TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Sturm 9.06 - Der Boden, auf dem wir stehen

von Gabi

Prolog

„Es ist soweit.“ Natima Lang, Vorsitzende des Detapa-Rats, legte ihrem Gegenüber ein Padd vor. „Die Föderation entsendet die erste Delegation der Terraformer.“

Die Beine übereinandergeschlagen lehnte sich Elim Garak in dem kleinen Sessel zurück, der mit einem nicht ganz dazu passenden Gegenstück den kleinen Besuchertisch in Professor Langs Büro einrahmte. Er nahm das Informationspad auf und überflog den ihm hinlänglich bekannten Text. In seiner offiziellen Funktion als Liason zur Föderation war er in beratender Funktion Mitglied der zivilen Regierung auf Cardassia Prime. In seiner inoffiziellen Funktion als Leiter des neu gegründeten Geheimdiensts war er jedoch lediglich Lang unterstellt und bekannt. Sie hatte es sich daher zur Angewohnheit gemacht vor wichtigen Zusammenkünften des Detapa-Rats ein Einzelgespräch mit ihm zu suchen. In der Verschwiegenheit des kleinen Büros, das von Garak einmal pro Woche nach möglichen Spionageeinrichtungen abgesucht wurde, konnten sie manche Dinge anders besprechen als in großer Runde.

„Sie wirken nicht allzu glücklich darüber“, stellte Garak fest, nachdem er das Padd wieder abgelegt hatte.

Lang verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zum Fenster hinaus. Hier oben, aus der dritten Etage des ehemaligen Staatsmuseums, hatte man einen guten Blick über einen Teil der Hauptstadt. Die Trümmer waren fort geräumt und an manchen Stellen hatte der Aufbau wieder begonnen. Ihnen fehlte es an allen Enden an Materialien und finanziellen Mitteln, doch sie versuchten dies vor der Bevölkerung so gut es ging mit Geschäftigkeit zu vertuschen. Es war eine traurige Tatsache, dass momentan die Föderation ihre einzige Hoffnung auf raschen Wiederaufbau war: Die Föderation und das verachtete Bajor, dessen Beitrag an den Hilfslieferungen Lang immer noch zu einer Information bei Bedarf erhoben hatte. Die Abhängigkeit vom ehemaligen Kriegsgegner, in welche sie sich damit begaben, ließ ihre stolze Cardassianerseele aufseufzen.

„Ich sollte mich darüber freuen, nicht wahr?“ Sie wandte sich mit einem reumütigen Lächeln zu ihrem Berater um. „Die Aussicht auf fruchtbaren Boden und den Beginn einer gewissen Selbstversorgung ohne Annexion anderer Planeten ist eigentlich eine sehr gute …“

„… wenn es nicht gerade die Föderation wäre.“ Garak nickte. „Ich verstehe Sie vollkommen, Natima, denn ich empfinde ähnlich.“ Er entkreuzte elegant die Beine und erhob sich. Mit zwei Schritten trat er neben sie ans Fenster. Nicht nur der Straßenaufbau wirkte fortgeschrittener, auch die Atmosphäre hatte bereits deutlich an Feinstaubgehalt verloren. Die Ionisierungssatelliten hatten ganze Arbeit geleistet – natürlich auch diese mit Unterstützung der Föderation. „Doch diese Durststrecke müssen wir durchstehen. Und es sollte unsere Liebe und unser Stolz zu unserer Nation nicht im Weg stehen, um alles zu packen, was uns angeboten wird.“ Er betrachtete ihr Profil, ihre Kieferpartie, die sichtlich an inneren Widersprüchen arbeitete. Natima Lang war eine Cardassianerin der alten Schule: stolz, nationalbewusst und von der übergeordneten Position ihrer Spezies im Gefüge des Universums überzeugt, gleichzeitig jedoch auch besonnen genug um diese Überlegenheit nicht auf dem Rücken anderer Völker austragen zu wollen, wie es die Militärregierung über Jahrzehnte hinweg getan hatte. Sie war die ideale Person, um ihr Volk zu führen, davon war er nach wie vor überzeugt. Doch in Zeiten wie diesen brauchte es jemanden, der wusste, wie es war, ganz unten zu sein. Stolz war nur etwas Erstrebenswertes, wenn man Essen auf dem Tisch und ein Dach über dem Kopf hatte.

„Für mich nach wie vor unverständlich hat uns die Föderation in ihrer Weichheit einfach so aus dem Krieg entlassen ohne Reparationen, nicht einmal mit einer Besatzung. Ich weiß aus zuverlässigen Quellen, dass diese Entscheidung gegen die ausdrücklichen Wünsche sowohl der klingonischen als auch der romulanischen Reiche geschehen ist. Beide wollten uns am Boden sehen.“ Er lächelte geheimnisvoll. „Das heißt, dass wir jede Geste ihrerseits mit überschwänglicher Dankbarkeit annehmen werden. Wenn wir wieder oben stehen, wird es gleichgültig sein, wer uns die Hand gereicht hat. Das Ziel ist alles, worauf es ankommt. Der Weg gerät über die nächsten Generationen in Vergessenheit.“

Lang seufzte erneut. Jedoch nahm sie nun ebenfalls den Blick von den Baustellen. „Sie haben natürlich vollkommen recht, Elim.“ Auch sie rang sich ein Lächeln ab. „Es ist nur so schwer.“

„Ich weiß, meine Liebe, ich weiß.“ Er bedeutete mit dem Arm, dass Lang sich wieder setzen sollte.

Nachdem die Vorsitzende seinem Wunsch nachgekommen war, brachte er weitere Dokumente auf den Tisch. Es handelte sich um Nutzungs- und Bebauungspläne. Wie vieles andere auch, waren diese Daten nur teilweise aus den zerstörten Archiven rekonstruiert worden, doch sie gaben zumindest einen groben Überblick über die weitere Umgebung der Hauptstadt.

„Ich möchte die Terraformer in relativer Nähe wissen“, erklärte Garak, während er mit dem Finger über einen Bereich südöstlich der Stadtgrenze fuhr. „Wenn wir ihnen ein abgelegenes Gebiet zuweisen haben wir sie auf der einen Seite nicht so gut unter Kontrolle und auf der anderen Seite möchte ich nicht noch einmal so etwas wie mit der hebitianischen Grabanlage erleben. Kein Außenstehender soll seine Finger – oder auch nur die Augen – auf cardassianisches Nationalgut legen und möglicherweise unpassende Schlüsse ziehen.“

Lang nickte. Darin waren sie sich einig. „Wir sollten daher ein Gelände auswählen, das bereits leichte Bebauung oder Bearbeitung vorzuweisen hat, dann sind wir auch bei Grabungen vor unliebsamen Überraschungen geschützt.“

„Genau mein Gedanke, meine Liebe!“ Garak stoppte die Bewegung seines Zeigefingers über einem Gelände circa zwanzig Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen. „Hier ist vor etwa vierzig Jahren einmal der Versuch unternommen worden, das Land zu bearbeiten. Das Projekt wurde fünf Jahre später gestoppt, weil der Boden einfach nicht genug her gab. Es gibt dort noch eine kleine Ansammlung aufgegebener Farmgebäude, in denen sich die Terraformer einrichten könnten, und unter dem gesamten Bereich befindet sich unter Garantie keine archäologisch interessante Stätte.“

Lang betrachtete die Anzeige, rief die von Garak bereits zusammengefassten Informationen noch einmal ab und nickte schließlich. „Einverstanden. Ich werde diesen Bereich in der Versammlung zur Disposition stellen. Darf ich?“ Sie deutete auf das Padd.

„Aber natürlich.“ Garak reichte ihr den Bericht.

Wenn er geahnt hätte, welche Ereignisse er mit dieser Standortwahl ins Rollen bringen würde, wäre sein Lächeln weit weniger zufrieden ausgefallen.
Rezensionen