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Das Phantom

von MaLi

Kapitel 1

„Schach!“, drohte Chekov dem weissen König und grinste schon triumphierend.
„Wart’s ab“, bremste Sulu Pavels Optimismus und hob den Läufer an. „Heute schlage ich dich!“
Pavel nickte fröhlich.
„Dein einsamer Läufer muss einen verdammt guten Plan chaben …“, spöttelte der talentierte Russe und hob erwartungsvoll die Brauen. Sulu lief ihm gerade direkt in die Falle.
„Wart’s ab“, knurrte Sulu erneut und zog.

„Was machst du chier, Massenmord?“, grinste Pavel und schlug den Läufer mit der Dame. Der weisse Haufen neben dem Brett wurde immer höher.
„Chikucho!“, fluchte Sulu und knurrte. „Na warte, es ist noch nicht aller Tage Abend, mein Freund!“
„Du chast nicht mehr viele Figuren ybrig“, stellte Chekov unnötigerweise fest, und verzichtete darauf, dem weissen König erneut mit Schach zu drohen.

„Ich habe noch meine Dame, Alter! Sag sayonara zu deinem Turm!“
„Sayonara“, nickte Pavel und folgte der schwarzen Festung mit den Augen neben das Brett.
„Ha!“, lachte Sulu, „was sagst du jetzt?“

Chekov schenkte ihm ein liebes Lächeln.
„Pavel sagt: Schach matt!“, grinste er und schloss den weissen König frech mit einem gewöhnlichen Bauern ein.
„Kuso?!“, rief Hikaru und rieb sich ungläubig die Augen.
Chekov grinste breit.
„Weisst du ’ikaru, seit ich mit dir Schach spiele, chabe ich schon fynf faszinierende, japanische Schimpfwörter gelernt.“

Sulu blickte ihn nur müde an und stellte dann die Figuren wieder auf.
„Willst du nochmal?“, freute sich der Russe, doch der Steuermann zerstörte seinen Traumballon mit der spitzen Nadel der Offenheit.
„Vergiss es!“, maulte er und knallte die Holzfiguren etwas heftiger als nötig aufs Brett.

„Was chälst du davon“, schlug Pavel vor, „wenn wir in die Kantine geh’n, und ich dir einen Vodka spendiere?“
„Ich höre mich nicht nein sagen“, behauptete Sulu und freute sich.
„Gut. Wir lassen das stehen, fyr den Fall da- …“

ZAPP.
„Oh, Stromausfall“, bemerkte Sulu unnötigerweise.
Sie sassen gerade im Dunkeln.
„Vielleicht“, schmunzelte Chekov, „chat Skotty wieder seinen Skotch yber der ODN Leitung verschyttet …“
„Oder Keenser die … hey, was ist das?!“

Die Enterprise schlingerte, als versuche ein Riese verzweifelt ein paar Smarties aus dem Rumpf zu schütteln.
„Oy oy oy!“, rief Pavel und hielt sich krampfhaft am Tisch fest.
Geräuschvoll purzelten die Figuren vom Brett auf den Boden. Dann hörte das Schütteln auf, so schnell wie es gekommen war.

***

Es war still auf dem Schiff. Kein Laut drang von draussen in Chekovs Quartier. Drinnen hörte man nur das heftige Atmen der zwei ungleichen Freunde.

„Kommt das noch mal oder kann ich loslassen?“, fragte Sulu in die Dunkelheit.
Im Moment war der Tisch das einzige, was ihm in dieser finsteren Welt Halt gab. Das Rütteln hatte es geschafft, dass er völlig die Orientierung verloren hatte.

„Wo sind sie chin?“, wunderte sich hingegen Pavel und klang beunruhigt.
„Wo ist was hin?“
„Die Sterne. Sie sind weg!“

Tatsächlich. Sulu sah sich hektisch um. Dass man im All ohne Licht wortwörtlich im Dunkeln stand, war ein offenes Geheimnis, aber dass man nicht einmal mehr die Sterne sehen konnte, war mehr als nur eine beunruhigende Seltenheit.

„Vielleicht, sind wir einem schwarzen Loch zu nahe gekommen …“, unkte Sulu und spürte einen schmerzhaften Schlag gegen seinen Oberarm. „Au?!“
„Ja, sicher“, schimpfte Pavel, „denken wir doch gleich an ein absolut tödliches Ereignis?! Nächstes Mal schiess bitte auf mich, wenn du mich zu Tode erschrecken willst!“

„Tut mir leid, Pavel“, entschuldigte sich Sulu betroffen.
Der junge Ensign war kaum Zwanzig und sensibel dazu.
„Vielleicht“, versuchte er seinen Schnitzer auszubügeln, „sind auch einfach nur die Rollläden zugefallen, als das Schiff geschüttelt wurde.“
„Ja, das klingt fyr mich plausibel“, bestätigte Chekov.
Er klang allerdings überhaupt nicht danach.

***

Schweigen. Sie fühlten sich nicht wohl in dieser Schwärze. Dunkelheit war immer still. Keine gute Mischung. Hoffnungsvoll und beunruhigt zugleich warteten sie auf die Rückkehr des Lichts.

Es kam nicht. Die Zeit verging.
„Chast du irgendwo ein PADD in der Nä’e?“, wollte Chekov wissen.
Er hatte bereits erfolglos seine Umgebung abgesucht. Die Displaybeleuchtung würde stark genug sein, um sich wenigstens wieder im Raum zurechtfinden zu können.
„Nein. Keines“, bedauerte Sulu. Chekov konnte dessen tastende Hände über den Boden gleiten hören. „Sie müssen weggeschleudert worden sein.“

„Chilfst du mir suchen?“, bat Chekov. „Ich chätte gerne Licht.“
Sulu entging die Unsicherheit in Pavels Stimme nicht. Nur ungern gab er zu, dass die Dunkelheit auch ihm zuzusetzen begann.
„Natürlich“, versprach er tröstend.

Auf allen Vieren krabbelten sie über den Fussboden von Chekovs Quartier.
„AUA!“, rief Sulu aus.
„Was ist?“, wollte Pavel sofort erschrocken wissen.
„Nichts, ich … ich bin auf etwas Hartes gekniet. Alles okay!“

Sulu tastete nach der Stelle, wo er eben noch gekrabbelt war, und fand eine Schachfigur. Einen Turm wie er gleich darauf feststellte. Ohne seine Handlung erklären zu können, steckte er ihn in seine Tasche und krabbelte weiter. Er fand kein PADD.

„Pavel, hier ist nichts. Es muss irgendwo bei dir liegen“, vermutete er. Er war schon bei der Wand wo er die Tür zum Bad ertastet hatte.
„Chier ist aber auch nichts“, behauptete Pavel verzweifelt und erreichte seine Koje. Dem Kissen und der Decke war er unterwegs schon begegnet. Beunruhigt warf er sie aufs Bett.

„Immer chabe ich mich beklagt, dass mein Quartier so klein sei und jetzt komme ich mir vor, als wyrde ich durch den ganzen Maschinenraum kriechen um …“
Stille.
„Pavel?“, fragte Sulu beunruhigt nach.
Ein eisiges Prickeln hatte sich gerade auf seinen Nacken gelegt.
„Riechst du das auch?“, fragte Chekov fast flüsternd.
„Ja“, wisperte Sulu zurück.

Zeitgleich mit dem Frösteln hatte er einen seltsamen Geruch wahrgenommen. Erst unaufdringlich und kaum bemerkbar hatte er sich im Raum verteilt, um sich jetzt umso drängender in Nase und Bewusstsein zu drücken. Es roch muffig, staubig, seltsam. Unbekannt und fremd.

Krrrrrrrrr.
„Was ist das?!“ Chekovs Stimme klang sehr beunruhigt.
„Ich weiss es nicht“, wunderte sich der Steuermann und hielt inne.

Krrrrrr. Chhrrrp.
„Falls DU das bist, chör bitte auf!“
„Ich bin das nicht, Pavel“, flüsterte Hikaru verstört. „Wo bist du?“
„Chier dryben.“
„Wo IST drüben?!“
„Chier! Chörst du mich nicht?“
„Doch. Bleib dort, ich komme.“
„Oke. Warte, ich chabe … Aaahhh!“
„Was? Was ist!? Pavel!“
„Kein Problem! Alles gut! Alles in Ordnung“, rief der Navigator beruhigend, „Ich chabe nur … Ich dachte … Ich chabe Irina gefunden.“
„Irina? Wer ist Irina?!“
„Mein … mein Plyschtier.“
Sulu lachte erleichtert und Pavel war froh, dass man ihn in der Dunkelheit nicht leuchten sehen konnte.

„Du hast ein Plüschtier? Wieso?!“
„Das ist fyr mich ein Styck Cheimat, verstehst du?“, verteidigte Pavel seinen Bettgenossen etwas giftiger als nötig. „Babuschka chat sie mir geschenkt, als ich am Star City-Konservatorium bei Moskva aufgenommen wurde.“
„Schon gut“, beschwichtigte ihn Hikaru, „ich wollte dich nicht auslachen! Ich war nur überrascht. Warum Irina?“

„Irina war meine erste Freundin“, erklärte Pavel stolz, „und ich mag Fyxe.“
„Was magst du?“, fragte Sulu nach.
„Fyxe.“
Stille.
„Fy- Fu-kse.“
Stille.
„Fik-sä! Chort!“
„Füchse!“, erkannte Hikaru endlich und lachte.
„Chab ich ja gesagt, Fyxe?!“, maulte der Russe etwas beleidigt.
„Schon gut“, grinste der Japaner, „du hast- …“

Krrrrp. Krkrkr. Grrrrrr.
Sulu erstarrte zu Eis.
„Chekov“, hauchte er gerade noch hörbar.
„Ja?“, kam es genau so leise zurück.
„Es ist hier im Raum!“
Das „Ja“ des Russen verebbte in einem Keuchen.

***

Eine gute Minute kauerte Sulu auf seinem Platz, atmete so leise wie möglich und rührte sich nicht. Sämtliche Haare standen ihm bärengleich vom Körper ab. Da war etwas Fremdes bei ihnen im Raum. Er roch es, hörte es, ja fühlte es geradezu. Eiskalt kroch ihm der Schauer über den Rücken, als er ganz vorsichtig seine Hände über den Teppich gleiten liess. Er hoffte, eine Tür oder einen Gegenstand zu entdecken, an dem er sich orientieren konnte. Er hatte keine Ahnung mehr, in welchem Teil des kleinen Quartiers er sich befand. Er wusste nicht einmal, ob sich Chekov links oder rechts von ihm aufhielt.

Sein Mund öffnete sich fragend, doch das „Pavel?“ schaffte es nicht über seine Lippen. Zögerlich rutschte er auf Knien einen Schritt vorwärts, um weitere Teile der in der Dunkelheit verborgenen Umgebung zu erkunden.

Da! Eine Wand. Endlich ein Fixpunkt. Wenn er ihr folgen würde, musste er unweigerlich irgendwann bei Chekov landen …

Vorsichtig kroch er sie entlang und schob dann und wann versprengte Teile des Schachspiels zur Seite, um nicht wieder schmerzhaft auf eine Figur zu knien. Stück für Stück tasteten sich seine Finger vor, berührten Teppich, Teppichleisten, Schachfiguren, Füsse, den Türspalt und … Sulu erstarrte zu Eis.

Mit einem Prickeln im Nacken und fast steif vor Schreck tastete er sich ein paar Zentimeter zurück. Füsse! Da stand jemand.

***

Mit einem Satz katapultierte sich der Japaner rückwärts, knallte gegen einen Stuhl, der umfiel, lärmte und ihn noch mehr erschreckte, rutschte auf einer Figur aus, drückte sich am Tisch vorbei, hin zum Bett, stiess gegen etwas Weiches, Hände, Finger in seinem Gesicht- …

„Aaaaaaah!“
„Aaaaaaah?!“
„Aaaaa?“
„Aaaaah!“
„DU?“
„DU!?“
„Du!“
„DU! Sulu, was- …“
„Schhhhh! Schhhht!“

Sulu drückte panisch seine Hand auf Chekovs Mund und liess ihn erst frei, nachdem dieser auf ein erneutes „Schhh!“ bestätigend genickt hatte. In der Dunkelheit suchte er Pavels Ohr und flüsterte so leise wie möglich hinein, dass sie nicht alleine seien. Chekovs Hand schloss sich schmerzhaft um seinen Unterarm.

***

Krrrrr. Grrrrr.
Pavel, meine Hand wird taub …, dachte er verzweifelt und versuchte, die verkrampften Finger von seiner Extremität zu lösen. Er würde seinen Arm brauchen, sollten sie sich verteidigen müssen. Der junge Russe krallte sich daran fest, als würde er daran über einem Abgrund hängen.

Dem Steuermann ging es nicht besser. Wann immer dieses seltsame Knurren durch die Dunkelheit zu ihnen drang, fühlte er den gleichzeitigen Wunsch zu fliehen und zu schreien. Sie hätten keine Chance. Gefangen in der Finsternis mit was auch immer, ohne Orientierung und ohne Verteidigungsmöglichkeit, präsentierten sie sich fast auf dem Silbertablett. Er spürte, wie das Schiff unter ihnen schwankte. Sie mussten angegriffen und geentert worden sein.

Krrrrrrrrrr.
„Wer sind Sie?!“, rief er in die stille Schwärze.

Es hatte wie ein Befehl klingen sollen, doch die Angst vor dem Unbekannten liess seine Stimme zittern. Sie klang nicht nach ihm, war zu hoch, zu verzerrt, zu ängstlich. Das Blut pochte laut in seinen Ohren. Er hörte wie Chekov neben ihm den Atem anhielt und tat das Gleiche.

Nichts. Kein Hallo, kein Knurren, nicht einmal Atem hörten sie. Ausser, das seltsame Fauchen im Hintergrund wäre eine Form der Sauerstoffkonsumation. Oder brauchte es gar keinen Sauerstoff? Hatte es seine eigene Luft mitgebra- …

Krrrrr! Chrrr.
Ein kalter Windhauch streifte über ihre Haut und Sulu hörte deutlich, wie sein Nebenmann keuchte. War es lauter geworden? Kam es näher? War ES das gewesen? Sein Atem?

Sulus Herz schlug fast schmerzhaft in Brust und Hals und seine Sinne waren bereits um das Dreifache geschärft. In Zeitlupe liess er seine Hand in der Hosentasche verschwinden und angelte nach der Schachfigur. Er fand sie, zog sie vorsichtig heraus und schleuderte sie ohne Vorwarnung in die Richtung des Besuchers. Sie traf deutlich gegen die Wand und fiel zu Boden. Er musste den Fremden verfehlt haben. Das aber bedeutete, dass er nicht unmittelbar vor ihnen stehen konnte. Ein Trost, wenn auch ein kleiner.

***

Bange Minuten verstrichen. Pavels Griff lockerte sich allmählich und auch Sulu fühlte sich besser.

„Ist er weg?“, wisperte Chekov schliesslich.
„Ich weiss es nicht“, gab der Steuermann genau so leise zurück.
„Einer muss nachse’en“, sprach der Russe schliesslich aus, was Sulu schon lange befürchtete und wusste.
„Ich weiss nicht, wo er ist“, warf er ein.
„Wo warst du? Wo chast du ihn gefunden?“
„Ich weiss nicht. In einer Ecke. Da war … ein Spalt. Bei der Tür! Er steht direkt bei der Tür.“
„’ikaru“, flüsterte der Russe jetzt wieder kaum vernehmlich, „ich chabe die Tyr nicht gechört …“

Das Prickeln begann unter dem Haaransatz und wanderte zielstrebig über das Rückgrat zu den Füssen.
Er auch nicht.
Seit dem Stromausfall hatte sich die Tür zum Quartier nie geöffnet gehabt.

„Wie kam der her rein?!“
Chekov schüttelte vermutlich nur den Kopf. Zumindest zeugte verhalten raschelnder Stoff von dieser Annahme.
„Beamen?“, kam dann doch ein zögerlicher Vorschlag.
„Dann hätten wir das Licht gesehen“, warf Sulu ein und schüttelte sich.

Wie unheimlich. Wie kam man in einen verschlossenen Raum, ohne sich hinein zu beamen? Als Rauch durch die Lüftung? Gab es Wesen, die sich danach wieder verfestigen konnten? Schlich es längst als blinder Dunst um sie herum? War ihm deshalb so kalt die ganze Zeit?

„Wer sind Sie? Was wollen Sie?!“
Wieder blieb der Fremde die Antwort schuldig. War er überhaupt noch da?
„Oke, ich werde gehen“, bot sich Chekov an und Sulu beschloss, den Moment des Übermutes auszunutzen und ihm nicht zu widersprechen. „Chalt mich fest!“

Leise, wie auf Katzenpfoten, legten sich die Beiden auf den Bauch. Sulu hielt dabei Chekovs Fussgelenk umklammert, damit der Navigator sich sicherer fühlen und orientieren konnte, während er langsam in die Richtung über den Teppich kroch, in der er die Tür vermutete. Es dauerte fast eine Minute, bis er den kleinen Raum durchschlichen hatte.

Ein plötzlicher Ruck ging durch Pavels Körper und er kam so schnell zurück gekrabbelt, dass er um ein Haar dem überraschten Sulu ins Gesicht getreten hätte. Gemeinsam rutschten sie so schnell sie konnten zum Bett zurück und blieben mit pochendem Herzen sitzen.

„Er ist noch da!“, brachte Chekov stossweise hervor. „Er ist noch da! Es sind Stiefel, oder?“
„Ja“, bestätigte Sulu schaudernd, „es sind Stiefel!“

***

Ausser ihrem mühsam ruhig gehaltenen Atem hörte man lange nichts. Kein Knurren, kein Klackern, nur das leise Fauchen im Hintergrund, das Brummen der Schiffsmotoren und ihre klopfenden Herzen, die man bestimmt bis auf den Flur hören konnte. Der Fremde stand offenbar einfach da, starrte in ihre Richtung und tat nichts. Sulu war überzeugt, dass das die unheimlichste Begegnung seines Lebens sein müsse. Bestimmt konnte der Andere sie sehen, durch ein Nachtsichtgerät oder Augen, die für die Dunkelheit geschaffen waren. Unheimliche, grosse, gelbe Augen, weite Pupillen, die sich im Licht wieder zu schmalen Schlitzen- … Das Schiff ruckelte und sofort knurrte der Fremde ärgerlich.

„Pavel, hast du zufällig einen Phaser da?“
„Natyrlich nicht; die sind in den Quartieren verboten?!“
„Dann ein Messer vielleicht?“
„Bitte?!“, empörte sich Pavel so leise er konnte. „Ich bin Navigator und nicht beim Sichercheitsdienst! Ich bin anständig; ich chabe keine illegale Dinge chier.“
„Bis auf den Vodka“, warf Sulu leise ein.
„Und Whiskey“, gestand der Russe offen.
„Sake au- …“

Krrrrrrrrrrrrrr.
Sie verstummten abrupt. Vom kurzen Scherzen erlöst, hatte sie dieses Geräusch wieder grausam auf den Boden der Realität geschmettert. Hier zu sein. Mit einem Fremden. Einem unsichtbaren, knurrenden Fremden.

***

„Und wenn wir ihn anzynden? Oder das Bett? Vielleicht chat er Angst vor Feuer …“
Sulu nickte zustimmend. „Ja“, sagte er dann, als ihm einfiel, dass Pavel das im Dunkeln ja nicht erkennen konnte. Ein Feuer käme ihm jetzt gerade recht, es wurde immer kälter, wie ihm schien.
„’ikaru!“, rief der Russe plötzlich und der Angesprochene fuhr zusammen.
War es hier? Hatte es Chekov berührt?
Er hörte, wie Pavel kurz etwas über den Boden zog. Er musste etwas gefunden haben.

SCHNAPP.
Sulus Herz setzte für Sekunden aus. Ein Kommunikator! Jetzt konnten sie Hilfe rufen, das Sicherheitsteam würde kommen, mit Waffen und Taschenlampen und- … Ein trostloses Knistern kam anstelle des Zwitschern aus dem Gerät. Die Funkverbindung war gestört. Sie waren auf sich alleine gestellt.

„Okay, dann … Wo hast du das Zeug?“, wollte er flüsternd und hörbar enttäuscht wissen und kam auf den Feuerplan zurück.
„Der Vodka ist im Schrank. Neben der Tyr.“

Na toll …! Sulu stellte sich Chekovs betretenes Gesicht vor und unterdrückte den Seufzer. Sie würden also noch einmal dort hin müssen. Hin zum Fremden, der sie sehen konnte und diesmal vielleicht eingriff, wenn er ihre Absichten durchschaute.

Der junge Russe neben ihm hatte zu zittern begonnen. Ob vor Angst oder vor Kälte konnte er nur vermuten, und pietätvoll fragte er auch nicht danach. Er brachte es nicht übers Herz, Chekov noch einmal zur Tür zu schicken, und obwohl auch ihm das Mark in den Knochen bebte, bot er sich selber an.

„Danke!“, stammelte Pavel aufrichtig.
Es klang etwas gepresst, als müsse er neben der Angst auch die Kälte niederkämpfen.
„Kein Thema“, beruhigte ihn der Steuermann. „Ich schleiche mich zur Tür, hole den Vodka und da- …“

RUMMS.
Ein kräftiger Ruck ging durch das Schiff und brachte die Beiden aus dem Gleichgewicht.
„Da!“, rief Chekov aufgeregt und klang nach Weihnachtsmorgen, „Die Sterne!“
Tatsächlich waren vor den Fenstern tausende gelbe Punkte aufgetaucht.

Pfeeeeif!
Der „alle mal herhören“ Signalton wehte durchs Quartier und erschreckte die Beiden zu Tode.

„An die Besatzung: Hier spricht der Captain! Wir haben soeben eine plötzlich aufgetretene Raumblase mit Magnetsturm durchflogen, der Ausfälle in einigen Systemen verursacht hat. Ich bitte darum, allfällige blaue Flecken, sowie Geräusch -oder Geruchsbelästigungen zu entschuldigen, der Strom und das Lüftungssystem waren ebenfalls betroffen. Das Licht und die Heizung sollten in Kürze wieder funktionieren, der Maschinenraum arbeitet daran. Führungsstab, bitte um 21:00 Uhr zur Besprechung des Vorfalls in die Messe. Kirk Ende.“

Ein Magnetsturm also. Das erklärte zumindest das Frösteln und den Stromausfall, aber noch lange nicht das Knurren und den Fremden, der immer noch hier sein musste. Allerdings war das Kommunikationssystem wieder funktionsfähig, sie konnten den Sicherheitsdienst benachrichtigen …

BLINGG.
Das Licht kam ohne Vorwarnung. Geblendet kniffen die beiden Offiziere die Augen zu. Nur kurz, denn sobald es die Schmerzen zuliessen, blickten sie zur Tür, wo der Fremde nun in vollem Licht vor ihnen stehen musste. Doch da war er nicht.

Dort, in der Ecke wo Sulu den Besucher vermutet hatte, steckten aufrecht in der Halterung Chekovs Dienststiefel.

***

Überrascht, erleichtert und verlegen blickten sich die zwei Freunde an. Nur eine Sekunde, danach wandten sie beschämt die Augen voneinander ab. Wie peinlich! Es dauerte eine gute Minute, bis Sulu seine Stimme wieder fand.

„Sie … km, sie ist süss“, nickte er in Chekovs Schoss, wo dieser immer noch Irina festhielt.
Pavel lächelte schüchtern und nickte. Verlegen streichelte er dem Plüschfuchs zwei Mal über den Kopf. Die Stille danach wurde unerträglich laut.

Es war erneut Sulu, der sie brach. Betont kumpelhaft klopfte er Chekov auf die Schulter.
„Alles klar? Geht’s dir gut?“
„J-ja. Es geht mir gut. Frag … frag einfach nicht nach meiner Chose!“
„Du nach meiner auch nicht“, gab Sulu den Scherz erleichtert zurück. „Wir sollten- …“

Krrrrrr. Grrrrr.
Sulu und Chekov schluckten synchron. Nicht vor Schreck diesmal, sondern, weil sie keine Worte fanden. Wie die Schuhe und der Geruch, hatte sie auch das Geräusch in die Irre geleitet. Die Fantasie von der Angst beflügelt, hatten sie das Klackern im Lüftungsschacht für das Knurren eines Ungeheuers gehalten. Vermutlich hatte sich beim Schütteln einer der Rotorblätter gelöst, und sich bei jedem Belüftungsstoss flatternd im Lufthauch bewegt.

„Das … das darf nie, nie, NIE jemandem erfahren!“
„Niemals“, nickte Pavel ernst. „Diese Geschichte ist niemals passi’rt!“
„Welche Geschichte?“, scherzte Sulu erleichtert.
„Keine Geschichte. Die keine Geschichte, die nie niemals nicht passi’rt ist.“
„Genau. Die habe ich auch gemeint. Nicht gemeint, meine ich.“
Erlösendes Lachen beendete das Abenteuer.

Somit lautete Sulus Logbucheintrag für jenen Abend schlicht:
Am Abend mit Pavel Schach gespielt. Verloren. Magnetsturm durchflogen, danach Besprechung in der Messe. Sonst ereignisloser Tag. Nichts passiert. Nie niemals nichts ist passiert.

ENDE
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