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Winterperspektiven

von Verena

Kapitel 1

Kathryn saß vor dem Kaminfeuer in ihrem Lieblingssessel und nippte genüsslich an einer Tasse guten, heißen Kaffees. Vor dem Fenster ihres Hauses tanzten Schneeflocken in einem verrückten Reigen dem Boden entgegen. Das Wohnzimmer wies noch immer die Reste der Silvesterparty auf, die am vergangenen Abend stattgefunden hatte. Einige leere Gläser standen noch auf dem Sideboard und bisher hatte Kathryn noch nicht den Antrieb gefunden, aufzuräumen.

Mit einem wehmütigen Lächeln erinnerte sie sich an das Geschehene. Ihr stilles Haus war beinahe aus den Nähten geplatzt bei all den Besuchern. Tom und B'Elanna hatten stolz von den Fortschritten ihres Sohnes Simon berichtet, der inzwischen im Kindergarten war und damit angab, ein noch besserer Pilot zu werden als sein Vater es war.

Seven und der Doktor hatten angekündigt, dass sie beide einen Posten auf der USS Lexington angenommen hatten und bald in Richtung des Gamma-Quadranten aufbrechen würden. Der Krieg mit dem Dominion war beendet und die Gründer hatten ihr Sternenreich für friedliche Forschungen geöffnet.

Kathryn schmunzelte bei dem Gedanken an den verliebten Blick des Doktors, und an Sevens Reaktion, als er ihre Hand genommen hatte. Sie hatte die Gefühle des Doktors für die kühle Ex-Borg schon an Bord der Voyager bemerkt und freute sich ehrlich für die beiden.

Seit der Rückkehr zur Erde waren inzwischen fast drei Jahre vergangen und Kathryn merkte, dass sich viel seit dieser Zeit verändert hatte. Harry Kim hatte in der Zeit seines Aufenthaltes im Delta-Quadranten seine Eltern verloren und war an diesem Ereignis merklich gereift. Doch hin und wieder während des Abends war jenes jungenhafte Lächeln, dass man noch von Bord der Voyager kannte, wieder auf seinem Gesicht aufgetaucht.

Tuvok war inzwischen Commander und arbeitete für den Geheimdienst der Flotte. In seiner unvergleichlichen, kühlen Art hatte er erklärt, sein neuer Beruf sei äußerst faszinierend. Tom hatte ihn natürlich sofort wieder aufgezogen, doch Neelix war für den Vulkanier in die Bresche gesprungen und hatte behauptet, nichts könne so spannend sein wie ein Leben in der Küche. Darüber wusste er ja sehr gut Bescheid. Sein Spezialitätenrestaurant in Neu-Tokio war inzwischen mit einem vierten Stern ausgezeichnet worden und lief hervorragend.

Kathryn seufzte. Alle ihre Freunde hatten inzwischen neue Beschäftigungen gefunden und nur sie selbst saß Tag für Tag in ihrem Haus, las, gab ab und zu eine Vorlesung an der Sternenflottenakademie, ging mit ihrem Hund Shaggy spazieren und fühlte sich schlichtweg alt. Die magische Grenze von 50 Jahren war nicht mehr allzu weit entfernt. Manchmal, so überlegte sie, lebte sie zu sehr in der Vergangenheit.

Nach der Heimkehr war die Voyager aus dem Dienst genommen und generalüberholt worden. Nun war sie fast wie neu, doch Kathryn hatte stets gewusst, dass sie das Kommando nicht mehr wollte. Es war einfach nicht mehr dasselbe wie auf ihrer langen Reise nach Hause. Die Erinnerungen an gute und schlechte Zeiten, die sie nicht missen wollte, waren von den Konstrukteursteam einfach verbaut worden.

Erinnerungen. Entscheidungen, die sie getroffen hatte. All das lag so weit zurück, dass es ihr fast als ein anderes Leben erschien. Sie hatte sich aufs Land zurückgezogen, um über sich selbst und ihre Position in diesem neuen Leben nachzudenken, und noch war sie zu keiner befriedigenden Antwort gelangt.

Erneut dachte sie an die kleine Silvesterfeier. Jeder ihrer ehemaligen Offiziere hatte Perspektiven, um die sie sie beneidete. Als sie auf das neue Jahr angestoßen hatten, war sie bestimmt die Einzige gewesen, der kein Wunsch für das Kommende eingefallen war. Die Zeit floss in einer Weise dahin, dass sie glaubte, sie unter ihren Finger verrinnen zu sehen. Was lohnte es, einen Moment auszukosten, wenn man wusste, dass der nächste von genau dem gleichen Wert sein würde?

Mit einem leisen Seufzer stand Kathryn auf und begann, das Geschirr in die Küche zu tragen. Dort lag ihr Hund in seinem Korb und blinzelte schläfrig zu ihr hinauf, während sie zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her lief. Die Reste des Essens vom vergangenen Abend lagen ihm schwer im Magen.

„Hauptsache, dir geht es gut“, sagte Kathryn lächelnd und kraulte Shaggy kurz hinter den Schlappohren. „Was sind wir doch für ein lebenslustiges Team“, setzte sie in ironischem Tonfall hinzu und räumte die Gläser in den Replikator.

Auf einmal summte der Türmelder vernehmlich. Kathryn schreckte auf und wunderte sich, wer um diese späte Zeit noch vor der Tür stehen mochte - und vor allem bei einem solchen Wetter. Sie eilte durch den Flur zur Haustür und öffnete. Eine Böe Schnee schlug ihre sofort entgegen und erst nachdem sie kurz geblinzelt hatte, um das feuchte Nass aus ihrem Blick zu vertreiben, erkannte die sie die Person, die vor der Tür stand. „Chakotay?“, fragte sie perplex.

Ihr ehemaliger Erster Offizier lächelte und verschränkte fröstelnd die Arme. „Ich bin es. Lässt du mich rein oder soll ich hier erfrieren?“, erkundigte er sich mit vor Humor blitzenden Augen.

Kathryn war eine Sekunde sprachlos. All die Jahre seit ihrer Rückkehr hatte er sich nicht bei ihr gemeldet und hatte an keinem der regelmäßigen Crewtreffen teilgenommen. Dennoch hatte sie ihm immer eine Einladung zugeschickt, in der Hoffnung, er komme doch. Auch zu diesem Silvester hatte sie ihn wieder eingeladen und es hatte sie getroffen, dass er auch dieses Jahr nicht aufgetaucht war. Und nun stand er plötzlich, nach drei langen Jahren, vor der Tür und wenn sie ihn ansah, dann erschien es ihr auf einmal, als hätte sich nichts zwischen ihnen geändert.

„Komm rein“, sagte sie und machte die Tür weit auf. Inmitten einer Wolke von Schnee trat er ein und entledigte sich seines Mantels, den er an die Garderobe hängte.

Kathryn stand stumm da und beobachtete ihn. Seine Schläfen hatten an Grau gewonnen, doch das minderte seine Attraktivität nicht, genauso wenig wie die kleinen Falten, die sich in sein Gesicht eingegraben hatten. Sie gingen ins Wohnzimmer. Als sie sich schließlich vor dem Kamin gegenüberstanden, fielen sie sich gegenseitig ins Wort.

„Ich … “, begann er.

„Du ... “ Kathryn brach ab und lachte dann leise. „Fang du an.“

„In Ordnung.“ Chakotay musterte Kathryn auf eine Weise, bei der ihr noch wärmer wurde als es eh schon war. „Mein Schiff hatte Verspätung, sonst wäre ich gestern Abend pünktlich gewesen. Tut mir leid, ich hätte das gerne einmal wieder miterlebt.“

Eine erneute Stille trat zwischen ihnen ein, in der sie sich nur ansahen. Kathryn war glücklich, ihn hier zu sehen, seine vertraute Nähe zu spüren und doch spürte sie auch eine große Leere in sich.

„Warum ...?“, fragte sie schließlich leise. „Wieso kommst du heute hierher? Wieso nicht schon viel früher?“

„Ich denke“, begann er zögernd und fast verlegen, „dass ich einfach etwas Abstand brauchte.“

„Abstand?“ Ein weiteres Mal war Kathryn nun sprachlos. Ein Funke Zorn entzündete sich in den Enttäuschungen der vergangenen Jahre. „Das nennst du Abstand? Du lässt nichts von dir hören! Wir haben uns alle furchtbare Sorgen gemacht.“

„Entschuldige.“ Er hob abwehrend die Hände. „Ich war viel unterwegs und habe meine Post erst dann gelesen, wenn es zu spät war.“

„Also, das ...“ Kathryn stemmte in einer altbekannten Geste die Hände in die Hüften und funkelte ihn wütend an. „Das ist die schlechteste Ausrede, die ich jemals gehört habe. Du wolltest nicht kommen, das war es. Ich würde nur gern wissen, warum!“

„Warum bist du so wütend, Kath?“

„Wieso ich wütend bin? Ich habe dich, verdammt nochmal, vermisst.“ Sie klappte den Mund zu, als ihr bewusst wurde, was ihr da gerade herausgerutscht war. Mit sich langsamer abkühlender Wut, in die sich auch eine Portion Verzweiflung mischte, beobachtete sie, wie das sanfte Lächeln auf seinem Gesicht anwuchs. „Warum hast du mich so allein gelassen?“

„Das ist nicht einfach zu erklären.“ Er nahm ihre Hände in die seinen und blickte sie entschuldigend an. „Als wir zurückkehrten, war mir auf einmal jegliche Aufgabe abhanden gekommen. Alle hatten große Pläne für die Zukunft, die sie erfüllen wollten, nun da sie wieder zu Hause waren. Ich hingegen – ich hatte einen Maquis, der nicht mehr existiert, keine Familie, nichts. Die Sternenflotte hat mir meinen Rang abgenommen – und als Fähnrich neu anzufangen, nein danke.“

„Keine Perspektive mehr?“, fragte Kathryn leise. „Das kann ich gut verstehen. Mir geht es ebenso wie dir.“

„Wirklich?“ Er wirkte überrascht. „Ausgerechnet du, mein stets motivierter Captain?“, neckte er sie.

„Als wir zu Hause waren, dachte ich, mein Job wäre getan und der Rest meines Lebens bestände nur noch an Erinnerungen daran.“ Kathryn zuckte die Achseln und machte eine alles umfassende Geste auf ihr Haus. „Das ist es also, meine neue Aufgabe. Staub wischen und den Hund durchfüttern.“

„Ich habe dem entgegengewirkt.“ Kathryn noch immer an der Hand haltend, führte er sie zum Sofa und sie setzten sich. „Bevor ich mich geschlagen gegeben und akzeptiert habe, dass ich zum alten Eisen gehöre, habe ich mir einen Traum erfüllt. Ich habe mich auf Rigel einer paläontologischen Expedition angeschlossen und die ganzen drei Jahre vergangene Kulturen im Gamma-Quadranten ausgegraben. - Deshalb war ich auch so schwer zu erreichen.“

„Ich verstehe“, murmelte Kathryn, „und ich beneide dich darum.“

Er streichelte über ihre Wange und sie barg ihr Gesicht in seiner warmen Hand.
„Wo sind deine Träume, Kath?“

Eine lange Stille entstand zwischen ihnen, ein weiteres Mal, in denen ihre Augen miteinander sprachen.

„Sie sind mit dir fort gegangen“, antwortete Kathryn dann leise, nach den richtigen Worten ringend. Seine Nähe raubte ihr fast die Luft zum Atmen. Das Klopfen ihres Herzens war so heftig, dass sie meinte, er müsse es spüren können „Ich hatte gehofft ... aber auf einmal warst du verschwunden und ich wusste nicht ... ich habe mir Vorwürfe gemacht, dass ich das Wichtigste überhaupt verpasst habe.“

„Wenn du es damals versucht hättest, wäre ich vielleicht geblieben.“ Chakotay beugte sich vor und zog sie in seine Umarmung. Sie klammerte sich wie eine Ertrinkende an seine starken Schultern und seufzte leise. „Aber ich habe so lange gewartet, Kath, die ganze Reise über. Und als sie endlich zu Ende war, kam kein Zeichen von dir, dass du mein Warten beenden würdest.“

„Ich weiß.“ Kathryn hielt ihn noch immer fest, aus Angst, er könnte wieder gehen. „Ich war sehr gedankenlos damals. Aber ich werde diesen Fehler nicht noch einmal machen.“ Sie löste sich ein wenig von ihm, aber nur so weit, dass ihre Gesichter wenige Zentimeter voneinander entfernt verharrten. „Ich liebe dich, Chakotay. Bitte verlass mich nicht noch einmal. Denn dann müsste ich mich wirklich aufgeben.“

„Willst du mich erpressen, Kath?“, erkundigte er sich. Als sie widersprechen wollte, legte er einen Finger auf ihre Lippen und brachte sie zum Schweigen. Ein zärtlicher Ausdruck lag in seinem Gesicht, der Kathryn erzittern ließ. „Aber von dir lasse ich mich gerne erpressen.“ Er ersetzte seinen Finger durch seine Lippen. Es war ein sanfter, fast zögerlicher Kuss, so als wolle er sich versichern, dass sie sich nicht plötzlich anders entschied. Dann jedoch, als sich Kathryn stärker an Chakotay schmiegte, gewann der Kuss an Intensität und schien niemals aufhören zu wollen.

Schließlich endete die Berührung und Kathryn holte zitternd Atem, übermannt von einem Ansturm heftigster Gefühle.

„Ich liebe dich auch, Kathryn. Und ich werde, wenn du es möchtest, mit dir Staub wischen und den Hund kugelrund füttern.“

„Ach, nein“, brachte sie mit geröteten Wangen hervor, „das kann warten. Zuerst möchte ich mit dir noch einmal durch die Galaxie reisen und allen beweisen, dass wir noch nicht zum alten Eisen gehören.“

„Aber vorher möchte ich auch deine verborgenen Schätze erforschen“, flüsterte Chakotay ihr mit einer Stimme zu, die einen eindeutigen Unterton enthielt und das machte Kathryn sprachlos – aber nicht unbedingt zu unglücklichsten Frau auf der Welt.


Ende
P.S.: Ich wünsche allen Liebenden einen kuscheligen Winter. ;o)
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