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Stimmen im Wind

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Am Ende ist es nur die Erinnerung
an unsere Taten,
die unseren Tod überdauern wird
(Bajoranische Weisheit)



Flackerndes Kerzenlicht warf Schatten auf die weiß getünchten Wände des Tempels - und auf die hageren Züge des grauhaarigen Mannes in der langen roten Robe, der mit gesenktem Haupt vor dem kleinen Altar kniete und die Lippen im stummen Gebet bewegte. Das Geräusch sich nähernder Schritte unterbrach die Meditation des Vedeks.
„Du hast dich verspätet, mein Sohn“, sagte er mit leisem Tadel, ohne aufzusehen. Vielleicht war es die Tatsache, dass er keine Antwort erhielt, die den Geistlichen veranlasste, seinen Kopf zu heben. Vielleicht war es aber auch der kalte Hauch, der von einem Moment auf den anderen durch den Raum zu wehen schien, die Flammen der Kerzen noch mehr zum Flackern brachte und wie die flüchtige Berührung einer eisigen Hand über seinen Nacken strich.
Das Kerzenlicht spiegelte sich in der makellos glänzenden Klinge des schmalen Dolches, die sich in seine Kehle bohrte und sein Leben beendete, bevor er überhaupt begriff, was hier geschah.
„Schuldig“, flüsterte der junge Mann in der schlichten Kutte.
Schuldig, hallte es in unzähligen Echos verklingend von den Mauern wider.
Schuldig ...


***

In Gedanken war Odo gerade dabei, noch einmal alle Vorgänge des Tages durchzugehen, die sein Interesse geweckt hatten, und zu entscheiden, welcher von ihnen eine weitere Verfolgung verdiente. Quarks geheimnisvolle Besucherin, mit der er mehr als eine Stunde in ein angeregtes Gespräch vertieft in einer Nische seiner Bar verbracht hatte, gehörte dazu. Ebenso der dubiose rigellianische Frachtercaptain, der ihm seit seiner Ankunft mit so augenscheinlicher Zufälligkeit ausgewichen war, wann immer sie sich auf dem Promenadendeck oder im Kasino über den Weg zu laufen drohten, dass es kein Zufall sein konnte. Odo gestattete sich ein leises Seufzen. Wie gerne hätte er dieses Schiff in der Gestalt einer cardassianischen Ratte einer gründlichen Überprüfung unterzogen. Aber so wie die Dinge nun einmal waren, würde es wohl bei dem Wunsch bleiben.
Das leise Zischen, mit dem die Türhälften seines Büros auseinanderglitten, unterbrach die Überlegungen des Sicherheitschefs gerade, als diese sich der Frage zugewandt hatten, wie er Quarks Pläne, wie immer sie auch geartet waren, durchkreuzen konnte. Dies war einer der vielen Nachteile, die der Verlust der Formwandler-Eigenschaft mit sich brachte. Früher hätte er die Unterhaltung zwischen Quark und seinem Gast ohne Weiteres getarnt als Glas, Flasche, Tablett oder was sich sonst noch unauffällig in der näheren Umgebung der betreffenden Personen ausmachen würde, belauschen und sofort eingreifen können, wenn das Gespräch kriminelle Geschäfte zum Inhalt haben sollte.
„Ja?“ Fragend blickte Odo seinen späten Besucher an, dessen sanfte Gesichtszüge ihm nur flüchtig bekannt waren. Ein Umstand, der aus Odos Sicht klar zu Gunsten des jungen Mannes sprach. Bedeutete er doch, dass es sich bei ihm um einen unbescholtenen Bewohner der Station handelte, der noch niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. - Zumindest bis zu dieser Nacht, da er mit ausdrucksloser Miene einen schmalen blutbefleckten Dolch aus den Falten seines Gewandes zog, um ihn behutsam mitten zwischen die Papiere und Informationspadds auf den Schreibtisch des Sicherheitschefs zu legen.
„Er ist tot.“ Sein Tonfall war so gleichgültig wie der Blick seiner grauen Augen, welcher durch Odo hindurch auf irgendetwas gerichtet war, das nur er sehen konnte.
„Bitte nehmen Sie Platz“, sagte der Constable ruhig. Der Besucher machte einen seltsam abwesenden Eindruck. Es bestand die Möglichkeit, dass er eine Droge zu sich genommen hatte. Dies würde Doktor Bashir später feststellen. Seine Aufgabe war es zu klären, ob die Behauptung dieses jungen Mannes zutraf. Wofür das Blut an der Waffe sprach, das Blut an seinen Händen - und auch auf seiner roten Kutte, wo er es infolge der fast identischen Farbe des Kleidungsstücks erst jetzt bei näherem Hinsehen bemerkte.
Der Besucher war Odos Aufforderung, sich zu setzen, nicht nachgekommen. Aber das machte nichts. Dies war lediglich der klassische Satz gewesen, mit dem der Sicherheitschef jedes Verhör in seinem Büro einleitete. Und wie immer konnte er sich darauf verlassen, dass der Computer auf den von ihm programmierten Code reagiert, die Türen verriegelt und die Bandaufzeichnung gestartet hatte. Langsam lehnte Odo sich zurück. Früher war es ohne Bedeutung gewesen, aber seit er ein Solid geworden war, wusste er nur zu gut, wie unangenehm ein schmerzender Rücken sein konnte. Daher hatte er gelernt, auf eine entspannte Haltung zu achten - und er hatte den harten Stuhl seines Büros gegen einen Bequemeren austauschen lassen. Außerdem reagierten die meisten Übeltäter auf offen zur Schau gestellte Lässigkeit mit Nervosität - was ihm bei einer Vernehmung regelmäßig einen Vorteil verschaffte.
An seinem Gegenüber indessen prallte dieser kriminalistische Kniff wirkungslos ab. „Er ist tot“, wiederholte er monoton. „Ich habe ihn gerichtet. - Es musste sein. Verstehen Sie?“
„Nein“, antworte der Sicherheitschef. „Alles, was ich verstehe ist, dass Sie offenbar einen Mord verübt haben. Aber wen oder warum ...?“
Der Besucher ignorierte Odos Frage. „Sie haben es von mir verlangt ...“
Der Sicherheitschef spürte, wie seine Muskeln sich verkrampften. Dagegen halfen auch der bequeme Stuhl und die entspannte Haltung nichts. Ein Einzeltäter, das war eine Sache, besonders dann, wenn der Betreffende sich bereits im sicheren Gewahrsam dieses Büros befand. Sie hingegen bedeutete eine Anzahl von Kriminellen, die da draußen frei herumliefen, neue Straftaten planten. Sie womöglich hier und jetzt in diesem Moment schon an Unschuldigen begingen.
„Von wem reden Sie? Wer ist sie? Wurden Sie angestiftet, einen Mord zu begehen?“
Zum ersten Mal, seit er hereingekommen war, schien der Besucher Odo überhaupt wahrzunehmen. Sein Blick flackerte. Es war die erste Regung, die er zeigte, seit er das Büro betreten hatte. „Ich konnte nicht anders, ... sie haben es mir befohlen ...“
„Wer? - Wer war es, der Ihnen befohlen hat, einen anderen umzubringen?“
„Sie sind mit dem Wind gekommen, verstehen Sie ...“
„Wer? Wer ist mit dem Wind gekommen?“
Der junge Mann in der blutigen Kutte lächelte versonnen. „Die Stimmen“, sagte er. „Es waren die Stimmen ...“

***

Man musste Major Kira nicht besonders gut kennen, um zu merken, wie erschüttert sie war. Odo, in dessen Büro sie sich aufhielten, erging es nicht anders. Der Sicherheitschef teilte zwar weder den Glauben der Bajoranerin noch ihre Verehrung für die geistigen Führer ihres Volkes. Aber man musste den grausamen Mord an einem Vedek nicht als gotteslästerlichen Frevel betrachten, um ihn zu verabscheuen.
Außerdem empfand Odo jeden Schmerz Kiras wie einen eigenen. Hinzu kam, dass dieses Verbrechen ausgerechnet hier auf DS9 geschehen war. Ausgeübt an einem Bewohner dieser Station, für dessen Schutz er als Sicherheitschef verantwortlich gewesen war. Da änderte es nichts, dass die Tat von jemandem verübt worden war, dem niemand so etwas je zugetraut hätte.
Jamil Cyric, ein junger Prylar, der seit seiner Ankunft hier vor mehr als drei Monaten durch nichts aufgefallen war, was darauf hingewiesen hätte, dass er fähig wäre, einen Mord zu begehen. Ein sanfter, schüchterner Mann, der niemals seine Stimme hob. So gläubig. So voller Ehrfurcht für das Leben eines jeden Geschöpfes. Der geborene Priester hatte Vedek Seran es jedem gegenüber, der es hören wollte, immer wieder voller Stolz betont. Den Aussagen der übrigen Ordensangehörigen zufolge war das Verhältnis zwischen dem älteren Vedek und dem jungen Prylar dasjenige eines Mentors zu seinem Schüler gewesen. Ja, beinahe wie das eines Vaters zu seinem einzigen Sohn. Jamil Cyric hatte Vedek Seran bewundert - um in der vergangenen Nacht eben diesen Mann, den er so sehr verehrt hatte, auf geweihtem Boden vor dem Altar des Tempels beim Gebet zu erstechen.
Doktor Bashir hatte nach der sofort eingeleiteten Untersuchung Jamils Schuldunfähigkeit infolge Geistesgestörtheit diagnostiziert. Seitdem befand der junge Prylar, der in unregelmäßigen Abständen immer wie zu sich selbst wiederholte, im Wind seien Stimmen gewesen, die ihm befohlen hätten, den Schuldigen zu richten, sich auf der Krankenstation unter ärztlicher Betreuung. Nach Erledigung der nötigen Formalitäten, sollte er auf Wunsch der Kai nach Bajor in eine geschlossene Anstalt überführt werden.
Niemand war erstaunt gewesen, dass Captain Sisko bereits eine halbe Stunde nachdem Odo ihn aus dem Bett geholt hatte, um ihm das Verbrechen offiziell zu melden, von der Kai kontaktiert worden war. Das geistige Oberhaupt Bajors hatte überall Informanten. Und da der Tod eines Vedeks eindeutig Winns Zuständigkeitsbereich betraf, war dem Kommandanten von DS9 nichts Anderes übriggeblieben, als ihre Bestürzung zur Kenntnis zu nehmen. Und ihre in übertrieben höfliche Worte gekleidete Kritik an den mangelnden Sicherheitsbestimmungen, die erst verstummt war, als er ihr - ebenso höflich - die näheren Umstände der Tat erläutert hatte - sowie das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung. Beides schien sie ehrlich betroffen gemacht zu haben. Was sie indessen nicht daran gehindert hatte, deutlich klarzustellen, dass dies keine weltliche Angelegenheit - schon gar keine von Sisko oder der Föderation - sondern eine rein bajoranische war, die wegen der ausschließlichen Beteiligung von Geistlichen keiner staatlichen, sondern allein der religiösen Gerichtsbarkeit unterlag.
Nachdem Kira dies, wenn auch widerwillig, bestätigt hatte, war der Fall für Captain Sisko abgeschlossen gewesen. So sehr er das, was geschehen war, bedauerte, aber solche Dinge passierten nun einmal. Kein Lebewesen war gegen eine Erkrankung seines Gehirns gefeit. Die Kai hatte offenbar nicht die Absicht, Jamil für seine Tat verantwortlich zu machen. Auf Bajor würde der verwirrte Prylar in einer Spezialklinik behandelt werden. Sisko hätte ebenso entschieden. Daher hatte er keine Einwände erhoben und Julian Bashir gebeten, alles Erforderliche zu veranlassen, bevor er wieder schlafen gegangen war.
Kira jedoch war zu erregt gewesen, um seinem Beispiel zu folgen. Die Sinnlosigkeit des Ganzen machte ihr am meisten zu schaffen. Sie hatte Vedek Seran nicht besonders gut gekannt. Er war erst vor wenigen Monaten auf die Station gekommen. Und seit Bareils Tod hatte Kira den Tempel gemieden. Es hatte lange gedauert, bis sie ihren Glauben wiedergefunden hatte. Sie wollte nicht riskieren, ihn dort an jenem Ort, wo sie die Propheten vergeblich angefleht hatte, Bareils Leben zu retten, unter der Wucht der schmerzlichen Erinnerungen wieder zu verlieren. Aber es war nicht wichtig, dass sie Seran nur einige wenige Male auf dem Promenadendeck begegnet war. Er war ein Vedek gewesen, eine heilige unantastbare Person. Sein gewaltsamer Tod durch einen Prylar - durch einen Bajoraner - hatte an den Grundfesten ihres Weltbildes gerüttelt. Bashirs medizinischer Befund verwehrte ihr zudem noch den Trost, den Täter hassen zu dürfen.
Odo hatte keine Bemerkung darüber verloren, dass sie ihn, nachdem Sisko wieder zu Bett gegangen war, wortlos in sein Büro begleitet hatte. Er freute sich einfach nur über ihre Gesellschaft, auch wenn er sich gewünscht hätte, der Anlass wäre ein anderer. Sie hatte den angebotenen Platz abgelehnt. Sein Blick folgte ihr bei ihrer stummen Wanderung von einer Seite des Raumes zur anderen und wieder zurück. Es war erkennbar, dass sie keine Unterhaltung wollte. Zumindest keine, die von ihm begonnen wurde. Also schwieg er und beschränkte sich darauf, sie zu beobachten.
Schließlich blieb sie stehen und wandte ihm ihr Gesicht zu. „Warum, Odo? - Ich versuche es zu verstehen, aber ich lande immer wieder bei dieser einen Frage. Warum?“
„Nun, Doktor Bashir hat ...“
„Nein, nein ...“, unterbrach sie ihn. „Es geht mir nicht um Jamils Motiv. Julian ist der Fachmann. Wenn er sagt, dass Jamil für all das nichts konnte, seine Wahl vermutlich nur zufällig auf Seran gefallen ist, dass es jeder andere hätte sein können, der ihm in diesem verwirrten Zustand als erster über den Weg gelaufen wäre, dann glaube ich das. Was ich meine ist, wieso hat Winn so hartnäckig darauf bestanden, dass diese Sache offiziell als Unfall deklariert wird?“
Odo runzelte die Stirn. „Ich gebe zu, dass das ungewöhnlich ist. Aber anscheinend haben ihre Gründe Captain Sisko überzeugt. Ansonsten hätte er niemals zugestimmt.“
„Und Sie, sind Sie auch davon überzeugt?“
„Dass die Ermordung eines Vedeks durch einen Bajoraner, sofern sie publik werden würde, das Dogma von der Unantastbarkeit der geistigen Führer in Frage stellen und damit das auf der Religion aufgebaute Staatswesen Bajors bedrohen würde?“ Odo zuckte mit den Schultern. „Politik ist nicht mein Gebiet. Außerdem bin ich kein Bajoraner.“
„Sisko auch nicht.“
„Nein. Aber als Abgesandter betrachtet er es wahrscheinlich als seine heilige Pflicht, den bajoranischen Glauben dort zu schützen, wo es sich mit seinem Gewissen, den Interessen der Föderation und seiner Position als Kommandant von DS9 vereinbaren lässt.“ Sein Sarkasmus traf sie. Er konnte es an dem Ausdruck ihrer Augen sehen. Sofort empfand er Reue. Kira hegte keine Zweifel daran, dass Sisko der von den Propheten geschickte Abgesandte war, und er hatte ihre Gefühle nicht verletzen wollen.
Das hatte er niemals gewollt ...
„Sie als Bajoranerin müssten die Beweggründe der Kai doch am ehesten nachvollziehen können“, schwächte er seine voreiligen Worte ab.
Kira zögerte. „Sicher, unter normalen Umständen wäre es undenkbar, dass ein Prylar einen Vedek tötet. Wenn sich das herumsprechen würde ... Aber Jamil war ein Amok-Läufer. Die Tat eines geistig Verwirrten kann doch von niemandem ernsthaft als Angriff auf die Grundsätze unseres Glaubens gewertet werden ... “
Odo sah sie unverwandt an. „Wirklich nicht?“
Das leise Summen, das anzeigte, dass jemand den Sicherheitschef über Intercom sprechen wollte, enthob Kira einer Antwort.
Odos Aufmerksamkeit richtete sich auf den Monitor auf seinem Schreibtisch, auf dem nun das Gesicht von Julian Bashir erschien. „Ja, Doktor?“
„Dachte ich mir doch, dass Sie noch auf sind“, sagte der Arzt. „Ich wollte erst mit Ihnen reden, bevor ich den Captain wecke. Naja, sofern ich ihn dann überhaupt noch wecke. Es könnte ja sein, dass Sie der Meinung sind, meine Entdeckung wäre nicht weiter wichtig. Das überlasse ich Ihrem kriminalistischen Gespür. Ist Major Kira zufällig noch bei Ihnen? Sie hat Sie doch nach dem Gespräch vorhin bestimmt in Ihr Büro begleitet, nicht wahr? – Gut ...“, fuhr er fort als Odo bejahte ...
... ohne sich seine Überraschung anmerken zu lassen. Der Arzt schien Kira besser zu verstehen, als er ihm zugetraut hatte ...
„... es wird sie sicher auch interessieren, auf was ich gestoßen bin. Ich habe in meinem Bericht doch geschrieben, dass weder unsere noch die bajoranische Datenbank Angaben über identische oder wenigstens ähnliche Geisteskrankheiten enthalten. Keine Informationen über verwirrte Amok-Läufer, die auf den Befehl irgendwelcher Stimmen hingegangen sind und einen Mord verübt haben, dass der Fall Jamil also der erste bekannte dieser Art ist, richtig?“
„Richtig“, bestätigte Odo, der sich fragte, worauf der Mediziner hinauswollte.
„Eben nicht!“, widersprach Bashir. „Das heißt, mein Bericht ist durchaus korrekt. Laut den verfügbaren Daten gab es keine identischen Fälle - aber das trifft nicht zu!“
Kira warf Odo einen Seitenblick zu. „Dann sind die Datenbänke also unvollständig.“
„Nur die bajoranische“, berichtigte Bashir. „Als ich mich wegen der Formalitäten der Überweisung mit der Klinik auf Bajor in Verbindung gesetzt und dabei kurz Jamils Zustand erwähnt habe, meinte die diensthabende Schwester, dass sie dort schon eine Patientin mit ähnlichen Symptomen hätten. Eine junge Frau, die auch ständig von Stimmen faseln würde, die mit dem Wind zu ihr gekommen seien und ihr befohlen hätten, es zu tun. Was, das wollte die Schwester mir leider nicht verraten.“
Kiras Wangen hatten sich gerötet. Für einen kurzen Moment waren die eigenen Zweifel vergessen. „Die Datenbank hat also Lücken. Danke für den Hinweis! Im Gegensatz zur Föderation haben die meisten unserer Krankenhäuser gerade genug Personal, um die Patienten zu versorgen. Für eine zusätzliche Verwaltung fehlen uns leider die Mittel. Da kann es schon mal passieren, dass eine Eintragung vergessen wird, meinen Sie nicht?“
„Natürlich“, stimmte Bashir zu. Wie immer ein wenig verlegen, wenn sie dieses heikle Thema ihm gegenüber in einem Ton anschnitt, so als ob er persönlich die Schuld daran tragen würde, dass auf Bajor alles weniger perfekt als in der Föderation funktionierte. „Aber ...“, er machte eine Pause.
„... da war etwas, das Ihr Misstrauen geweckt hat“, kam ihm Odo zu Hilfe.
Bashir warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Ja, denn als ich nachhakte, wurde die Schwester plötzlich ganz kurz angebunden. Ich hatte den Eindruck, dass sie es bereute, die Patientin überhaupt erwähnt zu haben. So als würde ihr plötzlich bewusstwerden, dass sie damit gegen die Anweisung eines Vorgesetzten verstoßen hat. Verstehen Sie, was ich meine?“
Odo nickte. „Ich denke schon, Doktor. Fahren Sie fort!“
Kira schwieg. Aber ihre Miene verriet, dass sie diese Reaktion ebenfalls merkwürdig fand.
„Sie hatte es danach sehr eilig, das Gespräch zu beenden“, ging Julians Bericht weiter. „Es war irgendwie seltsam. Also habe ich danach gezielt alle Daten abgerufen, die weibliche Patienten dieser Klinik im Alter zwischen 16 bis 30 betrafen. - Die Schwester hat von einer jungen Frau gesprochen“, fügte er ergänzend hinzu als er Kiras Irritation bemerkte. „Zum Glück gab es nur einen einzigen Eintrag. Über eine gewisse Kala Eilan, 17 Jahre, eingeliefert vor sechs Monaten. Der Rest war nicht verfügbar.“
„Nicht verfügbar?“, wiederholte Odo nachdenklich.
„Eigenartig, nicht wahr? Weshalb sollte jemand einen Eintrag in einer medizinischen Datenbank, die ohnehin nur Ärzten zugänglich ist, durch einen Code schützen? Es sei denn, er würde beabsichtigen, den engen Kreis der Zugriffsberechtigen noch weiter ...“
„... einzuschränken“, beendete Odo den Satz. „Aber warum?“
„Das habe ich mich auch gefragt. Deshalb habe ich ... also nun ja, ich wollte ... ähm ...“
„Bei den Propheten, Julian!“ Kira machte eine ungeduldige Handbewegung. „Wir sind hier unter uns. Befürchten Sie etwa Odo oder ich hätten moralische Bedenken, einen Code zu knacken, wenn es in einer gerechten Sache eben nötig werden sollte? Denken Sie ich hätte die Besatzungszeit überlebt, wenn ich solche Skrupel gehabt hätte? - Und unser lieber Freund Quark wäre bestimmt glücklicher - und um einiges reicher, wenn Odo alle seine Codes so heilig achten würde wie Quark das gerne hätte, nicht wahr, Constable?“
Odo hüllte sich in beredtes Schweigen.
„Also schön“, nahm Kira den Faden wieder auf. „Sie wollten den Code knacken, Julian. Und, hatten Sie Erfolg?“
Bashir schüttelte den Kopf. „Nein, von einem Moment auf den anderen brach die Verbindung zum bajoranischen Zentralcomputer ab.“
„Dann wurde Ihr Versuch bemerkt?“
Erneut schüttelte der Arzt den Kopf. „Nein, die Verbindung brach ab, bevor ich überhaupt angefangen hatte. Und nun stellen Sie sich meine Überraschung vor, als es mir einige Minuten später gelungen war, eine neue Verbindung zu bekommen, und der Computer mir auf meine Anfrage nach den Daten von Kala Eilan mitteilte, dass zu diesem Namen kein Eintrag vorhanden sei.“
Eine steile Falte hatte sich auf Kiras Stirn gebildet. „Mir scheint, da wollte jemand auf Nummer sichergehen. Jemand der offenbar etwas zu verbergen hat.“
Julian nickte. „Bleibt die Frage wer?“
Odo beugte sich leicht nach vorne und stützte sein Kinn auf seinen Handknöchel. Eine Haltung, die er sich angewöhnt hatte, seit er ein Solid geworden war. Es half ihm dabei, sich in Situationen wie dieser zu konzentrieren.
„Ich denke, Doktor, wenn wir das Warum herausgefunden haben, kennen wir auch die Antwort auf Ihre Frage.“
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