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... tut Wahrheit kund

von Verena

Kapitel 1

Naomi Wildman schlich in die Küche des Kasinos. Neelix, der talaxianische Koch und Moraloffizier, stand mit dem Rücken zu ihr und rührte in einem Topf, aus dem zweifelhafte Gerüche emporstiegen. Naomi rümpfte ihre zierliche Nase, entschied, dass dies wohl das scheußlichste war, das sie in ihrem kurzen Leben gerochen hatte, und rief ihm ein fröhliches „Hallo!“ zu.

Neelix schrak wie erwartet zusammen und ließ den Löffel mitten in den Eintopf fallen. „Crewman Wildman, wie oft habe ich dir gesagt, du sollst mich nicht so erschrecken!“, schimpfte er, fischte das Kochgerät aus dem Essen und wischte sich die Hände an der Schürze ab.

Naomi blickte ihn mit völlig unschuldigem Gesichtsausdruck an und lächelte.
„Entschuldige, Neelix, das wird nie wieder vorkommen“, bat sie, doch der Schalk blitzte aus ihren Augen.

„Aaah, ich sehe schon, das ist eine Verschwörung“, rief der Koch theatralisch aus und zwinkerte seiner Ziehtochter zu. „Du hast wieder versucht auszuspionieren, was es zum Mittagessen gibt.“

„Meinst du das, was da drüben anbrennt?“

Kaum hatten die Worte Naomis Lippen verlassen, fuhr der Talaxianer herum und riss den Topf endgültig vom Feuer. Entsetzt blickte er in das angebrannte Essen, von dem neben dem seltsamen Geruch nun auch kleine, blaue Dampfwolken aufstiegen.

„Oh, nein! Mein schöner Gumbo-Eintopf!“, jammerte er und kippte die Reste der Mahlzeit in den Mülleimer. Surrend sprang über ihnen die Luftumwälzanlage an und saugte den übelriechenden Dampf aus der Küche. Naomi blickte Neelix schuldbewusst an.

„Entschuldige, das wollte ich nicht. Bekommt die Crew jetzt kein Mittagessen?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

Neelix winkte entnervt ab. „Nein, das war nur ein Experiment für den Geburtstag von Mr. Paris morgen. Er hat sich von mir ausdrückliches etwas ganz Besonderes zu Essen gewünscht.“ Der Talaxianer seufzte abgrundtief und seine Barthaare zitterten leicht. „Aber mir gelingt es nicht, auf die Schnelle ein ganz besonderes Rezept zu kreieren.“

„Dann koch doch einfach Toms Lieblingsspeise – Tomatensuppe!“, schlug Naomi zögernd vor und als sie sah, wie sich ein strahlendes Lächeln auf Neelix‘ Gesicht breitmachte, grinste sie ebenfalls.

„Mein Schatz, du bist genial“, rief der Koch. „Wieso bin ich nicht früher darauf gekommen?“ Er begann durch die Küche zu laufen und Zutaten aus den Schränken zu holen. Naomi hob die Schultern.

Erwachsene hatten eben nie Zeit, wenn man sie brauchte. Das war bei Neelix ebenso wie bei ihrer Mutter. Da half nur ein Schockeffekt, um die Aufmerksamkeit, die sie sich wünschte, zu erhalten. „Du, Neelix, sag mal. Was ist eigentlich Balzverhalten?“

Der Koch erstarrte mitten in der Bewegung. „Wie kommst du denn auf dieses Wort?“, erkundigte er sich verdutzt.

„Seven hat es benutzt. Sie meinte, dass das, was Commander Chakotay zeigt, wenn er den Captain sieht, wäre die klassische Form des menschlichen Balzverhaltens!“

Neelix schwieg und strich sich fahrig die Haare zurück. „Oh, Naomi, frag doch besser deine Mutter!“

„Erwachsene!“, beschwerte sich Naomi, zog dann aber ab. Dann musste sie eben jemand anderen fragen.



„Aber Mami!“

„Naomi Wildman, ich weiß nicht, was sich Seven dabei gedacht hat, aber für so etwas bist du noch zu jung.“

„So schlimm kann es aber nicht sein, denn dem Commander scheint es doch recht gut zu gehen?“

„Naomi!“

„Schon in Ordnung."



„Hallo, Miss Torres. Haben Sie kurz Zeit?“

„Jetzt nicht, Naomi, ich muss die Werte für die neue Warpkernrekalibrierung im Augen behalten.“

„Okay."



„Hallo, Harry.“

„Hallo, Naomi. Was kann ich für dich tun?“

„Was ist menschliches Balzverhalten? - Warum werden Sie denn so rot?“
„Äh ...“



„Seven? Kann ich Sie etwas fragen?“

„Mein Regenerationszyklus steht bevor. Wir werden danach reden.“



Naomi hatte genug. Überall wich man ihr aus. Also beschloss sie jemanden zu fragen, der immer alles wusste und ihr auch bereitwillig Auskunft geben würde. Sie hatte den Computer gebeten, sie zu informieren, wenn sich Captain Janeway und ihr Erster Offizier allein im Bereitschaftsraum befanden. Als die Nachricht erfolgte, stürzte Naomi in den nächsten Turbolift, fuhr zur Brücke, rannte an Tuvok vorbei und betätigte den Türmelder des Bereitschaftsraum. Das Schott öffnete sich prompt in dem Moment, in dem Tuvok hinter ihr auftauchte und versuchte, sie aufzuhalten. Naomi grinste, als sie die verblüfften Gesichter von Janeway und Chakotay sah und eilte in den Raum, den Vulkanier auf ihren Fersen.

„Ich muss Sie beide unbedingt etwas fragen“, brachte sie hervor.

Janeway tauschte einen kurzen Blick mit Tuvok, der sich zurückzog. Und erkundigte sich dann freundlich. „Was können wir für dich tun, Naomi?“

„Ich möchte wissen, was menschliches Balzverhalten ist.“

„Und damit kommst du zu uns?“ Chakotay, der auf dem Besucherstuhl saß, wirkte völlig überrumpelt. „Ist deine Mutter nicht zuständig für so etwas? Oder Neelix?“

„Oder B'Elanna, oder Harry, oder Seven?“ Naomi verzog trotzig den Mund. „Die haben entweder keine Zeit oder erklären es mir nicht.“

„Und wie kommst du auf den Begriff?“, wollte Janeway wissen. Zu Naomis Erleichterung war der Captain nicht verärgert.

„Seven hat behauptet, an Ihnen beiden könnte man menschliches Balzverhalten am besten ausmachen. Schließlich würde der Commander den ganzen Tag um sie herumlaufen und sein Revier abstecken. - Und ich habe keine Ahnung, wie so etwas abläuft“, erklärte Naomi freimütig und wunderte sich dann, denn Chakotay wurde mit einem Male knallrot und verließ fluchtartig, mit einer gemurmelten Entschuldigung, er habe zu tun, den Raum.

Der Captain stützte kurz die Stirn in die Hände und seufzte: „Ich glaube, ich muss mich dringend mit Seven darüber unterhalten, mit wem sie über was spricht.“

„Aber schlauer bin ich immer noch nicht“, beschwerte sich Naomi. „Captain, bitte.“

„Nun gut. Setzen wir uns aufs Sofa!“ Janeway erhob sich und Naomi ging zu Couch. Geduldig wartete sie, bis der Captain einen Tasse Kaffee und einen Kakao repliziert und sich zu ihr gesetzt hatte. „Also, der Begriff des Balzverhaltens kommt eigentlich aus der Tierwelt. Tiere, die sich auf der Suche nach einem Partner befinden, führen ganz bestimmte Rituale durch, um den anderen auf sich aufmerksam zu machen.“

„Aha“, unterbrach Naomi sie, „und wenn Ihnen der Commander Blumen schenkt oder Sie beide zusammen zu Abend essen, dann ist das Balzverhalten!“

„So kann man das nicht sagen“, wehrte der Captain schwach ab. Sie schien es nun zu bedauern, sich überhaupt auf das Gespräch eingelassen zu haben.

„Aber er mag sie doch“, beharrte Naomi und nahm eine Schluck Kakao. „Das weiß jeder und alle finden es schade, dass Sie nur Freunde sind.“

„Aha“, murmelte Janeway leise. „Jeder weiß das?“

„Neelix sagt es und meine Mom auch.“ Naomi nickte bestimmt und setzte dann hinzu: „Als Ihr Assistent bin ich dafür zuständig, dass zwischen den Offizieren und der Crew ein gutes Verhältnis besteht. Deshalb erzähle ich Ihnen das, Captain. Ich denke, es würde die Crew sehr freuen, wenn Sie und der Commander ...“ Naomi suchte nach einem geeigneten Wort für das, was sie ausdrücken wollte, doch ihr fiel keines ein. Dann kam ihr die Erleuchtung. „...Partner werden und mit dem Balzverhalten aufhören.“ Ein weiterer schrecklicher Gedanke schoss Naomi durch den Kopf. „Oder mögen Sie den Commander nicht?“

Der Captain verschluckte sich an ihrem Kaffee und hustet unterdrückt. Naomi hätte schwören können, dass Janeway lachte, aber das hatte sie bei ihr noch nie gesehen und deshalb verwarf sie den Gedanken. „Doch Naomi, ich mag den Commander sehr“, antwortete Janeway schließlich. „Aber das ist alles nicht so einfach.“

„Ach, schon wieder so eine typische Erwachsenenantwort“, beschwerte sich Naomi altklug und trank dann ihren Kakao aus. „Jetzt werden Sie mir wahrscheinlich sagen, dass ich das erst verstehen werde, wenn ich erwachsen bin.“

Der Captain lächelte nachdenklich. „Sei froh, dass du noch ein Kind bist“, erinnerte sie Naomi.

Die zuckte die Achseln. „Wenigstens schickt man einen Erwachsenen nicht um acht Uhr ins Bett“, lautete die Antwort. Naomi sprang von der Couch und verabschiedete sich. „Ich muss Neelix noch beim Essen für Toms Geburtstagsfeier helfen. Danke für den Kakao und alles.“

„Ich muss mich bedanken“, erwiderte Janeway ernst, „dieses Gespräch war wirklich informativ. Auf Wiedersehen, Crewman Wildman.“

„Wiedersehen!“

Naomi verließ den Bereitschaftsraum mit einem neuen Hochgefühl und blinzelte triumphierend zu Tuvoks Konsole hinauf. Der Captain fand ihre Meinungen interessant und hatte sich sogar Zeit für sie genommen. Das musste sie Seven erzählen – wenn ihr Regenerationszyklus beendet war.



Kathryn betätigte den Türmelder zu Chakotays Kabine und seufzte. Seit Naomis Auftritt am gestrigen Tag war er ihr ausgewichen, so gut er konnte und er hätte es wohl auch am heutigen Abend getan – wenn sie nicht schon vor einigen Tagen verabredet hätten, dass sie gemeinsam bei Toms Geburtstagsfeier erschienen.

Das Schott öffnete sich und Kathryn trat ein. Wie immer, wenn sie Chakotays Räume betrat, fühlte sie sich plötzlich geborgen, so als gehöre sie hierher. Sie mochte das Aroma von altem Leder, der seinem Medizinbündel entströmte und die wenigen, ausgesuchten Kunstgegenstände, die er besaß. In diesem Moment erschien er in der Tür zum Wohnraum und lächelte ihr zu. Kathryns Herz machte einen Satz, als sie ihn sah. Wie sie selbst trug er Zivil und so als habe er gewusst, dass sie Weiß tragen würde, war er vollkommen in Schwarz gekleidet.

„Du siehst wunderschön aus, Kathryn“, sagte er bewundernd und musterte sie von oben bis unten, während er näher kam.

Janeway fühlte, wie sie verlegen wurde, erinnerte sie sich an Naomis Frage, ob sie den Commander denn nicht mögen würde. Die Antwort, die sie darauf gegeben hatte, war nicht wirklich ehrlich gewesen. Sie mochte ihn nicht nur, sie liebte ihn schon eine lange Zeit. „Du siehst auch gut aus, Chakotay“, gab sie zurück und fand sich dann jeglicher Worte beraubt, als sie der dezente Geruch seines Aftershaves unvermittelt traf und ihre Knie weich werden ließ. In dem Moment, in dem sie aufblickte und seinen braunen, lächelnden Augen begegnete, war sie endgültig verloren. Verwirrt fragte sie sich, wie sie der Wirkung dieses Mannes so lange hatte widerstehen können.

„Kathryn?“

„Ja?“ Sie schreckte aus ihren Gedanken auf. „Was gibt es?“

„Sollen wir gehen?“, erkundigte er sich und stellte sie damit vor eine Entscheidung.

Wenn sie blieben, dann würde sie endgültig alles vergessen, was sie jemals davon abgehalten hatte, ihm ihre Gefühle zu gestehen. Und wenn sie gingen, dann würde alles beim Alten bleiben und Kathryn konnte sich an das Gefühl klammern, an ihr Schiff und nicht an sich selbst gedacht zu haben. Das Gespräch mit Naomi fiel ihr wieder ein, und die Sehnsucht, die es in ihr ausgelöst hatte – nach Geborgenheit, nach völligem Vertrauen; Dingen, die Kinderwünsche waren, für einen Erwachsenen oft aber unendlich weit entfernt. Doch eigentlich war es sehr einfach.

„Nein“, sagte Kathryn leise, „noch nicht.“



Naomi stand neben Seven, ein Glas Apfelsaft in der Hand und beobachtete glücklich, wie Tom Paris sich über den Topf mit frischer Tomatensuppe beugte und begeistert grinste.

„Neelix, wenn das hier so schmeckt, wie es reicht, dann sind Sie ein Zauberer!“, lobte der Navigator.

Der Talaxianer, der hinter der Theke stand und einige Platten mit Essen darauf anrichtete, nickte stolz. „Die Suppe ist mir tatsächlich sehr gut gelungen – aber nur, weil Naomi überhaupt erst auf den Gedanken gekommen ist, dass ich sie kochen sollte“, erklärte er.

„Aha.“ Tom drehte sich zu Naomi um und meinte: „Was für ein Glücksfall, dass unsere Beraterin des Captains noch so viele andere Talente hat.“

Dabei prostete er ihr mit seinem Sekt zu. In diesem Moment erklang Janeways Stimme.

„Ich stimme Ihnen da voll und ganz zu, Mr. Paris.“

Unbemerkt von allen andere Gästen, die in kleinen Grüppchen beisammen standen und sich unterhielten, hatten der Captain und der Commander, die letzten Nachzügler, das Kasino betreten. Naomi beobachtete vergnügt, wie Tom Paris Kinnlade nach unten fiel, als er bemerkte, dass sich Janeway und Chakotay tatsächlich bei den Händen hielten und verliebt anlächelten.

Hatte sie es doch gewusst! Naomi verschränkte selbstzufrieden die Arme. Wenn das hier geklappt hatte, dann würde es eine Leichtigkeit für sie werden, den Doktor und Seven zusammenzubringen ...


ENDE
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