen, sie sind auf Cardassianer am schlechtesten zu sprechen. Haltet den Kontakt zu Bajoranern möglichst gering, damit niemand Verdacht schöpft. Derjenige, der euch auf Bajor absetzt, wird beruflich etwa einmal im Monat dort vorbeikommen. Ihr könnt ihm Nachrichten für uns mitgeben, wir werden diese Möglichkeit ebenfalls nutzen.“


Der Abschied war kurz, aber schmerzhaft. Sie wussten nicht, ob sie einander jemals wiedersehen würden. Es fiel Naprem unsagbar schwer, ihre Kinder fortzuschicken, und Skrain ging es genauso, das sah Ziyal deutlich. Bevor sie gingen, traten sie beide noch einmal nacheinander zu ihr und ihrem Bruder. Zuerst legte ihr Vater seine Stirn gegen ihre, dann ihre Mutter. Bei Cardassianer ein Zeichen großer Zuneigung und Unterstützung. Das wiederholten sie noch bei Silon, dann wandten sie sich schweigend ab und gingen. Es gab keine Worte, die die Situation beschrieben.
Sie bemerkte, dass ihr die Tränen kamen, aber sie unterdrückte die Trauer, so gut es ging, und betrat mit Silon das Shuttle.

Manchmal forderte das Überleben einen hohen Preis.




Inzwischen waren sie seit ein paar Monaten auf Bajor. Man hatte ihnen die Geschichte, die sie erzählt hatten, abgenommen.
Silon ging zur Schule und Ziyal arbeitete in einem Krankenhaus als Pflegekraft. Die einzige Arbeit, die sie ohne Schulabschluss bekommen konnte.
Sie dachte mit Bitterkeit daran, dass sie auf Cardassia einen der höchsten Abschlüsse absolviert hatte und ihr sogar ein Studienplatz in Aussicht gestellt worden war.
Nun arbeitete sie zwölf bis dreizehn Stunden täglich, um Silons Schulgeld und ihrer beider Lebensunterhalt zusammenzubekommen. Ihr Bruder hatte angeboten, auch zu arbeiten, aber das war nach dem Gesetz noch nicht erlaubt.
Ihr Alter hatte man auf zwanzig geschätzt, weshalb sie überhaupt so lange arbeiten durfte. In Wahrheit wurde sie in vier Tagen achtzehn.
Silons Alter hatte man korrekt eingestuft, sodass er auch in die richtige Klasse ging. Zwar wurde er von den Mitschülern gemieden, aber das ging ihr im Krankenhaus ähnlich. Man schob ihr die Arbeiten zu, die sonst niemand erledigen wollte und sprach nur das Nötigste mit ihr.
Dennoch war sie zufrieden. Sie konnten hier leben, und wie sie den Mitteilungen ihrer Eltern entnehmen konnte, waren die beiden zwar häufig im Einsatz, aber bisher nicht besonders schwer verletzt worden. Also noch kein Grund zur Klage.
Natürlich vermisste sie ihre Heimat, Silon ebenso, aber sie hatten sich einigermaßen damit abgefunden.
Und sie hatte bemerkt, dass nicht alle Bajoraner ihnen gegenüber feindlich gesonnen waren. Der Klinikleiter war sogar ein Freund der Cardassianer, weil ihm mal einer das Leben gerettet hatte. Ihm war bewusst, dass sie einen schweren Stand im Personal hatte und erleichterte ihr das Leben, so gut es ging. Zum Beispiel teilte er ihr manchmal direkt einfachere Aufgaben zu und bezahlte ihr mehr, als auf der offiziellen Gehaltsabrechnung stand. Nur das ermöglichte es ihr, Silons Schulmaterialien zu bezahlen.
Die Lehrer ihres Bruders waren ebenfalls unproblematisch. Sie bewerteten den Jugendlichen fair und unterschieden nicht zwischen ihm und den anderen Schülern.

Der Tag ihres Geburtstages kam, und während sie die gerade einem älteren Bajoraner die Verbände wechselte, dachte sie an Zuhause. Auf Cardassia waren Geburtstage nicht so wichtig wie auf anderen Planeten, aber dennoch besondere Tage. Es war üblich, etwas geschenkt zu bekommen, allerdings fanden kaum Feierlichkeiten deswegen statt. Letztes Jahr waren ihre Eltern mit ihr in den Interplanetaren Zoo gegangen. Darüber hatte sie sich wirklich gefreut und es war ein schöner Tag gewesen.
Sie vermisste ihre Eltern und Silon ging es genauso. Die Freunde, die sie auf Cardassia gehabt hatte, fehlten ihr, aber sie konnte es nicht wagen, zu ihnen Kontakt aufzunehmen. Sollte sie jemals wieder zurückkehren, würden sie sich vermutlich so distanziert haben, dass sie alleine dastand.
Die cardassiansiche Sonne fehlte ihr, die im Winter so warm schien wie auf Bajor im Sommer. Der Wind, der über die Steppe ging. Die Wüsten mit ihrer eigentümlichen Schönheit. Das Quietschen der Wohnungstür und das Geräusch, wen jemand auf die dritte Treppenstufe von unten trat. Die Stimmen ihrer Eltern im Wohnraum. Die Schatten, die die Bäume im Garten auf den Fußboden warfen.
„Woran denken Sie?“ Die Stimme des Patienten brachte sie zurück in die Gegenwart.
„An nichts Bestimmtes“, gab sie zurück und zwang sich zu einem unverbindlichen Lächeln.
„Es sah aus, als wenn Sie an Ihre Heimat denken.“
„Bajor ist meine Heimat.“ Sie hoffte, dass ihre Lüge nicht auffallen würde.
„Nein.“ Die Stimme des Bajoraners war überraschend fest. „Sie sind nicht von hier. Sie sollten ihre Lügen überzeugender gestalten. Aber keine Sorge, ich werde nichts sagen“, ergänzte der Mann rasch, als er wohl ihren erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte. „Es geht mich auch nichts an. Ich wollte noch sagen, dass sie ihre Arbeit mit überraschend viel Hingabe erledigen, dafür, dass sie so viele Stunden leisten. Ich sehe Sie oft, deswegen weiß ich das. Wie ist Ihr Name?“

Es war verdammt fahrlässig, das wusste sie, aber sie konnte sich nicht dazu bringen, den Namen zu nennen, den man ihr auf Bajor gegeben hatte. Sie hatte sich Eeyon Waile genannt, ihren Bruder Eeyon Sahin. Namen, die ihr nichts bedeuteten. Und dennoch musste darauf hören und jedes Mal, wenn sie ein Formular ausfüllen sollte, aufpassen, nicht Ziyal Dukat zu schreiben. Aber hier konnte sie das nicht. Der Patient schien ein erstaunliches Verständnis für sie aufzubringen, und das berührte sie.
„Ziyal.“
Sie lächelte unwillkürlich, ihren Namen hatte sie seit ihrer Ankunft hier nicht mehr genutzt und ihn zu nennen, gab ihr ein gutes Gefühl. Auch ihr Bruder redete sie mit ihrem neuen Namen an, so wie sie ihn, um kein Risiko einzugehen.

Nach ihrem Schichtende war Silon –im Stillen nannte sie ihn immer noch so- wie fast immer bereits in ihrer gemeinsamen Wohnung und wartete auf sie. Er gratulierte ihr herzlich und trat dann in den Nebenraum. Um kurz darauf mit einem durchlöcherten Pappkarton wiederzukommen, wie man sie oft im Abfall finden konnte. „Mach schon auf“, meinte er, als sie die Verpackung kurz unschlüssig in den Händen hielt, „ich habe mir viel Mühe damit gegeben.“
Sie klappte den Deckel auf und war gelinde gesagt sehr überrascht.
Ein Vogel saß auf dem Boden des Kartons und stieß ein offenbar missgestimmtes Krächzen aus.
„Ein Bergfalke“, erklärte Silon unverzüglich, „wir hatten im Unterricht über diese Tiere gesprochen und ich dachte, so einer könnte dir gefallen.“
„Auf jeden Fall“, erwiderte sie ehrlich, „ich danke dir. Aber woher hast du ihn?“
„Ich bin nach der Schule öfter durch das Gebirge westlich von hier gegangen und habe nach einem Gelege gesucht. An der Niara-Steilwand habe ich dann eins gesehen. Keine Sorge, es ist nicht verboten, diese Tiere einzufangen. Ich habe mich in der Bibliothek darüber informiert.“
Sie dachte mit nicht nur leichter Sorge an den Felsvorsprung, den er meinte. „In welcher Höhe war das Nest denn?“
„Och, so ungefähr zwanzig bis dreißig Meter, würde ich sagen. Aber man kann sich gut festhalten. Es wäre nur kritisch geworden, wenn die Elterntiere mich gesehen hätten.“
„Das ist gefährlich“, begann sie, aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie ihn dafür bewunderte. Sie selbst hatte furchtbare Höhenangst, aber wusste, dass sie da eine Ausnahme war. Natürlich hätte ihr Bruder abstürzen können, aber das wusste er selbst und er hatte auch einmal ein Wagnis eingehen wollen wie alle anderen Jugendlichen. Und sie freute sich über das Tier.
„Kann man ihn zähmen?“, fragte sie, während sie etwas zögerlich durch das Gefieder des Vogels strich, was dieser aber eher ignorierte.
„Ja, wenn er dich als seine Bezugsperson anerkannt hat, wird er immer zu dir zurückkehren. Du musst dich nur in der Anfangszeit viel mit ihm beschäftigen und ihn oft mit kleineren Portionen füttern, damit er weiß, dass er hier etwas bekommt. Ich weiß, dass du wegen der Arbeit oft weg bist, deshalb werde ich mich auch mit um ihn kümmern.“
Plötzlich wurde ihr bewusst, wie wenig Zeit sie für ihren Bruder hatte. Sie verbrachte fast jede freie Minute mit ihm, aber das war nicht wirklich viel und es tat ihr leid, dass er fast immer alleine war. Das Überleben verlangte einige Opfer.
„Was ist?“ Er hatte ihren Stimmungswechsel offenbar bemerkt.
„Ich dachte nur gerade, dass ich fast keine Zeit für dich habe, weil ich immer arbeiten muss. Ich weiß, dass es dir lieber wäre, wenn du zumindest mich noch als Familie hättest.“
„Wenn du nicht arbeiten würdest, könnten wir hier nicht zurechtkommen. Dafür bin ich dir dankbar und ich weiß, dass es nicht anders geht. Mach dir keine Vorwürfe. Wir vermissen beide unsere Eltern und Freunde, aber wir leben.“

Nach einer Weile des Schweigens wechselte sie wieder das Thema. Es brachte nichts, sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die man nicht ändern konnte. „Was für ein Geschlecht hat der Vogel eigentlich? Er soll ja einen Namen bekommen.“
„Soweit ich das weiß, ist es ein Terzel. Also ein Männchen“, ergänzte er, nachdem sie ihn fragend angesehen hatte.
„Wie wäre es dann mit ‚Runy‘?“, schlug sie vor.
„ ‚Wind‘. Das passt zu ihm.“
„In Ordnung. Das ist zwar Kardasi, aber es gibt im Bajoranischen ein Wort, das fast genauso klingt. Da fällt es wahrscheinlich nicht auf, selbst wenn den Namen mal jemand hören sollte.“

Eine Woche später wurde sie zum Gespräch in Silons Schule gebeten. Der Tonfall seines Lehrers hatte deutlich gemacht, dass es sowohl dringend als auch ernst war, sodass sie sich gleich am folgenden Tag dort einfand.
„Es gibt ein Problem mit Ihrem Bruder“, begann der Bajoraner, den sie auf Mitte Dreißig schätzte, „besser gesagt, für Ihren Bruder. Das Ganze ist mir selbst recht unangenehm…also, im Unterricht behandeln wir seit letzter Woche die cardassianische Besatzungszeit und…Sie können sich sicher vorstellen, was ich meine…“
„Seine Mitschüler werden gegen ihn aufgebracht“, stellte sie sachlich fest.
„Ja.“ Der Lehrer wirkte erleichtert, dass sie das so formuliert hatte und nicht er. „Hören Sie, meine Meinung zu dieser Sache ist nicht die der Regierung. Ich denke, dass die Cardassianer an sich nicht besser oder schlechter sind als andere Lebewesen. Und ich habe zum Beispiel gehört, dass während der Besatzungszeit nicht mehr Bajoraner von cardassianischen Soldaten getötet wurden als von ihren eigenen Landsleuten aus Eifersucht oder Geldgründen, die ja als die häufigsten Mordursachen gelten.“ Er machte eine kurze Pause. „Aber das darf ich so nicht sagen, wenn ich meinen Beruf behalten will. Ihr Bruder war immer einer meiner besten Schüler, aufmerksam und intelligent. Sein letztes Zeugnis war das Drittbeste des Jahrgangs. Dennoch muss ich Ihnen raten, ihn von der Schule zu nehmen. Mit dem Zeugnis kann er sich bewerben, eine Ausbildung machen oder woanders die restlichen Klassen besuchen. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts anderes sagen kann.“

Sie besprachen sich noch eine Weile und beschlossen, ihren Bruder an der Schule zu lassen. Der Bajoraner war erst dagegen gewesen, aber nachdem sie ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es woanders zusätzlich noch Probleme mit Lehrern geben könnte und dass er unbedingt einen Abschluss machen sollte, hatte er eingesehen, dass das die beste Lösung wäre. Sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von ‚gut‘ sprechen konnte.

„Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln“, schloss sie und erhob sich. Als sie dem Lehrer zum Abschluss die Hand reichte, dankte sie ihm noch für das offene Gespräch. „Gerne“, erwiderte dieser, „wie gesagt, es ist mir ein Anliegen, dass Ihr Bruder möglichst gute Chancen bekommt.“

Drei Tage später kam der Bekannte ihrer Eltern, dessen Namen sie aus Sicherheitsgründen nicht erfahren hatte, wieder nach Bajor.
Sie machten sich auf den Weg zu ihrem üblichen Treffpunkt im Wald, wo sich fast nie jemand aufhielt. Runy hatte sie eine kurze Zeit lang fliegen lassen –der junge Falke hatte noch keine besondere Ausdauer-, jetzt saß er auf ihrem linken Unterarm. Da die Krallen des Tieres schon recht kräftig waren, hatte sie von einem Teil des wenigen Geldes, was sie übrig hatten, Arbeitshandschuhe gekauft, die bis über die Hälfte des Unterarms reichten. Die Ausrüstung, die Falkner nutzten, war zu teuer.

Am Treffpunkt warteten sie eine kurze Zeit, bis ein Flimmern der Luft die Ankunft des Cardassianers ankündigte. Er ließ sich meistens von seinem Shuttle aus hierher beamen, um möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was passieren würde, wenn man ihn irgendwo sah.

Er reichte ihnen einen Briefumschlag und ein kleines Paket und nahm einen Zettel von ihnen entgegen, dann wandte er sich direkt an sie.
„Du bist achtzehn geworden, oder?“
Sie bejahte etwas überrascht, schließlich hatte dieser nie mehr mit ihnen gesprochen als erforderlich.
„Gratuliere.“ Er deutete auf den Falken. „Ein sehr schönes Tier übrigens.“ Nach einem kurzen Zögern nahm er sein Messer vom Gürtel und reichte es ihr. „Ich hoffe, du wirst es nicht brauchen, aber leider kann man nie wissen.“ Noch bevor sie ihm danken konnte, war er hinter ein paar Felsen getreten, das Signal an seinen Mitarbeiter, ihn zurück zu beamen, und verschwunden.

Wieder zurück in der Wohnung, setzte sie Runy auf seinen Platz, ein an der Wand angebrachter kleinerer Ast, legte das Messer beiseite und las gemeinsam mit Silon den Brief ihrer Eltern. Sie gratulierten ihr zum Geburtstag und kündigten an, dass der Krieg sich langsam aber sicher zu Cardassias Gunsten wendete. Das bedeutete, dass sie vielleicht bald zurückkehren konnten.
Anschließend packte sie das Geschenk aus. Es war eine Art Sandstein aus der Wüste Cardassias, der etwa die Größe ihrer Faust hatte. Auf der Unterseite war mit dem Messer etwas eingraviert, und sie erkannte die Schrift ihrer Mutter. Damit du deine Heimat nie vergisst. Daneben befand sich noch ein weiterer Schriftzug, offenbar von ihrem Vater. Wir sind immer bei dir, wo auch immer du bist.
Ein weiterer Zettel lag dem Geschenk bei. Wir wissen, dass Überleben nicht nur die Erhaltung der körperlichen Existenz ist, sondern auch der Fortbestand der Persönlichkeit und Wertvorstellungen. Überleben ist auch, am Ende des Tages noch in den Spiegel sehen zu können. Du bist mutig und aufrecht und du liebst die Wahrheit. Lobenswerte Eigenschaften, die du erhalten solltest, egal was kommt. Wir sind sehr stolz auf dich und könnten uns keine bessere Tochter vorstellen.

Diese bewegende Botschaft schaffte es, ihre Stimmung für einige Tage zu verbessern. Sie unternahm so viel mit Silon wie möglich, so wie sie es immer tat, aber sie bemerkte, dass sie motivierter war und wieder Hoffnung auf ein besseres Leben hatte. Die ganze Situation strengte sie sehr an, auch wenn sie das vor ihrem jüngeren Bruder nicht zeigte. Manchmal waren ihr abends vor Überforderung und Verzweiflung die Tränen gekommen, aber es wurde ihr jetzt wieder bewusst, dass ihre Eltern immer hinter ihr standen, auch wenn sie nicht hier waren.
Runy entwickelte sich gut, flog viel und war inzwischen sehr zutraulich. Alles in allem konnte sie zufrieden sein.
Sie war sogar so entspannt, dass sie sich eines Abends an den Tisch setzte, ein Blatt Papier und einen Bleistift griff und zu zeichnen begann. Auf Cardassia hatte sie regelmäßig gezeichnet und war für ihre Werke oft gelobt worden, auch in der Schule. Aber seit ihrer Ankunft auf Bajor hatte sie es nicht einmal versucht.
Zeichnen konnte sie nur, wenn sie relativ ausgeglichen war und nicht unter Druck stand, weshalb es nie als Beruf für sie infrage käme.
Sie dachte kurz nach und setzte dann den Bleistift an.

Prüfend betrachtete sie ihr Werk und war sogar zufrieden. Es war ein Tiermotiv und zeigte Runy, wie er einen kleineren Vogel verfolgte. Sie hatte den Falken schon oft bei seinen Beutezügen beobachten können und hatte deshalb seine eleganten Flügelschläge und geschickten Wendungen gut vor Augen.

Sie ließ ihre Gedanken schweifen und bemerkte deshalb selbst erst recht spät, was die nächste Zeichnung darstellte. Ihren Vater, wie er am Schreibtisch saß und Berichte schrieb. Obwohl sie ihn seit Monaten nicht gesehen hatte, konnte sie sich genau an die Haltung erinnern, die er dann immer einnahm. Halb vom Schreibtisch abgewandt, als ob er keine Sekunde länger als nötig dort sitzen wollte, und den Kopf auf die linke Hand gestützt. Er hatte eine Abneigung gegen Büroarbeit und sagte immer, dass er die Zeit viel lieber mit seiner Familie verbringen würde und dass diese Berichte ohnehin niemand wirklich las.
Die Zeichnung war nicht sehr detailreich und eher flüchtig, aber als Silon, der unbemerkt hinzugetreten war, einen Blick darauf warf, erkannte er ihren Vater sofort.

Die Situation in Silons Schule verschärfte sich immer weiter, er wurde angefeindet und auch offen beleidigt, auch wenn er ihr nie viel darüber erzählte. Sie sah ihn öfter mit dem Messer üben und vermutete, dass ihm das ein Gefühl von Sicherheit gab. Sein Lehrer kontaktierte sie erneut und wies sie auf die verschärfte Lage hin, aber Silon wollte die Schule nicht verlassen und sie unterstützte seine Entscheidung. Der Bajoraner bewunderte den Mut ihres Bruders und sicherte ihr zu, sein Möglichstes zu tun, um die Situation nicht eskalieren zu lassen.
Sie hatte ihren Eltern nichts davon erzählt, um ihnen zusätzliche Sorgen zu ersparen. Allerdings hatte sie zwei Zeichnungen beigelegt. Eine von Silon, auf dessen Arm Runy saß und eine, die sie aus dem Gedächtnis angefertigt hatte. Sie zeigte Skrain, wie er Naprem im Wohnzimmer etwas erzählte. Seine Gestik und ihr amüsierter Gesichtsausdruck wirkten so lebendig, dass man meinen könnte, die beiden Personen selbst vor sich zu sehen.

Silons Geburtstag rückte näher und sie setzte sich nun jeden Abend an die Zeichnung, die sie ihm schenken wollte. Diese war sehr aufwendig und sie hatte hohe Ansprüche an sich selbst, was das anging. Es sollte ein schönes Geschenk werden und dafür gab sie sich gerne Mühe.
Die Zeichnung zeigte ihre Eltern, Silon und sie, wie sie abends im Garten ihres Hauses auf Cardassia saßen. Ihr Vater deutete zu dem bereits schwach sichtbaren Sternenhimmel und erklärte ihr gerade etwas dazu –sie konnte sich noch gut an einen solchen Moment erinnern, in dem er ihr die Lage eines Planeten beschrieben hatte, von dem im Unterricht gesprochen worden war. Silon –auf dem Bild war er deutlich jünger, vielleicht zehn oder elf- fütterte unter dem Tisch einige Vögel, die dort immer herumliefen und ihre Mutter tat so, als würde sie in einem Buch lesen, aber an ihrem erheiterten Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass sie sich gedanklich wohl kaum mit dem Inhalt des Textes befasste.
Gerade arbeitete sie an dem Schattenwurf eines Baumes, der aber nur zu den Kleinigkeiten zählte, die zu verbessern waren. Die größte Schwierigkeit war, dass sie sich selbst zeichnen musste. Bei anderen Personen hatte sie ein Auge dafür, welche Merkmale besonders wichtig dafür waren, die Zeichnung lebendig wirken zu lassen. Bei sich allerdings wusste sie das nicht, sodass sie seufzend nach einem alten Stück Papier griff und einige flüchtige Skizzen anfertigte. Zum Glück war Papier nicht sehr teuer, sodass sie sich dieses Hobby leisten konnte, aber dennoch ging sie lieber sparsam damit um.

Einige Tage später sprach Eora Jonin, eine Arbeitskollegin, mit der sie in letzter Zeit öfter gesprochen hatte, sie nach Schichtende an. „Hast du heute noch was vor?“
Sie verneinte.
„Was dagegen, wenn ich mitkomme? Ich würde mich freuen, wenn wir uns auch mal außerhalb des Krankenhauses sehen.“
Erfreut stimmte sie zu. Sieben Monate lang war ihr Bruder der einzige Ansprechpartner für sie gewesen und obwohl sie ihn sehr mochte, sehnte sie sich nach Kontakt zu Gleichaltrigen.

„Da wären wir.“ Sie betraten die aus Küche, Bad, Silons und ihrem Zimmer bestehende Wohnung. Alles kleine Räume und spärlich eingerichtet, aber sie war stolz darauf. Jetzt dachte sie allerdings darüber nach, was Jonin in der Küche, die gleichzeitig Wohnraum und Eingangsbereich war, sehen musste. Die Arbeitsplatte war zwar sauber, aber sah dennoch fleckig aus. Der Herd bestand aus zwei Platten und der Schrank hatte schon bessere Zeiten gesehen. Die zwei Stühle waren alles andere als komfortabel und der Tisch wackelig. Da sie nicht mit Besuch gerechnet hatte, waren ihre Zeichenutensilien und Silons Hausaufgaben darauf verteilt und seine sowie ihre Jacke hingen über den Stuhllehnen. Die einzige Dekoration bestand aus einer unscheinbaren Grünpflanze und ihrer Zeichnung von Runy. Die Bajoranerin trat sofort zu dem Bild und schien den Rest der Wohnung nicht zu bemerken. „Hast du das gezeichnet?“
Sie bejahte.
„Das sieht toll aus. Ist das euer Falke?“
„Danke. Ja, das ist er.“
„Zeichnest du auch Personen?“
„Noch lieber als Tiere.“
„Kannst du mich dann mal zeichnen? Natürlich nur wenn du Lust hast.“
Sie stimmte zu und griff nach einem Blatt und dem Bleistift. Dabei fiel ein anderer Zettel zu Boden. Rasch hob sie diesen auf, aber zu spät. Jonin hatte bereits einen Blick darauf geworfen. „Wer ist das?“, fragte die Bajoranerin interessiert.
„Weiß ich nicht“, log Ziyal, „ich habe sie mal auf der Straße gesehen und dann diese Zeichnung gemacht. So als Übung.“
„Zeig mal.“
„Nein, lieber nicht. Die ist noch nicht fertig, das ist mir dann unangenehm.“
Jonin akzeptierte das und schien auch nicht irritiert zu sein. Zum Glück war es nur ein Bild von Naprem gewesen und keines von Skrain. Einen Cardassianer hätte sie nur schwer erklären können.
Sie konzentrierte sich auf das Porträt, das sie anfertigen wollte, und schaffte es, eine durchschnittliche Arbeit anzufertigen, für gute Leistungen fühlte sie sich zu gestresst.
Die Bajoranerin war dennoch begeistert und freute sich sehr, als sie ihr die Zeichnung schenkte.
Bald darauf hatte Silon Geburtstag. Sie hatte sich in letzter Zeit öfter mit Jonin getroffen und ihr Bruder hatte das akzeptiert, obwohl sie so weniger Zeit für ihn hatte.
„Waile?“
Sie drehte sich um und erblickte die Bajoranerin.
„Dein Bruder hat heute Geburtstag, oder?“
„Ja. Woher weißt du das?“
„Du hast es mir mal erzählt. Wie wäre es, wenn du heute eher nach Hause gehst?“
„Das wäre sehr schön, aber ich fürchte, das wird nicht gehen.“
„Ich kann deine letzten zwei Stunden übernehmen. Das fällt keinem auf.“
„Danke, aber das kann ich nicht annehmen…“
„Doch. Sieh es als Dank für die schöne Zeichnung.“

So kam es, dass sie an dem Tag schon vor Silon zuhause war.
Als sie ihm das Geschenk überreichte, freute er sich wirklich. Lange saß er am Tisch und betrachtete die Zeichnung, bevor er diese zusammenrollte und in seinem Zimmer verstaute. Er wusste um das Risiko, solche Dinge offen herumliegen zu lassen.

Am späten Nachmittag verließ er die Wohnung, um zu einem seiner Streifzüge durch die Umgebung aufzubrechen. Das tat er häufiger, und sie nutzte die Zeit dann meistens zum Zeichnen oder um sich mit Jonin zu treffen. Da diese aber an dem Tag keine Möglichkeit hatte vorbeizukommen, unterhielten sie sich stattdessen per Videoübertragung.

Sie sprachen gerade über Jonins Urlaubspläne, als plötzlich die Tür zuschlug und ihr Bruder im Raum stand. Sie sah erschrocken auf, da er ansonsten die Tür immer leise schloss, und war geschockt. Silon war relativ übel zugerichtet, seine Kleidung war stellenweise zerfetzt und er hatte mehrere beginnende Blutergüsse und Platzwunden. Die aufgerissene Haut an den Knöcheln wies auf eine Schlägerei hin. Was sie allerdings am meisten beunruhigte, waren die Verletzungen am Hals, die aussahen wie Schürfwunden und ihre Erachtens nach verhältnismäßig tief. Kommentarlos verschwand er in seinem Zimmer.
„Ich muss auflegen“, meinte sie, „es ist was passiert.“
„Was ist los?“ Jonin klang besorgt.
„Mein Bruder. Ich weiß es noch nicht genau, aber es scheint nicht gerade harmlos zu sein. Wir reden später. Tut mir leid.“ Sie legte auf und klopfte an die Tür zum Nachbarraum.
„Silon?“ Sie nutzte automatisch seinen richtigen Namen.
Keine Antwort.
„Ich komme jetzt rein.“
Sie betrat den Raum. Ihr Bruder saß auf seinem Bett und sah aus dem Fenster. Ihr Eintreten ignorierte er, auch nachdem sie sich neben ihn gesetzt hatte.
„Was ist passiert?“
Schweigen.
„Rede mit mir.“
Seine einzige Reaktion bestand darin, sich von ihr wegzudrehen und ihr den Rücken zuzuwenden.
„Hey!“ So langsam reichte es ihr.
Zumindest sah er sie jetzt angesichts ihres entschlossenen Tonfalls an.
„Bist du schlimm verletzt?“
„Lass mich in Ruhe.“
„Jetzt hör mal. Entweder du redest mit mir oder ich frage denen Lehrer, ob er was dazu weiß. So kommen wir hier nicht weiter.“
„Eine Auseinandersetzung.“
Nach und nach konnte sie von ihm nähere Informationen gewinnen. Offenbar hatten ihm mehrere Jugendliche, zum Teil aus seiner Klasse, aufgelauert und ihn zusammengeschlagen. Dann hatten sie ihm einen Strick um den Hals gelegt und versucht, ihn zu erhängen. Er hatte sich allerdings befreien können und einige von ihnen übel zugerichtet. Ob er dazu auch das Messer genutzt hatte, sagte er allerdings nicht. Er lehnte es ab, einen Arzt aufzusuchen, obwohl er Schmerzen zu haben schien und offenbar nur erschwert atmen konnte. Sie wies ihn auf die Gefahr des Erstickens als Spätfolge von Strangulationen hin, aber ohne Erfolg.

Sie beobachteten Runy, der mit kräftigen Flügelschlägen in Richtung des offenen Fensters steuerte und schließlich auf dem Sims landete. Nach einem Moment erhob sie sich und brachte den Falken wieder zu seinem angestammten Platz im Badezimmer. Der einzige Raum, in dem das aus hygienischen Gesichtspunkten zu vertreten war.
Dann setzte sie sich wieder zu Silon.

Nach einer Zeit ließ sie ihn alleine, wies ihn aber darauf hin, sie zu verständigen, wenn es ihm schlechter gehen sollte. Dann informierte sie seinen Lehrer über die Vorfälle. Dieser würde es sowieso erfahren, da war es besser, wenn er vorgewarnt war.

Sie dachte an seinen Kommentar, den er zu der Frage, wie er selbst zu den Ereignissen stand, abgegeben hatte. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Die Brutalität, die unter den Jugendlichen herrschte, erschreckte sie. Auf Cardassia waren Rangeleien in dem Alter normal, aber da war Schluss, wenn einer der Beteiligten am Boden lag, und es entstanden normalerweise keine gefährlichen Verletzungen.
Sie fragte sich, was in Zukunft noch alles passieren würde. Und was aus Silon werden würde. Was das für Auswirkungen auf ihn haben würde. Er wäre fast getötet worden und das an seinem vierzehnten Geburtstag. Das konnte einfach nicht gesund sein.

Am nächsten Tag fing Jonin sie gleich auf dem Flur ab. „Was ist mit deinem Bruder passiert?“
„Er…hatte einen Unfall. Nichts Gefährliches, war aber erforderlich, dass ich mich um ihn gekümmert habe.“
Dann wechselte sie das Thema und hoffte, dass sich die Bajoranerin damit zufriedengeben würde.

Die Zeit verging, und Silon zog sich immer weiter zurück. In der Schule war das Thema nicht mehr zur Sprache gekommen, vermutlich, weil seine Klassenkameraden Angst vor ihm hatten. Er war selbst an reinblütigen Cardassianern dieses Alters gemessen kein Schwächling und zwei Jungen, die an dem Vorfall beteiligt waren, waren eine Woche nicht zur Schule gekommen. Ihn beleidigte niemand mehr oder suchte Streit. Seine Mitschüler mieden ihn, und das schien ihm recht zu sein.
Allerdings redete er fast nicht mehr mit ihr und manchmal konnte sie in seinen Augen einen Hass erkennen, der ihr Angst machte.
Sein Lehrer informierte sie immer über die neuesten Entwicklungen in der Schule, aber konnte ihr auch keine Ratschläge geben, wie sie ihm helfen konnte. Er versicherte, dass ein solcher Fall an der Schule noch nie vorgekommen war, aber gab zu, dass er insgeheim mit so etwas gerechnet hatte.
Körperlich hatte er den Vorfall überlebt, aber was seine Psyche anging, konnte sie das nicht beurteilen.

Eines Nachmittages in der Wohnung kam es dann noch zu einer anderen Eskalation. Jonin hatte im Laufe der Zeit alle Hinweise zusammengezählt, was ihre Vergangenheit anging, und konfrontierte sie nun damit.
„Du sagst mir nicht die Wahrheit, Waile. Und allen anderen auch nicht. Warum?“
„Ich weiß nicht, was…“
„Leugne es nicht.“ Der Tonfall der Bajoranerin war entschlossen und nicht wenig aggressiv. Der Stress der letzten Zeit und ihre Sorge, jetzt ihre einzige Verbündete zu verlieren, taten ihr Übriges, sodass sie die Beherrschung verlor.
„Ja, ich bin in Wirklichkeit die Tochter von Skrain Dukat und Tora Naprem. Ich bin auf Anweisung meiner Eltern mit meinem Bruder von Cardassia geflohen, um nicht entführt und als Druckmittel genutzt zu werden. Bist du jetzt zufrieden?“
„Wie heißt du wirklich?“
„Ziyal Dukat. Mein Bruder Silon Dukat.“
„Und warum hast du es mir nicht gesagt?!“ Jonin hatte die Stimme nun auch gehoben.
„Weil ich nicht verrecken wollte. Silon hatte keinen Unfall, verdammt, er wurde von seinen Mitschülern fast umgebracht. Und das, obwohl sie nicht einmal wussten, dass er nicht hier geboren wurde. Einfach nur weil er zur Hälfte cardassianisches Blut hat. Einfach so.“ Sie beruhigte sich mühevoll etwas. „Und ich will mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn sie die Wahrheit erfahren. Dann sind wir unseres Lebens nicht mehr sicher. Ich konnte kein Risiko eingehen.“
Jonin war blass geworden. „Was…was ist mit ihm passiert?“
„Sie hatten ihn zusammengeschlagen und fast erhängt.“
Die Bajoranerin schloss betroffen die Augen. „Ich verstehe. Es tut mir leid, dass ich dir Vorwürfe gemacht habe. Ich wollte nur Bescheid wissen und da ist mir etwas das Temperament durchgegangen.“
Sie seufzte. „Ich hätte dich nicht so anschreien dürfen. Das tut mir auch leid. Aber es ist momentan einfach alles zu viel. Silon ist nicht mehr derselbe nach diesem Vorfall und ich fürchte jeden Tag, dass er sich umbringt oder anderen etwas zuleide tut. Ich kann ihm nicht helfen. Egal, was ich tue. Ich kann ihm nicht helfen.“
Nun weinte sie doch noch.

Sie hatten noch lange geredet. Silon war wie so oft nicht zur Wohnung zurückgekehrt und sie hatte keine Ahnung, wo er war. Wie so oft in letzter Zeit.
Jonin hatte ihr nicht nur geduldig zugehört, sondern ihr auch noch Zuspruch gegeben, was ihr viel bedeutete.
Als die Bajoranerin gerade gehen wollte, kam Silon zurück. Er grüßte nur knapp und ging ins Badezimmer.
Sie sahen sich schweigend an.

Das war so eine Sache mit dem Überleben.


Epilog


Ein Jahr war vergangen, seit sie Jonin ihre Geschichte offenbart hatte.
Nun waren sie zu dritt auf dem Weg nach Cardassia. Die Bajoranerin hatte sich entschlossen, sie zu begleiten. Eine Arbeit würde sie auch dort finden, hatte sie gesagt, und sie hatte Ziyal nicht so weit entfernt wissen wollen. Zudem hatte sich Jonin auf Bajor nie so wohlgefühlt, dass eine Auswanderung nicht infrage käme. Sie hatten sich in der Zeit sehr gut angefreundet und sie hatte oft darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn sie wieder zurückkehrte, nach Cardassia.

Sie warf einen nachdenklichen Blick auf Silon. Der inzwischen Fünfzehnjährige war nie mehr so geworden wie zuvor. Zwar redete er jetzt wieder mit ihr, aber es gab Dinge, die man nicht ungeschehen machen konnte. Sie hoffte nur, dass es für ihre Eltern kein allzu großer Schock werden würde.
Ihre Eltern. Sie hatten ihr geschrieben, dass Cardassia gesiegt hatte, aber zu großen Teilen zerstört worden war. Es hatte viele Tote gegeben, auch Skrains Eltern und die Frau seines Bruders waren darunter.
Aber Cardassia hatte überlebt, so wie auch sie.

Ob es wieder eine Heimat für sie werden würde, war allerdings offen. Es war zu viel passiert.

Sie lächelte, als der Planet durch die Shuttlefenster zu sehen war und langsam näher kam.

Es gab Hoffnung, und das war es, was für sie zählte.



Wie immer sind Kommentare erwünscht :) danke fürs Lesen und hoffentlich bis nächstes Mal.

LG
werewolf
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