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Die Berechnung der Unendlichkeit

von Enem, Melui

1 - Zu Ehren des Captains

1
Zu Ehren des Captains


05.04.2263

„Wohin gehen wir?“, fragte Jim ihn zum wiederholten Male. Leonard schüttelte schmunzelnd den Kopf, aber innerlich lachte er sich ins Fäustchen. Wenn Jim wüsste... würde er womöglich gleich wieder umkehren, so aber ahnte er nicht das Geringste. Rache wurde eben am besten kalt serviert. Jim hatte ihn vor fast drei Jahren an seinem Geburtstag drangekriegt – so wenig Leonard das Ergebnis daraus missen wollte, heute Abend bekam er es zurückgezahlt. Es war alles genau geplant, schon vor dem Desaster mit Krall gewesen, und nachdem das doch recht glimpflich ausgegangen war, hatte er beschlossen, an dem Plan festzuhalten.

„Übrigens war Chekovs kleine Orionerin bei mir“, lenkte er Jim ab. Nicht dass der ihm doch noch zu früh auf die Schliche kam und ihm den ganzen Spaß verdarb.

„Oh, sag bloß“, feixte Jim. „Hat sie genug von ihm und will jetzt dich? Muss ich eifersüchtig werden.“

Leonard grinste. „Man sagt, die Nacht mit einer Orionerin sei unvergesslich.“

„Man übertreibt“, versicherte Jim, mehr nicht, bis Leonard ihm augenrollend einen Klaps auf den Hinterkopf gab. Mit wem oder was war er eigentlich noch nicht im Bett gewesen, einem Klingonen? Jim grinste wie ein Lausbube.

„Na wie auch immer“, fuhr Leonard fort, „ich denke, Chekov hat keine Chance mehr. Sie hat nach der Kompatibilität vulkanischer und orionischer Gene gefragt. Kannst du dir etwas Fürchterlicheres vorstellen, als einen vulkanisch-orionischen Mischling?“

Jim sah ihn mit großen Augen an. „Du meinst, sie ist hinter Spock her?!“

Leonard senkte verschwörerisch die Stimme. „Und ich weiß, dass Spock gerne kleine Minivulkanier hätte...“

„Das ist nicht dein Ernst!“

„Mein voller Ernst.“

Jim musterte ihn kritisch. „Du willst mich nur ablenken. Ich dachte, wir gehen einen trinken, also warum...“

„Das machen wir ja auch“, sagte Leonard, machte einige schnelle Schritte an Jim vorbei und öffnete ihm die Tür des Gebäudes, zu dem er ihn gelotst hatte. Jim hatte keine Ahnung, wo sie waren, aber das würde sich gleich ändern. Leonard ließ ihn eintreten und dabei keine Sekunde aus den Augen.

Kaum einen Schritt durch die Tür erstarrte Jim, eine Sekunde, zwei, dann wirbelte er mit großen Augen und offenem Mund zu Leonard herum. Es war ein Bild für die Götter. Leonard konnte nicht mehr an sich halten, grinste breit und lachte.

„Ärztliche Schweigepflicht“, formte Jim lautlos, Leonard zuckte nur mit den Schultern. Er legte ihm die Hand in den Rücken und schob ihn ein wenig an.

„Sie warten“, flüsterte er Jim zu, der nun auch endlich ein wenig grinste und sich wieder umwandte. Sie waren alle gekommen, natürlich waren sie das. So wenig Jim hatte feiern wollen, mittlerweile waren sie alle seine Familie und Leonard kannte ihn gut genug um zu wissen, was es ihm insbesondere nach einem derartigen Erlebnis bedeutete, sie um sich herum zu haben. Mit der Vermutung hatte er richtig gelegen, das war Jim jetzt schon anzumerken. Leonard strich ihm noch einmal über den Rücken, bevor er ihn kurz losließ, zwei Sektgläser von einem Tablett nahm und Jim eines davon reichte. Erst als er seine kurze Ansprache beendet hatte, schlang Leonard wieder einen Arm um ihn und zog ihn an sich.

Jim lachte leise, lehnte sich in die halbe Umarmung und seine Augen funkelten, so wie früher oft. Unbelastet beinahe, für den Moment.

„Danke“, wisperte er dicht an Leonards Ohr. „Wer hätte gedacht, dass du mir mal eine Party organisieren würdest.“

„Ich weiß nicht, ob irgendetwas, zu dem der grünblütige Waldschrat erscheint, sich Party schimpfen darf“, gab Leonard zurück und nickte unauffällig zu Spock und Uhura. „Sie hat den Peilsender immer noch um ist das zu fassen? Irgendjemand sollte das arme Mädchen aufklären.“

Jim schnaubte amüsiert. „Willst du bei ihr der Überbringer schlechter Nachrichten sein? Also ich ganz sicher nicht.“

„Nein, wirklich nicht. Ich wette“, er zog Jim noch ein wenig näher, „ich wette, sogar Spock selbst hat Angst vor ihr.“

„Ich bin mir sicher, das fände er äußerst unlogisch.“

Leonard warf lachend den Kopf zurück und gleich darauf fiel Jim in sein Gelächter mit ein. Na das war doch schon etwas. Man konnte regelrecht spüren, wie die Anspannung Jim immer mehr verließ. Das lief noch besser, als Leonard erwartet hatte, und es beruhigte ihn ungemein.

Der Jim der letzten Wochen war nicht der Jim gewesen, der zu der Fünf-Jahres-Mission aufgebrochen war. Die Veränderung aus nächster Nähe zu beobachten, war keine Erfahrung gewesen, die Leonard noch einmal machen musste. Wer hätte schon erwarten können, dass das Weltall Jim Kirk unglücklich machen würde? Er war hierfür geboren, aber dann waren die Zweifel gekommen, hatten ihn geradezu zerfressen. Und Leonard hatte nichts dagegen tun können, die Jahre der Freundschaft, später Beziehung, seine gesamten medizinischen Kenntnisse hatten nicht gereicht, um Jim wieder auf die Füße zu helfen. Dafür hatte es schon Krall und eine Situation auf Leben und Tod gebraucht. Das sagte einiges über Jim aus und beunruhigte Leonard mehr, als er vor sich selbst zugeben wollte. Es war schon vor seiner Geburtstagsfeier vor fast drei Jahren klar gewesen, dass er von Jim wohl nicht mehr loskommen würde, danach war es zu einer Sicherheit geworden, aber die Situationen, die Jim zum Leben brachten, brachten ihn wiederum schier um vor Sorge.

Wenn das nur möglich wäre, würde Leonard Jim keine Sekunde mehr aus den Augen lassen. Vielleicht war Spocks Peilsenderidee gar nicht die schlechteste, überlegte er mit einem halben Schmunzeln. Zweifellos auch brauchbar für Jim.

*


Der Gedanke kam ihm erneut, als er Jim zwischen all den anderen bereits das zweite Mal völlig aus den Augen verlor. Das war auch der Moment, als er es aufgab, Jim von Station zu Station, von Grüppchen zu Grüppchen zu folgen. Er gesellte sich zuerst zu Spock und Uhura, besonders sie war ja angenehme und intelligente Gesellschaft, aber auch Spock fühlte er sich nach ihren gemeinsamen kleinen Abenteuern deutlich näher. Nichts was er je aussprechen würde. Danach unterhielt er sich kurz mit einigen seiner Kollegen und setzte sich dann mit einem frisch aufgefüllten Glas zu Sulu und seiner kleinen Familie.

Sie hatten kaum drei Sätze gewechselt, als Jim mit leuchtenden Augen und eindeutig zufrieden wieder an seine Seite gehuscht kam und sich neben ihn fallen ließ.

„Scotty hat’s ganz schön erwischt, sag ich euch“, plapperte er ohne Umschweife drauf los und deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. „Er frisst Jaylah geradezu aus der Hand, kann sich gar nicht mehr von ihr losreißen. Da! Schau, er glotzt ihr schon wieder auf den Hintern.“

„Jim!“ Leonard stieß ihn in die Seite und fügte knapp an: „Sprache.“

Ihnen gegenüber starrte Sulus kleines Mädchen sie mit großen braunen Augen an. Jim räusperte sich verlegen, nuschelte ein „Sorry“ in Sulus Richtung, der breit grinsend abwinkte und seine Tochter anstupste.

„Demi, das ist mein Captain, Jim Kirk“, erklärte er ihr und hob sie von seinem Schoß. „Meine Tochter Demora“, fügte er an Jim gewandt hinzu und strich dem Mädchen übers Haar. „Der Captain hatte Geburtstag, willst du ihm nicht Happy Birthday wünschen?“

Leonard musste schmunzeln, als die Kleine ein paar schüchterne kleine Schritte auf Jim zumachte und ihn zwischen ihren schwarzen Strähnen hindurch anblinzelte. Seine Joanna war das genaue Gegenteil, in diesem Alter schon gewesen, ein Wirbelwind auf zwei Beinen, gar nicht aufzuhalten. Sie war auch niemals so lieb bei ihm und Jocelyn sitzen geblieben wie Demi zuerst zwischen ihren beiden Vätern und dann auf Sulus Schoß. Und sie hätte Jim längst überfallen, totgequasselt womöglich, während Demi ihm gerade erst die Hand entgegenstreckte. Jim schien sich auch nicht wohler zu fühlen als das Mädchen, als er ihre Hand vorsichtig ergriff, geradeso als hätte er Angst sie sonst zu zerbrechen.

„Happy Birthday, Captain“, nuschelte Demi, blinzelte einmal und wirbelte dann herum. In Windeseile huschte sie zurück auf Sulus Schoß. Alle lachten, auch wenn Jims eher halbherzig war und er sich gleich darauf zu Leonard beugte.

„Siehst du“, zischte er, „ich kann nicht mit Kindern.“

„Schwachsinn“, Leonard rollte mit den Augen. „Du gibst dir nur keine Mühe. Hey, Demi“, sprach er sie an, holte sein PADD aus der Jackentasche und wartete, bis sie den Kopf hob und ihn ansah. „Dein Dad hat erzählt, du magst Pferde. Meine Tochter auch, schau mal...“

Es dauerte ein paar Minuten, bevor Demi sich wirklich auf die Couch zu ihm und Jim herüber wagte, aber als sie dann auf Leonards freier Seite hockte, begann sie schließlich sogar zu erzählen. Er konnte spüren, dass jetzt Jim neben ihm mit den Augen rollte, hörte es dem genuschelten „Südstaatencharme“ und „Pass bloß auf deinen Ruf auf, wir werden beobachtet“ an. Sulu und sein Mann ihnen gegenüber grinsten beide von einem Ohr zum anderen, denn was verstand ein Jim Kirk schon von diskretem Flüstern. Leonard ignorierte sie alle und konzentrierte sich lieber auf die kleine Sulu, die gerade mit stiller Begeisterung durch die Bilder von Joanna mit ihrem Pony klickte. Jim ließ sich von seinem Piloten in ein Gespräch über altmodische Kampftechniken verwickeln, das bekam Leonard am Rande mit und schaltete ebenso schnell ab.

„Wie alt ist Ihre Tochter, Doktor?“, fragte Sulus Mann, offenbar ebenso gelangweilt, und auf dieses Thema ließ Leonard sich nur zu gern ein. Er redete gern über Joanna, das machte es leichter, so weit von ihr entfernt zu sein. So vertieft war er in das Gespräch einerseits und Demis schüchterne Fragen andererseits, dass er es erst gar nicht mitbekam.

Wie Jim plötzlich aufkeuchte und verstummte. Erst als er gegen ihn sank und fast panisch an seinem Ärmel riss, merkte Leonard auf und dann war Jim plötzlich auf den Beinen. Eine gemurmelte Entschuldigung und er schoss taumelnd davon.

Was zum...?!

Leonard sprang auf, holte Jim rasch ein und packte ihn am Arm um ihn zu stabilisieren. Erneut sank Jim schwer gegen ihn, riss sich dieses Mal auch nicht gleich wieder los.

„Was?“, fragte Leonard und zwang Jim, ihn anzusehen. „Was ist los?“

Einen Moment lang sah Jim ihn verständnislos an. Sein Atem ging stoßweise, er schwitzte, registrierte Leonard am Rande, und schließlich sprach er doch. Die Worte klangen gepresst.

„Pille“, raunte er, keuchte wie unter Schmerzen. „Es tut weh.“

„Was?!“

Was hatte er übersehen?!, fragte Leonard sich fieberhaft und klopfte seine Taschen nach einem medizinischen Trikorder ab. Er hatte immer einen dabei, wo verdammt nochmal war das Scheißteil, wenn man es brauchte?!

„Alles“, brachte Jim heraus und wehrte sich nun doch gegen Leonards unnachgiebigen Griff um seinen Arm. „Raus... Pille! Ich muss-“

„Schon gut, schon gut“, knurrte Leonard, packte ihn noch fester und bugsierte ihn zur Tür und hindurch ins Freie. Jim nutzte den Moment, als Leonard den Trikorder aus seiner Hosentasche angelte und taumelte noch einige Schritte weiter, bevor er auf einmal in die Knie ging als hätte ihn jemand geschlagen. Leonard war sofort wieder bei ihm, versuchte gar nicht erst, ihn wieder auf die Beine zu bekommen, sondern aktivierte den Trikorder.

Das Ergebnis ließ ihn die Stirn runzeln. Da war rein gar nichts, es war alles so wie es sein sollten, abgesehen von der zu schnellen Atmung und dem beschleunigten Herzschlag.

„Jim?“, sprach er ihn eindringlich an und strich ihm die Haare aus der Stirn. „Wenn du so dringend mit mir allein sein wolltest, hättest du nur was sagen müssen.“ Er zwinkerte ihm zu, nur halb im Ernst.

„Sehr... witzig“, würgte Jim atemlos hervor, aber allmählich normalisierten sich auch Atmung und Herzschlag. „Was war das denn“, murmelte er außerdem. Leonard runzelte wieder die Stirn, half ihm aber auf, als Jim die Hand ausstreckte.

„Das frag nicht mich, mit deinen Werten ist alles in bester Ordnung.“ Zur Sicherheit scannte er ihn noch einmal, bevor Jim einfach beide Arme um ihn schlang und sich an ihn lehnte.

„Ich versteh das nicht“, teilte er ihm hörbar irritiert mit. „Es war ganz plötzlich, wie der schlimmste Kopfschmerz meines Lebens, als würde etwas in meinem Kopf explodieren.“

„Und wie ist es jetzt?“

„Weg“, antwortete Jim und schwieg einen Moment, als würde er in sich hineinhorchen. Als er weitersprach, klang er verwirrt. „Fast zu sehr weg.“

*


Leonard wusste nicht, wie lange sie draußen stehengeblieben waren, eine halbe Stunde, länger? Lang genug auf jeden Fall, dass Sulu ihn bedeutungsvoll angrinste, als sie den Raum wieder betraten, und einige verstohlene Blicke in ihre Richtung geworfen wurden. Er ignorierte die Idioten allesamt und zerrte Jim direkt zur Bar. Nur Wasser, egal wie sehr er murrte.

„Das gefällt mir nicht“, murrte Leonard, während Jim das erste halbe Glas stürzte.

„Sagtest du bereits“, gab Jim zurück, ein wenig fahrig und genervt zugleich. „Überleg dir eine neue Formulierung oder ich ertränke dich in meinem Wasser.“ Er hob demonstrativ das Glas.

Leonard schnaubte bloß. „Das ist nicht normal. Du hattest so etwas noch nie, ich will wissen, wo das herkam. Vielleicht übersieht der Trikorder etwas. Das Krankenhaus ist nur die Straße runter-“

„Vergiss es, Pille“, knurrte Jim und bestellte mit einem Wink und einigen knappen Worten einen Whiskey. „Du wolltest eine Party, jetzt bleiben wir auf der Party. Mir geht es gut.“

Es ging ihm nicht gut, aber auf dem Ohr war Jim schon immer taub gewesen. Dabei konnte Leonard es doch sehen. Er war abgelenkt, nicht ganz da und dazu nervös und unruhig. Womit er allerdings recht hatte, war, dass er das selbst kaum zu bemerken schien.

Eine halbe Stunde sah Leonard sich das noch an, dann hatte er genug. Aber gerade als er Jim endgültig weg von der Party und hin zum Krankenhaus befördern wollte, sprang der von ganz alleine auf, plötzlich fokussiert auf etwas, das Leonard zunächst gar nicht erfasste. Er folgte Jims Blick, brauchte eine ganze Weile, bevor ihm klar war, dass Jim durch den Raum hin zu Spock starrte. Der Vulkanier stand etwas abseits, vor ihm ein Sicherheitsmann der Yorktown, der einige Worte mit ihm wechselte, bevor er sich entfernte. Spock blieb noch einen Moment stehen und starrte ins Nichts, aber was Leonard an der Szenerie wirklich aufmerken ließ, war, wie er Uhura mit einem Kopfschütteln abwehrte und dann einfach ging.

„Was ist dem denn-“, begann Leonard, aber da stand Jim schon nicht mehr neben ihm, sondern folgte Spock im Eilschritt.

Was zum Teufel war denn jetzt los?!

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