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IV. Die Urlaubsvorbereitungen

von Racussa

Ein Morgen im Büro

Captain Phuong Su ist urlaubsreif.

„Sie haben siebenundneunzig Nachrichten in Abwesenheit, davon 38 wichtige, 12 sehr wichtige, 7 besonders wichtige und 40 höchst wichtige. Captain Girolami will Sie sofort sehen, und der Präsident hat vier Botschaften für Sie geschickt mit der Bitte um Erledigung.“, sagte Tatjana Tereschkova, während sie Captain Su heiße Schokolade aufrührte und dann in eine Tasse mit lustigen Strichmännchen einschenkte.

 

„40 höchst wichtige Nachrichten? Das ich nicht lache, die Hälfte davon ist wahrscheinlich schon überholt und die andere langweilig.“ Phuong trank einen Schluck und leckte den Rest der Schokolade mit seiner Zunge von der Oberlippe. Ein Lächeln zog auf sein Gesicht: „Tatjana, bei dieser Bedienung fühle ich mich fast wie im Urlaub…das ist es…Tatjana, bereiten Sie einen Urlaubsschein vor. Ich will einfach nicht mehr, dieser ganze Haufen hier geht mir auf die Nerven: Arbeit von früh bis spät und kein sichtbarer Erfolg…Wozu soll das gut sein?“

 

Ich hätte doch auf Julians Hochzeit mitfahren sollen. Hier darf ich blöde Abhörstationen und Forschungsarrays begutachten. Ach ja, und mich an den Hausintrigen des MBS beteiligen.

 

„Ähh…ein Urlaubsschein, ja.“ Die Sekretärin zog aus ihrer Turmfrisur einen hauchdünnen, äußerst scharf gespitzten Bleistift und schrieb etwas in ein Notizbuch, dass sie an einer nickelnen Kette um den Hals trug. „trotzdem möchte ich nochmals an Captain Girolamis Wunsch und zumindest an die Präsidentenbotschaften erinnern. Es ist ja nur, weil Captain Girolami diese Woche auch die Urlaubsscheine unterschreibt…“

 

Phuong trank noch einen großen Schluck aus der lustigen Tasse, dann hob er die vier pergamentenen Umschläge auf, die Tereschkova auf seinen Schreibtisch gelegt hatte; oder wie auch immer die Glasplatte auf den beiden Stahlträgern genannt werden konnte. Phuongs Blick glitt über die mit geätzten Stahlplatten geschmückten, blau gestrichenen Wände.

 

Für den normalen Betrachter sind das zufällige Muster, für den Quantenphysiker verschlüsselte Botschaften aus dem Inneren der Atome, für den Astrometriker Sternenkarten…und für mich?

 

Phuong öffnete das erste Kuvert und zog das typische dunkelblaue Seidenpapier heraus, auf dem Präsidentenbotschaften an das MBS normalerweise standen.

 

Wozu Pergament replizieren, undurchsichtiger Karton würde das genauso gut können?

 

„Präsident an MBS: Bitte um Beantwortung der Frage des GEBIS: Ist es erlaubt, auf Eritron 3 eine zweite Nutzwasseraufbereitungsanlage zu errichten, wenn dadurch die Existenz der risrasrukzischen Zikade gefährdet wird?“

 

GEBIS – die Gebäudeisometrikationsabteilung. Geschickte Füchse. Diese Anlage wird nicht nur das Leben der Zikaden gefährden, sondern das Dutzend anderer, so wie damals auf Cait…Cait…Da war doch diese Caitianerin auf dem romulanischen Schiff…sollte ich sie suchen?

 

„Wie lautet die Antwort, Captain?“, fragte Tereschkova und riss ihn aus seinen Gedanken.

 

„Ja, es wäre erlaubt, wenn nur die risrasrukzischen Zikaden gefährdet wären, da aber dieses Verfahren erwiesenermaßen viel größeren Schaden anrichtet, als es der kleinen menschlichen Kolonie nützt, wird der Präsident den Antrag ablehnen.“

 

„Sehr wohl.“ Tereschkova zog wieder den Bleistift aus ihrer Turmfrisur und notierte die Antwort.

 

Das nächste Kuvert wurde aufgerissen, der blaue Zettel entfaltet: „Präsident an MBS: Bitte um Beantwortung der Frage der Sternenflottenakademie: Soll Vizeadmiral Janeway zu einem Gastvortrag über Frauenförderung in der Flotte eingeladen werden? Dass ich nicht lache, der alte Janeway, der mehr Lust an Camping und Waldluft als an akademischen Diskussionen hatte, hat mit allen Mitteln versucht zu verhindern, dass seine Tochter die Akademie besucht. Eigentlich sollte man Elisabeth den Vortrag halten lassen.“

 

Tereschkova hielt kurz mit dem Bleistift inne: „Kathryn.“

 

Phuong schaute auf.

 

„Kathryn ist der Name von Vizeadmiral Janeways Tochter.“

 

„Jaja. Gut, die Antwort lautet: Nein, anstelle von Vizeadmiral Janeway soll Admiral Nechayev den Vortrag halten.“

 

Als Phuong einen Hauch eines Lächelns um Tereschkovas Mund spielen sah, mußte er auch grinsen: „Wir sind schon alle gleich in der Föderation, oder?“

 

Seine Sekretärin blickte ihn kühn an: „Es kann auch unter Gleichen Bessere geben. Die dritte Frage?“

 

Phuong wandte sich wieder dem Kuvert zu. Dieses ließ sich nicht so einfach öffnen. In dem kleinen Lackkästchen auf seinem Schreibtisch suchte er nach einem Brieföffner und fand ein langes, perlmuttartiges Messer.

 

Dass habe ich auf Risa gekauft. Dort könnte ich hinfahren. Endlich allein, keine Anträge, Anfragen, Projekte.

 

Da fiel sein Blick auf ein kleines, selbstgemaltes Bild einer Schildkröte, das ebenfalls in dem Kästchen lag.

 

Herta…du hast mir die Schildkröte gemalt, um mir zu sagen, dass ich meine Arbeit zu langsam mache, weil ich viel zu selten nachhause komme. Sollte ich auf Urlaub nachhause fahren? Oder dich mitnehmen?

 

„Die dritte Frage lautet Präsident an MBS: Wer schreibt eine Rede über die Bedeutung des Gesetzes der Edo?“

 

Phuong trank den Rest der Schokolade aus: „Nunja, Captain Picard war damals dabei, als es zum Erstkontakt mit den Edo kam. Aber der ist ja noch auf Cardassia. Wie wäre es mit Wesley Crusher, er hat am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, unbekannte Gesetze zu übertreten.“

 

Tereschkova schaute ihn groß an: „Wesley Crusher, der eben erst ein Disziplinarverfahren hatte, der nicht Mitglied der Sternenflotte ist und auch sein Studium noch nicht abgeschlossen hat? Das ist ein Scherz?“

 

„Nein, das ist kein Scherz! Jetzt, wo Sie es so ausdrücklich sagen, wird mir erst klar, wie wichtig das ist. Langweilige Reden von erfahrenen Captains hält der Präsident oft genug. Vielleicht kommt so etwas Innovation auf“

 

„Soll ich eventuell noch bei jemand anderem fragen? Vielleicht möchten Sie doch lieber den Urlaubsschein ausfüllen…“

 

„Tereschkova, seien Sie doch nicht so ängstlich. Vielleicht macht es dem Präsidenten auch mal Spaß; und seinen Zuhörern ist es sowieso egal, weil sie das, wonach sie benannt sind, nie tun, sondern sich mehr in der eigenen Gelehrsamkeit gefallen als in der Suche nach Erkenntnis. Nun zum letzten Kuvert: Präsident an Captain Su. Oha, eine persönliche Anfrage…naja, worum geht es: Warum waren Sie eine Woche unabgemeldet abwesend?“

 

Tereschkova blickte krampfhaft auf ihren kleinen Notizblock.

 

Phuong stand auf und ging zum Fenster, um seinen Blick über den Park schweifen zu lassen. Langsam drehte er sich um: „Schreiben Sie: Nach dem Anschlag auf Captain Girolamis Büro durch zahlreiche terroristische Kräfte hielt ich es für das Beste, mich in Sicherheit zu bringen. Da auch Kräfte des eigenen Apparates an dieser Verschwörung beteiligt gewesen sein mußten, war es nur konsequent, das Haus bis zur Sicherung durch geeignete Maßnahmen zu verlassen. Deshalb konnte ich auch keine Abmeldung machen, denn dann hätten genau diese Kräfte mich leicht ausfindig machen und bedrohen können. Außerdem sind in der Charta der Vereinten Föderation der Planeten ein Recht auf Privatsphäre, auf freie Wahl des Aufenthaltsortes und der umfassende Schutz vor unangemessenen Nachfragen durch Vorgesetzte verankert, die auch Sie nicht ignorieren können. Mein Aufenthaltsort geht Sie nichts an.“

 

„Das soll ich schreiben, Captain?“, fragte Tereschkova nach.

 

„Ja; und jetzt will ich meinen Urlaubsschein. Diesen Überwachungsstaat hält ja keiner aus.“ Er schaute in die leere Tasse, als ob er aus dem Bodensatz die Zukunft lesen könnte. „Und sagen Sie Captain Girolami einen schönen Gruß. Seine Zustimmung vorausgesetzt beginne ich jetzt meinen Urlaub. Ich plane etwa vier Wochen, entweder Andoria oder Breenam, ich möchte gerne Skilaufen und Schlittschuhfahren.

 

Und vielleicht ein Kätzchen streicheln.

 

Phuong schloss das Lackkästchen auf dem Schreibtisch, hängte sich seine ältlich aussehende Lederimitattasche um und gab Terschkova einen Kuss auf die Hand, die den Bleistift hielt. Als sie ihn zerknirscht ansah, sagte er: „Ich weiß, wie gut Sie meine Unterschrift fälschen können. Ich würde Ihnen bei aller Liebenswürdigkeit nie eine jährliche Zusatzprämie von zehntausend Energiecredits gewähren…“

 

Während Terschkova rot anlief und verzweifelt den Bleistift wieder in die Turmfrisur einsetzte, ging Phuong ein Liedchen pfeifend aus dem Büro.

 

 

 

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