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L'Chaim

von Laurie

Kapitel 1

Irgendwann nach Mitternacht, nachdem die Musik längst leiser geworden war, nachdem Hikaru und Ben Sulu längst unauffällig und Hand in Hand den Raum verlassen hatten, gefolgt von Nyota Uhura und Commander Spock, als das Buffet leergegessen war und Montgomery Scotty eingeschlafen war, stellte Jaylah ihren letzten Drink ab und fragte: „Was machen wir hier?“

Scotty, halb auf der Armlehne des Sofas ihr gegenüber liegend, schreckte hoch. Sein Blick huschte über die wenigen letzten Tänzer, über die kläglichen Überreste von Leonard Bones‘ improvisierter Dekoration und über die Armada an halbleeren Gläsern auf dem Tisch zwischen ihnen, ehe er sich, wenn auch mit einigen Schwierigkeiten, auf ihr Gesicht fixierte.

„Was haben Sie gesagt, Schätzchen?“

Der Schlaf haftete seiner Stimme noch deutlich an, aber Jaylah war zu sehr an einer Antwort auf ihre Frage interessiert, um ein schlechtes Gewissen zu haben, weil sie ihn aufgeweckt hatte.

„Was machen wir hier?“, wiederholte sie mit einer Geste, die den ganzen Raum umfasste. Sobald sie Montgomery Scottys verständnislose Miene richtig eingeordnet hatte, fügte sie hinzu: „Wieso sind wir alle hier? Wieso feiert ihr?“

Er blinzelte; ganz offensichtlich bereute er bereits die Tatsache, dass er sie tatkräftig in dem gutgemeinten, jedoch völlig vergeblichen Versuch unterstützt hatte, sie „ein wenig lockerer zu machen“.

„Na ja, der Captain hat Geburtstag“, sagte er, nicht sicher, worauf sie hinauswollte.

Jaylah machte eine ungeduldige Handbewegung. „Das weiß ich. Leonard Bones hat es mir erklärt. Aber wieso feiert ihr?“

Die Verwirrung auf Montgomery Scottys Gesicht verwandelte sich in etwas anderes, etwas, das sie nur bedingt erkannte. Sie hatte sich noch nicht lange genug in der Gesellschaft ihrer neuen Familie aufgehalten, um alle Eigenarten dieser Spezies namens „Mensch“ kennenzulernen und analysieren zu können ... aber war es möglich, dass Scotty sie voller Mitleid anblickte?

„So funktioniert das, Schätzchen. Geburtstage werden gefeiert. Macht man das dort, wo Sie herkommen, nicht?“

Ihr Blick verriet ihm alles, was er wissen musste, und schnell ruderte er zurück. „Ich meine nur, das ist ja nicht schlimm. Sie werden unsere Bräuche bestimmt schnell lernen, so klug, wie Sie sind, und zu diesen Bräuchen gehört es eben auch, Geburtstage zu feiern.“

Mit gerunzelter Stirn dachte Jaylah über diese Worte nach. Geburtstage feiern ... nein, dort, wo sie herkam, war so etwas nicht üblich. Und selbst, wenn es so gewesen wäre – in den letzten Jahren hatte sie kaum Gelegenheit dazu gehabt, dem Tag zu gedenken, an dem sie geboren worden war, ganz im Gegenteil.

Sie starrte auf die Gläser, überlegte, ob sie sich noch einen weiteren Drink besorgen sollte – diese menschlichen Getränke schmeckten angenehm süß, viel süßer als alles, was sie jemals gekannt hatte –, und beschloss dann, erst einmal ihren aktuellen Gedankengang zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen.

„Ich verstehe immer noch nicht. Wieso sollte man den Tag feiern, an dem man in dieser Welt ankam?“

Montgomery Scottys Mund verzog sich zu einem Lächeln – wie immer wusste sie nicht, was diesmal zu seiner Erheiterung geführt hatte; wirklich, diese Menschen waren schwerer zu durchschauen als die verzwicktesten Baupläne –, bevor sein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck annahm.

„Um die Leute daran zu erinnern, wie gut es ist, dass man auf der Welt ist“, antwortete er langsam, fast so, als befasste er sich zum ersten Mal bewusst mit diesem Thema. Jaylah zog die Augenbrauen zusammen, immer noch nicht zufrieden mit dieser spärlichen Erklärung, und er fügte hinzu: „Und ich glaube, vor allem geht es darum, das Leben an sich zu feiern. Um uns zu zeigen, wie wertvoll es ist.“

Das klang schon interessanter, und Jaylah betrachtete die ganze Angelegenheit von einem neuen Standpunkt aus. Sie ließ die Augen durch den Raum gleiten, über die Tänzer, über den grinsenden Pavel Chekov, über James T. und Leonard Bones, die in einer Ecke die Köpfe zusammensteckten ... Sie alle wirkten so glücklich, so gelöst.

In Jaylahs Kopf vermischten sich diese Bilder mit anderen, älteren Bildern ... ihr Vater, ihr kleiner Bruder ... Nein, dort, wo sie herkam, feierte man keine Geburtstage, aber es gab sehr wohl ein Fest, um das Leben an sich zu feiern – das war etwas, das sie bereitwillig akzeptieren konnte.

Scotty fuhr unterdessen mit seinen unbeholfenen Erklärungen fort, eifrig darum bemüht, ihr diesen verwirrenden menschlichen Brauch noch näherzubringen, und ohne viele Umstände unterbrach sie ihn.

„Kommen Sie, Montgomery Scotty.“

Ruckartig stand sie auf und wies ihn mit einer Handbewegung an, dasselbe zu tun.

„Was haben Sie vor?“, fragte er, erhob sich allerdings auf ein erneutes wortloses Drängen ihrerseits – nicht, ohne dabei gefährlich zu schwanken und sich mit leidender Miene an die Schläfen zu fassen.

„Ich will das Leben feiern“, sagte sie knapp und ließ ihn stehen, in der richtigen Annahme, dass er ihr folgen würde.

„Wie bitte?“

Fluchend hastete er ihr nach, bis zu der großen Box in der Ecke des Raumes, in der die Musik sich versteckte.

Jaylah musterte das Gerät. Die Technologie war ihr fremd, doch das stellte kein Hindernis dar. Sie hatte schon größere Herausforderungen gemeistert, und es dauerte nicht lange, ehe sie das gewünschte Ergebnis erzielte. Einige Schalter betätigen, einige Befehle eingeben, und schon verwandelte sich die bisher sanfte, einlullende Musik in ein ohrenbetäubendes Tosen. Wummern und Schreien, genau so, wie es ihr gefiel.

„Moment mal, Schätzchen, was ...“, brüllte Montgomery Scotty über den plötzlichen Lärm hinweg in ihr Ohr. „So war das nicht gemeint ...“

Inzwischen starrten ausnahmslos alle Anwesenden zu ihnen herüber, manche irritiert, manche verärgert, und manche mit einen kaum zu unterdrückenden Grinsen.

„Sie sagten, wir sollen das Leben feiern!“, schrie Jaylah zurück. „Das Wummern und Schreien macht, dass ich mich lebendig fühle!“

Und genau das tat es, in dieser Nacht mehr denn je. Die Musik pulsierte durch ihr Blut, das Hämmern der Bässe gab den Rhythmus ihres Herzschlags vor, und sie spürte, wie die Klänge ganz von selbst ihren Körper und ihr Denken übernahmen.

Scotty neben ihr sah aus, als wüsste er nicht, ob er lachen oder die Flucht ergreifen sollte; andere dagegen schienen den Wechsel der Musik mehr zu schätzen. James T. war einer der Ersten, der aufstand und zu der freien Fläche in der Mitte des Raumes schlenderte, die als Tanzfläche diente. Er zerrte einen wenig begeistert wirkenden Leonard Bones hinter sich her, Pavel Chekov und seine Abendbekanntschaft folgten ihnen, und bald hatten sich zwei Lager gebildet: Diejenigen, die vor dem Lärm in die ruhige Sicherheit Yorktowns flüchteten, und diejenigen, die die Möglichkeit, zu dieser späten Stunde noch einmal Schwung in ihr Leben zu bringen, mit Freunden annahmen. Alle Verbliebenen drängten sich auf der Tanzfläche, und Jaylah warf Montgomery Scotty einen erwartungsvollen Blick zu.

„Kommen Sie!“

Mit einem gequälten Schulterzucken fasste er sich erneut an die Schläfen, dann ergriff er ihre ausgestreckte Hand und ließ sich von ihr mitziehen – hinein in die Masse aus Körpern, in das Drehen und Lachen und Schwitzen und Wummern und Schreien.

Die nächste Stunde verschwamm zu einer undeutlichen Mischung aus Musik und Tanz, aus hämmerndem Herzen und atemlosem Grinsen, und später würde sie sich an James T.s überdeutlich mit den Lippen geformtes „Danke“ erinnern und an das Gefühl, so lebendig zu sein wie kaum je zuvor.

Sie tanzte mit Montgomery Scotty und James T., mit Leonard Bones und Pavel Chekov. Sie tanzte sogar mit Scottys kleinem Freund Keenser, und sie genoss jede einzelne Sekunde davon. Vielleicht, dachte sie, während Keensers schmale Finger die ihren fester packten und James T. ihr über den Rand seines Glases hinweg zulächelte, waren menschliche Bräuche doch einfacher zu verstehen, als sie angenommen hatte.

Und vielleicht fühlte sie sich in dieser Nacht so lebendig, weil sie zum ersten Mal nicht alleine tanzte.
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