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Ernstfall

von Verena

Kapitel 1

„Janeway an Außenteam“, wiederholte Kathryn zum vierten Mal. Die Antwort war ein weiteres Mal ein statisches Rauschen, das an den Nerven der Brückencrew zerrte. Darüber hinaus ging auf einmal ein schwerer Schlag durch das Schiff, der Janeway, die hinter der Conn stand, taumeln ließ. Sie fand mühsam das Gleichgewicht wieder und fuhr herum. „Bericht.“

„Das war ein Ausläufer des elektrischen Sturms, der auf der Oberfläche herrscht“, berichtete Harry Kim. Der junge Fähnrich wirkte zutiefst beunruhigt, da zu dem Außenteam, das auf der Planetenoberfläche festsaß, auch sein bester Freund Tom Paris gehörte. „Die Turbulenzen nehmen an Gewalt zu. Wir sollten einen höheren Orbit wählen, sonst könnten die Bordsysteme in Mitleidenschaft gezogen werden.“

Janeway warf einen Blick zu Tuvok, ihrem Sicherheitsoffizier, der stoisch seine Kontrollen bewachte und sich von der Stimmung nicht anstecken ließ. Als er den Blick des Captains bemerkte, nickte er leicht mit dem Kopf. „Mr. Kims Vorschlag ist logisch“, bestätigte er. „Wir sollten dennoch in Transporterreichweite bleiben, falls es möglich ist, die Muster des Außenteams trotz der Interferenzen wahrzunehmen.“

„Steuermann“, befahl Janeway. „Sie haben es gehört.“ Lieutenant Simmons, der an Stelle von Tom Paris die Conn innehatte, nickte und korrigierte die Lage der Voyager zu dem Planeten, der ihnen zu Beginn der Mission wie ein Rettungsanker erschienen war. „Ich erwarte von Ihnen allen Ideen, wie wir das Außenteam retten können.“

„Mit der Voyager zu landen wäre reiner Selbstmord“, dachte Harry laut. „Und durch die elektrischen Interferenzen ein klares Muster erkennen zu können ist auch ... einen Moment.“ Er stutzte und ließ seine Finger über seine Konsole huschen. „Ich habe vor der Entstehung des Sturms in der Nähe der Landegruppe eine interessante Felsformation gefunden, die von einem unterirdischen Höhlensystem durchschnitten wird.“

„Worauf wollen Sie hinaus, Fähnrich?“, erkundigte sich Tuvok ernst. „Selbst Felsen verhindern die elektrische Aufladung der Atemluft nicht.“

„Diese hier schon“, Kim nickte aufgeregt. „In der Struktur der Felsen ist Anakolit eingearbeitet. Es ist selbst schwach elektrisch aktiv und könnte vielleicht verhindern, dass Leute, die sich in den Höhlen befinden, von dem Sturm beeinflusst werden.“

Kathryn atmete durch und bemühte sich, die Sorge um ihre Crewmen aus ihrer Stimme zu verbannen. „Halten Sie es für möglich, dass das Außenteam dieses Höhlensystem rechtzeitig erreicht hat?“, erkundigte sie sich. Harry schluckte sichtbar. Er hatte noch nicht gelernt, seine Emotionen so gut zu verbergen wie Janeway. Dann rang er sich eine weitere Antwort ab.

„Ich halte es für möglich, Captain.“

In seinen Worten schwang alle Ungewissheit mit, die das Wort ‚möglich‘ enthalten konnte. Janeway wandte das Gesicht kurz von ihm ab, um ihre eigene Fassung ringend. Sie rief sich zur Vernunft auf- dies war eine Notsituation, wie sie schon viele erlebt hatte. Warum aber nahm diese sie derart mit?

„Ich möchte, dass Sie alle überlegen, wie wir das Außenteam erreichen können. Ich akzeptiere nicht, dass wir abwarten müssen, was geschieht“, wandte sie sich an die Brückencrew und kehrte dann zu ihrem Sessel zurück. Sie öffnete den kleinen Monitor neben sich und rief eine Darstellung des Planeten und des Sturms auf. Dabei fiel ihr Blick auf Chakotays leeren Sessel und ihre Konzentration schwand ein weiteres Mal. Ihr fiel ein, wie seltsam er sie an diesem Morgen angesehen hatte, als sie zusammen im Tubolift gestanden waren. Wie immer hatte sie es ignoriert. Er machte nie einen Hehl aus seinen Gefühlen für sie. Kathryns Hände klammerten sich in die Lehnen ihres Sessels und sie kämpfte mit den Erinnerungen. Sie hasste diese Szenen, wie sie so oft zwischen ihr und Chakotay vorgekommen waren. Sie stieß ihn immer wieder zurück und verletzte ihn dabei, während sie selbst ebenso litt wie er. Doch sie war der Captain und damit sein befehlshabender Offizier und die Vorschriften standen zwischen ihnen. Wie lange sie beide die Situation noch ertragen konnten, wusste Janeway nicht, sie war sich nur sicher, dass sie sich eines Tages unweigerlich voneinander entfernen würden. Dann würde sie Chakotay auch als Freund endgültig verlieren. Wie sollten ihr Leben ohne seinen Rat, sein Lächeln oder seine Unterstützung aussehen? Sie konnte sich das gar nicht vorstellen.

„Vor drei Jahren kannte ich noch nicht einmal Ihren Namen. Jetzt könnte ich mir keinen Tag ohne Sie vorstellen.“

Das war noch immer die volle Wahrheit. Doch es gab nur einen Weg, ihn nicht zu verlieren. Und sie wusste nicht, ob sie bereit war, ihn zu beschreiten. Mit den Regeln der Sternenflotte zu brechen war ihr immer schwergefallen, denn jede der Statuten war im Delta-Quadranten doppelt und dreifach wichtig geworden. Wenn sie sich entschloss, ihren Gefühlen für Chakotay nachzugeben - denn sie liebte ihn wirklich - dann war das eine Entscheidung, die Auswirkungen auf das ganze Schiff haben würde. Denn wie stand ein Captain da, der für sein persönliches Glück die Direktiven der Sternenflotte ablehnte? Ein weiteres Mal blickte Kathryn auf den leeren Stuhl neben sich und Angst machte sich in ihr breit. Sie war schon oft in der Situation gewesen, in der sie nicht gewusst hatte, wo Chakotay war oder ob es ihm gut ging - doch selten hatte es sie so berührt wie jetzt. 'Ich muss es ihm auf jeden Fall sagen.' nahm sie sich vor. 'Er muss wissen, was ich fühle. Auch, wenn wir es niemals leben werden können.'

Sie saßen sich gegenüber, sie selbst etwas verlegen. Chakotay schien es nicht besser zu gehen, doch er überwand sich und blickte sie ernst an. „Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Eine alte Legende meines Volkes ...“ Und während er sie ihr erzählte, fühlte Kathryn, dass etwas tief in ihr zerschmolz. Es war jener Panzer, den sie um ihre Gefühle errichtet hatte und nun fühlte sie auf einmal eine Welle von Liebe, die über ihrem Verstand zusammenschlug. Sie wollte ihn. Sie wollte mit ihm leben, auf diesem Planeten. Als er geendet hatte, huschte ein kleines, fragendes Lächeln über sein Gesicht. Kathryn erkundigte sich leise, ihre Stimme nicht mehr richtig beherrschen könnend, ob dies wirklich eine alte Legende sei. Er wirkte ertappt und seine Verlegenheit zeichnete sich in fast jungenhafter Weise auf seinen Zügen ab. „Nein“, gestand er. „Aber das war der einzige Weg, es zu sagen.“

Kathryn massierte ihre Schläfen, hinter denen ein fast unerträglicher Schmerz pulsierte, und warf einen flüchtigen Blick zu Harry Kims Station hinauf. Sie schätzte, dass seit dem Abreißen des Kontaktes mit dem Außenteam inzwischen knapp drei Stunden vergangen waren. Die Zeit war quälend langsam verstrichen und dennoch schien es ihr gleichzeitig, als ob sie nur den Bruchteil dieser Stunden bewusst erlebt hatte. Die meiste Zeit hatte sie gewartet und nachgedacht. Ihre Hoffnung, an die sie sich klammerte wie an den letzten Strohhalm, zerfaserte immer mehr. Doch in diesem Moment gab Kims Konsole ein leises Piepsen von sich. Die Stille auf der Brücke verwandelte sich in eine fast spürbare Spannung.

„Captain, über dem Südpol des Planeten öffnet sich eine Lücke im Ionenfluss des Sturms. Mit einigen Modifikationen des Transporters könnten wir das Außenteam erfassen.“

Die kurze Nachricht des asiatischen Fähnrichs reichte Kathryn schon. „Mr. Simmons, setzen Sie einen Kurs. - Janeway an Torres; versuchen Sie den Transporter an die Interferenzen des Sturms anzupassen. Wir haben da ein Schlupfloch entdeckt.“

„Aye, Captain“, klang Torres Stimme aus den schiffsinternen Lautsprechern. „Wir bekommen tatsächlich einen unklaren Fokus auf das Außenteam. Die Biowerte sind schwach, aber stetig.“ Ein Aufatmen wehte über die Brücke und Janeway war auch versucht, sich zu entspannen. Doch die Gefahr war erst vorbei, wenn alle ihre Offiziere wieder an Bord waren. „Ich kompensiere die Fluktuationen.“ Schweigen trat ein und dann kam die Nachricht wie eine Erlösung: „Wir haben Sie. Torres Ende.“

Kathryn schloss für einen kurzen Moment die Augen und horchte in sich hinein. In den vergangenen Minuten hatte sie eine Entscheidung getroffen. Sie hatte gemerkt, wie sehr sie ihre Nähe zu Chakotay von einem klaren Denken abbrachte. Das konnte sie sich nicht mehr erlauben.

„Tuvok, Sie haben die Brücke“, befahl sie. „Ich bin auf der Krankenstation.“ Sie eilte in den Turbolift und starrte, nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, ins Leere. „Krankenstation.“ Die Kabine setzte sich in Bewegung, doch Kathryn bemerkte es kaum und als sie auf dem gewünschten Deck ankam, brauchte sie auch einige Zeit, um es zu realisieren. Dann riss sie sich zusammen und betrat wenig später der Krankenstation.

Dort bot sich zu ihrer Erleichterung ein eher entspanntes Bild. Tom Paris, der selbst zum Außenteam gehört hatte, war schon wieder auf den Beinen und unterstütze den Doktor. Er grinste ihr zu, als er sie bemerkte und flachste: „Willkommen in der Abteilung der fast Gegrillten, bitte stellen Sie sich hinten an.“ Er wies auf die belegten Biobetten. „Wir haben etwas Platznot.“

Janeway lächelte zurück, wenn auch freudlos. Heute konnte sie den Humor des Piloten nicht vertragen. „Wo ist der Commander?“, erkundigte sie sich bei ihm, die Sorge in ihrer Stimme nicht verdrängen könnend. Bisher hatte sie ihn noch nicht bemerkt.

„Im Labor“, erklärte Paris. „Er hilft uns bei der Synthese eines Mittels gegen die Auswirkungen des Sturms.“

„Danke.“ Sie nickte ihm und dann dem Doktor zu und ging ins Labor.

Chakotay stand vor dem Medi-Replikator und wandte sich um. Trotz einiger Risse in der Uniform und einer schmalen Verletzung über der rechten Augenbraue wirkte er ruhig und aufmerksam. Sie blickte ihn an und fühlte, dass er erkannte, dass etwas nicht in Ordnung war. Der Ausdruck seiner Augen strahlte eine derartige Verletzlichkeit aus, dass Kathryn am liebsten fortgelaufen wäre.

„Hallo“, sagte er und lächelte.

„Ich ...“, begann Kathryn, brauchte dann aber noch einige Sekunden, um den Rest der
Worte hervorzubringen, die sie sich zurechtgelegt hatte. „Ich dachte, ich hätte dich vielleicht verloren.“ Er wollte nähertreten, doch eine Bewegung ihrer Hand wehrte ihn ab. „Du sollst wissen, dass ich dich liebe, Chakotay.“

Er wirkte verblüfft, doch eine tiefe Traurigkeit machte sich auf seinem Gesicht breit. Dann nickte er. „Ich liebe dich auch“, antwortete er. „Aber es ist nicht das, was du mir eigentlich sagen wolltest, nicht wahr, Kathryn?“

Sein Blick drang bis in ihr tiefstes Inneres vor und steigerte den Schmerz darin ins Unermessliche. „Ja. Das zwischen uns, Chakotay, wird niemals sein. Darüber bin ich mir in den vergangenen Stunden klargeworden. Zwischen uns steht ein Schiff und für mein persönliches Glück kann ich meine klare Entschlusskraft und vor allem die Sicherheit der Sternenflottendirektiven nicht aufs Spiel setzen.“

Eine lange Stille trat zwischen ihnen ein. Irgendwann hielt es Kathryn nicht mehr aus; sie drehte sich um und ging. Bereits in der Tür des Labors, hörte sie seine Antwort.

„Ich verstehe.“

„Sie sind nicht allein, Kathryn“, sagte er und sah sie in einer Weise an, die sie dieses auch glauben ließ.

Sie hatte ihn verloren. Schließlich und endlich war sie doch allein.


ENDE
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